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Das 1997 veröffentlichte Buch ‚The Grand Chessboard‘ (‚Das große Schachbrett‘), Brzezinskis Hauptwerk, gewährt einen tiefen Einblick in die langfristigen Interessen U.S.-amerikanischer Machtpolitik. Es enthält einen analytischen Abriß der geopolitischen Zielsetzungen der Vereinigten Staaten von Amerika für einen Zeitraum von dreissig Jahren.
In der deutschen Übersetzung heißt das Buch ‚Die einzige Weltmacht‘. Dieser Titel bezeichnet den ersten Grundsatz, nämlich den erklärten Willen, die ‚einzige‘ und — wie Brzezinski es nennt — sogar ‚letzte‘ Weltmacht zu sein.
Noch entscheidender ist jedoch die zweite Prämisse. Derzufolge ist Eurasien ‚das Schachbrett, auf dem der Kampf um globale Vorherrschaft auch in Zukunft ausgetragen wird‘. Diesem zweiten Grundsatz liegt die Einschätzung zugrunde, daß eine Macht, die in Eurasien die Vorherrschaft gewinnt, damit auch die Vorherrschaft über die gesamte übrige Welt gewonnen hätte.
‚Dieses riesige, merkwürdig geformte eurasische Schachbrett — das sich von Lissabon bis Wladiwostok erstreckt — ist der Schauplatz des global play, wobei ‚eine Dominanz auf dem gesamten eurasischen Kontinent noch heute die Voraussetzung für globale Vormachtstellung ist‘. Und zwar einfach deshalb, weil Eurasien der mit Abstand größte Kontinent ist, auf dem fünfundsiebzig Prozent der Weltbevölkerung leben und der drei Viertel der weltweit bekannten Energievorkommen beherbergt.
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RIVALEN UM DIE MACHT?
Brzezinski kommt zu dem Schluß, daß das erste Ziel amerikanischer Außenpolitik darin bestehen muß, »daß kein Staat oder keine Gruppe von Staaten die Fähigkeit erlangt, die Vereinigten Staaten aus Eurasien zu vertreiben oder auch nur deren Schiedsrichterrolle entscheidend zu beeinträchtigen.« Es gelte, »die Gefahr eines plötzlichen Aufstiegs einer neuen Macht erfolgreich« hinauszuschieben. Die U.S.A. verfolgen das Ziel, »die beherrschende Stellung Amerikas für noch mindestens eine Generation und vorzugsweise länger zu bewahren«. Sie müssen »das Emporkommen eines Rivalen um die Macht (...) vereiteln«.
Diese Äußerungen klingen zehn Jahre nach Erscheinen des Buches und nach dem Scheitern der Bush-Regierung außerordentlich fragwürdig. In seinem jüngsten Buch erkennt Brzezinski jedoch eine »zweite Chance«, das Bemühen um eine dauerhafte amerikanische Vorherrschaft umzusetzen. Dies wird besonders deutlich an der Rolle, die Brzezinski — ganz wie Obama — damals wie heute Europa zuspricht. Ein transatlantisch orientiertes Europa habe für die U.S.A. die Funktion eines Brückenkopfes auf dem eurasischen Kontinent. Gemäß dieser Logik würde eine EU-Erweiterung nach Osten zwangsläufig auch eine Osterweiterung der NATO nach sich ziehen. Diese wiederum — so die Idee — soll den amerikanischen Einfluß weit nach Zentralasien ausdehnen und einen Machtvorsprung gegenüber Konkurrenten sichern: »Amerikas zentrales geostrategisches Ziel in Europa läßt sich also ganz einfach zusammenfassen: Durch eine glaubwürdigere transatlantische Partnerschaft muß der Brückenkopf der U.S.A. auf dem eurasischen Kontinent so gefestigt werden, daß ein wachsendes Europa ein brauchbares Sprungbrett werden kann, von dem aus sich eine internationale Ordnung der Demokratie und Zusammenarbeit nach Eurasien hinein ausbreiten läßt«


ZWEITE CHANCE?
Seit Brzezinski diese Ziele formulierte, haben die U.S.A. einen starken Verlust geopolitischer Macht erfahren. In seinem jüngsten Buch »Second Chance« gibt er offen zu, daß der Plan einer direkten militärischen Besetzung einiger Länder des Nahen Ostens, wie sie den Neokonservativen vorschwebte, gescheitert ist. Doch diese Niederlage ist für Brzezinski nicht so massiv, daß er die 1997 formulierten Pläne einer US-Vorherrschaft in Eurasien grundsätzlich aufgeben möchte. Das Scheitern der direkten militärischen Machtausdehnung im Süden Eurasiens bedeutet für ihn lediglich, daß nun die von Europa ausgehende Osterweiterung der NATO an Priorität gewinnt. Dies bedeutet jedoch einen massiven Vorstoß in die russische Einflußsphäre. Damit würde nach dem Iran nun Rußland ins Fadenkreuz der U.S.-Geopolitik geraten.
Die ‚unipolare Welt‘, vor der Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz warnte, ist also keine Schimäre, sondern ein reales geopolitisches Projekt der U.S.A.. Dies ist auch daran ersichtlich, daß die Vereinigten Staaten im Zuge der Expansion der NATO nach Osten Tatsachen schaffen, ohne Rußland und China wirklich einzubeziehen bzw. deren Sicherheitsinteressen ernst zu nehmen.


RUSSLAND AUFTEILEN?
Es stellt sich die Frage, warum der Kalte Krieg trotz des Sieges des Kapitalismus offensichtlich in eine zweite Runde geht ...
Auch hinsichtlich dieser Frage finden sich Anhaltspunkte bei Brzezinski. Das Rußland-Station seines Hauptwerks »Die einzige Weltmacht«, fällt durch eine sehr polemische Überschrift auf. Er bezeichnet Rußland als »Das schwarze Loch«. Nach der Selbstauflösung der Sowjetunion gesteht Brzezinski Rußland kaum noch das Recht auf einen eigenen geopolitischen Einflußbereich zu. Das Bemühen, auf der Basis wirtschaftlicher Kooperationen und militärischer Zusammenarbeit Einfluß in einigen der ehemaligen Sowjetrepubliken zu bewahren, wird von Brzezinski als »geostrategische Wunschvorstellung« verworfen. Dagegen entwirft er das Bild eines zukünftigen Rußlands, das seine Bestrebungen nach geopolitisch selbständigem Handeln weitgehend aufgegeben hat und sich stattdessen in Fragen der Sicherheitspolitik der NATO und in Fragen der Wirtschaftspolitik dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank unterordnet.
Die Tatsache, daß russische Außenpolitiker Belarus, die Ukraine und andere ehemalige Sowjetrepubliken als ihre natürliche Einflußsphäre ansehen, bewertet Brzezinski unterschiedslos als »imperiale Restauration« oder »imperialistische Propaganda«. Versuche, in Zukunft eine geopolitisch bedeutende Position zurückzuerlangen, nennt er »nutzlose Bemühungen«. An einer Stelle schlägt Brzezinski sogar eine Spaltung Rußlands in drei oder vier Teile vor: »Einem locker konföderierten Rußland — bestehend aus einem europäischen Rußland, einer sibirischen Republik und einer fernöstlichen Republik — fiele es auch leichter, engere Wirtschaftsbeziehungen mit Europa, den neuen Staaten Zentralasiens und dem Osten zu pflegen«.
Die unverhohlene Arroganz, mit der sich Brzezinski 1997 über Rußland äußerte, zeigt, daß er dem ehemaligen Gegner im Kalten Krieg allenfalls die Rolle einer Kolonie bzw. eines Dritte-Welt-Landes zuordnet ...


EURASISCHE KOOPERATIONEN?
Die U.S.A. sind die größte Macht außerhalb Eurasiens. Wollen sie den eurasischen Kontinent dominieren, so geraten sie automatisch in einen Interessengegensatz zu Rußland. Dabei ist Rußland weit davon entfernt, die stärkste Macht auf dem eurasischen Kontinent zu sein. Wirtschaftlich wird Rußland nie mit China und Europa konkurrieren können. Allerdings ist das Land durch seine geographische Position im Zentrum der eurasischen Landmasse und seinen Rohstoffreichtum langfristig in der Lage, eurasische Kooperationen zu begründen.
So könnten etwa vertiefte Wirtschaftsbeziehungen zwischen Rußland und der EU letztere in die Lage versetzen, eine transatlantische Orientierung durch eine kontinentale zu ergänzen. Dies wiederum würde einen erheblichen Unabhängigkeitsgewinn Europas gegenüber den U.S.A. bedeuten. Für eine zunehmende Ostorientierung der EU spricht auch, daß russische und europäische Interessen langfristig komplementär sind. Von russischer Seite besteht eine große Nachfrage nach europäischer Technologie, während es Europa mittel- und langfristig schwer gelingen wird, seine Energieversorgung ohne russische Vorräte sicherzustellen.
In ganz ähnlicher Weise könnte ein Bündnis zwischen Rußland und China, welches sich bereits in der ‚Shanghai Cooperation Organisation‘ (SCO) herausbildet, langfristig ein zweites weltwirtschaftliches Zentrum in Asien begründen. Dies würde es den U.S.A. erschweren, ihren Einfluß im Nahen Osten und in Zentralasien zu wahren.


U.S.-HEGEMONIE NICHT AUFGEGEBEN?
Die geographisch begründeten Interessengegensätze zwischen Rußland und den U.S.A. erklären die amerikanische Rußlandpolitik seit dem Fall der Berliner Mauer.
Der neue Kalte Krieg erweist sich als die Fortsetzung des alten, insofern dieser nie wirklich aufgehört hat. Der Kalte Krieg wurde fortgesetzt, weil die U.S.A. mit dem Fall der Berliner Mauer nur eines ihrer beiden geopolitischen Ziele erreicht haben.
Das erste Ziel war zweifellos der Sieg des Kapitalismus über den Sozialismus. Doch das zweite Ziel — dies wird erst jetzt im Zuge der aktuellen Politik der U.S.A. deutlich — war die unangefochtene Vormachtstellung der U.S.A. in Eurasien, um die Welt in eine postnationalstaatliche Ordnung unter U.S.-amerikanischer Hegemonie zu überführen.


U.S.-VORHERRSCHAFT SCHON VERLOREN?
Die Welt des 21. Jahrhunderts wird voraussichtlich nicht mehr in demselben Maße von den Vereinigten Staaten geprägt werden, wie dies im letzten halben Jahrhundert der Fall war. In dem Maße, in dem unterschiedliche Kontinente und Kulturkreise sich über ein übernationales Rahmenwerk der geopolitischen Ordnung der Zukunft einig werden müssen, entsteht auch Raum für alternative Entwürfe.
An die Stelle einer von den U.S.A. dirigierten Globalisierung könnte ein Prozeß der offenen Aushandlung zwischen ungefähr gleich starken Mächten treten. Dadurch wäre der Westen weit mehr als bisher mit seiner eigenen Außenwahrnehmung konfrontiert.
Die heute noch allgemein akzeptierte Vorstellung vom »guten Abendland« dürfte erheblich ins Wanken geraten, wenn die Ausbeutung der »Dritten Welt«, die Praxis des Schuldenimperialismus und die Unterstützung von Diktaturen einmal Gegenstand einer geschichtlichen Erinnerung, ja möglicherweise sogar gerichtlichen Aufarbeitung werden würde.
Doch vielleicht ist genau dies die Zukunftsprognose, gegen die letztlich Brzezinskis Plan, einer U.S.-Vorherrschaft in Eurasien gerichtet ist. Und möglicherweise gilt dies nicht nur für Brzezinski, sondern für weite Teile der amerikanischen Elite. Einiges spricht dafür, daß der Glaube an die legitime Vorherrschaft der U.S.A. so eng mit dem Identitätsgefühl ihrer Elite verflochten ist, daß auch das offensichtliche Scheitern dieser Politik in der Ära Bush nicht zu einer neuen Orientierung führen wird. Der in Brzezinskis jüngstem Buch »Second Chance« entworfenen Plan durch eine vertiefte amerikanisch-europäische Zusammenarbeit die Vorherrschaft über Eurasien zu erlangen, deutet darauf hin. Dies scheint der letzte Strohhalm zu sein, nach dem die U.S.A. greifen könnten, um die Einsicht abzuwehren, daß die Vorherrschaft des Westens über ganz Eurasien weder politisch noch wirtschaftlich und erst recht nicht militärisch durchsetzbar ist.


„So, was haben wir gelernt?
Das von Obamas Berater vorgelegte geopolitische Konzept amerikanischer Vorherrschaft im 21. Jahrhundert bleibt abhängig von europäischer Kooperation. Ohne eine von der EU unterstützte Osterweiterung der NATO erwiese sich der Plan, ein von den U.S.A. dominiertes transeurasisches Sicherheitssystem zu schaffen, als unrealistisch. Und da kommen vielleicht die ersten kleinen Erfolge unserer europäischen Denkfabrik ins Spiel ...
Kann ich mal einen eurer Geschichtstunnel benutzen?“

Regie! Geschichtstunnel!
Stopp auf der Zeitschiene: 8. August 2008!


... russische Panzer rollen über Georgiens Grenze ...
... georgischer Regierungschef erwartet U.S.-Beistand ...
... vergeblich!

„Wichtiger als die Frage, von welcher Seite in jener Nacht in Süd-Ossetien der erste Schuss fallen wird, ist die Tatsache, daß zu diesem Zeitpunkt Georgien nicht Mitglied der NATO sein wird! Die Amerikaner wollten die Mitgliedschaft Georgiens. Zu ihrer grossen Überraschung haben gleich zehn NATO-Mitglieder das Ansinnen abgeschmettert, darunter Deutschland und Frankreich!
Wir sind dabei, die Botschaft zu verbreiten: Europas Interessenlage unterscheidet sich in wichtigen Punkten von der amerikanischen. Seiner eigenen geopolitischen Lage nach kann Europa sowohl atlantische als auch eurasische Kooperationen eingehen. Seinen eigenen Interessen am nächsten käme eine Politik, die sich sowohl nach Westen als auch nach Osten orientiert.
Um eine Ostorientierung der EU zu verhindern, versuchen die U.S.A. osteuropäische Staaten zu instrumentalisieren. Sollte es Brüssel nicht gelingen, den Regierungen Polens und Tschechiens die Stationierung amerikanischer Radar- und Abschußanlagen auszureden, so muss die Frage gestellt werden, welchen politischen Sinn und Zweck die Europäische Union eigentlich noch hat.
Brzezinskis geopolitische Analysen besitzen zwar eine Eigenlogik mit hoher Überzeugungskraft. Doch dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß ihre Prämissen falsch sind. Eurasien als Schachbrett zu betrachten ist auf den ersten Blick eine originelle Idee. Doch wie so viele Ideen, die Geschichtsmächtigkeit beansprucht haben, erweist sie sich bei genauerer Betrachtung als geistig leer und politisch verheerend.
Die Welt ist im 21. Jahrhundert multilateral eng miteinander verflochten und damit klein und zerbrechlich geworden. Geopolitische Machtspiele, die die Logik eines Schachspiels auf Kontinente übertragen, werden dieser neuen Situation nicht gerecht. Es ist daher erforderlich, die geopolitische Logik an sich zu relativieren und in Zweifel zu ziehen.
Statt den geopolitischen Machtkampf bis zum Äußersten zu treiben, kommt es heute darauf an, der geopolitischen Logik eine Denkweise entgegenzusetzen, die sich auf die Zivilisation als ganzes bezieht. Viel wichtiger als die Frage, ob das 21. Jahrhundert ein amerikanisches, europäisches oder chinesisches sein wird, ist die Frage, auf welchen Prämissen wir das Leben der menschlichen Gattung begründen wollen.
Ich finde, unter der Ära Bush haben die U.S.A. mit Guantánamo und mit der ‚Grünen Zone‘ in Bagdad ihre Vorschläge bereits eingereicht. Es bleibt abzuwarten, ob sie unter seinem Nachfolger zu einer zivilisierenden Korrektur in der Lage sein werden. Sollte jedoch das Streben nach globaler Vorherrschaft von den U.S.A. weiter verfolgt werden, sollte sich also Obamas ‚graue Eminenz‘ durchsetzen, muß Europa reagieren.
Als unabdingbarer Partner der U.S.A. verfügt nur die ‚alte Welt‘ über die Möglichkeit, den amerikanischen Plänen die Unterstützung zu entziehen. Und Europa sollte dies im Interesse der Zivilisation auch tun.“

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