kaklong kaklong kaklong ...
Festhalten!
Es wird jetzt etwas holperig, meine Damen
und Herren!
Über diese Schienen rollte ab 1964 ein
Berg an die Ostküste Afrikas. Nur zu
diesem Zweck war die Eisenbahnstrecke
gebaut worden, um einen Berg aus Afrika
über das Meer zu schaffen, bis nach
Asien! Als der Berg weg war, so gegen
Ende der siebziger Jahre, wurde die
Bahnlinie nicht mehr gebraucht. Wir sind
die ersten, die sie wieder nutzen.
Einer unserer Geschichtstunnel bringt uns
zum Berg, wie er war, bevor er nach Asien
verschwand. Er wird uns seine
erstaunliche Geschichte selber erzählen
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In den Ngwenya Hills bin ich mit mehr als
eintausendachthundert Metern der
zweithöchste Gipfel in diesem Land. Das
wurde um 1750 von Norden her durch
Menschen besiedelt, die es später nach
einem ihrer Könige Swaziland nannten.
Sich selber nannten sie Swazis.
Die ersten Menschen, die ich
kennenlernte, sahen anders aus. Sie waren
kleiner, und sie mochten, was ich ihnen
schenkte.
Es war vor ungefähr
dreiundvierzigtausend Jahren, da
kletterte der Führer einer wandernden
Gruppe von San zu mir herauf. Vielleicht
suchte er eine Höhle als Schutz für
seine Grossfamilie, vielleicht wollte er
das gewaltige Panorama bewundern, wie es
sich unterhalb meines Gipfels bis zum
Horizont erstreckt, als sich wellende
Tönungen von Grün, weit hinten sich
mischend mit strahlendem Blau und
wehendem Weiss von Himmel und Wolken.
Als er sich an den Abstieg machte,
liessen Sonnenstrahlen unter einem
Felsüberhang winzige Kristalle in einer
dunklen Steinschicht glimmern. Er strich
mit der Hand darüber, und weil der Stein
kühl war, strich er mit der Hand über
sein heisses Gesicht.
Er kehrte zurück zu seiner Gruppe, die
ihn ehrfurchtsvoll bestaunte. Auf seiner
dunklen Haut glimmerte es wie der
Widerschein einer Sternennacht.
Ich hatte den San das Sternenpuder
geschenkt.
Sie gewannen es aus dem feinkörnigen
Roteisenstein. Als ich sie an meiner
Flanke eine Erzschicht finden liess, die
noch feinkörniger war und die sich
zerrieben in Wasser lösen
lässt, hatten sie ein Getränk mit dem
Geschmack von Blut entdeckt. Das Erz
nannten sie Blutstein, es wurde
Bestandteil ihrer heiligen Zeremonien.
Die Stelle, aus der sie das Erz mit
Steinwerkzeugen holten, ist das älteste
Bergwerk der Welt.
Dann, etwa vierhundertfünfzig Jahre vor
Beginn der modernen Zeitrechnung, kamen
von Süden her Bantu-sprechende Siedler
in die Gegend. Ihre Werkzeuge, ihre
Waffen waren nicht mehr aus Stein, sie
waren aus Eisen.
Sie waren nicht interessiert an meinem
Sternenpulver.
Hinter Roteisenstein und Blutstein
entdeckten sie jenes Element, das
in Feuer geschmolzen und geschmiedet
meinen Tod einläutete.
Bei ihrem Mühen, das Erz aus meiner
Seite zu brechen, richteten sie noch
keinen grossen Schaden an. Die grösste
Narbe war hundert Meter lang,
fünfundzwanzig Meter breit, dreizehn
Meter tief.
Mein Tod kam in der Neuzeit mit der Bahn
aus Eisen, von Ngwenya an die Küste,
nach Lourenço Marques, dem späteren
Maputo.
Jahrzehntelang hatten Prospektoren
versucht, für das Erz aus meinem Bauch
Investoren zu interessieren. Es gelang
ihnen an der Johannesburger Börse. Die
Colonial Development Corporation und die
Anglo-American Corporation trieben dort
das nötige Kapital auf. 1964 war es
soweit, sie starteten mit mir ihr
globales Karussell.
Dynamit zerfetzte mich Stück für
Stück. Riesige Bagger räumten den
Schutt auf Förderbänder. Als staubige,
braune Brösel schaffte mich die Bahn
über zweihundertzehn Kilometer zum
Indischen Ozean. Der Hafen war vertieft
worden, damit drei gigantische, extra in
Norwegen gebaute Spezialschiffe anlegen
konnten. Sie kamen aus Europa, um mich
von Afrika nach Asien zu bringen. Jede
Reise dauerte zwei Wochen. In Japan
verschwand ich Schiffsladung für
Schiffsladung in einer
Eisenschmelze. Auferstanden unter
japanischem Autolack ging die Reise
abermals übers Meer. Auf jedem
Kontinent rollt jetzt ein Stück von mir.
1977 entschied der Konzern, es lohnt sich
nicht mehr, zu viel Schutt, zu wenig
Eisen.
Ich wurde zum Freilicht-Museum.
Im ausgescharrten Loch, umgeben von
kahlen Restwänden, etwa dort, wo meine
Mitte war, beugt sich jede Woche ein
schwarzer Mann über den dunklen Spiegel
des Grundwassers. Er füllt eine
Cola-Flasche. Das Wasser bringt er den
Menschen, mit denen er betet. Ach
er glaubt, er könnte noch Kraft aus mir
gewinnen ...
Um die Ecke sollte er klettern, über
Stahlstufen, die mit freundlicher
Unterstützung der Europäischen Union
über meine ausgekehlten Flanken führen,
zu jenem musealen Platz, wo ich den San
das Sternenpuder gab ...
BODENSCHÄTZE SIND FÜR AFRIKA KEINE
MENSCHENSCHÄTZE
kaklong kaklong kaklong ...
Sie wollen schon weg? Ich habe so selten
Besucher!
Nun,
wir haben das schon einmal gehört:
BODENSCHÄTZE SIND FÜR AFRIKA KEINE
MENSCHENSCHÄTZE?
Bei
unserer Spurensuche würden wir gerne
herausfinden, wie es dazu kam. Deshalb
müssen wir weiter
Aber da sind Sie hier doch richtig! Muss
der Berg erst zum Weisen kommen?
Oh von hier oben habe ich alles
gesehen!
Afrikanische Häuptlinge verkauften
Untertanen an Sklavenhändler, erst an
arabische, später an europäische. Auf
fernen Plantagen halfen verkaufte
Menschen aus Afrika den Reichtum Europas
und Nordamerikas zu mehren.
Afrikanische Häuptlinge verkauften
Elfenbein und Edelmetall an fremde
Händler. Die schafften es über die
Meere zur Weiterverwertung durch
Künstler und Handwerker in anderen
Teilen der Welt.
Statt aus den eigenen Ressourcen durch
die eigenen Menschen Mehrwert schaffen zu
lassen, vergaben afrikanische Häuptlinge
Konzessionen an Fremde.
Oh von hier oben habe ich den
König gesehen, der Afrikas verrückteste
Jagd auf Konzessionen erlaubte.
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In den Ngwenya Hills bin ich mit mehr als
eintausendachthundert Metern der
zweithöchste Gipfel 1880 kamen ins
Land zwei Prospektoren, Tom McLachlan und
Walter Carter. Sie verhandelten mit
Swazi-König Mbandzeni über eine
Konzession für das exklusive Recht, in
den Bergen nördlich des Komati-Flusses
nach Bodenschätzen zu suchen.
Zwei andere Prospektoren, James und David
Forbes, erhielten die Konzession,
dasselbe südlich des Komati zu tun. Als
sie Gold fanden, begann der Sturm auf
alle möglichen Konzessionen. König
Mbandzenis Hauptstädtchen Mbekelweni war
bald belagert durch europäische
Glücksritter. Als der König 1889 starb,
hatte er mehr als fünfhundert
Konzessionen vergeben. Die betrafen jede
nur denkbare Aktivität und nahezu jeden
Hektar seines Landes. Jede Konzession
brachte dem Besitzer ein Monopol. Dafür
verpflichtete er sich, dem König eine
jährliche Rente zu zahlen.
Doch was waren das für Konzessionen?
Eine erlaubte einer Mrs. Parr, als
einzige entlang von Eisenbahnstrecken
Erfrischungsräume einzurichten und zu
betreiben. Ein anderer Konzessionär
hatte sich tatsächlich das exklusive
Recht gesichert, eine Eisenbahnlinie zu
bauen und zu betreiben. Doch beide
Konzessionäre wurden durch einen dritten
blockiert. Der hatte das alleinige Recht,
den Dampf für Maschinen bereitzustellen
...
Für lange Zeit lebten die Menschen in
Swaziland auf geborgtem Land, nahezu
jedes Stück gehörte einem
Konzessionär. Nach dem
Englisch-Burischen Krieg begann eine
britische Kolonialverwaltung den Versuch,
durch gesetzliche Regelung Ansprüche
für nichtig zu erklären.
1921 wurde der einundzwanzig Jahre alte
Sobhuza II als König installiert. Ihm
gelang es, London zu bewegen, Land von
Konzessionären zu kaufen. Swazis zahlten
auf Bitten des Königs in einen
nationalen Fund, mit dem Land erworben
werden konnte, sobald es keine privaten
Ansprüche mehr gab. 1967 gewährten die
Briten den Swazis die Unabhängigkeit.
König Sobhuza führte sein Volk in eine
Ära, in der es wenig Unruhe gab, wenig
Korruption, wenig Ausbeutung. Die Swazis
hatten das Glück, einen gütigen,
starken und intelligenten Führer zu
haben ... Oh ja von hier oben habe
ich alles gesehen!
Sobhuza
II ? Da muss es doch einen Sobhuza I
gegeben haben?
Auch den habe ich gesehen von hier oben
...
Natürlich nannte er sich nicht Sobhuza
der Erste. Er konnte ja nicht wissen,
daß es noch einen König dieses Namens
geben würde etwa
einhundertsiebzig Jahre nach ihm.
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In den Ngwenya Hills bin ich mit mehr als
eintausendachthundert Metern der
zweithöchste Gipfel Die Menschen, die
aus dem Norden gekommen waren, um das
Jahr 1750, nannten sich selbst Nguni, und
ihr Häuptling hiess Dlamini. Die Nguni
spalteten sich auf, eine Gruppe kam in
diese Gegend, ihr Führer war Ngwane III.
Die Gruppe bestand aus wenigen Familien.
Sie siedelten in den Bergen über dem
Pongolo-Fluss.
Ich erinnere mich an die Beerdigung des
alten Ngwane. Das war auf dem Rücken
eines Berges in einem Tabu-Wald, der
seither eMbilaneni genannt wird
der geweihte Platz.
Nachkommen der Ngoltsheni-Familie stellen
bis heute Hüter des Grabes.
Ngwanes Grossenkel war Sobhuza, den wir
jetzt den Ersten nennen. Er hatte die
Ambitionen eines Staatengründers, und er
verfolgte diese Ambitionen mit Gewalt.
Seine Krieger unterwarfen eine
Volksgruppe nach der anderen unter das
Regime ihres Königs. Doch gegen die
kämpferischen Zulu brauchte Sobhuza
Verbündete. Portugiesische Händler aus
Lourenço Marques brachten die Feuerkraft
ihrer Gewehre zum Einsatz.
Aber sie brachten noch etwas anderes mit,
das das Leben der Menschen im südlichen
Afrika verändern sollte.
Es kam über ein frühes Karussel der
Globalisierung: Von Südamerika war es
mit den portugiesischen Kolonisatoren
nach Europa und nun mit portugiesischen
Händlern nach Afrika gelangt: MAIS!
kaklong kaklong kaklong ...
Mais,
seither Grundnahrungsmittel für viele
Afrikaner im gegenwärtigen
Karussel der Globalisierung jedoch Symbol
für kreativen Kapitalismus!
Das ist das Stichwort für den nächsten
Gast auf unserer rollenden Bühne.
Wir müssen uns jetzt wirklich
verabschieden.
Während wir uns wieder ankoppeln
ans internationale Schienennetz,
begrüssen wir einen Spinner und
Unruhestifter aus Deutschland!
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