Wieso bin ich hier? Wie
kam ich her?
Durch
einen Tunnel, Kofi, direkt in unseren
VIP-Salonwagen ... Ein Tunnel ist ja eine
direkte Verbindung zwischen zwei Punkten
der Geografie, die sonst nur über
langwierige Umwege miteinander verbunden
werden könnten. Auf dieser Reise werden
wir solche Tunnel-Verbindungen auch
zwischen Punkten der Geschichte
kennenlernen.
Weshalb bin ich eingeladen?
Wir
haben Leute mit Verdacht auf Tunnelblick
in den VIP-Salonwagen gebeten.
Tunnelblick?
Unter
Tunnelblick verstehen wir eine
Einschränkung des Gesichtsfeldes. Nur
Gegenstände in ungefährer Blickrichtung
werden noch wahrgenommen, seitlich
beziehungsweise darüber oder darunter
befindliche Objekte nicht mehr, ähnlich
wie beim Blick durch einen dunklen
Tunnel, wenn nur Dinge jenseits des
Tunnelausgangs zu erkennen sind.
Fasst man den Begriff des Sehens weiter,
nämlich eher im Sinne von
Einsehen,
Wahrnehmen oder
Erkennen, bekommt auch
Tunnelblick eine erweiterte Bedeutung.
Ein Tunnelblick in diesem Zusammenhang
meint die Unfähigkeit oder Unwilligkeit,
Dinge wahrzunehmen, die ausserhalb dessen
liegen, wofür sich der Betroffene aktiv
interessiert oder interessieren
sollte.
Man spricht im übertragenen Sinne auch
von Scheuklappen, denn
Scheuklappen verhindern, daß ein
Zugpferd Dinge sieht, die seitlich
passieren und es von seiner Aufgabe
ablenken könnten ...
Man könnte sagen, wir haben Zugpferde
mit und ohne Scheuklappen in unseren
Salonwagen gebeten!
Und zu welcher Kategorie gehöre
ich?
Um das
herauszufinden, haben wir jemanden
eingeladen, der sich in deinem Leben
umgeschaut hat, Kofi, wie es in diesem
Jahr aufgeschrieben wurde von Deinem
inoffiziellen Biografen.
Sein Rezensent, Ozodi Osuji, PhD, wird uns fünf Fragen
beantworten.
24
Ein Mann des Friedens in einer Welt
des Krieges
Erstens:
Was sollen wir von Annan halten?
Er ist ein
vollendeter Diplomat, er versteht
organisierte Politik, und er hat seine
Rolle gespielt, ohne daß er etwas kaputt
gemacht hätte. Afrikanische Politiker
haben ja die Tendenz, ihre Länder in den
Grund zu fahren siehe Mugabes
Simbabwe.
Es war auch eine Leistung, von ganz
unten, vom Posten als Verwaltungsbeamter
/ Kategorie 1, auf die höchste
Verwaltungsstufe der bürokratischen
UN-Leiter zu klettern. Generalsekretär
zu werden, vor allem für einen
Afrikaner, der sich mit weissem Rassismus
konfrontiert sah, das war schon etwas.
Zweitens:
Was ist sein Erbe?
Das Urteil darüber steht noch aus.
Drittens:
Wofür hat er gerade zu stehen?
Viele haben kritisiert, daß die
Vereinten Nationen angesichts des
Völkermordes in Ruanda zu langsam
reagiert haben. Vor seiner Ernennung zum
Generalsekretär war Annan zuständig
für das UN-Flüchtlingsprogramm. Als
Afrikaner musste er erleben wie Hutus
Tutsis töteten. Hat er nicht schnell
genug gehandelt, als aus
Geheimdienstberichten längst klar war,
was passieren würde? Noch sind nicht
alle Fakten bekannt, das Urteil muss
aufgeschoben werden.
Annan wird auch dafür kritisiert, daß
er es als UN-Generalsekretär nicht
geschafft hat, die Grossmächte dazu zu
bewegen, die Arab Janjaweed vom
Massakrieren schwarzer Sudanesen
abzuhalten.
Der dunkelste Punkt in Annans Amtszeit
bei den Vereinten Nationen war die Rolle
seines Sohnes Kojo in der
Öl-für-Lebensmittel-Affäre.
Nach dem ersten Irak-Krieg hatten die UN
Saddam Hussein erlaubt, gerade so viel
Erdöl zu veräussern, daß er
Lebensmittel für die Menschen im Irak
kaufen konnte. Die Vereinten Nationen
waren verantwortlich für die
Koordination der gesamten, äusserst
fragwürdigen Angelegenheit. Dieses
klassisch neokolonialistische Programm
war offensichtlich eine Einladung für
korrupte Manager. Annans Sohn aus erster
Ehe, Kojo, verschaffte sich uneingeladen
einige Verträge. Der Vater geriet in den
Verdacht, seinen Einfluss geltend gemacht
zu haben, damit der Sohn in diese
Position gelangen konnte. Verschiedene
Kommissionen untersuchten das
stümperhafte UN-Programm,
einschliesslich jener, die der frühere
Chef der amerikanischen Notenbank, Paul
Volker, leitete. Keine Untersuchung ergab
Hinweise auf ein falsches Verhalten
Annans. Wir nehmen dieses Ergebnis als
Nachweis dafür, daß Annan ein ehrlicher
Diener der internationalen Gemeinschaft
war.
Viertens:
Wie war Annans Verhältnis zu den U.S.A.?
Betrachten wir die politischen Umstände
des zweiten Irak-Krieges. Aussenminister
Colin Powell trat vor den Vereinten
Nationen auf und legte dem Sicherheitsrat
manipulierte Dokumente vor. Darin wurde
behauptet, Saddam Hussein verfüge über
Massenvernichtungswaffen. Er versuchte
so, die Zustimmung der UN für einen
Waffengang der U.S.A. gegen den Irak zu
gewinnen. Als das misslang,
interpretierten die U.S.A. eine frühere
UN-Resolution neu. Saddam sei der
UN-Aufforderung zur vollständigen
Waffenkontrolle nicht nachgekommen,
deshalb sei ein Angriff gerechtfertigt.
Es war klar, George Bush wollte den Krieg
auf jeden Fall, eine Zustimmung der
Vereinten Nationen sollte manipuliert
werden.
Kofi war gegen den Krieg. Was sollte er
tun? In jene Hand beissen, die seine
Organisation fütterte? Ohne Finanzierung
durch die U.S.A. würden die UN bald mit
dem Bauch nach oben schwimmen. So biss er
sich stattdessen auf die Zunge und sah
dem unverfrorenen Manöver Bushs
zu, die Welt zu täuschen, um dahin zu
gelangen, wohin er wollte.
Es bedarf einer erstaunlichen
Kaltblütigkeit des Charakters, sich von
den big boys nicht
vereinnahmen zu lassen, wenn man weiss,
daß nicht richtig ist, was sie, oder
einige von ihnen, wollen. Annan brachte
als Diplomat eine gewisse Raffinesse auf,
um das durchzustehen, um zu tolerieren,
was Bushs brutale Handlanger, die
arroganten neuen Weltherrscher ihr
der Welt als Schwindel zumuteten.
Fünftens:
Ist Annan ein Politiker, auf den die Welt
weiter bauen kann?
Das Bild Annans, das wir kennenlernen,
zeigt ihn als exzellenten Bürokraten und
als Friedensstifter. Aber es scheint, es
fehlt ihm an Initiative, und es ist zu
bezweifeln, ob er als politischer Führer
für eine Wählerschaft Ziele erarbeiten
könnte, die von dieser zu erreichen
wären.
Wie
Max Weber ausführte: Ein guter Bürokrat
ist nicht immer ein guter Politiker. Der
eine führt aus, was der andere vorgibt
Dag, wie hast du dich gesehen, als
Bürokrat oder als Politiker?
Wir
werden das später erfahren?
Wir
sind gespannt.
Dürfen wir vorstellen, Kofi dein
Vor... Vor... Vor ... Vorgänger, Mr. Dag
Hammarskjöld, und hier haben wir Mr.
John D. Rockefeller Jr. ... Sein Vater
hat der Welt das Licht gebracht.
ÖL FÜR LEBENSMITTEL ... äh, ich
meine ... FÜR DIE LAMPEN CHINAS?
Ah,
Kofi, du kennst die Geschichte?
Eine geniale Idee Ihres Herrn Vater
...
Nun,
Kofi, ganz so diplomatisch-höflich musst
du nicht mehr sein!
Dieser Rockefeller hier hat zwar die bis
heute anhaltende Geschäftsbeziehung mit
der Präsidenten-Familie Bush geölt,
sein Einstiegspartner war seinerzeit
Prescott Bush Vater
beziehungsweise Grossvater der beiden dir
bekannten Irak-Kriegsherren, aber, Kofi:
Vergiss endlich dein Bush-Trauma, du bist
in Rente!
Und, Mr. Rockefeller,
Gemach! Auf den Bush-Zusammenhang werden
wir bestimmt zurückkommen.
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