Das Ende der Kölner
Privatbank Herstatt im Sommer
1974 sorgte weltweit für Schlagzeilen.
Bis heute ist es eine der
spektakulärsten deutschen Firmenpleiten
nach dem Zweiten Weltkrieg: Mehr als eine
Milliarde Mark hatte ein kleines Team von
Herstatt-Devisenhändlern verspekuliert.
Zehntausende von Kleinsparern, aber auch
das Kölner Erzbistum und die Kasse der
Domstadt selbst wurden um horrende
Beträge gebracht. Bankchef Iwan D.
Herstatt wurde am 16. Februar 1984 vom
Landgericht Köln zwar zu viereinhalb
Jahren Haft verurteilt. Er beteuerte aber
bis zu seinem Tod 1995, er habe von den
Vorgängen in seinem Unternehmen nichts
gewusst.
Danke,
Herr Dunkler, für die Einspielung Ihres
Internet-Fundes. Doch wir bleiben weiter
überzeugt, die Faustregel im
Hochfinanzgeschäft lautet eher:
Je dreister, je feister!
DIE FLICK-AFFÄRE Teil 1
Oder: wie in Deutschland Politik gekauft
wurde
37
Der weißhaarige Alte, hager,
hochgewachsen, mit verkniffenem Gesicht,
gebietet über die grösste private
Wirtschaftsmacht der Bundesrepublik und
die drittgrösste Europas: Seine
Düsseldorfer Holdingfirma Friedrich
Flick KG beherrscht rund 330 Unternehmen
mit einem Jahresumsatz von zusammen 18
Milliarden DM und annähernd 300.000
Beschäftigten. Einschliesslich ihrer
Familienangehörigen ist mindestens eine
Million Menschen direkt vom Alten
Fritz abhängig. Kaum einer hat ihn
je gesehen, nur wenige wissen, wie er
aussieht ...
Anders
als auf unserer rollenden Bühne
nicht wahr, Mr. Rockefeller?
Stichwort: Consolidated Silesian
Steel Corporation?
Es geht zurück durch einen unserer
Geschichtstunnel, und dann arbeiten wir
uns langsam auf der Zeitschiene voran:
Das nach dem Ersten Weltkrieg durch
Friedrich Flick mit heimlichen
Staatszuschüssen erworbene Konglomerat
aus Bergbau- und Stahlbetrieben in
Oberschlesien war unter Druck geraten
37
Nach Artikel 8 des Genfer Abkommens hatte
die polnische Regierung ab 1937 das
Recht, Unternehmen der deutschen
Grossindustrie zu enteignen wenn
sie bis dahin infolge überhöhter
Steuerforderungen nicht schon pleite
gegangen waren. Da die finanzielle
Situation der deutschen Unternehmen immer
prekärer, der Druck der polnischen
Regierung immer nachhaltiger wurde,
konnte nur eine Radikalkur helfen. Wieder
fiel Flick eine passende Lösung ein.
Wenn die Polen Deutsche enteignen durften
und die Betriebe dringend Geld brauchten,
gab es nur eins: die Bismarckhütte mit
der Kattowitzer Bergbau AG mussten sich
unter das Dach einer amerikanischen
Holdinggesellschaft flüchten. Einen
amerikanischen Betrieb würde
Polen in Ruhe lassen, und amerikanisches
Geld könnte den angeschlagenen
Unternehmen wieder auf die Beine helfen.
Über den Stahlverein hatte er den
U.S.-Finanzier W.A. Harriman
kennengelernt. Der Wallstreet-Banker war
einer der grossen Gläubiger des
deutschen Stahltrusts. Harriman, Sohn des
legendären amerikanischen
Eisenbahnkönigs, später
U.S.-Handelsminister und
Sonderbotschafter, sah in den
notleidenden Kohle- und Erzgruben
Oberschlesiens offenbar pures Gold
schimmern ...
Harriman ... gründete in der ersten
Hälfte des Jahres 1929 in New York die
neue Holdinggesellschaft:
Consolidated Silesian Steel
Corporation ...
Auf
der Liste der Verwaltungsratsmitglieder
finden sich viele Namen der
Wallstreet-Hochfinanz, Mr. Rockefeller,
darunter Percy, der Sohn Ihres Onkels
William. Percy starb zwar 1934, aber
nicht das Rockefeller-Interesse am
absehbaren Kriegsboom der deutschen
Industrie.
Wir bitten noch einmal auf unsere
rollende Bühne: John Loftus, ehemaliger
Staatsanwalt der Abteilung für
Kriegsverbrechen des
U.S.-Justizministeriums. Er wird uns
bekannt machen mit einem zweiten
deutschen Grossindustriellen, der
zusammen mit Friedrich Flick,
U.S.-amerikanisches Kapital an die
Nazi-Tränke führte
Die amerikanische
Presse ist in all den
Jahrzehnten, in denen die Bush-Familie im
öffentlichen Leben stand, niemals auf
die historische Tatsache eingegangen,
daß Prescott Bush und sein
Schwiegervater George Herbert Walker
durch ihre Union Banking
Corporation (UBC), zusammen mit dem
deutschen Industriellen Fritz Thyssen,
vor und während des Zweiten Weltkrieges
Adolf Hitler finanziert haben.
Als Thyssen 1931 offiziell der
Nazi-Partei beitrat, bekam deren Bewegung
in Deutschland gerade Auftrieb. Dazu trug
neben dem charismatischen Auftreten
Hitlers die wirtschaftliche Depression
sowie Thyssens Bank voor Handel en
Scheepvaart in Amsterdam bei, die
im Jahr 1924 an der Gründung der
Union Banking Corporation in
New York beteiligt war.
Im September 1932 lud Thyssen eine Reihe
von Magnaten der deutschen industriellen
Elite auf seine Burg ein, um Hitler zu
treffen. Später erinnerte sich Thyssen,
Hitler habe in einer stundenlangen
Befragung äusserst
zufriedenstellende Antworten
gegeben. Geld aus Industriekreisen begann
für ihn zu fliessen, weil so
Thyssen seine
monarchistische Haltung
hinsichtlich Arbeiter- und
Klassenfragen beeindruckt hatte ...
Anders
als Hitler-Fan Thyssen betrieb Flick
seine frühe politische
Landschaftspflege mit den Augen
eines Buchhalters. Noch 1932 glaubte er
an den Fortbestand der Weimarer Republik
37
Als er einen Beitrag für den
Papen-Wahlfond spendete, schrieb er an
den deutschnationalen Pressezaren Alfred
Hugenberg:
Ich gebe Ihnen das Geld, damit bei
den kommenden Wahlen das Bürgertum sich
gegen die Nationalsozialisten
konsolidieren und die
nationalsozialistische Bewegung hindern
kann, früher oder später eine radikale
Wendung zu nehmen.
Doch als vorsichtiger Taktierer hatte er
bereits die ersten Kontakte zu den
Naziführern hergestellt. Über seinen
damaligen Privatsekretär Otto
Steinbrinck (höchstdekorierter
U-Boot-Führer des Ersten Weltkriegs)
liess sich der Konzernchef ab 1931
laufend über das wirtschaftliche und
politische Programm der NSDAP informieren
...
Der Konzernboss sah sich Hitler erstmals
am 27. Januar 1932 an, als dieser seine
berühmt gewordene Rede vor dem
Düsseldorfer Industrieclub hielt, die
als Beginn des Paktes zwischen der
deutschen Grossindustrie mit den Nazis
gilt. Flick war neugierig, den
stimmgewaltigen NSDAP-Führer näher
kennenzulernen, und liess von
Steinbrincks Freund Walter Funk (Hitlers
späterer erster Wirtschaftsminister)
wenige Tage nach der Düsseldorfer Rede
ein Gespräch unter vier Augen mit Hitler
arrangieren ... Herr Hitler redete
beinahe ununterbrochen, so daß ich kaum
zu Wort kam, erzählte Flick
später über sein erstes Zusammentreffen
mit dem späteren Diktator ... Flicks
erste Spende in die Parteikasse der
Braunen belief sich auf 50.000 Reichsmark
...
Thyssens und Flicks
Gewinne schnellten im
Jahr 1934 auf hunderte von Millionen, und
die Bank voor Handel en
Scheepvaart in Amsterdam sowie die
UBC in New York schwammen in
Geld. Prescott Bush wurde zum Chef der
UBC bestellt, er war
zuständig für das Tagesgeschäft auf
der Basis des neuen deutschen
Wirtschaftsplans. Bushs Anteile wuchsen
mit Hitlers neuer Ordnung.
Am 19. März 1934 zeigte Prescott Bush
Averell Hariman die frische Ausgabe der
New York Times. Die polnische
Regierung, so war da zu lesen, wolle die
Consolidated Silesian Steel
Corporation und die Upper
Silesian Coal and Steel Company von
deutschen und amerikanischen
Interessen übernehmen, weil dort
Mismanagement überhand nehme,
durch zügellose Kreditnahme, durch
fiktive Buchführung und durch
Spekulieren mit hinterlegten
Sicherheiten.
Die polnische Regierung verlangte von den
Besitzern der Unternehmen, die 45 Prozent
des polnischen Stahl produzierten,
zumindest alle ausstehenden Steuern zu
entrichten. Bush und Harriman
beauftragten das Anwaltsbüro von John
Foster Dulles, für eine eventuelle
Überprüfung die Eigendarstellung
aufzupolieren.
Hitlers Invasion in Polen machte solchen
Sorgen ein Ende. Die Nazis retteten die
Unternehmen von Thyssen, Flick und
Harriman vor polnischen Ansprüchen.
Und man einigte sich, bezahlte Arbeiter
durch Gefangene zu ersetzen. Die
Consolidated Silesian Steel
Corporation befand sich nahe der
polnischen Stadt Oswiecim, in einer
Gegend mit einem der reichsten polnischen
Mineralvorkommen.
Dort entstand das Konzentrationslager
Auschwitz.
Die Nazis transferierten Juden,
Kommunisten, Zigeuner in das Lager. Jene,
die arbeitsfähig waren, wurden in
dreissig verschiedene Unternehmen
gebracht, eines war die
Consolidated Silesian Steel
Corporation.
Niemand hat bisher diese Verbindung
hergestellt: Consolidated Silesian
Steel Corporation, Auschwitz und
Prescott Bush.
Das war der Grund, warum das Lager
Auschwitz dort gebaut wurde. Die
Kohlevorkommen sollten genutzt werden als
Heizkohle oder als destillierter Zusatz
zu Flugzeug-Treibstoff.
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18. April 1947: Der
Militärgerichtshof IV in
Nürnberg eröffnet das Verfahren im
Fall 5 gegen Friedrich Flick,
Otto Steinbrinck, Bernhard Weiss, Konrad
Kaletsch, Odilo Burkart und Hermann
Terberger ... Über 10.000 Seiten
Dokumente, die die U.S.-Rechercheure aus
den Konzernarchiven in Berlin,
Sulzbach-Rosenberg und Halle holten,
sollen die Kriegsschuld der Angeklagten
beweisen ...
Aus den Beweisdokumenten geht
beispielsweise hervor, daß Flick 1944
fast 50.000 Kriegsgefangene,
KZ-Häftlinge und Fremdarbeiter teilweise
unter den unwürdigsten Umständen in
seinen diversen, fast ausschliesslich der
Rüstungsproduktion dienenden Werken
beschäftigte. Daß dies nicht nur unter
dem Druck des Regimes geschah, beweisen
zahlreiche interne Papiere aus den
Konzernarchiven. Im Stahlwerk Gröditz,
das damals unter der Leitung von (Sohn)
Otto-Ernst Flick stand, wurden wenige
Tage vor Kriegsende, am 17. April 1945,
noch 186 erkrankte Häftlinge von der SS
erschossen.
Im (mitteldeutschen) Lauchhammer-Werk
arbeiteten zeitweilig 950 KZ-Häftlinge
unter ständiger SS-Bewachung täglich
von 6 bis 18 Uhr bei einer
Tagesverpflegung, die aus 250 Gramm Brot,
5 Gramm Fett und einem halben Liter Suppe
bestand ...
Aus den Akten geht ferner hervor, daß
Flick von 1933 bis 1945 insgesamt 7,65
Millionen Reichsmark für Spenden an die
Nazis ausgegeben hat ...
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