Wir merken, Herr Dunkler, das
Genre hat sie gepackt. Jetzt müssen Sie
bloss noch aufpassen, daß Ihnen niemand
Abkupfern vorwirft. Während unseres
Braunschweig-Ausflugs wurden Sie beim
eifrigen Notieren in der Planungsmappe
für Ihre Völkerschau beobachtet.
Wir haben uns erlaubt, ein wenig darin zu
blättern
Afrika
begegnet uns auf
ungewohnte Weise, voller Lebensfreude,
mit faszinierenden Tänzen, mit Musik und
atemberaubender Akrobatik und Artistik.
Kreative Sinnlichkeit vermittelt aber
nicht nur das Zirkustheater mit mehr als
120 Musikern, Tänzern, Artisten und
Akrobaten, sondern auch das eigens dafür
geschaffene Ensemble maurisch anmutender
Zeltpaläste. 25 Meter, höher als alle
Zirkuszelte, die jemals in Europa
standen, erhebt sich das Chapiteau. Innen
ist es bunt bemalt und mit Teppichen
ausgelegt, überdachte Gänge führen in
ein Café Africain und durch den
afrikanischen Markt sowie in eine Galerie
zeitgenössischer afrikanischer Kunst ...
Über zweitausend Zuschauer können die
Show bei jeder Vorstellung erleben.
Na ja, kaum zu vergleichen mit
den Zuschauerzahlen, die Buffalo Bill
allein in Braunschweig erreichte, aber
mit Café Africain, afrikanischem Markt,
sowie einer Galerie zeitgenössischer
afrikanischer Kunst ist immer noch jede
Menge zu verdienen
Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, daß
ein Euro jeder verkauften Eintrittskarte
der Afrika-Euro in einen
Fond fliessen wird, aus dem in
Zusammenarbeit mit der deutschen
Kommission der UNESCO sowie dem
Goethe-Institut ausschließlich
kulturelle Unternehmungen gefördert
werden ...
Gar kein Grund, sich zu
echauffieren, Herr Dunkler. Es ist doch
schön, daß Sie als Österreicher die
Welt ein bisschen bunter malen wollen,
und uns bleibt gar nichts anderes übrig,
als Ihnen dabei den grösst möglichen
Erfolg zu wünschen.
Die Welt weiss, daß ihr die Farbe BRAUN
droht, wenn ein Österreicher als
Kunstmaler scheitert ...
Und wir rollen wieder auf unserer
Zeitschiene.
Es ist die Nacht
vom
15. auf den 16. Dezember 1941. Den
Braunschweiger Bahnhof verlässt ein Zug,
der vom Ruhrgebiet kommend über die
Sammelstellen Osnabrück / Bielefeld,
Hannover und Braunschweig nach Riga
unterwegs ist.
Weitere werden folgen, häufig in
monatlichen Abständen nach
Warschau, nach Auschwitz, nach
Theresienstadt oder allgemein in
den Osten ... bis zum letzten Zug,
am 25. Februar 1945.
Hab ichs nicht gesagt? Da sind sie
wieder, die Viehwaggons!
Sie haben gesagt, die seien nie mehr
abzuhängen!
Keine Eisenbahn-Nostalgie mehr ohne
Erinnerung an die rostbraunen
Viehwaggons, haben sie gesagt, die
Stimmen ...
REGIE! INTERNET-VERBINDUNG
BITTE!
PROJEKT VERNETZTES
GEDÄCHTNIS!
Schon 1933 zeichnet
sich im Freistaat Braunschweig der
Judenhass des Naziregimes in
erschreckendem Masse ab. Der erste
Abtransport von Braunschweiger Juden
findet im Oktober 1938 statt. In einer
reichsweit stattfindenden Blitzaktion
werden vom 27. auf den 28. Oktober 1938
die im Deutschen Reich lebenden
polnischen Juden verhaftet und nach Polen
abgeschoben. Aus Braunschweig werden 69
Personen nach Zbaszyn in Polen gebracht.
Kuno Roth, einer der aus Braunschweig
abgeschobenen Juden erinnert sich:
Am nächsten Tag wurden wir (...)
durch die Gestapo zum Braunschweiger
Bahnhof gebracht. Dort wimmelte es von
Gestapo mit Maschinenpistolen. Ein
Personenzug wartete schon auf uns
verhaftete Juden ...
Diese Aktion betrifft auch die Eltern von
Herschel Grynszpan, dessen Attentat auf
den Legationssekretär der deutschen
Botschaft in Paris, Ernst von Rath, die
Nationalsozialisten im November 1938 als
Vorwand für die Verschärfung ihrer
antisemitischen Hetze und schließlich
für ein reichsweites Pogrom nehmen.
In der Folge dieser sogenannten
Reichskristallnacht vom 9. auf den 10.
November 1938 kommt es in Braunschweig zu
einer großen Verhaftungswelle. 149 Juden
werden vor den Augen der
Braunschweiger Bevölkerung in das
Konzentrationslager Buchenwald
verschleppt. Als man sie vier Wochen
später unter der Bedingung, ins Ausland
auszureisen, wieder frei lässt, folgen
viele der Anweisung.
Im Jahr 1939 werden von der Gestapo noch
226 Juden in Braunschweig festgestellt.
Jüdische Bürger Braunschweigs, die
nicht rechtzeitig emigrieren können,
werden in die Vernichtungslager im Osten
deportiert.
Am 16. Dezember 1942 ordnete Himmler die
Verschleppung der Sinti und Roma aus dem
Reichsgebiet in das Vernichtungslager
Auschwitz an. Vorbedingung waren die
systematische Ausgrenzung und Entrechtung
seit 1933, die vollständigen Erfassung
und die seit 1939 erfolgte
Festsetzung der
Zigeuner in Sammellagern.
Am 5. Juli
1939 schreibt der
Braunschweigische Minister des Innern an
den Polizeipräsident und an den
Oberbürgermeister der Stadt
Braunschweig:
Aus gegebener Veranlassung habe ich
den Lagerplatz für Zigeuner in dem
Stadtteil Braunschweig Veltenhof
besichtigt, um mich von der
zweckmäßigen Unterbringung der Zigeuner
zu überzeugen. Bei dieser Gelegenheit
habe ich jedoch festgestellt, daß auf
einem dem Landwirt Pickert in Rühme
gehörigen Hof, der den neu errichteten
Lehrlingswerkhütten der Volkswagenwerke
gegenüberliegt, noch Zigeuner in
Schrebergartenbuden hausen. Zwei Buden,
in denen etwa 20 Personen wohnen, fallen
ganz besonders unangenehm auf. Mit
Rücksicht darauf, daß führende Männer
von Partei und Staat, auch Ausländer die
Neubauten besichtigen, halte ich es für
dringend erforderlich, daß alle in der
Nähe der Volkswagenwerke befindlichen
Zigeuner mit der größten Beschleunigung
entfernt und auf den Zigeunerplatz in
Veltenhof untergebracht werden.
Im Oktober 1939 wird allen Sinti und Roma
im Deutschen Reich verboten, ihren
jeweiligen Aufenthaltsort ohne
polizeiliche Erlaubnis zu verlassen. Das
Wanderlager Veltenhof hinter den Gleisen
der Braunschweiger Hafenbahn erklärte
man 1943 zum offiziellen Sammellager für
Sinti und Roma aus ganz Niedersachsen.
Anfang März 1943 wurde das Lager von der
Polizei umstellt.
Frau T., eine Dorfbewohnerin, erinnert
sich: Drei Tage vorher wurde das
Telefon stillgelegt. Die Aktion muss bei
Dunkelheit früh morgens oder abends
stattgefunden haben.
In dem Braunschweiger
Internet-Projekt Vernetztes
Gedächtnis ist die Aussage von
Frau Elvira R. festgehalten. Ihre Familie
wohnte in Berlin, hier wurde sie 1929 als
jüngstes Kind geboren. Nach einigen
Jahren zog die Familie nach Aachen, wo
sie eine Wohnung hatte. Nach nur
anderthalb Jahren musste Elvira R. die
Schule dort wieder verlassen.
Und
dann haben wir da noch eine
Zeit gewohnt, dann kam die Zeit, wo die
ersten Lebensmittelkarten kamen. Da
wurden mein Bruder und meine Schwägerin
in Kassel verhaftet, und meine Schwester
war im Pflichtjahr beim Bauern, als
Haushälterin. Da ist meine Schwester
nach Kassel gefahren und hat die fünf
Kinder [des Bruders] geholt, der Kleinste
war neun Monate alt. Dann hat meine
Mutter ein Schreiben gekriegt, da stand
drin, In 24 Stunden die Stadt
verlassen. ... Dann sind wir in
Braunschweig angekommen ..., mit den
fünf Kindern von meinem Bruder. Ich war
damals ungefähr acht. ... Da hatten wir
nichts, keinen Wohnwagen, nichts, nur mit
dem Kinderwagen und sechs Kindern kamen
wir da an. Da haben uns die Verwandten
geholfen. Hinterher kam meine Schwester,
die mußte von ihrer Stelle weg, sie
durfte nicht mehr arbeiten, weil sie eine
Sintizza war. ... Meine Schwester ist
dann arbeiten gegangen beim
Kohlehändler, mein Vater hat in einer
Eisenfabrik gearbeitet. ... Ich bin zur
Schule gegangen, [aber ein] paar Tage
später mußten wir alle die Schule
verlassen. Nicht bloß ich, die ganzen
Braunschweiger [Sinti].
Dann sind wir bei den Bauern arbeiten
gegangen. Das war ja früher schon so,
die ganzen Braunschweiger Sinti haben
gearbeitet bei den Bauern, Mohrrüben
gehackt, Mohrrüben verziehen, Kartoffeln
roden hinter der Maschine, oder Erbsen,
Bohnen oder Gurken gepflückt. Manche
haben im Hafen gearbeitet. In die Schule
durften wir ja nicht, da sind wir
arbeiten gegangen ... Dann war ich
ungefähr zwölf, da ... hat meine Mutter
einen Brief gekriegt, da mußte ich eine
Zwangsarbeit machen, in einer
Wäscherei.
Das Mädchen musste jeden Tag den Weg zur
Wäscherei zu Fuß gehen, eine Strecke
von insgesamt fast 20 Kilometer, denn wie
in vielen anderen deutschen Städten war
den Sinti in Braunschweig verboten, Busse
und Straßenbahnen zu benutzen.
Anfang März 1943 wurde das Sammellager
in Braunschweig-Veltenhof von der Polizei
umstellt. Den Sinti wurden die Wertsachen
abgenommen, und sie wurden zum Bahnhof
gebracht.
Und einen Tag, das war am Sonnabend
... haben sie [die Polizisten] gesagt,
Keiner geht zur Arbeit!. ...
Da haben sie uns eingekreist. ... Sie
gingen Wagen für Wagen [und fragten], ob
wir Gold haben, Geld haben. Der
Kriminal[-beamte] Wenzel, der stand vor
unserem Wagen, er hat mit meiner Mutter
gesprochen. Meine Mutter hat eine rote
Sparbüchse gehabt, die war aber gemacht
wie ein Buch, und da hat sie ihm das Geld
gegeben. Und er hat es genommen und
einfach in seine Tasche reingetan und hat
es nicht notiert. Da hab ich zu meiner
Mutter gesagt, in unserer Sprache aber,
Mama, der Mann tut einfach das Geld
in seine Tasche rein. Da hat sie
gesagt, ich soll ruhig bleiben. Weil die
Alten, die haben das schon geahnt, die
haben das im Gefühl gehabt. Als wir in
die Züge reingegangen sind, da haben die
Älteren auch gesagt, Wir Alten,
wir kommen nicht mehr hier nach
Hause. ... Die [Kriminalpolizisten]
haben ja zu uns gesagt, wir kommen
irgendwohin, nach Polen, da kriegt jeder
sein kleines Häuschen, ein Stück Land
und Viehzeug, und das müßten wir dann
alleine bearbeiten.
Die Braunschweiger Sinti, unter ihnen
Elvira R., ihre Eltern und Geschwister,
wurden zusammen mit den Sinti aus Minden
und Hannover, die sich schon im Zug
befanden, nach Auschwitz-Birkenau
deportiert, wo sie am 3. März ankamen.
Wir Sinti und Roma waren Europas
Indianer
und jetzt alle:
ingeb.org/Lieder/lustigis.html
1.
Lustig ist das Zigeunerleben,
Fa-ria, fa-ria, ho.
Brauchen dem Kaiser kein Zins zu
geben,
Fa-ria, fa-ria, ho.
Lustig ist's im grünen Wald,
Wo des Zigeuners Aufenthalt,
|: Fa-ria, fa-ri-a, fa-ria, :|
ho.
2. Sollt uns einmal der
Hunger plagen,
Fa-ria, fa-ria, ho.
Tun wir uns ein Hirschlein jagen:
Fa-ria, fa-ria, ho.
Hirschlein nimm dich wohl in
Acht,
Wenn des Jägers Büchse kracht.
|: Fa-ria, fa-ri-a, fa-ria, :|
ho.
3. Sollt uns einmal der
Durst sehr quälen,
Fa-ria, fa-ria, ho.
Gehn wir hin zu Waldesquellen,
Fa-ria, fa-ria, ho.
Trinken das Wasser wie Moselwein,
Meinen, es müßte Champagner
sein.
|: Fa-ria, fa-ri-a, fa-ria, :|
ho.
4. Mädel, willst du
Tabak rauchen,
Fa-ria, fa-ria, ho.
Brauchst dir keine Pfeif' zu
kaufen,
Fa-ria, fa-ria, ho,
Pfeif' und Tabak hab' ich hier,
Geb' ich gerne, gerne dir.
|: Fa-ria, fa-ri-a, fa-ria, :|
ho.
5. Mädchen, willst du
Kaffee trinken,
Fa-ria, fa-ria, ho,
So mußt du die Schale schwenken,
Fa-ria, fa-ria, ho.
Schwenkst du dir die Schale
nicht,
Trinken wir auch den Kaffee
nicht.
|: Fa-ria, fa-ri-a, fa-ria, :|
ho.
6. Wenn uns tut der
Beutel hexen,
Fa-ria, fa-ria, ho.
Lassen wir unsre Taler wechseln,
Fa-ria, fa-ria, ho.
Wir treiben die Zigeunerkunst,
Da kommen die Taler wieder all zu
uns.
|: Fa-ria, fa-ri-a, fa-ria, :|
ho.
7. Wenn wir auch kein
Federbett haben,
Fa-ria, fa-ria, ho.
Tun wir uns ein Loch ausgraben,
Fa-ria, fa-ria, ho.
Legen Moos und Reisig 'nein,
Das soll uns ein Federbett sein.
|: Fa-ria, fa-ri-a, fa-ria, :|
ho. |
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