TAZARA
so heisst die Eisenbahnlinie, die die
Volksrepublik China vor drei Dekaden als
ihr erstes monumentales
Entwicklungsprojekt in Afrika baute. Sie
verbindet die Kupferminen Sambias vom
Westen her mit dem Hafen von Dar-es-Salaam
an der Ostküste Tansanias. Für
Passagiere ist es eine Reise von fast
drei Tagen und zwei Nächten.
Im April 2007 fährt ein TAZARA-Express
von Ost nach West ins Innere Afrikas.
Dabei gerät er wie ein runaway
wie ein ausserKontrolle geratener Zug
über immer neue Weichen in
unvorhersehbare Richtungen.
Tatsächlich hat die Kontrolle über den
Zug ein geheimnisvoller Spielleiter, der
durch Handlanger im Zug die Regiehebel
bedienen lässt. Und wie durch
Geisterhand gesteuert ist dieser Zug in
der Lage, durch Zeit und Raum auch auf
fernen Schienennetzen zu solchen
Stationen zu rollen, wo Rohstoffe und
Güter, aber auch Ideologien und
Machtansprüche darauf warteten, durch
die Eisenbahn abgeholt oder abgeladen zu
werden.
Bei Tunneldurchfahrten erscheinen in
einem Salonwagen dieser Geisterbahn immer
neue Persönlichkeiten der
Weltgeschichte, die sich
gelegentlich kommentiert von den übrigen
Mitreisenden der TAZARA auf eine
Debatte ihres Handelns einlassen, das auf
die eine oder andere Weise das Schicksal
der Menschen in Afrika aber nicht
nur dort beeinflusst hat oder noch
beeinflussen wird.
Auf der VIP-Liste des mysteriösen
Spielleiters stehen solche Akteure des
Weltspiels wie Dag Hammarskjöld, John
D. Rockefeller Jr., Leo Trotzki, Cecil
Rhodes, Albert Schweitzer, Henry
Kissinger, Kofi Annan, Bill Gates,
Joschka Fischer ... Über das
zuginterne Lautsprechersystem werden die
VIPs konfrontiert mit
wissenden Stimmen aus einem
anderen Teil der Geisterbahn.
Unter den ursprünglichen Reisenden
hocken in den TAZARA-Abteilen der Ersten
Klasse vier sambische
Geschäftsfrauen, zurück von einem
Einkaufstrip nach Dubai, ihr
Waren-Container rollt mit ihnen auf der
TAZARA ein Schneider aus Hong
Kong, der einst afrikanischen Politikern
preiswerte Diplomaten-Anzüge anpasste
und jetzt für einen Mr. Moon
afrikanische Opportunitäten ausspäht
ein Kurier, unterwegs mit
wertvollen Armbanduhren zur Geldwäsche
für Drogen- und Waffenhändler
ein deutscher Unternehmer, der es sich in
den Kopf gesetzt hat, in Afrika eine neue
Eisenbahnlinie zu bauen.
... Sie alle ahnen nicht, daß der
mysteriöse Spielleiter längst das Gleis
bestimmt hat, auf dem sie zusammen mit
ihrem Zug am Ende abgestellt werden.
Der Weichensteller, Harare, 15.
Februar 2009
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