Ich habe nicht den Zug mit den schwarzen
und purpurroten Schärpen gewählt! Ich
habe auch nicht den TAZARA-Express
gewählt. Und doch sind wir wohl auf dem
Weg ins Innere Afrikas, eine Art
Geisterzug vielleicht, aber doch keine
Klappsmühle, Mr. Rhodes und das
kann ich beurteilen!
In dieser Halle voller Staub und
voller Rost ...
... habe ich von dem Protokollführer
übernommen, der ...
... mit dem Zug von Durban kam als
zwölf Jahre vor ihm, im September 1870,
ein anderer Junge in Pietermaritzburg
angekommen war, der Sohn eines Pfarrers
im englischen Bishops Stortford. Zu
der Zeit war er siebzehn, nur ein Jahr
älter als der Protokollführer bei
seiner Ankunft. Dieser Junge war kein
Träumer ...
Dieser Junge waren Sie, Cecil John
Rhodes.
... Die Fahrt mit der Eisenbahn von
Durban an den Ort seines künftigen
Wirkens am Rande der Wildnis Afrikas war
es, die den Protokollführer jener Grenze
bewusst werden liess, die Ehrgeiz
überwinden kann, wenn er sich des
Erfindergeistes bedient.
Erst als es zu spät war, machte er die
Erfahrung, daß grenzenloser
Erfindergeist grenzenlosen Ehrgeiz nach
sich zieht und daß alles Wachstum
Grenzen hat ...
Ich habe übernommen vom Protokollführer
in dieser Halle voller Staub und Rost,
die seine letzte Zuflucht war von
meinem Vater, Harry J. Filmer Esqu..
Ich, Harry Filmer Jr., habe es
übernommen, seine Geschichte zu Ende zu
erzählen, mit meinen Worten, die
Geschichte von seinem persönlichen Ruin,
dem fünften und letzten Verlust des
Filmer-Vermögens.
1
1919: Mein Bruder Bob war in Frankreich
gefallen. Nach dem Waffenstillstand hatte
ich aus Europa meine irische Braut
mitgebracht. Die Farm, die ich vor dem
Krieg mit Vaters Hilfe in Swaziland
erworben hatte, war zwar ertragreich,
aber sie schien mir zu abgelegen für
eine junge Frau aus Europa. Ich verkaufte
sie für 15.000 Pfund, den Scheck gab ich
Vater zur Aufbewahrung, mit
Zeichnungsbefugnis für den Fall, daß
mir etwas zustiess.
Denn nun hatte ich mich wieder
eingelassen auf das Abenteuer seines
Lebens, auf die Suche nach und das
Spekulieren mit Diamanten.
Helen, meine Frau und inzwischen Mutter
unseres ersten Babys, lebte mit mir in
einer Hütte auf der Klipspruit-Farm im
westlichen Transvaal. Diese Farm
gehörte, wie die meisten anderen in der
Nachbarschaft, der Greig Diamond
Company, deren Managing Director
mein Vater war.
Das vielversprechende Diamantenvorkommen,
das Vaters Freund Tommy Greig vor
Kriegsausbruch entdeckt hatte, war
während des Krieges ungenutzt geblieben.
Die Aktien waren in den Keller gestürzt.
Jetzt, nach dem Krieg, schrie der Markt
wieder nach den glitzernden Steinen, als
seien sie Symbol für lange vermisste
Anmut und Schönheit.
Tommy Greig und mein Vater sicherten sich
in Wolmaransstad Optionen für den Grund
und Boden mehrerer Farmen. Die Regierung
vergab Grabungsrechte für Rooitplaats
und Kamelpan. Und dort versammelten sich
bald etwa siebzehntausend Männer aus
aller Herren Länder. Manche gruben in
einem Monat Diamanten im Wert von
mehreren tausend Pfund aus.
Aber Vater war überzeugt, Diamanten
würden nicht bloss dicht unter der
Oberfläche zu finden sein. Experten, die
er auf die Farmen brachte, bestärkten
ihn darin, nach Zeichen für den
sogenannten blue ground zu
suchen, nach einer Erdschicht, die unter
der Wasserlinie wie in einem Rohr
Edelsteine zusammengepresst hält. Sie
gruben und fanden Diamanten noch in
dreissig Fuss Tiefe.
In vielerlei Hinsicht erinnerte der Platz
an Kimberley, bevor Sie, Mr. Rhodes,
alles in wenigen Händen konzentrierten.
Wie Sie, hatte Vater mit tausenden
Diamantengräbern zu tun, die sich
winzige Claims gesichert hatten. Doch
anders, als Ihnen, gelang es ihm nicht,
das alles in wenigen Händen, in seinen
Händen zu konzentrieren.
Jede Greig-Diamanten-Aktie hatte bald
einen Wert von fast 2 Pfund, und Vater
kaufte 12.000 in meinem Namen. Er kaufte
auf, verkaufte dann wieder in Massen,
wartete bis dadurch die Aktien an Wert
verloren, kaufte sie für billiges Geld
zurück es war ein verrücktes,
ein aufregendes Spiel, wie gemacht für
meinen Vater. Es war das Spiel, das alle
grossen Finanziers spielten, und für
jene, die einen kühlen Kopf behielten
und die es geschickt genug betrieben,
brachte dieses Spiel Millionen und
fortdauernden Ruhm. Aber es war auch ein
Spiel, das den Spielern das unbekümmerte
Gefühl von Macht vermittelte.
Und mittendrin, als Vater schon alle
Trümpfe in der Hand zu halten meinte,
passierte jener atemberaubende,
schicksalhafte Moment, der durch alle
Zeiten den Zauber der Diamantenjagd
ausgemacht hat. Ein grosser Stein wurde
in Kamelpan gefunden.
Als Vater davon hörte, schrie er:
Es ist die vermisste Hälfte des
Cullinan!
Jahre zuvor, als in der Premier Mine nahe
von Pretoria der grösste Diamant
gefunden worden war, den die Welt jemals
gesehen hatte, da hatten viele geglaubt,
er sei nur Teil eines viel grösseren
Steins die Legende war geboren,
der Ehrgeiz eines jeden Diamantensuchers
angefacht.
Die Nachfrage nach Greig-Diamanten-Aktien
schoss unmittelbar durch die Decke. Meine
eigenen Aktien waren plötzlich 103.000
Pfund wert, und niemand weiss, wie hoch
der Wert der Aktien war, die mein Vater
hielt. Er hatte praktisch alle
aufgekauft, es war die Erfüllung seiner
Träume innerhalb ganz kurzer Zeit.
Der Stein wurde zur Begutachtung nach
Johannesburg gebracht und dann der
Absturz in noch kürzerer Zeit. Es war
ein wertloser Kristall.
Kein Unternehmen hätte einen solchen
Schlag verkraftet. Die Aktien fielen von
8 Pfund, 10 Shilling auf 7 Shilling, 6
Pence.
Dann bewirkte ein Einfluss von aussen das
noch schnellere Abgleiten der Lawine.
Amerika, auf dessen Nachfrage die ganze
Stärke des Marktes beruhte, verlor das
Interesse an Diamanten mit weniger als
Dreiviertel eines Karats. Das bedeutete,
die Masse aller gefundenen Steine war
praktisch wertlos.
Nervosität machte sich breit,
Diamanten-Aktien standen zum Verkauf. Da
machte Vater sein grösstes, sein
gefährlichstes Spiel. Um seine Verluste
auszugleichen, kaufte er, was immer ihm
möglich war.
Jetzt hätte er Hilfe gebraucht von
einflussreichen Freunden, von Banken ...
Oppenheimer half nicht, Banken liehen
Vater kein Geld mehr. Sir Abe Bailey,
unser Nachbar, hätte geholfen, wollte
aber die Gesamtkontrolle, das wollte
Vater nicht.
Doch Baileys Einfluss war immens,
unter anderem besass er Zeitungen. Er
veranlasste die Sunday Times und die Rand
Daily Mail, die Öffentlichkeit vor einer
möglichen Rezession zu warnen. Vater war
gezwungen, zu verkaufen für was immer
man ihm bot.
Eines Abends sagte er es meiner Mutter:
Ich bin am Ende ... und Harry habe
ich auch ruiniert!
Ich verkaufte unsere kleine Hütte und
die Minen-Geräte, die zu nichts mehr
nutze waren. Wir zogen zu den Eltern in
ein viel kleineres Haus, die Villa stand
schon leer. Vaters Anwaltsbüro wurde
geschlossen, Gläubiger holten sich die
Möbel, die Bücher, auch den riesigen
Chubb-Tresor, der erste in der Stadt, der
eine Wort-Kombination als Sicherung
vorzuweisen hatte. Etwas zerbrach in mir,
als ich sah, wie er fortgeschafft wurde,
sieben Fuss hoch, die vermeintlich
uneinnehmbare Zitadelle unserer
Wohlstandes ...
Für meine Mutter war finanzieller Ruin
nichts, das sie hätte zerbrechen
können. Sie hatte zu oft
Familien-Vermögen wachsen und zerinnen
sehen. Sie hatte nie gezweifelt, daß ihr
Mann das Unglück würde wenden können.
Doch diesmal war etwas anders, und der
Unterschied lag bei Vater. Etwas war
geschehen mit diesem ruhelosen, stets
zuversichtlichen Mann, der so lange Zeit
der Turm unserer Stärke gewesen war.
Seine Sprache wurde undeutlich und
zusammenhanglos, er redete wirr wie ein
kranker Mensch.
Es war das erste Mal, daß wir Vater in
das West Koppies Mental Hospital
in Pretoria einweisen lassen mussten.
Dort lief er herum wie ein sorgenfreies
Kind, immer auf der Suche nach einem
glänzenden Stück Glas oder einem
Quartz. Er hob es auf, zeigte es anderen
voller Freude und sagte: Es ist ein
Diamant!
Wenn ich den Computer abschalte,
spiegelt der dunkle Monitor mein eigenes
Gesicht, alterslos ... dann beuge ich
mich wieder über meinen Schreibblock und
notiere ...
Oh nein, mein Herr. Ich fasse nicht
zusammen. Das macht später der
Redakteur. Ich notiere nur das, was der
Redner sagt, und später schreibe ich
alles säuberlich auf.
Es gilt das gesprochene Wort!
Klick!
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