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Der Gefangene von „Robben Island“ wikipedia

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„Einen Tag später, am 18. Juli 1918 ... wurde ein neuer Königssohn geboren ... am anderen Ende der Welt ...“

... Wer hat Sie denn eingeladen?

„Keine Sorge, sehen Sie mich als Teil einer ‚jüdischen Verschwörung‘ in einem revolutionären Prozess, die Herren Trotzki und Witte kennen sich da aus ...
Doch spreche ich nicht vom Heiland, nicht von Kreuzigung!
Nur von einem der Welt verborgen gebliebenen Auferstehungswunder: Einen Tag nach der Ermordung der Zaren-Familie in Russland, am 18. Juli 1908, wurde in einem Dorf nahe Umtata, der Hauptstadt der Transkei in Südafrika einer zum Könighaus Thembu gehörenden Familie ein Sohn geboren: Rolihlahla Dalibhunga Mandela ...
Den britischen Namen Nelson erhielt er zur Einschulung. Als junger Mann entschied er sich gegen eine Karriere am Hof und studierte Jura. Während des Studiums trat er dem African National Congress bei, baute die Jugendorganisation auf ...
Und da kam ich ins Spiel ...“

Als einer seiner Jünger?

„War der Genosse Trotzki Lenins Jünger? Nein, ich war — wie er — ein Techniker der Revolution!
Ich bin Denis Goldberg, 1933 in Kapstadt geboren, von Beruf Diplom-Ingenieur. Meine Eltern machten mir schon früh bewusst, wie ungerecht das Apartheid-Regimes war. Ich begann, mich für schwarze Arbeiter zu engagieren. In den fünfziger Jahren entstand in Südafrika die Kongreßbewegung als ein vom ANC geführtes Bündnis von Organisationen verschiedener Hautfarben gegen die Apartheid. Ich wurde einer ihrer Aktivisten.
Die Kongreßbewegung verabschiedete auf ihrem ersten und einzigen Volkskongreß 1955 im Soweto-Stadtbezirk Kliptown die bekannte Freiheitscharta. Als Pretoria 1960 wegen des wachsenden Widerstandes, der alle südafrikanischen Ethnien umfaßte, den Notstand über das Land verhängte, wurde ich verhaftet und vier Monate lang ohne Gerichtsurteil eingesperrt.
Mit der Gründung des von Mandela geleiteten bewaffneten Flügels des ANC, Umkhonto we Sizwe, übersetzt: Speer der Nation, im Jahre 1961 wurde ich dessen Techniker. Ich gehörte dem Oberkommando an, als ich im Juli 1963 in Rivonia, einem Vorort von Johannesburg, der Sicherheitspolizei in die Hände fiel.
Im Prozeß gegen dieses Oberkommando, der als der Rivonia-Prozeß in die Geschichte Südafrikas einging, wurde ich 1964 als Angeklagter Nummer Drei nach Nelson Mandela und Walter Sisulu zu lebenslanger Haft verurteilt. Für die Gefangenen, zu denen auch Govan Mbeki, Ahmed Kathrada, Raymond Mhlaba, Elias Motsoaledi und Andrew Mlangeni gehörten, war die Todesstrafe beantragt worden ...“

Als aufgrund weltweiter Proteste dann doch ‚nur‘ lebenslänglich ausgesprochen wurde, rief einer der Angeklagten: ‚Leben! Zu leben ist wundervoll!‘ War das Mandela?

„Nein, ich rief es meiner Mutter zu, die die Urteilsverkündung im Gerichtssaal verfolgte.
Nelson Mandela war sehr, sehr würdevoll, und er hat als Anwalt unsere Verteidigungsstrategie mitbestimmt. Er war sich seiner Führungsrolle sehr bewusst, betrachtete sich als Anführer und akzeptierte seine besondere Verantwortung. Auf die Frage des Richters: ‚Bekennen Sie sich schuldig oder nicht schuldig?‘ antwortete er mit fester Stimme: ‚Nicht schuldig. Die Regierung sollte hier vor Gericht stehen.‘ Als er dann zum Ende seiner berühmten Rede kam, war seine und unsere Belastung und Anspannung in seiner Stimme zu hören. Er sagte, er hätte das Ideal von Menschen, die in Harmonie zusammen leben und er hoffe, daß er die Verwirklichung dieses Ideals erleben werde. Wenn es aber nötig sei, sei er auch bereit, für dieses Ideal zu sterben. Würdevoll war er auch am Ende des Prozesses. Obwohl er klar gemacht hatte, daß er bei einem Todesurteil nicht in Berufung gehen werde, lachte er schließlich, als der Richter uns alle zu lebenslänglich verurteilte.
Als einziger Weißer wurde ich zur Verbüßung der Strafe ins Zentralgefängnis von Pretoria verbracht, damals der einzige Hochsicherheitstrakt für weiße politische Gefangene in Südafrika. Meine Kameraden wurden auf die berüchtigte Gefängnisinsel Robben Island im Atlantik vor Kapstadt ausgeflogen ...
1982 streckte Pretoria erstmals seine Fühler zur Sondierung für geheime Gespräche mit Nelson Mandela aus. Die Rivonia-Gefangenen wurden von Robben Island ins Kapstädter Pollsmore-Gefängnis verlegt.
Ich war der erste, der 1985 nach zweiundzwanzig Jahren aus der Haft entlassen und zu meiner Familie ins Londoner Exil abgeschoben wurde. Nach und nach kamen auch die anderen Rivonia-Häftlinge frei. Nelson Mandela wurde 1990 als letzter entlassen, vorbereitet auf die Übernahme der Präsidentschaft in einem neuen demokratischen Südafrika! ...
Er war ein bemerkenswerter Präsident. Diese Rolle hatte für ihn bereits mit seiner Freilassung oder vielleicht sogar früher begonnen. In seiner Autobiografie schreibt er, daß er mit der Zeit begriffen habe, daß in einem neuen, nichtrassistischen Südafrika auch der Unterdrücker befreit werden müsse, ...“

... Auch der Unterdrücker befreit werden müsse?

„... ja, auch der Unterdrücker befreit werden müsse, genauso wie die Unterdrückten ihre Freiheit begreifen müssten. Er fasste seine Philosophie zusammen mit den Worten: ‚Frei zu sein reicht nicht, um die Ketten abzuwerfen. Man muss so leben, daß man die Freiheit der anderen fördert und verbessert.‘ Er lebte diese Philosophie ganz bewusst. Damals musste er ja auch versuchen, eine Konterrevolution der verbliebenen Militärs des Apartheidstaates zu verhindern, die alle ihre Jobs behalten hatten.“

Wie ging er mit denen um?

„Nelson Mandela sprach auf seine Art mit ihnen, überzeugte noch die härtesten alten Rassisten, daß sie einer sicheren Zukunft im neuen Südafrika entgegen gingen. Er behandelte diejenigen mit Toleranz, die meinten, er sei zu nachsichtig mit den alten Wächtern und ‚Gläubigen‘ der Apartheid. Mein Respekt war umso größer als er sich entschied, nur eine Amtszeit, also fünf Jahre, Präsident zu bleiben. Er etablierte das Prinzip der steten Erneuerung, um unsere Demokratie zu festigen, demokratiefähig zu bleiben. Ich habe auch nie gehört, daß er sein Amt eingefordert hätte, das er als Sohn eines Häuptlings ererbt hatte, eine traditionelle Autorität also. Seine Autorität gründet sich auf seine ureigenen Qualitäten als Führer in kollektiven Führungsgremien des ANC. Ich bewunderte auch seinen Respekt gegenüber dem Verfassungsgericht, als dieses seine Absicht zurückwies, das Prozedere bei den nächsten Wahlen etwas zu verändern. Er wollte die fragilen Institutionen unseres neuen demokratischen Systems stützen statt mit seiner parlamentarischen Mehrheit eine Entscheidung zu erzwingen.
Seine Präsidentschaft war eine Übergangsphase, und solche Zeiten sind immer voller Gefahren. Er hat das Land erfolgreich zusammengehalten, und das war die Grundlage für seine Nachfolger beim weiteren Wiederaufbau unseres Landes.“

Nelson Mandela ist weltweit einer der berühmtesten Politiker. Er mag nun zu gebrechlich sein, um leibhaftig hier zu erscheinen … aber manchmal erscheint er geradezu als Heiliger. Kennen Sie den Menschen dahinter?

„Ja, ich kenne den Menschen. Er hat all die potentiellen Schwächen eines menschlichen Wesens, vor allem einen Sinn für seine eigene Unfehlbarkeit. Aber er war immer willens, der Vernunft und vor allem der Weisheit Walter Sisulus Gehör zu schenken, und — falls nötig — gnädig nachzugeben. Aber nicht, was seine Grundprinzipien betraf. Er hat eine leise Selbstironie und er kann andere geradezu entzücken: Denken Sie an einen Staatspräsidenten, der seinen eigenen kleinen Tanz aufführt; denken Sie an seine informelle Kleidung. Seine Bereitschaft zur Vergebung wurde manchmal von seinen eigenen Anhängern kritisiert; aber das ist wohl kaum ein größere Schwäche. Irgendwie hat er es auch vermieden, zu kritisch gegenüber seinen Kampfgenossen und ihren Anhängern zu sein, weil er sich da auf Erzbischof Tutu als moralisches Gewissen unserer Gesellschaft verlassen kann.
Vielleicht, aber nur vielleicht, sollte Nelson Mandela seine moralische Autorität ein bisschen stärker zur Geltung bringen. Vielleicht kann man sagen, daß er sich vor allem dadurch auszeichnet, daß er anscheinend all der Lobhudelei widerstanden und nicht erlaubt hat, daß sie ihn nachteilig beeinflusst.“

Bevor wir im Geschichtstunnel umkehren und auf der Zeitschiene aus dem Jahr 2008 wieder zurückrollen in das Jahr 2007, Herr Goldberg, möchten sie Nelson Mandela zum Neunzigsten gratulieren?

„Herzlichen Glückwunsch, dear comrade. Ich hatte das Privileg mit vielen anderen einige Schritte mit dir auf dem langen Weg zur Freiheit zu gehen. Als du noch im Gefängnis warst, sangen die Leute in London: Rolihlahla Mandela, show us the way to freedom, freedom is in your hands, show us the way to freedom, freedom is in your hands. Du hast uns gezeigt, wie man prinzipientreu, entschlossen und vor allem frei von Vorurteilen und Bitterkeit und so wirklich frei sein kann.“

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