Nun, wenn es um Eisenbahn in
Afrika geht, denken wir alle ja erst
einmal an Cecil Rhodes, wie er als Koloss
mit Tropenhelm und Gewehr über dem
Kontinent aufragt, den einen Stiefel am
Kap, den anderen in Kairo, zwischen
beiden eine Eisenbahnlinie.
Wie sah die Afrika-Karte zu seiner Zeit
aus?
REGIE! Die Karte bitte!
Wir sehen
aneinandergereihte rote Flecken mehr oder
weniger in gerader Linie von Süd nach
Nord als Korridor britischen Einflusses
in Afrika. Da entlang sollte Rhodes
Eisenbahn-Trasse führen. Ungefähr in
der Mitte ist das dunkle Lila von Deutsch
Ostafrika im Wege. Und was unmittelbar
vor Ägypten hier rot erscheint, war
zuzeiten von Rhodes gar nicht rot,
sondern eher grün. Aber nicht Italiens
Anteil an Afrika ist damit gemeint,
sondern die Farbe des Koran!
Wir erkennen, es geht um den Sudan, und
der war für einige traumatische Jahre
dem britischen Einfluss entzogen durch
den radikal-islamistischen Mahdi, einen
selbsternannten Propheten Allahs, der
seinen Kamelreitern befohlen hatte, alle
Ungläubigen vom Gebiet des Sudan zu
vertreiben.
Zum Entsetzen des britischen Publikums
hatte nach der Einnahme Khartums am 26.
Januar 1885 einer seiner Lieblingshelden,
der berühmte Gordon Pascha, seinen Kopf
verloren, aufgespiesst auf einer Lanze,
als Trophäe für den Mahdi
Das Empire benötigte nun einen Mann, der
nicht so schnell seinen Kopf verlieren
würde
Und die Szene betrat ein
Militär-Ingenieur, der zuvor Palästina
und Zypern vermessen hatte, und wegen
seiner Kenntnisse arabischer Kultur und
Sprache als Armee-Spion in Ägypten
eingesetzt war.
Sein Auftrag: Rückeroberung des Sudan
von den Mahdisten (ohne zu grosse Kosten
zu verursachen)
Seine Idee: Bau einer Eisenbahnlinie (zur
Lösung des umständlichen und teuren
Nachschubproblems)
REGIE! ACHTUNG:
TUNNELVERBINDUNG ZWISCHEN PUNKTEN DER
GESCHICHTE!
1896 > SUDAN < 2004
Geh
hoch rein, nicht niedrig, ruft
Costello Garang Ring, Königssohn aus dem
Sudan, dem Piloten zu. Der reckt den
Daumen in die Höhe und nickt. Die
zehnsitzige Cessna sackt steil der
Buschpiste entgegen. Seit die Rebellen
vor drei Jahren die Stadt Kapoeta ganz im
Südosten des Sudan erobert haben, wird
theoretisch nicht mehr geschossen, aber
ganz sicher ist sich Garang Ring da
nicht. Die Maschine holpert auf die
Menschenmenge am Ende der Landebahn zu.
Garang Ring steigt aus und hinter ihm
sein Freund aus Bad Oldesloe in
Schleswig-Holstein / Deutschland.
Nachmittagshitze schlägt ihnen entgegen,
Trommeln aus Rinderhaut dröhnen, ein
Chor nackter Kinder singt, dirigiert von
einer Frau im grünen Kleid. Ein Mädchen
überreicht dem Deutschen statt
Blumenstrauß eine Blechdose, das
Etikett, Del Monte Frucht
Cocktail klebt noch daran. In der
Dose sind Gräser und ein paar stachelige
rote Beeren. Das Kind lächelt verlegen.
Dann bewegt sich der Tross die
Hauptstraße entlang, durch eine
Bürgerkriegslandschaft: Zerschossene
Armeelaster und Panzer säumen die Piste,
zersiebt von Maschinengewehrgarben ragen
Ruinen in den Himmel. Dazwischen Gras,
Büsche, ein paar Kühe und die rote Erde
der afrikanischen Steppe. Um Kapoeta
haben sie in 21 Jahren Bürgerkrieg hart
gekämpft, die arabische Regierung in der
nördlichen Hauptstadt Khartum und die
schwarze Abtrünnigen-Armee SPLA. Jetzt
sollen die Rebellen ihren eigenen
Teilstaat bekommen, den Südsudan.
Deshalb sind sie hier: der Königssohn
Garang Ring, der lange in Deutschland
studiert hat, und der millionenschwere
Eisenbahnunternehmer. Sie wollen Kapoeta
mit Hilfe deutscher Großunternehmen zur
Keimzelle für ein neues Land machen. In
vier Jahren könnte dann hier, in
Kapoeta, in der hintersten Ecke der
Dritten Welt, jeden Tag ein moderner Zug
halten, fahrplanmäßig morgens, Punkt
8.30 Uhr, so haben sich das Ingenieure im
fernen Bad Oldesloe ausgerechnet.
Wenn Ringelnatz wüsste, wie dicht ich
dran bin.
Ah, ist es das, wohin er will?
Mr. Moons Spezialist scheint recht zu
behalten: mit dem Mann ist zu rechnen!
REGIE! TUNNEL-UMKEHR!
Und jetzt kommt Ihre Ahnung
ins Spiel, Mrs. Lessing!
THE TRIUMPH OF THE SUN,
Wilbur Smiths süffig erzählte
Geschichte von Liebe und Leid
europäischer Siedler, Händler,
Diplomaten und Offiziere in Zeiten der
sudanesischen Mahdi-Plage.
Doch Wilbur Smith erzählt auch von Osman
Atlan, dem Anführer einer
Kamelreiter-Armee. Der hat aus dem Harem
des an Cholera hingerafften Mahdi die
schöne Rebecca geerbt, Tochter des bei
der Einnahme Khartums ebenfalls
gemetzelten britischen Konsuls.
Während sich nach dem Tod des Mahdi an
der sudanesischen Grenze wieder
britisch-ägyptische Truppen regen, regen
sich in einem sudanesischen Wüstenzelt
Osman und Rebecca im Liebesakt.
Nach ausführlicher Beschreibung
desselben, lässt Wilbur Smith auf Seite
591 Rebecca den düster nachdenklichen
Ausdruck auf dem Gesicht ihres Gebieters
bemerken
15 Da
ist irgendetwas, mein Gemahl, das dich
beunruhigt. Sie setzte sich auf und
bedeckte sich mit einem leichten Bettuch.
Wir sprachen einmal von einer
Dampfmaschine, die über Land fahren
kann, die auf Streifen aus Stahl
reist, sagte er.
Ich erinnere mich, mein Gebieter,
aber das war vor vielen Jahren.
Ich wünsche, diese Maschine
abermals zu debattieren. Wie war der
Name, den du ihr gabst?
Eisenbahn-Lokomotive, sprach
sie langsam vor.
Er versuchte, ihr nachzusprechen, aber
seine Lippen verhaspelten die Laute. An
ihren Augen sah er, daß er es nicht
geschafft hatte. Sie ist zu
schwierig, deine Sprache. Er
schüttelte den Kopf, ärgerlich
darüber, in etwas versagt zu haben, um
das er sich bemüht hatte. Ich
werde es Land-Dampfer nennen.
Ich werde verstehen, was du meinst.
Es ist eine bessere Bezeichnung als die
meine, mächtiger und präziser.
Gelegentlich war er wie ein kleiner
Junge, der einen Bonbon brauchte.
Wie viele Männer können mit
dieser Maschine reisen? Zehn? Zwanzig?
Bestimmt nicht mehr als fünfzig?
fragte er hoffnungsvoll.
Nun, wenn das Land eben ist, kann
es hundert Männer befördern, vielleicht
tausend, vielleicht ein paar
tausend.
Osman sah alarmiert aus. Wie weit
kann das Ding reisen?
Bis ans Ende seiner
Strecke.
Aber sicherlich kann es nicht einen
breiten Fluss wie den Atbara überqueren?
Da muss es anhalten.
Es kann, mein Gebieter.
Das glaube ich nicht. Der Atbara
ist tief und weit. Wie soll das möglich
sein?
Sie haben Männer, die nennen sie
Ingenieure, sie wissen, wie man eine
Brücke darüber baut.
Über den Atbara? Sie können keine
Brücke über einen so breiten Fluss
bauen. Verzweifelt versuchte er,
sich selbst zu überzeugen. Wo
wollen sie Baumstämme herkriegen, lang
und stark genug, um den Atbara zu
überspannen?
Sie werden die Brücke aus Stahl
machen, wie die Schienen auf denen es
rollt. Wie die Klinge deines
Schwerts, erläuterte Rebecca.
Aber warum stellst du so viele
Fragen, mein Gemahl?
Meine Spione im Norden haben mir
eine Nachricht geschickt, daß die
gottverfluchten Engländer begonnen
haben, diese Stahlbänder zu legen, von
Wadi Halfa südwärts quer durch den
grossen Nil-Bogen Richtung Metemma und
den Atbara.
Auf Seite 603 (es ist ein dicker
Wälzer!) hat sich Osman Atlan mit einem
Trupp seiner vertrauten aggagiers auf den
Weg durch die Wüste gemacht ...
Sie möchten wissen, was aggagiers sind?
Sagten wir nicht, daß Wilbur Smith
akribisch recherchiert? In seinem Glossar
lesen wir:
15 aggagiers
Elite-Krieger des Beja-Stammes aus
der Arab-Wüste
Er war auf der Suche nach der
Eisenbahnlinie von Wadi Halfa, von der
die Beduinen berichtet hatten. Seit
al-Jamal sie ihm beschrieben hatte, war
sie ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen.
Als er auf sie stiess, fand er einen
harmlosen silbernen Zwillingsstreifen im
brennenden Sand.
Er liess al-Noor und den Rest seines
Trupps auf dem Kamm einer Düne zurück
und ritt alleine hinab, um ihn zu
inspizieren. Er stieg ab und näherte
sich vorsichtig den glänzenden Schienen.
Sie waren mit eisernen Platten an
schweren Teak-Schwellen befestigt. Er
stiess eine Schiene an, sie war stabil
und unbeweglich. Er kniete nieder und
versuchte, mit dem Dolch einen eisernen
Bolzen zu lockern. Die Klinge brach in
zwei Teile.
Er stand auf und warf den Griff des
Messers weg. Verfluchtes Ding des
Satans! Das ist keine ehrenhafte Art,
einen Krieg zu führen.
Sein Wutanfall verhinderte nicht, daß er
einen Laut wahrnahm, der in der
Wüstenluft vibrierte, ein fernes Sausen,
wie das Atmen eines schlafenden Giganten.
Osman richtete sich im Sattel auf und
blickte entlang der Eisenbahnlinie nach
Norden. Am Horizont schwebte wie eine
winzige Feder Rauch.
Während er hinsah, kam es näher, so
überraschend schnell, daß die
fremdartige Form vor seinen Augen
anzuschwellen schien, während sie auf
ihn zuraste. Er wusste, das war der
Land-Dampfer, von dem
al-Jamal ihm erzählt hatte.
Er schwang al-Buqus Kopf herum und
zwang ihn in einen Galopp. Er musste eine
Viertelmeile zurücklegen, bevor er den
Fuss der Düne erreichte. Die Maschine
holte auf. Er blickte hinauf zum
Dünenkamm, sah die Silhouetten seiner
aggagiers. Sie waren abgestiegen, liessen
ihre Pferde ruhen.
Runter mit euch! schrie Osman
während er über den offenen Grund
preschte. Lasst die Ungläubigen
euch nicht sehen! Doch seine
Männer waren vierhundert Yards entfernt,
seine Stimme erreichte sie nicht. Sie
standen und starrten die heranbrausende
Maschine an. Plötzlich entliess das
Ungetüm eine Säule weissen Dampfes mit
einem grellen Ton wie das Heulen eines
verrückt gewordenen jinns. Betäubt,
ohne einen Versuch, sich zu verbergen,
standen sie und starrten. Es war wie eine
mächtige Schlange, deren Kopf zischte,
heulte, Wolken von Rauch und Dampf
ausstiess, und deren Körper sich bis zum
Horizont zu winden schien.
Sie haben euch entdeckt!
versuchte Osman, sie zu warnen.
Vorsicht! Vorsicht! Jetzt
konnten sie sehen, daß die rollenden
Wagen mit Stahlgeländern und
Stahlkästen ausgerüstet waren. Auf dem
letzten machten sie die Köpfe von einem
halben Dutzend Männer aus, die sich
hinter einige seltsame Apparate duckten.
Vorsicht! Osman jagte über
den Sandhang hinauf, war fast oben. Seine
Stimme war umgeschlagen in Verzweiflung.
Plötzlich explodierte der gelbe Sand
unter den Füssen der aggagiers und ihrer
Pferde in stiebende Wolken von Staub. Es
war als sei der khamsin-Wind über sie
hinweg gefegt. Das furchtbare Geräusch
der hämmernden Maxim-Maschinengewehre
folgte dicht dem Hagel der Geschosse. Der
Trupp von Männern und Pferden löste
sich auf, weggeblasen wie tote Blätter
...
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