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Den kannte ich doch ... Er arbeitete eine
Treppe tiefer bei der Johannesburger Rand
Daily Mail. Von dort hallte der
Lärm der Druckmaschinen durch das ganze
Bürogebäude. Es gab nur ein
Kurbeltelefon für alle, auch für die
Redaktion. Das hing an der Wand im
hinteren Teil des Flurs vor meiner
Anwaltskanzlei.
Zu jener Zeit verdiente sich mein Junge
ein paar Cent als Laufbursche, sein
Hauptgeschäft war das Beantworten des
Telefons, und die meisten Anrufe kamen
für diesen Redakteur. Wenn mein Sohn ihn
rief, eilte er die Treppe herauf, ohne
Rock, aber immer mit einer langen
Zigarettenspitze zwischen den Zähnen.
Ich habe ihn ein paarmal eingeladen zu
Treffen mit Persönlichkeiten, die ihn
interessierten.
Keiner von uns hätte damals geglaubt,
daß aus dem jungen Mann der bedeutendste
Krimiautor des zwanzigsten Jahrhunderts
werden würde ...
Jedenfalls schien er bald schon die
detektivische Nase für einen Reporter-Scoop
zu haben ... per Eisenbahn ...
Es
spricht Edgar Wallace:
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Um
uns Pressekorrespondenten
von den geheimen
Friedensverhandlungen in Vereeniging
fernzuhalten, hatte Lord
Kitchener das Lager mit
Stacheldraht und
bewaffneten Wachen
umgeben. Er, der sich bei
seinem militärischen
Triumph im Sudan
erfolgreich der Eisenbahn
bedient hatte, übersah,
daß die Eisenbahnlinie
von Pretoria dicht an
seinem Verhandlungscamp
vorbeiführte. Ich
berichtete damals für
die London Daily
Mail. Meine
Kollegen, die sich an die
offiziellen
Presseverlautbarungen
hielten, machten sich in
Pretorias Bars lustig
darüber, daß dieser
Wallace unentwegt mit dem
Zug unterwegs war. Was
würde es bringen,
dauernd an Kitcheners
Camp vorüberzuzuckeln?
Nun, ich wurde zum
Erfinder des
Scheckbuch-Journalismus,
und ich bin stolz darauf!
Ich hatte einen Soldaten
ausfindig gemacht, der
seinen täglichen Dienst
nahe beim
Verhandlungszelt schob.
Dem gab ich drei
Taschentücher, ein rotes
(nichts passiert!), ein
blaues (Fortschritt!) und
ein weisses
(Friedensvertrag wird
unterzeichnet!).
An einem klaren Mai-Abend
des Jahres 1902, nach
vielen vergeblichen
Zugfahrten, sah ich
meinen Mann. Er
schnäuzte sich die Nase,
mit einem weissen
Taschentuch.
Der Chefredakteur der
Daily Mail
erhielt kurz darauf per
Telegramm eine einzige
Zeile: Have bought
you 1000 Rand Collieries
40s 6d das
war der vereinbarte Code
für: Peace
absolutely assured
Frieden
absolut
sicher! |
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Ohm Kruger ging ins
Exil in die ferne Schweiz.
Der Buren-Krieg war vorbei.
Die alten Pioniertage waren vorbei.
Königin Viktoria war tot.
Rhodes war tot.
Unsere Minen waren ausgestorben!
Während weisse Männer sich gegenseitig
umbrachten, waren hunderttausend schwarze
Männer nach Hause gegangen. Es war nicht
ihr Krieg gewesen. Und es waren auch
nicht ihre Minen. Sie hatten nie in den
Berg kriechen wollen. Der weisse Mann
hatte sie gelockt und bedroht.
Als der weisse Mann wichtigeres zu tun
hatte, als sich um seine Minen zu
kümmern, knüpfte der schwarze Mann sein
Leben wieder da an, wo es abgekoppelt
worden war.
Als der weisse Mann erneut rief, blieb
der schwarze Mann im Kraal.
Ohne schwarze Arbeitskraft, kein
funktionierendes Bergwerk.
Ohne funktionierende Bergwerke, kein
Johannesburg.
Der weisse Mann hatte eine Idee:
Er holte sich den gelben Mann in die
Gruben.
Vor dem Massenimport als Kontraktarbeiter
war der Chinamann hier und da schon als
Einzelgänger aufgetreten.
Nahe bei unserem Haus in der De Villier
Street gab es einen kleinen Eckladen. Der
gehörte zwei misstrauisch beäugten
Chinesen. Wie sie angesichts des
vorherrschenden Rassen-Hasses von den
Buren Geschäftslizenzen bekommen hatten,
blieb ihr Geheimnis. Eltern warnten
Kinder vor den Bezopften. Die essen
Vogelnester, hiess es, und kleine
Mädchen! Und ausserdem schummeln sie
beim Wechelgeld!
Nun tschilpten chinesische Hochtöne auf
Strassen und Plätzen, wo Massen von
Männern in bestickten Seidengewändern
und mit schwingenden Zöpfen ihre
seltsamen Feste feierten.
Sie feierten eher selten. In wenige
Lumpen gehüllt, halbnackt in brütender
Hitze, bohrten sie für einen Penny per
inch mit der Hand untertage Löcher in
den Stein.
Ihr Leben im Compound: Glücks-
und Kartenspiel, dann Schulden, oft
Selbstmord, Diebstahl, Einbruch,
Totschlag ... Von Krugersdorp bis
Boksburg regierte bald die Gewalt
chinesischer Banden. Ein Gefängnis nur
für chinesische Kriminelle
bekannt als Cinderella Jail
wurde am East Rand eingerichtet.
In den Gruben waren die Arbeiter jetzt
paramilitärischen Kontrollen durch Bossboys
oft aus ihren eigenen Reihen
und durch Betriebspolizei
ausgesetzt.
Grossbritanniens Presse konzentrierte
sich nicht mehr auf die erschreckenden
Zahlen der Kriminalstatistik, sondern auf
die sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen
der chinesischen Kontraktarbeiter. 1905
verlor die britische Regierung darüber
die Wahlen. Als sich die öffentliche
Meinung nicht nur gegen die Chinesen,
sondern auch gegen die Goldminen
richtete, zogen die weissen Bosse die
Notbremse. Dabei kam ihnen die zunehmende
Sorge unter schwarzen Männern gelegen,
die Chinamänner könnten mit ihren
Frauen anbandeln. Mehr und mehr schwarze
Arbeitskräfte liessen sich wieder für
den Grubendienst anwerben. In der Zeit
der Abstinenz hatten sie gelernt, Arbeit
in den Gruben der Weissen blieb der
zuverlässigste Weg, an Geld zu kommen.
Die Repatriierung begann. Chinamänner
verbrannten ihre Toten, füllten Urnen
mit Asche, um sie mit nach Hause zu
nehmen.
1903, vor dem Import der Chinamänner,
war aus den Minen von Johannesburg Gold
im Wert von fünfzehneinhalb Millionen
Pfund gefördert worden. 1909 waren es
dreissig Millionen achthunderttausend
Pfund. In fünf Jahren Kontraktarbeit
hatten Chinamänner geholfen, die Gewinne
der Minengesellschaften zu verdoppeln.
Es würden knapp siebzig Jahre vergehen
bis zur Rückkehr von Chinamännern nach
Afrika.
... erst mit Hammer und Sichel,
... dreissig Jahre darauf als Mr. Moons
neue Schneider ...
Wir rollen weiter!
Es gilt das gesprochene Wort!
Klick!
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