Anfangs übersetzten deutsche
Zeitungen den Namen des exotischen Gastes
aus Übersee noch als
Büffel-Wilhelm, und Karl May
schrieb 1894 an Carl Jung:
Buffalo Bill kenne ich
persönlich; er war Spion und guter
Führer, sonst nichts. Zu den
Westmännern à la Old Firehand wurde er
nicht gerechnet.
Es kann ausgeschlossen werden,
daß May eine Begegnung in
nordamerikanischer Prärie meinte. Die
U.S.A. lernte er erst vierzehn Jahre
später als Tourist kennen.
Hat Karl May den Zeitgenossen Buffalo
Bill also in Deutschland getroffen?
Dessen
erste Tournee begann in
München. Von dort aus ging es
immer per Eisenbahn nach Wien,
Dresden, Leipzig, Magdeburg, Hannover,
hierher nach Braunschweig, dann nach
Berlin, Hamburg, Bremen, Köln,
Düsseldorf, Frankfurt, Stuttgart und
Strassburg.
In Dresden gastierte die Show auf dem
früheren Turnfestplatz an der
Herkulesallee. In den Anzeigen stand:
Die Truppe besteht aus 200 Indianern,
Cowboy's, Hinterwäldlern, Jägern,
mexikan. Vaqueros, Lassowerfern,
Scharfschützen, Gewehr- und
Pistolenvirtuosen und -Virtuosinnen,
Reitern und Reiterinnen auf wilden
Pferden, 200 Pferden, Büffeln,
Maulthieren.
Bis zu dieser ersten Europa-Tournee
Buffalo Bills hatte Karl May von
Dresden aus hauptsächlich
Dorfgeschichten, Humoresken und
Kolportageromane veröffentlicht. Erst
ein Jahr darauf, 1891, erschienen seine
abenteuerlichen Pseudo-Reiseerzählungen
aus Indianerland als Buchausgaben in
grösserem Umfang.
Es gibt keinerlei Anhaltspunkte für ein
Treffen Mays mit dem Wildwestreiter im
Jahr zuvor. Allerdings nahm er das
Kostüm Buffalo Bills als Vorlage
für seine Kostümfotos 1896.
Im Karl-May-Jahrbuch 1918 berichtet seine
zweite Frau, Klara, von einem Besuch der
Völkerschau Buffalo Bills in der
Elbe-Metropole. Dabei dürfte es sich um
dessen zweite Tournee im Jahr 1906
gehandelt haben. May hatte, so berichtet
sie, eine Einladung von Buffalo Bill
erhalten, wollte aber, da er den
Indianerfeind verachtete, nicht hingehen.
Auf Klaras Wunsch ging er dann doch mit.
Buffalo Bill empfing die Mays persönlich
und führte sie durch die Ausstellung.
Leider fährt Klara May dann fort, May
habe sich mit den Show-Indianern
fließend in deren Muttersprache
unterhalten, was die ganze Story selbst
nicht gerade glaubwürdig macht.
Wenn Sie erlauben, würde ich gerne einen
Zeitzeugen von Buffalo Bill und von Karl
May in den Zug bitten. Er ist, wie ich,
Künstler und Österreicher ...
Sie möchten, daß wir für Sie
einen Zirkus-Artisten einladen, der seit
1959 auf der silbernen
Wolfsfährte entschwunden und in
die ewigen Jagdgründe eingegangen ist?
Unsere Geschichtstunnel entwickeln für
Sie offenbar einen gewissen
geschäftlichen Reiz, Herr Dunkler.
Ich will nicht leugnen, daß mich
auch seine Erfahrungen im internationalen
Zirkusgeschäft interessieren
würden.
Also gut, begrüssen wir Patty
Frank, Trapperhut auf dem Kopf,
grosskariertes Hemd, Tabakpfeife zwischen
den Fingern
Achtung, hier herrscht
Rauchverbot!
Herr Frank, 1876 als Ernst Tobis in Wien
geboren, wie sollen wir Sie denn nun
nennen, vielleicht Häuptling
Eisenarm?
Hau
Kola! So pflegen wir
Indianer uns zu begrüssen. Ja, wissen
Sie, ich war ein kräftiger Bub und als
Chef einer kleinen Bande nannten mich
meine Gefährten eben Häuptling
Eisenarm.
Durch die Jugendzeitschrift Der
gute Kamerad, in der Karl Mays
Fortsetzungsgeschichte Der Sohn des
Bärentöters erschien, war ich
schon früh zum Indianerfan geworden. Und
in der Wiener Rotunde, dem
Weltausstellungspalast aus dem Jahr 1873,
hatten wir dem Auftritt von
Sioux-Indianer zugesehen.
Meine Schwester Gabriele war
Opernsängerin, und als sie nach
Frankfurt engagiert wurde, zogen meine
Mutter und ich mit. Im Frankfurter
Palmengarten begann ich eine Lehre als
Gärtner. Dieser Palmengarten diente
ähnlich der Wiener Rotunde als Ort für
Events. Und bald trat dort
Buffalo-Bill's Wildwest Show
auf.
Ich war ja schon mit dem Indianervirus
infiziert und während ich zwischen den
indianischen Zelten herumlungerte
eigentlich sollte ich ja aufpassen, daß
niemand die Pflanzen zertrampelte
infizierte ich mich auch noch mit dem
Bazillus Circensis.
Meinen Häuptlingsnamen
Eisenarm liess ich mir von
einem Sioux aus Buffalo Bills
Truppe übersetzen: Isto Maza. Mit diesem
Namen habe ich später gerne Bücher und
Fotos signiert. Damals heuerte ich
heimlich bei Buffalo Bills Truppe
als Pferdejunge an, zog ein paar Monate
mit ihr herum. In Strassburg hat mich
dann meine Mutter eingefangen. Zum
Abschied, Ende 1890, schenkte mir ein
Sioux ein paar alte Mokassins, die wurden
Grundstock meiner späteren Sammlung.
Naja, ich hab in Frankfurt meine
Gärtnerlehre abgeschlossen. Mit den
sieben Freunden, mit denen ich einst
Indianer gespielt hatte, gründete ich
danach einen Turnverein. Mein Ziel war
klar: Ich wollte Artist werden. Der Weg
war nicht einfach: Als Ernst
Teuber sang ich Couplets, musste
aber auch Bühnenarbeiten verrichten.
Schliesslich erhielt ich die Chance, für
einen verletzten Artisten bei einer
Akrobatentruppe einzuspringen, ich war ja
ein geschickter Turner.
1895 nannte ich mich Patty
Frank und trat im Zirkus Montrose
auf. Zwischen 1896 und 1897 stellte ich
meine eigene Patty Frank
Troupe auf, alles Bodenakrobaten.
Und dann, 1901, schaffte ich den Sprung
über den Atlantik, ab 1904 durchquerte
ich mit dem Riesenzirkus Barnum &
Bailey die USA..
Dieses Leben auf der Achse brachte mich
wieder häufiger mit Indianern zusammen.
Ähnlich den letzten Cowboys,
die damals für Hollywood zu reiten
begannen, wollten die Indsmen mit ihren
exotischen Trachten gern ins
Showgeschäft integriert werden. Zuweilen
gastierte der Zirkus auch in der Nähe
von Indianerreservaten: Gelegenheit für
mich, die Sammlung, die mit den alten
Mokassins begonnen hatte, zu erweitern.
Und bald fing ich an, ernsthaft Zeugnisse
indianischer Kultur zu sammeln,
interessierte mich für einschlägige
ethnografische Fachliteratur, zielte mehr
auf Qualität denn auf Quantität der
Sammlungsobjekte.
Und dann hörte ich im Jahr 1908, daß
mein altes Idol Karl May, längst als
Tagträumer entlarvt, aber
dadurch in gewissem Sinn auch geläutert,
seine erste (und wie wir seither wissen,
auch letzte) Amerikareise unternehmen
würde. Ich stand in New York am Pier,
als das Schiff aus Bremen anlegte. Aber
im Trubel gelang es mir nicht, Mays Hand
zu schütteln. Vier Jahre später, nach
Karl Mays Tod, begann ich einen
Briefwechsel mit Klara May, der Witwe des
Schriftstellers.
Während des Ersten Weltkriegs war ich
mit meiner Artistentruppe in Deutschland.
Im Jahr 1916 traf eine französische
Fliegerbombe das Zelt des Zirkus
Hagenbeck in Karlsruhe ein Lehrbub
meiner Truppe war unter den
zweihundertsiebzig Opfern.
Nach dem Krieg gings langsam zu
Ende mit meiner Artistenkarriere, ich
verlor meine Ersparnisse durch die
Inflation. Da dachte ich mir, Patty,
deine Rettung liegt vielleicht in
Radebeul, in der Villa Shatterhand. Ich
wusste, Karl Mays Sammlung von der
einzigen Amerikareise 1908 war spärlich.
Meine Sammlung indianischer Objekte
hingegen war Tausende Dollars wert
und der Karl-May-Verlag hatte Interesse
an einem Museum, das Winnetous und Old
Shatterhands würdig wäre.
Ja, und so wurde am 31. Jänner 1926 ein
Vertrag zwischen Klara May und mir
geschlossen, der beide Sammlungen
vereinigte. Ein Blockhaus die
spätere Villa Bärenfett wurde
nach meinen Plänen im Garten hinter der
Villa Shatterhand errichtet, und nach der
Eröffnung des Karl-May-Museums am 1.
Dezember 1928 erhielt ich als Leiter eine
jährliche Leibrente und ein lebenslanges
Wohnrecht in diesem Museum.
Bemerkenswert, über drei
Systeme hinweg Weimarer Republik,
NS-Staat und DDR-Kommunismus
begeisterten Sie in Ihrer
Westman-Kostümierung junge
und alte Greenhorns, führten sie in das
Leben der Prärieindianer ein und wurden
dabei langsam zum anerkannten, auch von
Ethnologen geschätzten Experten Ihres
Fachs.
Dabei blieben Sie Ihrem heimatlichen
Wiener Schmäh stets treu,
sofern man Ihren Fans Glauben schenken
kann ...
Na, da
zeig ich a
kanadischen Schneeschuh und da fragt mich
doch a Greenhorn, ob des vielleicht a
Tennisschläger wär, und an anderer
Idiotenhäuptling hält ihn gar für a
Fischnetz. Aber wia ma damit an Fisch
fangen kennt, des mecht i wissn,
heechstens vielleicht an
Brathering.
Wir hören, gute Freunde hatten
in Ihrer Villa Bärenfett auch Zutritt
zum Saloon Zum grinsenden
Präriehund im Stil einer
Goldgräberkneipe inklusive
Schwarzbrenner-Höhle. Greenhorn May
hätte er es noch erlebt
wäre da wohl gerne mal
rübergekommen aus seiner Villa
Shatterhand, für ein Schwätzchen mit
einem Oldhand über den Wilden Westen.
Ja, bitte, Herr Dunkler?
Der Mann, bei dem Karl
May tatsächlich abgeschrieben hat, von
dem er Landschaftsbeschreibungen, ganze
Erzählstränge sowie Sujets und Figuren
abkupferte, wurde schon mal kurz
erwähnt. Er führte ein ähnlich
abenteuerliches Leben wie unser Patty
Frank hier allerdings drei
Generationen vor ihm. Seinen Namen fand
ich in Braunschweiger Zeitungen, die aus
Anlass von Buffalo Bills
Wildwest-Show an ihn erinnerten. Achtzehn
Jahre vor deren Einzug in Braunschweig
war dort Friedrich Gerstäcker gestorben.
Er hat die Realität im amerikanischen
Westen und an der Grenze der Zivilisation
wirklich erlebt, und er berichtete in
seinen Romanen und Erzählungen
wahrheitsgemäss und ohne romantische
Ausschmückungen über das harte Leben
der Siedler.
1837 reiste er erstmals in die U.S.A.,
arbeitete als Heizer, als Matrose, als
Farmer, Koch, Silberschmied, Holzfäller,
Schokoladenerzeuger, Hotelier. Da ihm das
städtische Leben nicht zusagte, führte
er schliesslich das aufregende Leben
eines Jägers.
Seine Tagebuchaufzeichnungen aus Amerika
schickte er seiner Mutter, die sie an
Bekannte weitergab. Nach sechs
abenteuerlichen Jahren, in denen er von
Kanada bis Texas und von Arkansas bis
Louisiana den Subkontinent durchwandert
hatte, kehrte er voller Tatendrang 1843
nach Deutschland zurück. Er ließ sich
in Dresden nieder, fertigte
Übersetzungen bekannter Autoren aus dem
Englischen an, lernte wahrscheinlich
dabei besser mit der Feder als mit dem
Jagdgewehr umzugehen, und
veröffentlichte seine ersten
schriftstellerischen Arbeiten in
verschiedenen Zeitschriften.
Mit den Romanen Die Regulatoren in
Arkansas und Die Flußpiraten
des Mississippi begründete er
seinen schriftstellerischen Erfolg.
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