REGIE! Den Buchtext bitte!
17 Er öffnete
seinen Gewehrschrank, nahm den ersten
fertigen Henrystutzen heraus, erklärte
mir die Zusammensetzung und den Gebrauch
desselben und führte mich dann nach
seinem Schießstande, wo ich das
unübertreffliche Gewehr probieren und
beurteilen sollte. Ich war geradezu
entzückt über den Stutzen, machte ihn
aber, wie schon früher, darauf
aufmerksam, daß die Verbreitung dieses
Schnellfeuergewehres für die Tier- und
auch die Menschenwelt des Westens die
nachteiligsten Folgen haben werde.
»Weiß es, weiß es,« nickte er; »habt
es mir ja schon erklärt. Werde also nur
einige Exemplare anfertigen. Das erste,
also dieses hier, schenke ich Euch. Habt
meinen alten Bärentöter berühmt
gemacht, sollt ihn also für immer
behalten und den Stutzen dazu. Ich
kalkuliere, daß er Euch auf Euren
weiteren Fahrten jenseits des Mississippi
gute Dienste leisten wird.«
Nur ein paar Exemplare anfertigen?
... Lächerlich!
Nie getroffen, den Mann. Wie sagten Sie,
hiess er?
Karl May!
Zu Ihrer Zeit, und noch lange danach,
führten seine Reiseerzählungen in
Deutschland Generationen von Lesern in
exotische Fernen, ohne daß er die
Schauplätze aus eigener Anschauung
gekannt hätte. Heute würden wir das
virtuelles Reisen nennen.
Wilbur Smith war ja auch nie bei den
Ereignissen dabei, die er in seinen
Novellen verwertete. Zwar hat er, anders
als May, das auch nie behauptet, aber wie
er, war May ein akribischer Rechercheur
in seiner Zeit allerdings
angewiesen auf viel schwerer zugängliche
Informationen.
Er hat Sie nie getroffen, Mr. Henry, aber
er hat ganz offensichtlich Ihre Arbeit
gekannt, vielleicht durch einen
Zeitungsbericht, durch ein Buch über
technische Neuerungen?
Wer weiss
Den Stutzen, den Besucher in seiner Villa
Shatterhand vorfinden das weiss
man inzwischen hat er durch einen
Dresdener Büchsenmacher nachbauen
lassen.
Jedenfalls hat er Ihr Schnellfeuergewehr,
das es ja wirklich gab, in der Literatur
bekannt gemacht, nicht in erster Linie
als ein Werkzeug des Tötens, sondern als
ein Werkzeug zur Durchsetzung ethischer
Prinzipien.
Und das hat er zu Beginn der Romanreihe
über seine Freundschaft mit dem
Indianer-Häuptling Winnetou Ihnen,
seinem Büchsenmacher, so überzeugend
nahegelegt, daß in der Realität niemand
nachgefragt hat, was Ihre Waffenerfindung
in der Geschichte Nordamerikas
tatsächlich bewirkt hat ...
Wir wollen das nachholen und laden Sie
ein, zusammen mit allen Mitreisenden
einen kurzen Blick aus den Fenstern zu
werfen!
ratingtingting ratingtingting
ratingtingting ...
Auf der Zeitschiene sind wir ein
ganzes Stück zurückgefahren, auch die
Geografie hat wieder einmal gewechselt.
Wir sind in Nordamerika
als
Geisterbahn, es gibt nämlich noch keine
Eisenbahn, und auch noch keine weissen
Siedler.
Eine Staubwolke da hinten! Ist das ein
Tornado?
Mein Gott, das sieht aus wie eine dunkle
Welle, wie eine Lawine, die heranrollt
... jetzt vibrieren Glas und Blech am Zug
...
Der ganze Zug beginnt zu beben! Sind wir
sicher?
Es kommt näher, es stampft, es dröhnt,
es trommelt ... es ist Leben in der
Welle, dunkle, pelzige Leiber, dicht an
dicht!
Fünfzig Millionen Bisons
streiften zu Anfang des neunzehnten
Jahrhunderts über die weiten Prärien
zwischen den Rocky Mountains im Westen
und dem Mississippi im Osten, zwischen
dem Rio Grande im Süden und dem Großen
Sklavensee im Norden. Wohl kein anderes
Säugetier ist jemals in so riesigen
Herden von Menschen beobachtet worden.
Die wandernden Büffel, deren Leiber die
Prärien verdunkelten, waren für die
Indianer Geschenke Manitus, eine nie
versiegende Nahrungsquelle ...
Die Welle teilt sich ...
Sie brausen vor und hinter uns über
Schienen und Schotter ...
Ein Gück, daß der Zug steht!
Nicht mehr lange! Wir rollen
schon weiter auch auf der
Zeitschiene. Schauen Sie drüben hinaus,
auf der anderen Seite
ratingting ratingting
ratingting ...
Was ist denn das? ...
Verstreute, kalkige Haufen ... dort, wo
sich die riesige Herde hätte wieder
vereinigen müssen. Wo sind die Büffel
geblieben, die auf den Zug zurasten?
... sperrig, wie Splitter in der
Landschaft ... unbeweglich ...
Knochenhaufen!
ratingting ratingting
ratingting ...
Wir haben die Mitte des
neunzehnten Jahrhunderts hinter uns
gelassen. Vor einem Jahr rollte ein Zug
langsam über diese Schienen. Alle
Fenster waren geöffnet, auf beiden
Seiten. Aus ihren Rahmen lehnten Männer
mit Winchester-Gewehren. Sie feuerten
nach links, sie feuerten nach rechts. Ein
zweiter Zug folgte, hielt in Abständen,
um Skinner abzusetzen Männer mit
Messern, deren Aufgabe es war, die Häute
der abgeschossenen Büffel zu bergen,
nicht das Fleisch, nicht die Knochen.
Jäger und Skinner hatten den Auftrag,
die Bison-Herden so schnell wie möglich
aus dem Weg zu räumen, sie störten beim
Eisenbahnbau. Zugleich wurde der lästige
Widerstand der Indianer geschwächt,
ihnen wurde die Nahrung weggeschossen.
Und nun bitte alle wieder auf die andere
Seite, wir sind im Jahr 1867
rating rating rating ...
Schon wieder Bisons ... aber diesmal auch
Männer zu Pferde.
Das sind Cowboys! Aber Cowboys trieben
doch Rinder, nicht Bisons!
Die treiben sie nicht, die schiessen sie
ab!
rating rating rating ...
Wir rollen auf einem
Schienenstrang der Kansas Pacific
Railway, Teil des im Entstehen
befindlichen transkontinentalen
Bahn-Netzwerkes Nordamerikas. Die
Besitzer haben sich gedacht, lasst uns
nicht bloss an den Fellen verdienen.
Statt Indianer könnten doch unsere
Arbeiter das Büffelfleisch essen.
Also machten sie einen Vertrag mit jenem
Herrn dort, der uns aus seinem Sattel
gerade zuwinkt. Merken Sie sich seinen
Knebelbart wir werden ihn in einem
anderen Zusammenhang wiedertreffen.
Der Mann heisst William Frederick Cody,
und weil er es (nach eigenen Angaben!)
schaffte, innerhalb von achtzehn Monaten
viertausendzweihundertacht Bisons zu
erlegen, wurde er bekannt als Buffalo
Bill.
Von den fünfzig Millionen Bisons
überlebten bis 1883 nur knapp tausend
Tiere dank Eisenbahn und einer
äusserst erfolgreichen Waffenentwicklung
18 Die
Geschichte der Zivilisation sogenannter
wilder oder halbwilder Völker durch die
Kolonialmächte ist auch immer untrennbar
verknüpft mit der technischen
Entwicklungsstufe von
Zivilisatoren einerseits und
einer primitiven Lebensweise
Zivilisierter andererseits.
Besitz und Beherrschung der Maschine
bilden den Angelpunkt, entscheiden die
Auseinandersetzung um Freiheit oder
Unterwerfung.
In Karl Mays Winnetou-Zyklus, verfasst zu
einer Zeit, als die blutigen Kämpfe
zwischen den Ureinwohnern und den weissen
Eindringlingen ihrem Höhepunkt und einer
endgültigen Entscheidung zustrebten,
sind solche Wechselbeziehungen zwischen
Technik und Zivilisation reichlich
eingeflossen.
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