... die Fäden geordnet? Du
warst stellvertretender Aussenminister
Schwedens, zuständig bei
wirtschaftlichen Entscheidungen
internationalen Charakters. Da ereilte
dich am 7. April 1953 die Berufung zum
Generalsekretär der Vereinten Nationen.
Zwei Tage später kamst du in New York an
... und erklärtest der Welt wie du deine
Aufgabe sahst ...
2 ... von
innen her denjenigen helfen, welche die
geschichtsformenden Beschlüsse fassen,
lauschen und analysieren und versuchen,
voll und ganz die Kräfte zu verstehen,
um die richtigen Ratschläge zu erteilen,
wenn die Situation es verlangt.
Doch die Ereignisse der
folgenden Jahre lehrten dich, daß in den
Machtzentren der Welt deine Ratschläge
nicht gefragt waren.
Sommer 1956: Sueskanal-Krise nach
der Verstaatlichung des Wasserweges durch
Ägyptens Nasser
Oktober 1956: Aufstand in Ungarn;
gleichzeitig rücken England, Frankreich
und Israel in die Sues-Kanalzone ein
Du hast dir keine Freunde gemacht bei den
Regierungen Grossbritanniens,
Frankreichs, der Sowjetunion
diesen Ständigen Mitgliedern des
UN-Sicherheitsrates!
Bei der Unterdrückung der Ungarn durch
die Sowjetunion warst du noch machtlos,
doch in die Sues-Kanalzone liessest du
internationale Polizeikräfte der
Vereinten Nationen einmarschieren.
2 Durch
Unrecht niemals Recht. Durch Recht
niemals Unrecht.
In vier Jahren hattest du deine
Lektion gelernt ... Am 26. September 1957
hast du es ihnen gesagt, Dag, auf ihrer
Generalversammlung!
Und bitte, Kofi, hör genau zu
2 Ich glaube
nicht, daß Mitgliedsstaaten vom
Generalsekretär verlangen sollten, daß
er handle wenn weder aus der
Charta noch aus den Entscheidungen der
hauptsächlichen Organe der Vereinten
Nationen Richtlinien für sein Handeln
abgeleitet werden können; innerhalb
dieser Grenzen jedoch halte ich es für
meine Pflicht, daß er von seinem Amt und
ganz gewiss auch von der Maschinerie der
Organisation so weit wie nur möglich und
in dem vollen Umfang, welchen die
praktischen Umstände in dem jeweiligen
Stadium zulassen, Gebrauch macht.
Andererseits entspricht es, so glaube
ich, dem Sinn der Charta, wenn man vom
Generalsekretär erwartet, daß er auch
ohne solche Richtlinien handelt, sofern
ihm das nötig erscheint, um irgendwelche
Lücken zu füllen, welche in den der
Sicherung des Friedens dienenden Systemen
der Charta und der traditionellen
Diplomatie auftauchen mögen.
Das waren deine Worte, Dag, und
dabei hast du im entscheidenden zweiten
Teil keiner hats gemerkt
jenen Mann zitiert, den wir nun
schon kennen als den Begründer der Idee
für den Entwurf einer weltweiten
kosmopolitischen Föderation: Immanuel
Kant. Wir ahnen jetzt, du hast ihn
studiert!
In seinem alten Deutsch hatte Kant ja ZUM
EWIGEN FRIEDEN auch angemerkt und
wir vergleichen ihn mit deinen Worten ...
Der
moralische Politiker wird es sich
zum Grundsatz machen: wenn einmal
Gebrechen in der Staatsverfassung oder im
Staatenverhältnis angetroffen werden,
die man nicht hat verhüten können, so
sey es Pflicht, vornehmlich für
Staatsoberhäupter, dahin bedacht zu
seyn, wie sie, sobald wie möglich,
gebessert, und dem Naturrecht, so wie es
in der Idee der Vernunft uns zum Muster
vor Augen steht, angemessen gemacht
werden könne: sollte es auch ihrer
Selbstsucht Aufopferungen kosten.
Versuchtest du, Ideen des
Kosmopolitismus in Weltordnungspolitik
umzusetzten, versuchtest du auf
eigene Faust Lücken in den
institutionellen Systemen der
Friedenssicherung zu füllen?
Dein Amt hatte sich gewandelt! Mit ihm
auch du?
Im November 1959 warst du im laotischen
Vientiane, im Frühjahr 1960 hier in
Afrika, die Rassenpolitik des
südafrikanischen Apartheid-Regimes war
zu verhandeln. Und so reistest du von
Pretoria weiter in andere Hauptstädte
Afrikas. Der 30. Juni dieses Jahres
brachte Belgisch-Kongo die unglückselige
Selbständigkeit. Schon in den ersten
Julitagen hatten die
vierundzwanzigtausend Mann der
Kongo-Armee gemeutert, am 11. Juli hatte
Moïse Tschombé die bodenschatzreiche
Provinz Katanga für unabhängig erklärt
ohne Katanga kein lebensfähiger
Kongo! Tschombé Kasavubu
Lumumba ... ein Dreieck, das sich auf den
Kopf stellte immer wieder auf
einen anderen ... Die UNO-Truppen, die du
Mitte Juli nach Leopoldville schicktest,
sie konnten den Frieden nicht bringen
sie konnten nicht einmal dich
schützen, Dag!
MORD AM GROSSEN FLUSS
Oh, nein Dag, der Titel
bezieht sich nicht auf das Ende deines
Lebens während deiner Vermittlung am
Kongo. Er wurde ausgewählt als Buchtitel
vom professionellen Beobachter eines
Vierteljahrhunderts afrikanischer
Unabhängigkeit ...
... und für den bist du eine Randnotiz
geblieben! Der Mann hat ein faible
für reisserische Buch-Titel, zum
Beispiel:
Mord am Grossen Fluss
Der Tod im Reisfeld
Den Gottlosen die
Hölle
Afrikanische
Totenklage
Wir rufen auf: Herrn Peter Scholl-Latour,
deutscher Fernseh-Korrespondent,
Welt-Erklärer und Bestseller-Autor
mit dem Recht, aus seinem eigenen
Werk vorlesen zu dürfen und
ansonsten zu schweigen ...
Das ist ungerecht!
Nun gut, er darf wenn er
mag uns zusätzlich erklären, ob
und wie in seinen Medien-Produkten
Sichtweise und Sprachgebrauch
hinsichtlich ehemaliger Kolonialvölker
in Asien und Afrika etwas zu tun haben
mit seiner geistigen Prägung als junger
Mann beim (zu lange) verschwiegenen
zweijährigen Einsatz als Angehöriger
des französischen
Fallschirmjäger-Expeditionskorps ab 1945
in Indochina...
Herr Scholl-Latour, wenn Sie bitte für
einen Moment von Ihrem französischen
Rotwein lassen würden ...
Wer zahlt hier eigentlich die
Spesen?
... um uns Ihre Kurz-Benotung
des UN-Kongo-Einsatzes in Ihrem
Bestseller Mord am grossen
Fluss vorzulesen?
3 Die
Dilettanten des UN-Kommandos hatten nicht
einmal die Residenz des Katanga-Chefs
umzingeln lassen. Das einzige
Militärflugzeug, über das die
Separatisten verfügten, ein
französischer Fouga-Magister, das mehr
zur Ausbildung als zum Kampfeinsatz
taugte, stiftete unter den Blauhelmen
Verwirrung.
Und woher wissen Sie das, Herr
Scholl-Latour?
3 Den ersten
Katanga-Feldzug der Vereinten Nationen im
September hatte ich aufgrund meiner
Kriegsberichterstattung in Algerien
verpasst. Dieses Mal wollte ich dabei
sein. Die erste Maschine würde am
nächsten Morgen starten. Ich buchte den
Flug mit einer Gruppe meist britischer
Kollegen.
An Bord kam ausgelassene Stimmung auf.
Das Flugzeug wurde von Böen
geschüttelt, und meine angelsächsischen
Begleiter liessen die Whiskyflaschen
kreisen, obwohl es noch Mittag war. Unter
diesen Presseleuten von Fleet-Street, die
durch ein Kontingent lang etablierter
Afrika-Spezialisten mit Sitz in Nairobi
oder Salisbury verstärkt waren, kam
Jagdfieber auf. Das Katanga-Abenteuer, in
das sie sich begierig stürzten, mochte
für sie wie ein Schulausflug wirken.
Diese selbstbewussten, oft skurrilen
Männer hatten in der Mehrzahl den
Zweiten Weltkrieg intensiv erlebt. Sie
waren dabei gewesen, als die
Schwarzhemden Mussolinis in Äthiopien
kapitulierten, als die japanische
Offensive sich in Burma totlief. Sie
hatten in Nordafrika und Italien
gekämpft. Rückblickend erschien ihnen
diese Leutnantserinnerungen wohl als die
besten Jahre ihres Lebens. In
Katanga glaubten sie vielleicht, ein
Stück ihrer Jugend wieder einzuholen.
Während des Flugs hatten sie mir
ausführlich den Ablauf des ersten
Katanga-Feldzugs der Vereinten Nationen
im letzten September geschildert und sich
ob so viel militärischer
Stümperei vor Lachen auf die
Schenkel geschlagen.
Und, Herr Scholl-Latour, haben
Sie sich wenigstens ein eigenes Bild von
diesem Herrn hier machen können, vom
Herrn der UN-Truppe damals, vom
Generalsekretär der Vereinten Nationen?
3 Dag
Hammarskjöld habe am Kongo eine
unglückliche Hand gehabt, stellten die
englischen Beobachter fest. Dieser nach
aussen so kühle Mann, dem ein Reporter
aus Salisbury paranoische Züge, ja
wie sich an seinen späten
Dichtungen ablesen lasse
welterlöserische Ambitionen
unterstellte, habe sich durch tief
eingefleischte Antipathien leiten lassen.
Lumumba sei ihm ein Greuel gewesen.
Zeichen am Weg, die
deutsche Ausgabe des
Hammarskjöld-Nachlasses ist 1965
erschienen, einundzwanzig Jahre v o r der
deutschen Ausgabe Ihres Buches, Herr
Scholl-Latour!
Haben Sie da mal selber einen Blick
reingeworfen? Von späten
Dichtungen kann keine Rede sein, da
er doch schon als zwanzigjähriger
Student begann, dieses Tagebuch zu
führen. Das Manuskript fand man nach
seinem Tod in seiner New Yorker Wohnung,
zusammen mit einem undatierten Brief an
den schwedischen Kabinettssekretär Leif
Belfrage.
Mit deiner Genehmigung, Dag ...
2 Lieber
Leif,
einmal habe ich Dir erzählt, vielleicht
erinnerst Du Dich daran, daß ich trotz
allem eine Art Tagebuch geführt habe.
Ich wäre froh, wenn Du Dich irgendwann
seiner annähmest. Hier ist es.
Begonnen wurde es ohne einen Gedanken
daran, daß jemand es lesen sollte. Mein
späteres Schicksal, mit allem, was über
mich geschrieben oder gesagt worden ist,
hat aber die Lage verändert. Das einzige
richtige Profil, das man zeichnen
könnte, ergeben diese Notizen. Darum
habe ich in den letzten Jahren mit einer
Veröffentlichung gerechnet, obwohl ich
weiterhin für mich selbst und nicht für
ein Publikum schrieb.
Wenn Du findest, daß sie verdienen
gedruckt zu werden, so gib sie heraus
als eine Art Weissbuch meiner
Verhandlungen mit mir selbst und
mit Gott.
Dag
Lassen Sies gut sein
und dem Herrn seinen Rotwein ...
Ich habe gelernt: Nachrichten sind nicht
so oft das Produkt journalistischer
Recherche, sondern viel öfter das
Produkt spezieller Gruppen-Interessen ...
Eine Methode zur Verschleierung
tatsächlicher Zusammenhänge: Was
wirklich vorgeht, wird von den
Nachrichten-Machern so lange zerkleinert,
bis uns einzelne bunte Steinchen
faszinieren und das gesamte Mosaik im
Dunkeln bleibt.
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