DER
WEG NACH ZIMBABWE oder VERSUCHE, DIE FREMDE ZU VERSTEHEN
© 1990
Klaus Jürgen Schmidt
ZIMBABWE FAKTEN - DAS DOSSIER
VERKEHR / KOMMUNIKATION
Transportmisere
Die Wirtschaft des Binnenlandes Zimbabwe ist abhängig
von zuverlässigen Transportverbindungen zum Meer. Die kürzeste
Strecke führt zum mozambikanischen Hafen Beira. Der
Korridor (mit Eisenbahnlinie, Straßenverbindung und Erdöl-Pipeline),
den Zimbabwe als seine Lebensader von eigenem Militär
bewachen läßt, ist durch Sabotage und Überfälle von
MNR-Rebellen ständig gefährdet. Er wird zurzeit -
ebenso wie der Hafen von Beira - mit Geldern westlicher
Industriestaaten, vor allem der EG und nordischer Länder,
ausgebaut. Bisher gehen nur etwa 20 % des zimbabweschen
Außenhandels über Mozambik, rund 80 % des Güterverkehrs
werden über die Grenzstationen Beitbridge und Plumtree
im südafrikanischen Hafen Durban verladen.
Das für die Wirtschaft bedeutendste Verkehrsmittel ist
die Eisenbahn, die von der halbstaatlichen National
Railways of Zimbabwe / NRZ betrieben wird. Sie ist ein
Defizitbetrieb und muß bezuschußt werden (1985/86: 60
Mio. Z-$). Vor allem Management-Probleme, aber auch
veraltete Technik verursachen massive
Wirtschaftsverluste, die oft nur mit der Anmietung südafrikanischen
Geräts oder durch internationale Expertise zu mindern
waren: Mitte 1989 wurden 10 Diesel-Lokomotiven aus Südafrika
eingesetzt. Im selben Jahr führte der Zusammenbruch des
Eisenbahnbetriebs zu einer ernsten Krise in zahlreichen
Wirtschafts- und Sozialbereichen. Unzureichender Kohle-Transport
führte u.a. zu Stromabschaltungen und zu teilweiser oder
totaler Schließung von kohleabhängigen
Industriebetrieben. Erst ein von der Weltbank kurzfristig
finanzierter, nordamerikanischer Experte konnte das
verfahrene Eisenbahnchaos innerhalb von 14 Tagen klären.
1984 umfaßte das Straßennetz rund 86.000 Kilometer,
darunter 18.000 Kilometer befestigte und ganzjährig zu
befahrende Straßen. Mitte 1989 schätzte das zuständige
Ministerium die Kosten für fällige Reparaturen und
Verbesserungen auf 120 Mio. Z-$. Nicht nur Devisen-Knappheit,
sondern unzureichende Planungs- und Managementerfahrung
sowie ungenügendes Training und mangelhafte Aufsicht
sind wesentliche Ursache für die, immer wieder neue Höhepunkte
erreichende Transport-Katastrophe Zimbabwes. Betroffen
sind vor allem die Teilnehmer des Personen-Nah- und
Fernverkehrs. Trotz des für afrikanische Verhältnisse
hervorragenden Straßennetzes bricht der Verkehr seit
zehn Jahren regelmäßig in den Spitzenzeiten des
regionalen und nationalen Reiseverkehrs (Ferien /
Feiertage) zusammen. Entsetzliche Busunfälle, die oft
auf falsche oder abgenutzte Bereifung zurückzuführen
sind, fordern zahlreiche Todesopfer und verursachen jährlich
materielle Verluste in Höhe von 200 Mio. Z-$. Arbeiter
und Angestellte müssen morgens und abends stundenlange
Wartezeiten an Bushaltestellen in Kauf nehmen. Private
Personenautos, aber auch Nutzfahrzeuge für
Landwirtschaft und Industrie, sind wegen der
Devisenbeschränkung kaum erschwinglich. Zur gleichen
Zeit beschlossen die staatlichen Planer, der ebenfalls
von Skandalen und Managementproblemen geschüttelten
nationalen Fluglinie Air Zimbabwe für 65 Mio. US-$ die
neueste Boeing 767-200 ER zu beschaffen.
Leserbrief in der Hauptstadtzeitung "HERALD" am
19. Juli 1989:
"Ich habe die Rede des Präsidenten zur Eröffnung
der 5. Sitzungsperiode im Zweiten Parlament von Zimbabwe
gehört, aber er ist über die Transportprobleme für die
Armen hinweggegangen. Er sprach nur über Transport für
die Reichen. Wir schreien nach Bussen, aber bekommen erzählt,
daß zwei neue Flugzeuge gekauft werden sollen. Der
stellvetretende Transportminister spricht von der
Erweiterung des Flughafens und nicht von HUOC und ZOC. (zwei
Busunternehmen) Mehr Busse brauchen wir - bitte - keine
Flugzeuge!
Eine Lösung des Transportproblems erhofft sich Präsident
Mugabe von einer Neubesetzung im Ministry of Transport
& National Supplies: Nach der Wahl im Frühjahr 1990
berief er Denis Norman, den erfolgreichen weißen
Landwirtschaftsminister seines ersten Kabinetts.
Nachrichtenwesen / Rundfunk
Die Einrichtung der Mazowe-Satellitenstation durch eine
japanische Firma im Jahr 1985 hat Zimbawes Ohr zur Welt
geöffnet. Doch ein Geschäftsmann in Bulawayo, der
seinen Partner in Harare am Telefon erreichen will, läßt
die Botschaft, wenn sie dringend ist, besser über einen
Telefonkontakt in London ausrichten - wenn er denn über
einen eigenen Anschluß verfügt: Im Februar 1990
verbreitete der "BUSINESS HERALD" nach Anfrage
bei der National Chamber of Commerce die alarmierende
Nachricht, zu lange Wartezeiten auf Telefonanschlüsse,
unzuverlässige regionale Verbindungen und schlechter
Service verursachten Handel und Industrie jährliche
Millionenverluste.
Für das Post- und Fernmeldewesen ist die halbstaatliche
Posts an Telecommunications Corporation / PTC zuständig.
Sie untersteht der direkten Verantwortung des
Informationsministeriums - ebenso wie die Zimbabwe
Broadcasting Corporation / ZBC mit ihren zwei
Fernsehprogrammen und vier Radiokanälen, von denen TV 2
und Radio 4 Bildungsaufgaben erfüllen und direkt aus dem
Staatshaushalt finanziert werden; die übrigen ZBC-Kanäle
werden zu 66 % aus Werbung und zu 34 % aus Rundfunkgebühren
finanziert. Farbfernsehen (PAL-System seit 1980) beschränkt
sich auf städtische Einzugsbereiche (1987 nach ZBC-eigene
Schätzung: 130.000 Fernsehgeräte). Für die ländliche
Bevölkerung ist das Radio wichtigster Vermittler von
Information über Probleme und Fortschritte des
zimbabweschen Entwicklungsprozesses; mit Hilfe der Bonner
Friedrich Ebert Stiftung hat Radio 4 seit 1984 u.a. eine
kontinuierliche Berichterstattung mittels Übertragungswagen
und eine Zweiwege-Kommunikation über hauptsächlich von
Frauen organisierten Hörer-Clubs eingerichtet. Eine
geringe Eigenproduktion von Radiogeräten, knappe Importe
(devisen- und zollbedingt) und teure Batterien (benötigt
im kaum elektrifizierten ländlichen Gebiet) ergab 1987
eine geschätzte Zahl von nur 300.000 Radios. Damit ist
Zimbabwe - trotz einer hervorragenden Sende- und
Programmleistung - im ganzen südlichen Afrika (mit
Ausnahme Mozambiks) der am schlechtesten versorgte Markt
elektronischen Medien-Konsums.
Presse / Meinungsfreiheit
Ein bedeutender Aspekt von Meinungsfreiheit in Zimbabwe
liegt in der Widersprüchlichkeit zweier politischer
Entscheidungen nach Gewinn der Unabhängigkeit: Die
Regierung kaufte mit Hilfe Nigerias 45,24 % (später
insgesamt 51 %) Anteile von der, den rhodesischen
Zeitungsmarkt dominierenden südafrikanischen Argus-Gruppe
und übergab sie dem formal regierungsun-abhängigen
Zimbabwe Mass Media Trust. Alle Tages- und
Sonntagszeitungen (insgesamt 5 Publikationen) stehen
dennoch mittls regelmäßiger briefings der
Chefredakteure durch den Informationsminister unter
direktem Einfluß von Regierung und Regierungspartei, die
in den vergangenen 10 Jahren mehrfach durch direkte
Weisung Chefredakteure feuern ließen, u.a. den
prominentesten Journalisten Zimbabwes, Willie Musarurwa,
der (als einflußreicher ZAPU-Politiker) 1985 vom
Chefredakteurs-Posten der "SUNDAY MAIL" abgelöst
wurde. Musarurwa, der am 3. April 1990 unerwartet starb,
hat kurz vor seinem Tod für den unbefriedigenden Zustand
zimbabwescher Pressefreiheit nicht nur die
Regierungspartei verantwortlich gemacht:
AUS: "PARADE" / HARARE / SPECIAL TENTH
ANNIVERSARY ISSUE / April 1990:
Willie Musarurwa unter der Überschrift "Looking
back on a decade of our fading voice":
"Natürlich hatte das einen höchst einschüchternden
Effekt auf den Rest der Chefredakteure und Journalisten
und resultierte in der allmählichen Entwicklung einer
typisch zimbabweschen Art von schalem Journalismus, der
als Quintessenz von Nachrichten Reden wichtiger nimmt als
Ereignisse. Es ist ein Journalismus, der besessen ist von
ministerialen Reden und Aktivitäten. Es ist keine
Nachricht, wenn ein prominenter Zimbabwer stirbt. Sein
Tod wird nur zur Kenntnis genommen, wenn ein Minister der
Beerdigung beiwohnt oder das Grab besucht."
Präsident Mugabe erklärte den toten Musarurwa - für
viele überraschend - zum Nationalhelden und ließ zur
Beisetzung auf der Heldengedenkstätte in Harare
landesweit die Fahnen auf halbmast wehen.
Die zweite politische Entscheidung der Regierung hat in
der ersten Dekade des unabhängigen Zimbabwe jeden Ansatz
von Meinungsfreiheit von vorneherein zum Scheitern
verurteilt: 1980 erbte sie ein massives gesetzliches
Arsenal der weißen Kolonialregierung zur Kontrolle und
Zensur von Information. Diese gesetzlichen
Ausnahmegesetze mit drakonischen Strafen wurden nicht nur
bloß übernommen, sondern im Laufe der vergangenen zehn
Jahre sogar noch verschärft. So wurden die Ermächtigungen
des Innenministers durch das Zensur-Gesetz (Censorship
and Entertainment Control Act) im Jahr 1989 weiter
ausgeweitet.
AUS: "EDICESA NEWS" ("Ecumenical
Documentation and Information Centre for Eastern and
Southern Africa") / HARARE / März-April 1990:
Willie Musarurwa, früherer Chefredakteur der "Sunday
Mail" und Direktor einer Public-Relations-Firma:
"Unsere Zeitungen haben, indem sie unterschiedliche
Meinungen unterschlagen, die Ansicht unterstützt, daß
jeder unpatriotisch ist, der die Regierung kritisiert.
Eine der größten vor uns liegenden Herausforderungen
bleibt, unsere Menschen ganz zu vereinigen und
sicherzustellen, daß Zimbabwer einander kritisieren können,
ohne für den Ausdruck einer anderen Meinung als Verräter
gebrandmarkt zu werden."
|