DER
WEG NACH ZIMBABWE oder VERSUCHE, DIE FREMDE ZU VERSTEHEN
© 1990
Klaus Jürgen Schmidt
ZIMBABWE FAKTEN - DAS DOSSIER
OFFENE LANDFRAGE
"Es ist nicht nur gegen das Volk gerichtet, sondern
es ist kriminell für jede Regierung, den akuten
Landhunger im Lande zu ignorieren, insbesondere
angesichts der Tatsache, daß 83 Prozent unserer Bevölkerung
auf dem Lande lebt und für ihren Lebensunterhalt von der
Landwirtschaft abhängt."
Robert Mugabe im ELECTION MANIFESTO / 1980
"Von Anfang an war im politischen und bewaffneten
Kampf gegen den Kolonialismus die Schlüsselfrage Land.
Es war der Kampf um Land, der im Krieg zum Tod von
Zehntausenden Zimbabwern führte: Wahre zimbabwesche
Patrioten erkannten, daß es keine Freiheit geben könnte
ohne die Befreiung des Landes von den kolonialen Siedlern."
"MOTO" / Harare / September 1983
"Es reicht jedoch nicht aus, auf die ökonomischen
und ökologischen Folgen der Landenteignung durch die
Siedler zu verweisen. Die Menschen Zimbabwes,
insbesondere die rund 80 % Shona, haben eine spirituelle
Beziehung mit dem Land, die durch die Kolonialisten
zerbrochen wurde. In einer Kultur, in der Land kollektiv
besessen wird und in der es Grundprinzip ist, daß kein
Mitglied der Gesellschaft landlos ist, war die Enteignung
des Landes durch Weiße mehr als ein schwerer
wirtschaftlicher Nachteil - sie war eine grundsätzliche
Erschütterung der Shona-Gesellschaft."
Jeffrey Herbst in: "STATE POLITICS IN ZIMBABWE"
University of Zimbabwe Publications / Harare / 1990
Gebremste Umsiedlung
1980 arbeiteten 800.000 schwarze Familien auf kommunalem
Land = 42 % des der Landfläche Zimbabwes = 16,3 Mio.
Hektar. Der ihnen 1970 im Land Tenure Act zugewiesene
Boden war von schlechter Qualität und lag in regenarmen
Gegenden. Auf 4 % der Landfläche siedelten schwarze
Kleinbauern. Etwa 6.000 weiße Farmer besaßen 4,7 Mio.
Hektar hochwertigen Boden. Nach April 1980 initiierte die
Mugabe-Regierung ein Umsiedlungsprogramm für 18.000
Familien auf etwa 1,1 Mio. Hektar aufgekauften Landes,
dessen Kosten - 60 Mio. Z-$ - zur Hälfte von der
britischen Regierung getragen wurden. Im November 1982
wurde ein dreijähriger Transitional National Development
Plan veröffentlicht, der bis Ende 1985 die Umsiedlung
von insgesamt 162.000 Familien aus dem kommunalen Land
vorsah. Dies setzte den Ankauf von 9 Mio. Hektar Land
voraus mit Kosten von geschätzt 570 Mio. Z-$.
Umsetzungsprobleme (u.a. verursacht durch die Dürreperiode
1982 - 84) veranlaßten eine neue Zielsetzung im First
Five-Year National Development Plan (1986 - 1990), der
nun als Ziel die Umsiedlung von 15.000 Familien pro
Planjahr angab, wobei weiter von insgesamt 162.000
umzusiedelnden Familien ausgegangen wurde. Tatsächlich
waren Anfang 1990 nur rund 52.000 Familien umgesiedelt.
"Die Zahl von 162.000 Familien war eine erdachte
Zahl. Es gab keine wirkliche Kalkulation."
Offizieller des zuständigen Ministeriums, zitiert in:
"STATE POLITICS IN ZIMBABWE" / University of
Zimbabwe Publications / Harare / 1990
Weitgehend unberücksichtigt in der politischen
Diskussion um die Landfrage blieb die Tatsache, daß
bereits 263.000 Landarbeiter und ihre Familien (rund 1,4
Mio. schwarze Menschen) auf Großfarmen leben. Ihre
Lebensumstände beschrieb "PARADE" / Harare, in
einem Bericht über ein im Februar 1990 von der Universität
organisiertes Seminar zur Landfrage, an dem weder
Vertreter der Regierung noch der Commercial Farmers'
Union teilnahmen: "Im Wahl-Manifest der ZANU/PF von
1980 waren 13 grundsätzliche Rechte und Freiheiten
aufgelistet. Eine Dekade später existieren sieben dieser
fundamentalen Rechte im Bereich der Großfarmen noch
immer nicht." Diese Landarbeiter-Familien müßten
zunächst untergebracht werden, wenn Land von Großfarmern
für Umsiedlungen gekauft oder requiriert werden sollte.
Landlose Bauernfamilien (squatters) haben vor allem in
der Ostprovinz Manicaland schon Anfang der Achtziger
Jahre durch illegale Besitznahme von Land eine geordnete
Umsiedlungsplanung der Regierung zunichte gemacht.
In interessierten Zirkeln Zimbabwes werden für die Land-Diskussion
5 Versäumnisse bei Interpretation und Nutzung der
Lancaster House-Bestimmungen während der vergangenen 10
Jahre aufgeführt:
1.
Die Klausel "willing seller - willing buyer"
("Willige Verkäufer - willige Käufer")(Section
16) habe herhalten müssen, um Planungs- und
Realisierungsprobleme zu kaschieren.
2.
Zumindest in den ersten beiden Jahren der Unabhängigkeit
hätte mit Geld, das in Prestige-Objekte (Nationalstadion
/ Internationales Konferenzzentrum) gesteckt worden sei,
damals noch preiswertes Land von emigrierenden weißen
Farmern in größerem Umfang erworben werden können.
3.
Die Festlegung in der Lancaster House-Verfassung von
"adequate compensation" sei von der Regierung
freiwillig aber falsch als Zahlung von Marktpreisen
akzeptiert worden, ja vom Parlament 1985 im Land
Acquisition Act sogar noch hinderlicher ausgelegt worden.
4.
Es sei nie der Versuch unternommen worden, die einschränkenden
Klauseln ohne Bruch der Lancaster House-Verfassung im
Sinne von "adequate development" - von adäquaten
Bedürfnissen einer Entwicklungsgesellschaft - zu
interpretieren und als Wertfestsetzung z.B. folgende
Formel festzulegen: originaler Kaufpreis plus
nachgewiesene Kapitalinvestition minus Inflationsrate,
eine Formel, die Landspekulation erschwert hätte.
5.
Die Regierung konnte große, schon erworbene Landflächen
vor allem im Matabele-Land wegen der jahrelangen Bürgerkriegssituation
dort nicht zur Umsiedlung freigeben.
AUS: "PARADE" / HARARE / SPECIAL TENTH
ANNIVERSARY ISSUE / April 1990:
Luke Mhlaba, Dozent der Rechtsfakultät an der Universität
von Harare:
"Könnte es sein, daß das ganze
Umsiedlungsunternehmen so schlecht gemanagt wurde, daß
die Regierung die Lust verloren hat, es energisch zu
verfolgen? Könnte es sein, daß bestimmte Umweltschützer
die Regierung vom Ausmaß der Zerstörung überzeugt
haben, die durch zuviel Nutzung von Boden durch Siedler
erfolgen würde, denen Großfarmer bisher keinen
Handbreit produktiven Landes anvertrauen mochten? Sollte
dies zutreffen, ist es unwahrscheinlich, daß
irgendwelche Änderungen an Section 16 (der Lancaster
House-Verfassung) vorgenommen werden, dann müssen neue
Erklärungen für die offensichtlich unlösbare Landfrage
gefunden werden."
Präsident Mugabe am 19. März 1990 während einer
Wahlkundgebung vor 25.000 Menschen in Masvingo:
"Niemals wieder werden wir Landsklaven in unserem
eigenen Lande sein... Es wird nie wieder ein 'Nein'
geben, das wir von Landbesitzern akzeptieren, die wir um
Boden angehen."
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