DER
WEG NACH ZIMBABWE oder VERSUCHE, DIE FREMDE ZU VERSTEHEN
© 1990
Klaus Jürgen Schmidt
SUCHE NACH DER WELTMARKT-NISCHE
"Corruption in the Society" "Korruption
in der Gesellschaft", das war am Anfang des neunten
Jahres der Unabhängigkeit Hit Nummer Eins in Zimbabwe.
Der Song von Thomas Mapfumo wurde nahezu täglich von
einem der vier Rundfunksender gespielt.
Korruption hat das wirtschaftliche und politische Leben
in Zimbabwe bis in die Grundfesten erschüttert. Wichtige
Gefährten Präsident Robert Mugabes aus der Zeit des
Befreiungskampfes haben ihn bei dem Versuch im Stich
gelassen, im südlichen Afrika ein politisches und
wirtschaftliches Modell aufzubauen, das den Beispielen
afrikanischer Nachbarstaaten nicht folgt. Im Verlauf des
Einigungsprozesses mit der Partei des politischen
Konkurrenten, mit Joshua Nkomos ZAPU, geißelte Mugabe
bei einem Sonderkongreß seiner Partei ZANU PF im April
1988 das Besitzstreben von Männern und Frauen in seiner
nächsten Umgebung, die seine sozialistische Regierung in
Verruf gebracht hatten.
"Einige sitzen direkt vor euch," rief Mugabe
den rund 4.000 Delegierten zu, "Laßt es nicht zu,
daß sie euch betrügen, daß sie die Partei und ihre
Ideologie betrügen!" forderte Mugabe und setzte ein
Ultimatum. "Von jetzt an müssen sie sich
entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen."
Aber es wurde ein langwieriger Prozeß der
Selbstreinigung. Zu mächtig sind die alten Kämpfer, die
sich unter Nutzung ihrer Privilegien bereichert und mit
Stammesfehden in allen öffentlichen Bereichen für einen
Entwicklungsstillstand gesorgt haben. Nach schweren
Studentendemonstrationen im September 1988 und der
Zeitungsveröffentlichung einer Namensliste führender
Partei- und Regierungsmitglieder, die sich unter Nutzung
ihrer Privilegien fabrikneue Autos beschafft und illegal
mit horrenden Aufschlägen privat weiterverkauft hatten,
setzte Mugabe einen öffentlich tagenden
Untersuchungsausschuß ein. Vor den Ohren eines wachen
Publikums sonderten Minister und hohe Parteifunktionäre
Lügen und Unverschämtheiten ab bis sie das
Verdikt der unbestechlichen Kommission traf: Fünf
Minister und ein Provinzgouverneur mußten zurücktreten,
Gerichte befaßten sich anschließend mit ihren
Schwarzmarktgeschäften. Mitte April 1989 zog Mugabe bei
einer internationalen Pressekonferenz Bilanz:
"Es war Erpressung mit Profitstreben und Spekulation
den schlimmen Folgen des kapitalistischen Systems,
das wir immer noch haben."
Eine Woche später traf Mugabe der schwerste Schlag: Sein
engster Vertrauter, einer seiner drei Senior-Minister,
zuständig auch für den politischen Umgestaltungsprozeß
der nun zusammengeführten Parteien ZANU PF und PF ZAPU,
gleichzeitig der in Rhodesien am längsten eingekerkerte
politische Gefangene Maurice Nyagumbo hatte
sich im Zusammenhang mit dem Auto-Skandal von alten
Weggefährten mißbrauchen lassen. Er trat zurück
verbittert, beschämt, alleingelassen. Am 9. Jahrestag
der Unabhängigkeit, als Mugabe im überfüllten
Nationalstadion von Harare einen dramatischen Kurswechsel
in der Wirtschaftspolitik seiner Regierung bekanntgab,
fuhr Nyagumbo in sein Dorf, besprach mit den Ältesten
den Wunsch, an der Stätte seiner Ahnen beerdigt zu
werden zurückgekehrt nach Harare nahm er Gift.
Robert Mugabe ließ seinen alten Freund, gegen den
Widerstand seiner engsten Familienangehörigen und wohl
auch gegen dessen eigenen in einem letzten Willen
verkündeten Wunsch, als Held auf dem von
Nordkoreanern gestalteten Ehrenpark am Rande der
Hauptstadt beisetzen. Schockiert stand er am Grab
begrub er auch einen Teil seines Traums von einem unabhängigen
Zimbabwe?
Am selben Tag, an dem im Wahlkreis Maurice Nyagumbos das
wachsende politische Desinteresse mit einer bedrohlich
geringen Beteiligung an der Wahl für einen Nachfolger
deutlich wurde und ein Drittel der abgegebenen Stimmen an
die von Edgar Tekere neugegründete Partei "Zimbabwe
Unity Movement" ging, bewahrte Mugabe den ersten,
vor einem ordentlichen Gericht der Korruption schuldig
gesprochenen Ex-Minister mit einem Pardon vor dem Antritt
einer Gefängnisstrafe. Edgar Tekere, der bei der Rückkehr
Mugabes aus Mozambique Anfang 1980 engster Vertrauter des
ZANU-Führers war, kann darauf verzichten, gegen die
immer wieder von den Behörden ausgesprochenen
Versammlungsverbote für seine neue Partei anzugehen. Die
einfache Bevölkerung spürt die Metastasen des
Krebsgeschwürs Korruption bereits in allen
Lebensbereichen.
Doch Korruption ist in Zimbabwe keineswegs ausgeprägter
als beispielsweise in Mitteleuropa, wo bekanntlich sich
selber bereichernde Volksvertreter des öfteren beim Belügen
von Parlamenten und Gerichten ertappt werden. Nur haben lügende
und betrügende Weiße während ihrer langen
Vorherrschaft in Afrika völlig unstabile schwarze
Gesellschaften hinterlassen, die das Kopieren korrupten
Verhaltens wirtschaftlich und politisch kaum verkraften können.
Korruption vom Rhein bis zur Elbe viel zu oft ein
Tagesthema erschüttert nicht das westdeutsche
System von Politik und Wirtschaft. Korruption zwischen
Sambesi und Limpopo birgt die Gefahr, daß alles den Bach
hinuntergeht, was Robert Mugabe seit Erreichen der Unabhängigkeit
versucht hat, aufzubauen: Eine schwarze Gesellschaft, die
trotz der Bedrohung aus dem benachbarten Apartheid-Staat
den im Lande verbliebenen Weißen längst die Hand zur
Versöhnung gereicht hat und im Südteil des Weltmarktes
ein bißchen Selbstbestimmung ausprobiert.
Die Frage stellt sich allerdings, ob es wirklich der Mut
eines unerschrockenen Journalisten war, der nach den
vorangegangenen Studenten-Unruhen mit einer Veröffentlichung
von Listen prominenter Autokäufer die Regierungskrise
auslöste. Zimbabweschen Journalisten steht nur eine
bescheidene Spielecke für investigative Anstrengungen
zur Verfügung, die gesamte Tagespresse wird vom
regierungsnahen "Mass Media Trust" kontrolliert.
Die Enthüllungen erschienen aber nicht in einer der
wenigen unabhängigen Publikationen, sondern im Bulawayo-"CHRONICLE",
der zwar aufmüpfiger als die Hauptstadtzeitung "HERALD"
agiert, aber zum "Mass Media Trust" gehört.
Die spektakuläre Veröffentlichung fiel zeitlich
zusammen mit dem für die ZAPU entstandenen Problem, nach
der Vereinbarung eines Zusammengehens mit der regierenden
ZANU PF die in allen wichtigen Ämtern des Matabelelandes
sitzenden ZANU-Funktionäre loszuwerden. Bulawayo ist die
Hauptstadt des Matabelelandes, der alte Fuchs Joshua
Nkomo hatte hier zwar immer seine Vertrauensbasis, die
von der Zentralregierung in Harare gesteuerte Politik
wurde aber nach wie vor durch ZANU-Vertraute von den
Gouverneursämtern bis hinab in die Posten der meisten
Distriktverwalter kontrolliert.
"CHRONICLE"-Chefredakteur Geoff Nyarotha gibt
keine Auskunft über seine Informationsquelle, Legenden
haben sich mittlerweile um dieses Stück interessanter
zimbabwescher Pressegeschichte gebildet: Arbeiter der
"Willowvale"-Autofabrik, in der die kostbaren
Neuwagen aus importierten Teilen zusammengesetzt werden,
hätten den Betrug an die Presse gegeben, durch die
versehentlich einem falschen Parlamentsabgeordneten
zugestellte Rechnung sei der Skandal aufgeflogen. Die
Zeitschrift "MOTO" brachte eine Karikatur, die
den kleinen Nyarotha mit Federhalter vor einem riesigen,
mit Schwert und Axt bewaffneten Legionär zeigt.
"Der Stift ist mächtiger als das Schwert!"
meint der Journalist. "Sagt wer?" fragt der
Legionär mit verschränkten Armen. Enos Nkala, der mächtige
Verteidigungsminister, hatte den Chefredakteur anfangs
noch persönlich bedroht. Er war einer der ersten
Minister, der als Lügner überführt wurde. Und er war
der zäheste Gegner von Joshua Nkomo und einer Versöhnung
mit dessen ZAPU gewesen. Der Gouverneur von Matabeleland-Nord,
Jacob Mudenda, verlor nach der ersten Runde der öffentlichen
Untersuchung ebenfalls seinen Posten. Mark Dube,
Gouverneur von Matabeleland-Süd, wurde in der zweiten
Runde überführt, beim Wiederverkauf eines Autos illegal
33.000 Zimbabwe-Dollar Profit eingesteckt zu haben. Das
Matabeleland Joshua Nkomos ist für ihn zufriedenstellend
vom ZANU-Einfluß freigeräumt. Geoff Nyarotha, der
angebliche Einzelkämpfer in der "Willowgate"-Affäre
wurde vorübergehend aus dem Weg geschafft: Der frühere
Pressesekretär Mugabes erhielt einen hochdotierten, aber
völlig einflußlosen Posten im Management des "Mass
Media Trust" bis dessen Chef sich zusammen
mit anderen schwarzen Unternehmern die
regierungskritische Wochenzeitung "FINANCIAL GAZETTE"
aneignete und den ehemaligen "CHRONICLE"-Chefredakteur
mitnahm, der nun von seinem neuen Sessel aus unabhängigen
Journalismus ausprobieren will.
Die Medien-Manager des Landes und die angestellten
Journalisten spielen das wurde schon bei der
Darstellung von Geschichte und Funktion der "Zimbabwe
Broadcasting Corporation" deutlich für die
Diskussion des zimbabweschen Entwicklungsweges keine
Vordenkerrolle!
Im Juli 1989 starb in Windhuk, der Hauptstadt Namibias,
einer der prominentesten zimbaweschen Journalisten,
Godwin Matatu. Er hatte während eines Reportereinsatzes
als Korrespondent des Londoner "Observer" einen
Herzinfarkt erlitten. Der "Observer" gehört
zum einflußreichen "Lonrho"-Konzern, dessen
Niederlassung in Zimbabwe nach wie vor wichtige
Wirtschaftsbereiche des Landes kontrolliert. "Lonrho
Zimbabwe" brachte den Sarg per Flugzeug von Windhuk
nach Harare, wo sich am Grab des Journalisten Kollegen
und viel politische Prominenz versammelten, darunter
Eddison Zvobgo, 1979 vielbeachteter Pressesprecher der
schwarzen Befreiungsbewegung bei der Lancasterhouse-Konferenz
und u.a. Justizminister Zimbabwes bis die schon
geschilderten schweren tribalistischen Konflikte
innerhalb der Regierungspartei ihn Anfang 1987 ins vorübergehende
Abseits drängten. Am Grab Matatus kam nun die Stunde der
Wahrheit, als Zvobgo seinem ehemaligen Kollegen ein
"Kaliber" bescheinigte, "für das es in
unserem Land keinen Platz gab." "Stattdessen,"
so Zvobgo über den gebeugten Häuptern der trauernden
Kollegen, "mußten wir uns mit der zweiten Garnitur
begnügen!"
Diese von einem Kenner der Szene so bezeichnete
"zweite Garnitur" von Medienarbeitern
sieht sich aber konfrontiert mit der Aufgabe, nicht nur
die Rolle der Medien im eigenen Land neu zu definieren,
sondern auch im weltweiten, von Informationsgiganten
beherrschten Kommuniukationsgeschäft eine Nische zu
finden. Die dabei gewonnenen Erfahrungen führen zu immer
neuen Frustrationen wie der Versuch Zimbabwes
lehrte, in das internationale Filmgeschäft einzusteigen:
Touristen hätten im Sommer 1989 beim Besuch der berühmten
Victoria-Fälle einen einmaligen Blick auf dieses
Weltwunder von einem Podest aus werfen können, das auf
einem Stahlrohrgerüst weit über den Rand der Schlucht
ragte hätte da nicht auf einem Schild gestanden:
"Betreten verboten! Die Verwaltung der Nationalparks
und Warner Brothers."
Touristen am Lake Kariba, einem der größten künstlichen
Seen der Welt, mußten vor der Einfahrt eines direkt am
Wasser gelegenen Hotels umkehren. Ein Schild teilte ihnen
mit: "Die Hotel-Leitung bedauert die vorübergehende
Schließung: Warner Brothers hat dieses Hotel bis Ende
August gemietet!"
Der amerikanische Filmkonzern "Warner Brothers"
drehte in Zimbabwe einen Abenteuerfilm: "White
Hunter / Black Heart" "Weißer Jäger /
Schwarzes Herz", ein Movie in der Tradition von
"Africa Queen", dem berühmten Afrika-Film von
John Huston mit Humphrey Bogart. Als Regisseur, Produzent
und Hauptdarsteller war seit Mitte Juni im Lande: Clint
Eastwood. Das Drehbuch schrieb James Bridges auf der
Basis eines Bestsellers von Peter Viertel, der im Jahr
1955 seine Erlebnisse mit dem Regisseur von "Africa
Queen", John Huston, in einem Roman verarbeitete.
Ich fragte Clint Eastwood nach der Film-Story.
"Es geht um diesen Mann, der besessen ist von
Elefanten," antwortete er, "aber er soll einen
Film machen, er wird bezahlt dafür. Doch er ist zu tief
beeindruckt von der Jagd-Expedition und er kommt an den
Punkt seiner Besessenheit, wo das ganze Filmprojekt
infrage gestellt ist. Es ist die Geschichte von den
Vorbereitungen für 'Africa Queen' und der Besessenheit
John Hustons von Afrika. Die letzte Einstellung dieses
Films wird die erste von 'Africa Queen' sein."
Clint Eastwoods Anwesenheit in Zimbabwe stieß auf
gelassenes Interesse. Seit sechs Jahren waren die
Zimbabwer daran gewöhnt, Besuch von Mega-Stars der
internationalen Filmszene zu erhalten: Richard
Chamberlain machte den Anfang, 1983 mit einem wüsten
"Indiana Jones"-Verschnitt des größten Film-Konzerns,
Cannon-Productions. "King Solomon Mines" und
sein Nachfolger "Quatermine" waren beide keine
Kassenerfolge, aber Cannon öffnete Zimbabwe für das
internationale Filmgeschäft. Sir Richard Attenborough
folgte und drehte hier den Steve-Biko-Film "Ruf nach
Freiheit", der immerhin eine Oskar-Nominierung
erhielt. Claude Lelouch kam mit Jean-Paul Belmondo und
auch Klaus Kinski hatte einen, den Zimbabwern unvergeßlichen
Auftritt, als er Hotel- und Zollpersonal zum Verzweifeln
brachte.
Wie er denn auf die Idee gekommen sei, in Zimbabwe zu
drehen, fragte ich Clint Eastwood. Kenia sei doch von
internationalen Filmfirmen immer bevorzugt worden.
Er sei bisher weder in Kenia noch in Zimbabwe gewesen,
antwortete Eastwood. Der Executiv-Producer David Valdes
und seine Kollegen hätten sich Zimbabwe angesehen und es
sehr gut gefunden. Vielleicht habe die Tatsache eine
Rolle gespielt, daß in Kenia schon so viele Filme
gemacht worden seien und es dort soviele Touristen gebe.
Er habe sich Video-Bänder von Kenia und von Zimbabwe
angeschaut und er habe es sofort gemocht. Auf die
Frage, wie sich denn die Zusammenarbeit mit dem
zimbabweschen Informationsministerium gestalte, meinte
Clint Eastwood, es gebe eine wunderbare Kooperation und
das sei vielleicht mit ein Grund für die Entscheidung
gewesen.
Zimbabwe hat sich mit seinen Landschaftsreizen, den
kolonialen Stadtbildern, mit seinen wilden Tieren und
einer intakten Infrastruktur zum Eldorado internationaler
Filmemacher entwickelt. 1983 hatte das Land noch gegen
seinen Ruf als unsicheres Pflaster anzukämpfen. Drei
Jahre nach seiner Unabhängigkeit herrschte noch Bürgerkrieg
im Matabeleland. Dennoch gelang es der Vertrauten des
damaligen Informationsministers Nathan Shamuyarira,
Beverly Tilley, ihren Chef von den Perspektiven einer
Offerte an die internationale Filmwelt zu überzeugen
mit gelegentlicher Teilfinanzierung von
Spielfilmen durch Zimbabwe. Hintergedanke: Der Aufbau
einer eigenen Filmindustrie! Da nahm es Dr. Shamuyarira
in Kauf, daß er sich 1985 die Premiere des ersten Cannon-Films
in Harare antun mußte, einer unsägliche Klamotte mit unübersehbaren
rassistischen Aspekten, die in den USA lebende Zimbabwer
zu Protestbriefen an die heimatliche Presse veranlaßten.
Das "Zentrale Film-Laboratorium" in Harare
erhielt jedoch die Mittel, sich mit moderner Technologie
auszurüsten. Zimbabwesche Schauspieler, Techniker,
Produzenten bekamen Gelegenheit, in der Zusammenarbeit
mit den ausländischen Teams praktische Erfahrungen zu
sammeln. Oliver Maruma gehört inzwischen zu der Handvoll
Talenten, die sich an eigene Produktionen gewagt haben.
Sein 90-Minuten-Film "Consequences" über eine
Schulmädchen-Schwangerschaft, ein ernstes Jugendproblem
in Zimbabwe, wurde schon mit zwei internationalen Preisen
ausgezeichnet. Aber er wurde im zimbabweschen Fernsehen
gezeigt, nicht im Kino. Der Manager einer der größten
Kinoketten in Zimbabwe, Ian Hoskins, hatte im Mai und
Juni 1989 in Harare das 6. Internationale Filmfestival
ausgerichtet. Die einzige afrikanische Meldung, ein
Spielfilm aus Ghana, mußte zurückgezogen werden: Er war
nicht rechtzeitig fertiggeworden. Produktionen aus den
USA, aus Spanien und aus der Bundesrepublik gewannen die
ersten drei Preise. Ian Hoskins hat keine Illusionen über
Zimbabwes Film-Perspektiven:
"Es ist schwierig, einen Vergleich mit der
Filmindustrie hier zu ziehen. Es gibt gute
Dokumentarfilme, aber ein Spielfilm das ist die größte
Herausforderung! Mit einem guten Spielfilm kann das große
Geld gemacht werden, wenn man damit auf den Weltmarkt
gelangt. Unglücklicherweise bringen Dokumentarfilme kein
Geld wir kaufen nie Dokumentarfilme."
Auch bei Dr. Shamuyariras Nachfolger im Amt des
Informationsministers, bei Dr. Witness Mangwende trat Ernüchterung
ein. Am Schluß des Harare-Festivals verteilte er eher
griesgrämig die Preise und dann holte er zum
Rundumschlag aus:
"Erlauben Sie mir, meine Sorge auszudrücken über
einige Filmunternehmen, die in Zimbabwe drehen,"
sagte er, "sie haben unter anderem unsere Hoffnung
auf Deviseneinkünfte und auf Vermittlung von
Fachkenntnissen zum Aufbau einer eigenen Filmindustrie
frustriert. Wir haben eine Phase erreicht, in der wir abwägen
müssen, ob es sich für Zimbabwe gelohnt hat, daß ausländische
Unternehmen hier Filme produzieren. Es ist zum Beispiel
schlimm, daß einige ausländische Firmen Crews
hereingebracht haben, deren Jobs nach unserer Ansicht
Zimbabwer hätten kompetent ausfüllen können. Und
obwohl Zimbabwe im Laufe der Jahre spezielles Gerät
angeschafft hat, fahren Produktionsfirmen fort, das
meiste equipment in Südafrika zu mieten. Angesichts
mangelnder Kontrolle haben außerdem einige zimbabwesche
Partnerfirmen Rechnungen nicht beglichen oder ihre Beschäftigten
schlecht behandelt und bezahlt vor allem ihre
schwarzen Arbeiter."
Nicht erwähnt wurden vom Informationsminister Intrigen
und Korruptionsfälle in seinem Ressort, die die
erfahrenste Mitarbeiterin zur Aufgabe ihres Jobs zwangen
und den früheren Chef des halbstaatlichen "Zentralen
Film-Laboratoriums" wegen passiver Bestechung vor
Gericht brachten.
Anfang Mai 1989 gab die "Zimbabwe Film, Television
and Allied Workers' Association" ihre Zurückhaltung
auf. Sie beanspruchte den Status einer ordentlichen
"Union", einer Gewerkschaft. "Die ursprüngliche
Auffassung, die Bezeichnung 'Union' würde ausländische
Filmkompanien abschrecken, ist ein Irrtum gewesen,"
sagte der Regisseur Oliver Maruma, neuer Vorsitzender der
Gewerkschaft. Er ist noch immer optimistisch, daß
Zimbabwes Filmindustrie auf die eigenen Beine kommt.
Die grundsätzliche Kehrtwendung in der
Wirtschaftspolitik Zimbabwes kam am 18. April 1989. Es
sei klargeworden, so erläuterte Präsident Mugabe bei
den Unabhängigkeitsfeiern im Nationalstadion von Harare,
daß ausländische Investoren eine wesentliche Rolle
spielen könnten. Deshalb sei entschieden worden, ein
Investitionszentrum einzurichten, das Investoren aus dem
Ausland als Anlaufstelle dienen solle. Der Schutz ausländischer
Investitionen und der Transfer von Gewinnen sollten
umgehend in einem Investment-Code abgesichert werden.
Weitere Initiativen zum Beispiel die Einrichtung
von zollfreien Wirtschaftszonen würden studiert.
Außenminister Shamuyarira dämpfte sofort nach der
Mugabe-Rede in einem Fernsehinterview zu große
Erwartungen:
"Ich selber teile nicht die Ansicht, daß nun eine
Menge Geld nach Zimbabwe fließt, bloß weil es einen
liberalen Investment-Code geben wird," sagte
Shamuyarira. "Harte Tatsache ist, daß einfach zu
wenig Geld auf den Weltfinanzmärkten für Investitionen
im Ausland zur Verfügung steht."
Während sich die zimbabwesche Geschäftswelt, nach wie
vor von Weißen beherrscht, in Begeisterung überschlug,
schlug der Zimbabwesche Gewerkschafts-Congress einen
ersten Warnpfahl ein. ZCTU-Generalsekretär Morgan
Tsvangirai erhob am Tag nach der Präsidenten-Rede in
einem Fernseh-Interview warnend die Stimme. Wenige Monate
nach Mugabes Ankündigung begann das für alle
Beteiligten ungewohnte Feilschen um Lohnerhöhungen: Nach
fruchtlosen Verhandlungen legten die Junior-Ärzte die
Arbeit nieder, es kam zu Massenfestnahmen durch die
Polizei. Der Präsident mußte einschreiten und mit einer
Amnestie Gerichtsverfahren abwenden. Dann legten
Facharbeiter den gesamten Eisenbahnverkehr lahm. Die
halbstaatliche Verwaltung lenkte ein, doch als wenig später
die kleine Gruppe von Rangierern ebenfalls mit
Arbeitsniederlegung für bessere Löhne demonstrierte,
wurde der Protest mit rigorosen Entlassungen zerschlagen.
Unterdessen klagten Unternehmer über ganz andere
Hindernisse für eine florierende Wirtschaftsentwicklung
in Zimbabwe, und natürlich standen ihnen dafür
bequemere Mittel zur Verfügung. Sie kauften bei der
"Zimbabwe Broadcasting Corporation" wöchentliche
Sendezeit, in der sie ihre Probleme debattierten. Unter
anderen stellte der Chef eines Industriebetriebes zur
Lieferung von Bergbaugeräten sehr plastisch seine Sorgen
mit der Staatsbürokratie dar:
"Wir liefern der Bergbau-Industrie zu," sagte
Warry Higgs, "einer Industrie, die diesem Land einen
großen Anteil harter Währung verdient. Was der Bergbau
aber an Devisenzuteilung erhält, ist nur ein kleiner
Prozentsatz obwohl dieser Industriebereich Devisen
einbringt. Wenn nun zum Beispiel in einer Mine ein Gerät
kaputtgeht, kann das den Ausfall von vielen Tagen
Produktion im Wert von Tausenden von Dollar bedeuten und
den Ausfall von Export, also von Devisen-Verdienst. Und
das, weil vielleicht nur 600 Dollar in Devisen für ein
Ersatzteil nicht zur Verfügung stehen. Ich habe das Gefühl,
daß die Industrie, die Devisen hereinbringt, nicht
ausreichend bei der Devisenverteilung berücksichtigt
wird."
Neun Jahre nach seiner Unabhängigkeit hatte Zimbabwe
beschlossen, eine wirtschaftspolitische Kurskorrektur
vorzunehmen. Seine Geschäftsleute drängten den Präsidenten,
die strikten Devisenkontrollen aufzugeben, die unter
anderem zur Spekulation mit kaum erhältlichen Gütern
wie zum Beispiel mit neuen Kraftfahrzeugen
Tür und Tor öffnete.
Doch Außenminister Shamuyarira behielt recht, ausländische
Investoren rissen sich nicht darum, ihr Geld in Zimbabwe
anzulegen aus drei Gründen, die er so allerdings
wohl nicht im Sinn hatte:
1. Mit der ideologischen Aufräumarbeit in den alten
marxistisch-leninistischen Bastionen Europas und Asiens
eröffnen sich von der DDR über die Sowjetunion
bis nach China attraktive Investitionsmärkte und
zugleich gerät die übrige sogenannte Dritte Welt als
Lieferant von Rohstoffen und Billigarbeit sowie als
Konsumgutempfänger unumkehrbar in die Abhängigkeit von
Entwicklungszentren der nun endgültig aufgeteilten
Wirtschaftswelt. Die angestrebte Süd-Süd-Kooperation,
also der direkte Handelsaustausch zwischen sich
entwickelnden Ländern, bringt keinen Zugang zu Devisen
und zu moderner Technologie sowie dem dazugehörigen Know-how.
2. Der liberale Investment-Code wurde nicht von
vertrauensbildenden Änderungen in den innenpolitischen
Rahmenbedingungen Zimbabwes begleitet im Gegenteil:
Die bislang nicht eingelöste Landreform, eine bedrohlich
wachsende Arbeitslosen-Lawine und damit zusammenhängende,
soziale Unruhen sowie die Unfähigkeit, Widerspruch zu
ertragen, machen es Mugabes Regierung und vor allem
seiner Partei immer schwerer, das existierende Recht als
Grenze ihres Führungsanspruchs anzuerkennen. Vor diesem
Hintergrund hatte sich gegen Ende 1989 in Zimbabwe
zwischen Regierungspartei und der von ihr gestellten
Parlamentsführung einerseits und dem Obersten Gericht
andererseits ein schwerer Konflikt entwickelt. Die
Festnahme des Gewerkschaftschefs Morgan Tsvangirai sowie
Verhaftungen von Studenten- und Oppositionsfunktionären
unter dem nahtlos von den Weißen übernommenen und jedes
halbe Jahr verlängerten Ausnahmerecht wurden vom höchsten
Gericht mehrfach aufgehoben, von der Exekutive auf
Anweisung der Sicherheitsorgane jedoch schlicht ignoriert.
Der Generalstaatsanwalt stellte vorübergehend alle
weiteren Strafverfolgungen ein, als der erste, von einem
Gericht im Zusammenhang mit dem Autoskandal verurteilte
Ex-Minister von Präsident Mugabe Pardon erhielt.
3. Verdeckte und schon im Befreiungskampf entstandene
Machtkonflikte zwischen Führern unterschiedlicher Shona-Gruppen
und eine u.a. daraus resultierende Clan-Wirtschaft lähmen
Planung und Management in nahezu allen öffentlichen
Bereichen. In zehn Jahren ist es Zimbabwe nicht gelungen,
wichtige Wirtschaftsbereiche in den Griff zu bekommen
Beispiel Transportwesen: Der Nah- und Fernverkehr
mit Bussen hat sich während der letzten Jahre in einer
lebensgefährlichen Krise festgefahren, mangelnde
Aufsicht und fehlende Ersatzteile lassen Menschen nicht
bloß stundenlange Wartezeit vergeuden, platzende Reifen
dürften Zimbabwe zu einem traurigen Weltrekordhalter tödlicher
Busanfälle gemacht haben. Als im November 1989 von einem
solchen Busunglück mit 78 Toten zu berichten war, konnte
in derselben Zeitungsausgabe auf einer Doppelseite das
Farbfoto einer Neuerwerbung von "Air Zimbabwe"
bewundert werden: 65 Millionen US-$ kostet die "Boeing
767", mit der die nationale Fluggesellschaft im
internationalen Wettbewerb Gewinne einfliegen will. Im
Juni '89 mußte das "Air Zimbabwe"-Management
einräumen, daß Angestellte der Fluglinie und
Familienmitglieder auf der Flugstrecke Harare-Frankfurt
gelegentlich 95 der insgesamt 139 Passagiere stellten
mit Tickets zu 10 Prozent des normalen Preises.
Einen Tag, bevor die neue "Boeing 767" in
Harare eintraf, wurde bekannt, daß das "Air
Zimbabwe"-Management versäumt hatte, rechtzeitig
die Erlaubnis einzuholen, mit dieser Großraummaschine
den Linienverkehr nach London aufnehmen zu dürfen. Der
chaotische Gütertransport der halbstaatlichen
Eisenbahngesellschaft, der monatelang die Nationalökonomie
bedrohte, wurde klammheimlich von einem durch die
Weltbank finanzierten Experten innerhalb von 14 Tagen
wieder auf die rechten Geleise geschoben.
Im zehnten Jahr der Unabhängigkeit hatte Zimbabwe einen
Kreuzweg erreicht, auf dem die Suche nach einer Nische im
Weltmarkt zur Überlebensfrage wurde. Im Prozeß der
politischen und wirtschaftlichen Umgestaltung traten die
Widersprüche einer Gesellschaft zutage, die
Selbstbestimmung in einer Zeit erkämpfte, in der
Befreiungsanstrengungen unterdrückter Völker vor dem
Hintergrund einer ideologisch klar aufgeteilten Welt
stattfanden: Sozialismus versus Kapitalismus!
Anfang Dezember 1989 kurz vor dem entscheidenden
Kongreß der in einer Einheitspartei zusammengeführten
ZANU PF und ZAPU wurde der Informationssekretär
der Partei, Außenminister Nathan Shamuyarira in einem
Fernsehinterview nach der Zukunft des Sozialismus in
Zimbabwe befragt. Seine Antwort: "Zimbabwe wird sich
wegen der Ereignisse in Osteuropa nicht von seinem Weg
zum Sozialismus abbringen lassen. Der zimbabwesche
Sozialismus ist aus einer eigenständigen Analyse
entstanden, angepaßt an eigenen Erfordernissen und
deshalb ist er verschieden von Sozialismus, wie er in
anderen Ländern praktiziert wird."
Einspruch: Es gibt in Zimbabwe keinen eigenständig
entwickelten sozialistischen Weg! Das im Befreiungskampf
benutzte sozialistische Konzept, der Marxismus-Leninismus,
hat von den Betroffenen bis heute leider unbemerkt
schwarzes Denken auf neue Weise kolonialisiert!
Selbst die von Shamuyarira in seinem Interview als
einziger Beweis für reale sozialistische Anstrengungen
in Zimbabwe angeführte Kooperativenbewegung
experimentiert mit unterschiedlichen ausländischen
Modellen, die nach Shamuyariras eigenem Eingeständnis
bis auf wenige Ausnahmen kollabierten.
Von der endgültigen Aufteilung des Weltmarkts in die
Ecke gedrängt und mit zweifelhaft gewordenem
ideologischen Rückhalt im bröckelnden sozialistischen
Lager hat die zimbabwesche Führung nun einen
afrikanischen Ausweg gesucht: Die Häuptlingslösung!
Unter zunehmender Ausschaltung des Parlaments, in dem
schon vor der Verfassungsänderung des Jahres 1990 kaum
noch ein Minister zur Debatte mit in der Regel
ebenso volksfernen Abgeordneten erschien, werden
Entscheidungen von lokaler bis zu nationaler Bedeutung
auf den unterschiedlichen Häuptlingsebenen in der
Struktur der Einheitspartei getroffen.
Der junge Lehrer Robert Gabriel Mugabe und das
wird in Europa oft übersehen kam zu seiner
politische Grundüberzeugung im Ghana des Kwame Nkrumah,
das 1957 als erste britische Kolonie Afrikas unabhängig
wurde! Mugabe:
"Ich ging dorthin als Abenteurer, ich wollte sehen,
wie es sein würde in einem unabhängigen afrikanischen
Staat. Einmal dort, begann ich endgültige Ideen zu
entwickeln man könnte sagen, es war dort, wo ich
die generellen Prinzipien des Marxismus akzeptierte."
(In: "Mugabe", David Smith & Colin Simpson
with Ian Davies, 1981, Pioneer Head, Salisbury, S. 22)
Das Afrika-Seminar im Institut für Publizistik der Westfälischen
Wilhelms-Universität zu Münster nahm 1962 "Eine
erste Erkundung" vor, die Nkrumahs Parteipraxis so
beschrieb:
"'...Nkrumah hat begriffen, daß die politische
Partei in Afrika nicht die Wesenszüge bewahren kann, die
sie in den westlichen Demokratien besitzt. Die CPP ist
ein vollkommen ausgebautes soziales Gebilde. Es
entspricht dem Verlangen des Schwarzen, ein totales
Engagement einzugehen, das die Stelle seiner alten
Bindungen an den Clan einnehmen kann. Die Partei
beabsichtigt, alle Gefühle des Schwarzen für den
nationalen Aufbau und die wirtschaftliche Entwicklung zu
mobilisieren.'
[Jean-Louis Clement]
Die ghanesische CPP und mit ihr alle Parteien Afrikas
zeichnen sich wesentlich durch folgende Charakteristika
aus: a) Sie fordern das totale Engagement des Afrikaners.
b) Parteiführer und Parteiorganisation sind weitgehend
identisch. c) Die Partei ist an die Stelle des Stammes
und an die Stelle der Großfamilie getreten. d) Der
Parteiführer ist gottähnlich. e) Die Partei führt
Afrika von der Unterdrückung zur Freiheit. f) Die Partei
verkündet die Botschaft des Nationalismus."
(Prof. Dr. H.-J. Prakke, "Publizist und Publikum in
Afrika", 1962, Verlag Deutscher Wirtschaftsdienst, Köln,
S. 21)
Im Mai 1989 zum 26-jährigen Bestehen der "Organisation
für Afrikanische Einheit" erfuhr Kwame
Nkrumah, 17 Jahre nach seinem Tod in einem rumänischen
Krankenhaus, durch Hauptstadtzeitungen in Harare eine
bemerkenswerte Würdigung als "Architekt der Unabhängigkeit
Ghanas". Die "Sunday Mail" am 21.05.89:
"Es wird unterstellt, Nkrumahs Ansichten von Afrika
und der Notwendigkeit, gegen den Imperialismus zu kämpfen,
seien veraltet. Es wird gesagt, sie gehörten in das
Museum politischer Philosophien als Relikte der
Vergangenheit, sie seien überholt durch neue Phänomene
und einen Realismus, charakterisiert durch Umarmung und Küsse
mit allen und jedermann... Afrika würde es teuer zu
stehen kommen, wenn seine fortschrittlichen Führer sich
mit Vollgas solchen Ideen anschließen würden, die fast
an politische Narretei grenzen."
Nicht erwähnt in der "Sunday Mail": Kwame
Nkrumah hatte 1964, in enger Anlehnung an den Ostblock,
das Einparteiensystem eingeführt und war 1966, nach
Etablierung eines ungeheuren Kults um seine Person, von
der Armee gestürzt worden.
Als Ergebnis der sich abzeichnenden Weltmarktordnung muß
in der zimbabweschen Nische des Weltmarktes auf Dauer
Mangel verwaltet und Instabilität vermieden werden.
Damit stellt sich besonders drastisch die Machtfrage. Die
Häuptlingslösung erschiene unter diesen Umständen eine
mögliche Antwort. Und von Robert Gabriel Mugabe würde
es abhängen, ob es gelänge, im Rückgriff auf verschüttete
afrikanische Erfahrungen dennoch Machtkontrollen wirksam
neu zu entwickeln. Dafür wäre es allerdings
erforderlich, daß sich Zimbabwes Ideologen endlich
verabschieden von Dogmen, die in Mittel- und Osteuropa
nicht nur ein wirtschaftliches Chaos angerichtet haben,
sondern die vor allem die Ausbeutung der Bevölkerungsmehrheit
durch eine Funktionärsminderheit zynisch absichern
halfen. Alles deutet jedoch darauf hin, daß nicht eine
solche afrikanische Variante von demokratischer Führung
durch weise Männer und Frauen angestrebt ist, sondern
die gedankenfaule Kopie europäischer Staatsdiktatur-Modelle,
wie sie schon anderen afrikanischen Gesellschaften
aufgezwungen wurde. Nichts hat sich in den zehn Jahren
seit der Unabhängigkeit Zimbabwes hin bewegt auf eine
Neubesinnung, auf ein Schürfen nach afrikanischer
Identität, in der eigenständige Lösungsversprechen
liegen könnten. Die neue Machtelite hat sich in der
Mehrheit mit ihrem in zehn Jahren akkumulierten,
materiellen Reichtum längst abgewendet von den schwarzen
Wurzeln. Geholfen haben ihr dabei Legionen weißer
Agenturen.
Zur Erhaltung der Stabilität in der afrikanischen
Republik Zimbabwe ist zum Beispiel die Bundesrepublik
Deutschland in den vergangenen zehn Jahren mit
umfangreicher Wirtschafts- und Entwicklungshilfe
aber gelegentlich auch mit untauglichen Konzepten
angetreten, die schließlich auf altbekannte Art zu
korrigieren waren. Die gleichzeitige Förderung von
Regierungspartei und Gewerkschaften nach einem westeuropäischen
Demokratieverständnis etwa, das zu lange den wachsenden
Widerspruch zwischen Oben und Unten in Zimbabwe außer
acht ließ, führte gegen Ende des Jahres 1989 zu einem
seltsamen Geschenk Bonns an Harare ein Dutzend
ohne öffentliches Aufsehen übergebene Limousinen
deutscher Fabrikation. Empfänger war das für staatliche
Sicherheit zuständige Ministerium!
Und welche Priorität hat bei dieser verzweifelten Suche
nach Anschluß an den Weltmarkt die eigene Umwelt?
Von der europäischen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen,
hatte Ende April 1989 in Harare die norwegische
Premierministerin Gro Harlem Brundtland den bedeutenden
"Third World Foundation Prize" entgegengenommen.
Ex-Bundeskanzler Willy Brandt hatte ihn fünf Jahre zuvor
erhalten, vor ihm unter anderen der tansanische
Staatsmann Julius Nyerere, nach ihm Nelson und Winni
Mandela. Frau Brundtland war zuletzt in der zimbabweschen
Hauptstadt gewesen, als ein Jahr zuvor die Ergebnisse der
von ihr geleiteten "Weltkommission für Umwelt und
Entwicklung" vorgestellt wurden, in einem Report mit
dem Titel "Unsere gemeinsame Zukunft".
Ist es denn wahr, was die norwegische Regierungschefin zu
Beginn ihrer Dankesrede in Harare sagte? Ist Afrika tatsächlich
essentiell für "unsere gemeinsame Zukunft"?
Und gibt es "Grund zur Hoffnung, daß sich Afrika
auf dem Weg zu einer dauerhaften Entwicklung"
befindet? Frau Brundtland verhehlte im weiteren Verlauf
der Rede nicht ihren eigentlichen Pessimismus und
die Entwicklung im Musterland Zimbabwe gibt Anlaß dafür
vor allem im Zusammenhang mit dem Thema der von
Gro Harlem Brundtland geleiteten Kommission: "Umwelt
und Entwicklung".
Präsident Robert Mugabe stellte im Mai 1989 beim Empfang
für den Gründungspräsidenten des "World Wide Fund
for Nature", Prinz Bernhard der Niederlande, fest:
"Schutz und Bewahrung unserer Umwelt ist
entscheidend und grundlegend für unser Überleben,
deshalb betrachten wir dies als eine äußerst wichtige
Angelegenheit, und deshalb ist unsere zuständige
Ministerin involviert in einer ständigen Kampagne, nicht
nur, um ein Bewußtsein dafür unter unserer Bevölkerung
zu mobilisieren, sondern auch, um Naturschutz-Projekte
unterschiedlicher Art anzustoßen."
Prinz Bernhard unterbrach die Ausführungen Mugabes vor
den laufenden Kameras und fügte hinzu, er wolle doch
darauf aufmerksam machen, daß Zimbabwe dabei in Afrika
eine führende Rolle spiele.
Nun, da war der Prinz nicht gut genug informiert:
Zimbabwe ist vor dem Hintergrund seiner neuen
Investitionsinteressen gerade dabei, ein von der UNESCO
als "Welt-Erbe" klassifiziertes Stück Natur
dem amerikanischen MOBIL-Konzern zur Disposition zu
stellen. MOBIL hatte schon im Mai 1987 bei der
zimbabweschen Regierung beantragt, in der bislang unberührten
Wildnis des Sambesi-Tales nach Öl suchen zu dürfen. Das
brachte 1989 fast schon zu spät
Organisationen wie die "Wildlife Society of Zimbabwe"
und die "Zambezi-Society" auf den Plan, die nun
versuchten, in einer Presse-Kampagne an die Verantwortung
der Regierung zu appellieren. Monatelang mußte die
regierungsunabhängige "Financial Gazette" auf
eine Stellungnahme der Umweltschutz-Ministerin Victoria
Chitepo warten, die doch nach Mugabes Darstellung nichts
dringender zu tun hat, als Naturschutz-Kampagnen zu
initiieren. Dabei geht es tatsächlich um eines der
letzten unberührten Wildgebiete der Erde: rund 30.000
Ouqadrat-Kilometer, die sich von den Victoria-Fällen
ostwärts und vom Sambesi südwärts erstrecken.
Eingeschlossen sind die von Wildliebhabern aus aller Welt
während der Trockenzeit besuchten Tier-Reservate des
"Matusadona Nationalparks" und des "Mana
Pools Nationalparks", wo noch nahezu jede Spezies
der afrikanischen Tierwelt in einem natürlichen Habitat
lebt.
Ohne Konsultation mit den Naturschutzorganisationen hatte
die Regierung schon Anfang 1988 das Sambesital als mögliches
Umsiedlungsgebiet für Kleinbauern in Aussicht genommen.
Sie unterzeichnete mit der Europäischen Gemeinschaft
einen Vertrag, mit dem die EG rund 6,7 Millionen Z-$ für
ein Programm zur Bekämpfung der Tse-Tse-Fliege
bereitstellte. Sie war bisher das letzte Hindernis für
Mensch und Rinder, die der von diesem Insekt übertragenen
Schlafkrankheit zum Opfer fielen. Die EG hatte zuvor
umfangreiche Rindfleischlieferungen mit Zimbabwe
vereinbart! Naturschützer haben sich jedoch nicht davon
überzeugen lassen, das das versprühte Gift für Fauna
und Flora im Sambesital unschädlich ist. 5.000 Hektar
waren nach Angaben eines EG-Vertreters in Harare bis März
1989 schon als Farmland nutzbar, 24.000 Hektar sollen es
bis 1992 sein.
Die "Zambezi Society", schon in diesem
Zusammenhang erfolglos, zeichnete nun ein Horrorbild zu
erwartender Schäden aus der bevorstehenden Öl-Exploration
und stützte sich dabei auf Erfahrungen eines ähnlichen
Projekts im Luangwa-Tal im benachbarten Sambia.
Voraussichtlich würden alle 15 Kilometer bis zu 5 Meter
weite Schneisen in den Busch geschlagen werden müssen,
über die schweres Gerät an die Bohrstellen gebracht würde.
Brunnen müßten gebohrt, Basislager errichtet werden.
Wasserverschmutzung, unkontrollierte Brände, Vergiftung
von Boden und Pflanzenwelt seien zu befürchten, und die
sowieso schon vorhandene Bedrohung der Tierwelt durch
Wilderer werde zunehmen.
Die zimbabwesche Regierung, interessiert an
Deviseneinkommen, hielt sich lange bedeckt. Bei einer
internationale Pressekonferenz Anfang Mai 1989 bat ich
Zimbabwes Superminister für Wirtschaft, Finanzen und
Entwicklungsplanung, Dr. Bernard Chidzero, unter Verweis
auf die öffentlich geführte Diskussion um eine
Stellungnahme. Das Projekt werde öffentlich diskutiert
was der Fragesteller aber nicht wisse, sagte
Bernard Chidzero, sei, daß die Regierung beschlossen
habe, eine Studie über die Auswirkungen auf die Umwelt
durchführen zu lassen. Die Regierung sei sich völlig im
Klaren über mögliche Gefahren und Schäden. Der Konzern
verstehe die Sorgen sehr gut und habe zugesagt,
umweltschutzbezogene Maßnahmen zu treffen.
Am 4. Dezember 1989 hatte die MOBIL-Corporation ihr Ziel
erreicht: Der Bericht über die Vertragsunterzeichnung
erschien am nächsten Tag in der Hauptstadtzeitung "THE
HERALD" zusammen mit einer ganzseitigen MOBIL-Anzeige,
mit der ein naturschonendes Vorgehen bei der Öl-Suche
zugesichert wurde. Nun machen Ölbohrungen aber ja nur
Sinn, wenn das gefunden und ausgebeutet wird, wonach man
sucht eben Öl! Und da sind die zimbabweschen
Naturschützer von den Sicherheitsbeteuerungen des
Konzerns angesichts von Öl-Katastrophen in aller Welt
nicht gerade überzeugt.
Zimbabwe befindet sich in einem Dilemma, das der
Vorsitzende des "Nationalen Behinderten-Verbandes"
in Bulawayo bei seiner Wahl schon 1987 von seinem
Rollstuhl aus formulierte: Zum Beifall der Versammelten
erklärte R. Mpinou, es sei sehr entmutigend,
festzustellen, daß sich die Politiker ihren Problemen
gegenüber taub stellten. Überraschenderweise werde
jedoch dem Überleben von Nashörnern, Schuppentieren und
so weiter mehr Beachtung geschenkt, während die
Behinderten Objekte von Mitleid und Not blieben.
Die norwegische Premierministerin Brundtland hat 1988 als
Vorsitzende der "Kommission für Umwelt und
Entwicklung" versucht, einer mäßig interessierten
WeltÖffentlichkeit diesen Konflikt bekanntzumachen.
Commonwealth-Generalsekretär Shridat Ramphal sagte ein
Jahr später bei der Preisverleihung in Harare, ihr
Verdienst sei es, darauf aufmerksam gemacht zu haben, daß
Hauptfaktor für die Gefährdung von Umwelt Armut sei!
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