DER
WEG NACH ZIMBABWE oder VERSUCHE, DIE FREMDE ZU VERSTEHEN
© 1990
Klaus Jürgen Schmidt
DIE REISE AUF DIE PHILIPPINEN
Cala Ratjada / Mallorca, Dezember 1977:
Da es mit dem Bücherschreiben in Paris nicht geklappt
hat, versuche ich es in meinen nächsten Ferien
auf der spanischen Insel Mallorca.
Ich kam in einer Jahreszeit, da gibt es hier kaum
Urlauber allerdings auch weniger Sonne. Auf der
Veranda eines kleinen Lokales am Hafen rieche ich
frischen Fisch. Nach einer Nacht voller Arbeit auf See
sind die Fischkutter hereingekommen. Die gefangenen
Fische sind ausgeladen. Händler haben sie weggeschafft.
Jetzt könnten die Männer von den verschiedenen
Kutterbesatzungen nach Hause gehen müde genung
wird jeder sein. Aber da steigen neue Düfte zu mir
herauf.
Auf jedem Kutter ist in kleinen Küchenverschlägen ein
Frühstück vorbereitet worden eine einfache
"Paëlla" dort drüben das ist Reis mit
Fisch, Krabben und Muscheln, gerösteter Fisch vom
eigenen Fang hier vorn, dazu frisches Brot, das die Händler
vom Bäcker mitgebracht haben. Dort roter Wein aus dem gläsernen
"Puron". Er spritzt im Bogen in den weitgeöffneten
Mund. Hier dampfender Kaffee, Hände wärmen sich an den
Blechtassen.
Da hocken sie zusammen, beschließen ihre gemeinsame
Arbeit mit einem gemeinsamen Mahl erst dann geht
jeder nach Hause zu seiner Familie.
Man muß nicht spanisch sprechen können, um zu
verstehen, was da vor sich geht.
Manchmal genügt es, genauer hinzusehen. Man muß nicht
wie Conny um die halbe Welt fliegen, um
nachzuschauen, wie andere Menschen leben. Manchmal genügt
es, einfach wegzugehen aus dem lauten Touristen-Trubel
hinein ins Land zu seinen Menschen!
Conny hatte die gewiß seltene Gelegenheit, vielleicht
mehr zu sehen als sie mit ihren sechs Jahren begreifen
konnte, aber es hat Spuren zurückgelassen, Spuren, die
sie später auf einen selbständigen Weg führen können.
ABREISE UND ANKUNFT
Ich habe Ende August Geburtstag und das war mein
Glück. In dem Jahr, in dem Klaus zusammen mit Elsa die
lange Reise durch Südostasien beginnen sollte, da wurde
ich sechs Jahre alt. Mit sechs Jahren muß man zur Schule
gehen. Aber weil ich den sechsten Geburtstag erst nach
dem Anmeldetermin hatte, konnten meine Eltern
entscheiden, ob ich schon Schulkind sein sollte oder noch
nicht. Und sie sagten: "Kreidestaub kannst Du noch
lange genug einatmen." Damit meinten sie, lernen
kann man auch etwas, ohne dauernd im Schulzimmer zu
sitzen. "Das ist für viele Jahre die letzte
Gelegenheit, daß wir zusammen verreisen können
bis auf die andere Seite der Erde!" Und so fingen
wir an, unsere Reise nach Südost-Asien vorzubereiten.
Das Blödeste waren die Impfungen gegen Pocken und
Cholera, außerdem mußten wir beginnen, regelmäßig
Tabletten gegen Malaria einzunehmen. Das sind schwere
Krankheiten, die es in heißen Ländern manchmal als
Seuchen gibt. Das Traurigste war der Abschied von "Max"
und "Moritz", meinen beiden Goldfischen. Wir
schafften sie zu einem Brunnen auf dem Liebfrauenkirchhof
in Bremen, wo Taxi-Fahrer noch viele andere Fische
versorgen. Ich habe ein großes Geldstück aus meiner
Sparbüchse zu all den Münzen in den Brunnen geworfen
für's Fischfutter. Das Lustigste waren die
Reporter, die von unserer Reise erfahren hatten und in
der Zeitung schrieben: "Eine Bremer Deern geht auf
Weltreise". Einer fragte mich, was ich am liebsten
esse. "Reis natürlich," habe ich gesagt.
Schließlich besorgten meine Eltern einen richtigen alten
Lederkoffer klein, aber mein. In den wollte ich
unterwegs einpacken, was mir in jedem Land besonders
gefiel. Und dann war es soweit: Nach einem sehr langen
Flug immer in die Richtung, wo die Sonne aufgeht, sah ich
weit unten auf der Erde lauter winzige Teiche
hunderte, tausende dicht nebeneinander, nur von
Strichen getrennt. Die Sonne spiegelte sich auf ihrer
Oberfläche. Es sah aus, wie ein Boden aus lauter eckigen
Spiegelscherben. Später, als das Flugzeug tiefer ging,
sahen wir auch viele grüne Flächen dazwischen. "Das
sind Reisfelder," sagte Klaus, "wir sind in
Asien, dort, wo der Reis wächst!"
Reis hatte ich bisher hauptsächlich als Milchreis mit
Zucker und Zimt und mit brauner Butter gekannt, oder mit
gekochten Apfelstückchen und Rosinen darin. Den habe ich
immer mit einem großen Löffel gegessen, von einem
Teller. Ein paarmal hatten Elsa und Klaus mich zu Hause
in ein chinesisches Restaurant mitgenommen. Dort gab es
statt Teller Schüsseln aus Porzellan und statt Löffel
zwei hölzerne Stäbchen so groß wie neue
Bleistifte manchmal waren sie aus Plastik. Und
damit sollte ich Reis essen Reis, der viel
flockiger war und überhaupt nicht aneinanderpappte wie
mein Milchreis! Die Erwachsenen machten sich mit Stäbchen
'was vor eine Erbse aufheben, oder ein einziges
Reiskorn. Damit gaben sie mächtig an.
Schon in den ersten Tagen nach unserer Ankunft in Südost-Asien
fand ich heraus, daß die Kunst in Wirklichkeit darin
besteht, mit solchen Stäbchen einen ordentlichen Happen
in den Mund zu kriegen! Ich sah, daß die Schale mit der
einen Hand bis an die Lippen gehoben wird, und die andere
Hand schaufelt mit den beiden Stäbchen den Reis in den
Mund. Alle anderen Sachen Fleisch, Fisch, Gemüse
liegen kleingehackt auf gemeinsamen Tellern. Von
dort kann man sich mit den Stäbchen nun wie mit einer
Art Zange Bissen für Bissen abholen, was man gerade mag.
Dann gibt es Schälchen mit Soßen; in die werden die
Happen mit den Stäbchen eingetunkt. Man muß aber
aufpassen, denn diese Tunken sind nur manchmal süß oder
auch säuerlich, meistens sind sie furchtbar scharf. Da
hilft dann nicht 'mal ein großes Glas Limonade, um das
Feuer zu löschen, das man im Mund spürt. Aber das kann
sich jeder nach seinem Geschmack zubereiten, und dabei
ist eigentlich alles erlaubt: Man kann schmatzen und schlürfen,
und wenn man will, kann man sogar mit den Händen
zufassen ohne daß jemand schimpft! In manchen
Gegenden wird sogar Reis mit den Fingern gegessen
und manchmal haben die Leute dort nicht viel mehr zu
essen als bloß Reis!
|