DER WEG NACH ZIMBABWE oder VERSUCHE, DIE FREMDE ZU VERSTEHEN
© 1990 — Klaus Jürgen Schmidt



LOKALES FERNSEHSPIEL
STATT
"SCHWARZWALD-KLINIK"



5 Uhr morgens — ein neuer Tag wird eingekräht in Zimbabwe, auf Welle 3 der "Zimbabwe Broadcasting Corporation". Es ist noch dunkel, aber Hunderttausende von Menschen machen sich zu dieser Stunde auf den Weg — auf die Felder und Weiden im Land zwischen Sambesi und Limpopo, zu Büros und Fabriken in Harare, Bulawayo, Kwekwe oder Mutare, in die Küchen und Gärten vornehmlich weißer Haushalte oder — abermals — auf der Suche nach irgendeinem Job, vielleicht klappt es ja heute.

Ein neuer Tag bricht an in Zimbabwe, und der Hahnenschrei auf Radio 3 erinnert die Frühaufsteher jeden Morgen an die seit neun Jahren veränderten Zeitläufte: "Jongwe" der "Hahn" ist das Symbol der Regierungspartei ZANU PF Präsident Mugabes.
Die Station "im Herzen der Nation" — Radio 3 — ist fast nahtlos in die Programmnachfolge der rhodesischen Station "Radio Jacaranda" eingestiegen mit einem Pop-Musikangebot, das nun vor allem die junge Generation Zimbabwes davon abhalten sollte, südafrikanische Rundfunksender einzuschalten. Von dieser eher ideolgischen Ambition hat sich der Pop-Kanal längst weiterentwickelt zu einer der kommerziellen Stützen der Zimbabwe Broadcasting Corporation, die das Rundfunkgesetz der Rhodesier aus den Fünfziger Jahren nahezu unverändert zur Grundlage ihres Rundfunk- und Fernsehbetriebs hat. ZBC ist eine der wenigen Rundfunkorganisationen auf dem afrikanischen Kontinent, die über einen öffentlich-rechtlichen Status verfügt — ähnlich wie die "Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands", ARD — aber ebenso wie die ARD ist ZBC abhängig von Einkünften aus Werbebotschaften in Radio und Fernsehen. So wird beispielsweise der Wetterbericht auf Radio 1 vom Hersteller asbesthaltiger Bau- und Gartenelemente gesponsert, das Fernseh-Wetter gestaltet ein Lederwaren-Produzent. Die Asbestleute können an diesem Tag einen blauen Himmel über Zimbabwe melden — die Lederleute fügen jeden Abend ihrer Werbebotschaft noch ein belehrendes Stück über kulturelle, soziale oder wirtschaftliche Zusammenhänge hinzu.

Abgesehen von großen politischen Veranstaltungen, Auftritten des Präsidenten etwa bei Kundgebungen zum Unabhängigkeitstag oder zum Heldengedenktag, die dann vom Fernsehen direkt übertragen werden, ist ZBC für die Produktion eigenständiger Programme auf Sponsoren angewiesen. So sind etwa die Aufzeichnungen der lokalen Fußballspiele Werbeträger einer Bank, Live-Übertragungen von sportlichen Spitzenereignissen in Europa, vor allem aus Großbritannien, die über eine von Japanern gebaute Satellitenanlage der zimbabweschen Post empfangen werden, sind finanziert durch mehrere Konzerne, die in den Pausen kräftig werben dürfen und von ZBC in Vor- und Nachspann als Mitveranstalter genannt werden.

Die internationale Frühjahrsmesse in Bulawayo ist jedes Jahr einträglichste Saison für die ZBC-Manager: Ihre Redakteure verzichten völlig auf eine kritische Darstellung der Messe-Angebote — stattdessen stehen sie mit ihren Kamera-Teams servil und gegen Entgelt für eine Image-Pflege der Aussteller zur Verfügung. Eine Quiz-Show zweimal täglich aus dem ZBC-eigenen Pavillon auf dem Messegelände verramscht in eher plumper Imitation amerikanischer Vorbilder von Firmen gestiftete Preise — vom Spülmittel über T-Shirts bis zu einem Ferienflug nach Europa. Und während der Weihnachtszeit, wenn Spendenaufrufe für caritative Zwecke auf dem Programm stehen, werden in einer Live-Show aus einem Luxus-Hotel in Harare Spitzen-Kommunalpolitiker — etwa der Bürgermeister der Haupstadt — zu Hampelmännern der Wirtschaft: Die Betuchten lassen die Puppen per Telefon tanzen, 2.000 Dollar für den guten Zweck, wenn der Bürgermeister mindestens fünfmal in die Kamera spricht: "I like 'Hamburgers' from ... so and so".

66 Prozent des ZBC-Haushalts kommen durch Werbeeinahmen herein, 34 Prozent aus Rundfunkgebühren. Meist in der Pause zwischen den abendlichen Hauptnachrichten droht den zahlungssäumigen Fernsehzuschauern das Netz der Lizenz-Kontrolleure: Unter Wasser gefangen mit ihren illegal betriebenen Fernsehgeräten werden sie per Kran an die Oberfläche gehievt "The net is closing in" — aber: "Schwarz hören und sehen" — kommt nur denen teuer zu stehen, die in den urbanen Zentren auf überraschende ZBC-Kontrolleure gefaßt sein müssen.

Fernsehen ist schon ohne Gebühr ein teures Vergnügen. ZBC sendet seit 1980 nach dem PAL-Farb-System, die meisten Empfänger stammen aber noch aus den Siebzigern, als die private "Rhodesia Television Ltd." nur Schwarz-Weiß ausstrahlte, und nur Schwarz-Weiß-Geräte werden bis heute im Lande hergestellt. 100 Prozent Zoll muß — wie auf alle Luxusgüter — für die private Einfuhr ausländischer Farbgeräte bezahlt werden, und da die strengen Devisenkontrollen den meisten Zimbabwern ein Konto im Ausland nicht erlauben, sind die knappen Angebote enorm teuer, umgerechnet 4.500 D-Mark für ein einfaches Gerät bilden keine Ausnahme. Ähnlich verhält es sich mit Rundfunkempfängern, erst seit Mitte Mai 1989 ist ein einfacher "Volksempfänger" auf dem Markt, "The People's Radio", hergestellt von einer lokalen Firma, das die Technologie eines jugoslawischen Unternehmens nutzen kann. Aber es kostet immer noch umgerechnet rund 50 D-Mark — das sind zwei Drittel des monatlichen Mindestverdienstes eines Landarbeiters, und die Produktionsziffer ist so gering, daß es potentielle Käufer auf dem Land kaum erreicht.

Dort aber, auf dem Lande, leben 80 Prozent der zimbabweschen Bevölkerung — und für sie wäre das Medium Radio wichtigster Vermittler von Information über Probleme und Fortschritte des zimbabweschen Entwicklungsprozesses, Anreger auch für Diskussion zwischen Regierenden und Regierten, ein Bildungsinstrument, das auch diejenigen erreicht, die keine Chance hatten, Lesen und Schreiben zu lernen.

"Wir waren zwölf, die aus dem Busch kamen," erzählt der junge Mann, der heute Hörfunk-Programmdirektor der Zimbabwe Broadcasting Corporation ist. "Wir hatten zuletzt von Mocambique aus unsere Botschaften ausgestrahlt."
Ein alter Schwarz-Weiß-Film zeigt ihn am Mikrofon in Maputo. In Shona ruft er:
"Nieder mit den Imperialisten, nieder mit den Neo-Kolonialisten, nieder mit Ian Smith! — Unser Sieg ist sicher!"
"1980 sagte uns die neue politische Führung: Ihr übernehmt den Laden. Der Laden war besetzt mit Weißen. Die meisten gingen sofort. Sie hinterließen uns unter anderem als Erbe die Einführung des Farbfernsehens in Zimbabwe!"
Und sie hatten das wichtigste Archivmaterial schon vorher außer Landes geschafft. Da gibt es ein Pressefoto: Dem "R" (für "Rhodesia") im Schriftzug am Radio- und Fernsehzentrum Pockets Hill in Salisbury wird ein "Z" (für "Zimbabwe") vorangefügt — das war in der Zeit der Übergangsregierung unter Bischof Muzorewa, dem "Quisling" des Ian Smith — vor dem Lancasterhouse-Abkommen von 1979. Nur noch wenige Tondokumente sind aus der Übergangszeit erhalten, eine Stationsansage zum Beispiel:
"Hier ist die Stimme Zimbabwes/Rhodesiens".
Und dann 1980 — ein zweites Foto: Das "R" fällt, das "Z" bleibt — "ZIMBABWE BROADCASTING CORPORATION", auch die Hauptstadt erhält einen neuen Namen: Harare.

Das war — nach dem Entscheid der schwarzen Mehrheit mit dem für ausländische Beobachter als Überraschungssieger gekürten Premierminister Robert Gabriel Mugabe — ein Symbol für schwarze Selbstbestimmung, ein Neuanfang nach Jahrzehnten weißer Vorherrschaft — mit welcher Perspektive? Die Köpfe zu entkolonialisieren? Oder das Medium des weißen Mannes zu kopieren?

Nun kann nirgendwo die Technologie von Rundfunk oder Fernsehen neu erfunden werden, also lud die neue Regierung die BBC ein, eine Bestandsaufnahme vorzunehmen und Vorschläge zu unterbreiten. Die fielen europäisch aus: Die BBC-Experten fanden ein Radio- und TV-System vor, das sich Weiße geschaffen hatten — in der kolonialen Frühzeit als technisches Spielzeug, in der Auseinandersetzung mit der schwarzen Befreiungsbewegung als Instrument des Propaganda-Ministeriums. Die "RHODESIA BROADCASTING CORPORATION", die es 1980 den neuen Bedingungen im von einer schwarzen Regierung bestimmten Zimbabwe anzupassen galt, war selber das Ergebnis eines politischen Umsturzes — einer weißen Revolte unzufriedener weißer Siedler unter Ian Smith's "Rhodesian Front".

Als Ian Smith und seine "Rhodesian Front" 1963 die "Zentralafrikanische Förderation" platzen ließ, war es auch aus mit der zentral von Lusaka aus operierenden "Federal Broadcasting Corporation", FBC, die ihre Struktur der BBC entlehnt hatte, wobei das Schwarz-Weiß-Fernsehen in einer "Rhodesia Television Ltd.", einem Privatunternehmen, organisiert war. Die Radikalen um Smith setzten noch 1963 durch, daß nach Auflösung der "FBC" eine nur noch formal dem BBC-Modell entsprechende Rundfunkstruktur in Rhodesien entstand, die "Rhodesia Broadcasting Corporation", RBC, die auf Weisung der Regierung 51 Prozent Anteile der "Rhodesia Television Ltd." kaufte und damit eine Kontrolle des Programms sicherstellte. Aus war es nun auch mit dem unabhängigen Rundfunk-Journalismus, der den weißen Machthabern mit einer bis dahin unzensierten Berichterstattung über Aktivitäten der schwarzen Nationalisten und der Wiedergabe von Kommentaren der britischen Presse ein Dorn im Auge war. Das Rundfunkgesetz von 1957 ließ die nun von der Regierung nach eigenen politischen Maßstäben vorgenommene Einsetzung eines neuen "Board of Governors" zu, das innerhalb von zwei Jahren alle Schlüsselstellen in der "RBC"-Struktur mit regierungskonformen Persönlichkeiten besetzte. Nicht nur die Stimme schwarzer Nationalisten wurde so abgewürgt, auch Vertreter der weißen Opposition kamen in Rundfunk und Fernsehen kaum mehr zu Wort.

Die Tatsache, daß der "Broadcasting Act", also das Rundfunkgesetz, seit 1957 bis heute nahezu unverändert, Grundlage für zwei ideologisch gegensätzlich begründete Systemänderungen sein konnte, kennzeichnet die durch allen Strukturwandel beibehaltene Nähe zur britischen Kultur — auch nach der Regierungsübernahme durch schwarze Nationalisten, von denen viele ihre akademische Ausbildung in britischen Einrichtungen erhielten. Insofern schien es selbstverständlich, daß 1980 die "British Broadcasting Corporation" den Auftrag erhielt, Vorschläge zur Reorganisierung des zimbabweschen Rundfunkwesens zu erarbeiten.

Victor Maunde, früherer Chef von ZBC-Radio 4, als Bildungskanal ein Resultat der BBC-Empfehlungen, fragt in einer 1988 an der Universität von Cardiff abgeschlossenen akademischen Arbeit über die Umstrukturierung der Medien im nachkolonialen Zimbabwe:
"Angesichts der Tatsache, daß die BBC ein integraler Bestandteil der kolonialen Macht war, die das Land politisch, ökonomisch und sozial dominierte, in welchem Maße konnten ihre Rundfunk-Perspektiven die neue politische Ordnung in Zimbabwe unterstützen?"

Nun ist der Vorwurf, die BBC sei integraler Bestandteil der Kolonialmacht gewesen, aus der Feder eines ehemaligen Freiheitskämpfers eher rhetorisch, weil der BBC-Worldservice nachweislich wichtigste Quelle authentischer Äußerungen schwarzer Nationalisten gewesen ist (und deshalb mancher Smith-Repressalie ausgesetzt war) und weil die BBC für die kritische schwarze (und weiße) Intelligenz im neuen Zimbabwe nach wie vor zuverlässigste Informationsquelle geblieben ist. — So riet der BBC-Report denn auch der neugebildeten "ZBC":
"...Sie sollte bestrebt sein, sich der größten Genauigkeit von Fakten zu widmen, in einer akkuraten und objektiven Ausgewogenheit ihrer Berichterstattung. Sie sollte in die Lage versetzt werden, die Totalität der Menschen in Zimbabwe widerzuspiegeln und der Nation als einende Kraft zu dienen, ohne dabei den Reichtum der kulturellen Vielfalt zu vernachlässigen..."

Die Institution "Zimbabwe Broadcasting Corporation" wurde sehr rasch zu einem Spiegelbild nationaler Zerrissenheit. Nicht der Streit zwischen Schwarz und Weiß stand dabei im Vordergrund — dieser Aspekt der Versöhnungspolitik von Robert Mugabe trug rasch Früchte. Vielmehr waren es die schon erwähnten, aus dem Befreiungskampf mitgeschleppten Konflikte.

"ZBC" wurde zu einem Instrument verdeckter Machtkämpfe der verschiedenen Shona-Gruppen und ihre führenden Manager hatten kaum Zeit, mittel- oder längerfristig zu planen — ganz zu schweigen von einem erkennbaren Bemühen, konzeptionell einen eigenen Weg zu suchen. Diese Tendenz hält Ende der Achtziger Jahre an, und die Sorge wächst, daß die defizitäre Haushaltsführung bei "ZBC" mit wachsenden Zuschüssen aus dem Regierungsetat die zimbabwesche Rundfunkorganisation in eine fatale Regierungsabhängigkeit bringen könnte. Dies würde das Ende eines der wenigen Beispiele einer öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehinstitution auf dem afrikanischen Kontinent bedeuten, das "ZBC" zurzeit noch repräsentiert — auch wenn sie ihrem gesetzlichen Anspruch inhaltlich und finanziell bisher nur unzureichend nachgekommen ist. Eine Schuldzuweisung kann bei einer näheren Betrachtung der BBC-Vorschläge aus dem Jahr 1980 erfolgen. Die BBC-Rechercheure fanden neben dem schon auf das Farb-PAL-System festgelegten einen Fernsehkanal drei Radio-Dienste vor: Der für die Weißen operierende englischsprachige Dienst, die Pop-Station "Radio Jacaranda" und den "African Service", ein für Propagandazwecke eingerichteter und im Industriegebiet von Salisbury — abseits vom Rundfunkzentrum in Pockets Hill — angesiedelter Vernaculär-Dienst für Afrikaner.

Unter dem "Broadcasting Act" von 1957 hat "ZBC" als Nachfolgeorganisation der "RBC" das alleinige Recht zur Ausstrahlung von Rundfunk- und Fernsehsendungen. Der Informationsminister ist dem Parlament gegenüber verantwortlich für die Aktivitäten und Funktionen der öffentlich-rechtlichen Anstalt. Der Staatspräsident bestimmt, dem Rat seines Informationsministers folgend, neun Miglieder des "ZBC Board of Governors", die die Politik und das Budget der Organisation kontrollieren. Der Präsident ernennt auch den Generaldirektor und die Mitglieder des "ZBC Board of Management", die für die Umsetzung der "ZBC"-Medienpolitik im Tagesgeschäft verantwortlich sind.

Anstatt nun — auch unter Berücksichtigung absehbarer, ökonomischer Zwänge eines Entwicklungslandes mit acht Millionen Einwohnern — einen radikalen Neuanfang zu empfehlen, etwa die Beschränkung auf den einen, vorhandenen Fernsehkanal und die Reduzierung auf zwei Radio-Dienste (einer englisch-sprachig, der zweite für die nationalen Sprachen — und beide mit neuen, entwicklungsfördernden Programmkonzeptionen), schlugen die BBC-Experten eine Ausweitung des Fernsehens um einen zweiten Kanal für die städtischen Zentren sowie die Einrichtung eines vierten, ausschließlich für afrikanische Bildungsprogramme gedachten Radio-Dienstes vor. (Schließlich haben auch die Briten ihr "Radio Four"). "Radio Jacaranda" — so der BBC-Report — sollte als moderne Pop-Station mit gewinnbringendem Werbe-Einkommen weiterarbeiten. Genauso geschah es! Mangels eigener Ideen übernahmen die unerfahrenen Medien-Verantwortlichen Zimbabwes das BBC-Verdikt — und suchten nach Finanziers der halbherzigen Umgestaltung, die zum Beispiel eine klare Beschreibung der Aufgaben und Perspektiven etwa im längst überholten Rundfunkgesetz völlig außeracht ließ.

Eine in Medientraining und -ausrüstung international erfahrene Hilfsorganisation hatte sich schon gleich nach der Unabhängigkeit für eine Zusammenarbeit empfohlen: Die Bonner FRIEDRICH EBERT STIFTUNG, mit Medienprojekten schon auf dem afrikanischen Kontinent zum Beispiel in Ghana und in Kenia vertreten. Sie unterzeichnete 1982 einen ersten Kooperationsvertrag, der sich auf den Aufbau des Bildungskanals "Radio 4" beschränkte, des einzigen Radio-Dienstes von "ZBC", der keine Werbung betreibt und seine Betriebskosten jährlich durch einen vom Parlament zu genehmigenden Zuschuß des Informationsministeriums ersetzt erhält. Dabei wurden drei Prämissen in Kauf genommen:

1. Es wurde nicht mehr diskutiert, ob die Einrichtung eines ausschließlich Bildungsprogramme ausstrahlenden Senders in Konkurrenz zu drei anderen Unterhaltungs- und Informationsprogrammen Sinn macht.
2. Es blieb unberücksichtigt, daß bei Überwindung dieses Handicaps durch attraktive Programmgestaltung und somit höherer Einschaltquoten eine für "ZBC" durch Hörerverlust für die anderen Werbeträger schwer zu akzeptierende Konkurrenz entstehen würde.
3. Die Aufgabenteilung zwischen dem als "Radio 2" weiterexistierenden "African Service" und dem neueingerichteten "Radio 4" — beide vom selben Studio-Komplex in Mbare in Vernaculärsprachen sendend — blieb ungeklärt; die abzusehende Konkurrenz des bejahrten und mit veralterter Technologie arbeitenden (aber für Werbe-Einkommen verantwortlichen) "Radio 2" mit dem durch FES neu ausgerüsteten "Radio 4" sorgte jahrelang für eine gespannte Atmosphäre in den ZBC-Studios und für Mißtrauen gegenüber den FES-Beratern.

Das von der katholischen Kirche unterstützte MOTO-Magazin schrieb im Juli 1983:
"Als ZBC's Radio 4 eröffnet wurde...war schon klar, daß die Notwendigkeit für einen separaten Bildungs- und Entwicklungskanal weder durch ZBC noch durch das betroffene Ministerium deutlich gemacht worden war... Während Radio 2 recht erfolgreich diese Bildungslast getragen hatte, verlor es wertvolle Zeit für lukrative Musikprogramme. Mit der Einrichtung von Radio 4 konnte Radio 2 mehr kommerzielle Programme unterbringen... Wenn das Hauptziel der Einrichtung eines getrennten Bildungs- und Entwicklungsfunks war, bei Radio 2 die langweiligen, edukativen Programminhalte loszuwerden und diesen Kanal gleichzuschalten mit den beiden anderen Diensten (Radios 1 und 3), um dafür eine eifrige, schwarze Hörerschaft zu kultivieren — dann wurde dieses Ziel erreicht."

MOTO's kritische Analyse von Funktion und Inhalten der kaum veränderten drei Radio-Dienste aus dem Jahr 1983 kann so sechs Jahre später immer noch gelten: Radio 1 mit nach wie vor elitären Angeboten für die weiße Minorität (europäische Klassik, BBC-Hörspiele mit teilweise kulturell völlig irrelevanten Inhalten) — als gelegentliche, artfremde Einsprengsel im Wochenprogramm und auf zugeschalteter Kurzwelle Agitationssendungen über den Befreiungskampf gegen Apartheid in Südafrika und als "Voice of Namibia". Radio 2 als durchkommerzialisierter Vernaculär-Sender mit kurzen Informations- und Bildungseinblendungen und Radio 3 mit einem 15-stündigen, nur von Telefonspielen, Glückwünschen und gelegentlichen aktuellen Einblendungen unterbrochenen Pop-Musikangebot mit nationalen und internationalen Hit-Listen. Nachrichten und aktuelle Dokumentationen für Radio und Fernsehen werden von einer zentralen ZBC-Abteilung produziert.

Verglichen mit vielen anderen afrikanischen Rundfunkorganisationen, die teilweise sehr viel mehr Zeit seit ihrer Unabhängigkeit für eigenständige Erfahrungen zur Verfügung hatten, kann "ZBC" gewiß einen höheren technischen Standard aufweisen. Die "VOICE OF KENYA" zum Beispiel war von einem experimentierfreudigen Medium mit unaufwendigen, dezentralisierten Regionalstudios in den ersten acht Jahren nach der Unabhängigkeit zu einem unbeweglichen Staatsinstrument mit Produzenten und Technikern als schlechtbezahlte, frustrierte Beamte verkommen; seit drei Jahren versucht der kenianische Rundfunk diesen Stillstand mit einem Kraftakt zu überwinden: Abteilungsleiter wurden per Order aus der Hauptstadt in die Provinz geschickt. In Sambia wird seit 1987 versucht, den Staatsrundfunk wieder in eine öffentlich-rechtliche Organisationsform zurückzuführen. Der Rundfunk in Malawi, Botswana und Lesotho — in allen drei Ländern ebenfalls direkt dem Staat unterstellt — ist dabei, seine jahrzehntelange Fernseh-Abstinenz aufzugeben. Bei Begegnungen von Spitzen-Managern dieser Organisationen während internationaler Konferenzen in Harare erhielten solche Planungen allerdings eher einen Dämpfer — zu deutlich wurden nicht nur die enormen Kosten, sondern auch die drastischen Beschränkungen für eine eigenständige Programm-Produktion, wie sie zum Beispiel die "ZBC" erlebt.

Mangels eigener Erfahrung ließ sich "ZBC" trotz einer Entscheidung für die PAL-Norm auf eine teure technische Zusammenarbeit mit Frankreich ein. Ohne eigenes inhaltliches Konzept kauften die ZBC-Manager unter anderem zwei Ungetüme von Farb-TV-Übertragungswagen, die für Einsätze in ländlichen Gebieten total ungeeignet sind. Bis auf ganz wenige Studio-Diskussionsrunden oder Dokumentationen ist "ZBC" nicht in der Lage, Budgets für eigenständige Produktionen aufzubringen. Selbst Nachrichtenfilme werden gelegentlich erst durch Sponsoren ermöglicht. Mitte 1988 akzeptierte "ZBC" als Geschenk der "United States Information Agency" (USIA) eine 100.000 US-Dollar teure Satellitenempfangsstation, über die nun news-stories des Medienriesen "CNN" vom nordamerikanischen Medienmarkt mit oft völlig irrelevanten Inhalten in das zimbabwesche Nachrichten-Programm eingespeist werden. Das erste Fernsehprogramm, das ohne ersichtliche Notwendigkeit täglich schon am Nachmittag beginnt und an Wochenenden sogar auf den Vormittag ausgeweitet wurde, erreichte 1987 nach einer ZBC-eigenen Schätzung 130.000 Fernsehgeräte, zum größten Teil noch schwarz-weiß und auf die Städte konzentriert. Im Achteinhalb-Millionen-Volk der Zimbabwer sind nur 300.000 Radioapparate verteilt, davon wiederum die meisten in den städtischen Zentren. Nach einer ITU-Untersuchung verfügt Zimbabwe im Vergleich aller südostafrikanischen Länder, mit Ausnahme Mozambiques, über die geringste Verteilung von Rundfunkempfängern. Eine von "ZBC" bei der Friedrich Ebert Stiftung in Auftrag gegebene Studie notierte 1987 die Sorge, daß Ausgaben zur Förderung von Bildungsprogrammen verlorenes Geld seien, wenn diese Programme nicht vom Zielpublikum, also von den 80 Prozent der auf dem Lande lebenden Menschen empfangen werden könnten. Verschärft wird diese Situation durch relativ hohe Preise für Batterien, die in entfernten ländlichen Gebieten — wo es keine Elektrizität gibt - zudem kaum erhältlich sind.

Vor diesem Hintergrund wirkte sich im Sommer 1986 ein medienpolitischer Alleingang von Premierminister Mugabe (seit Ende 1987 Exekutiv-Präsident) verheerend aus: Gerade zum neuen Vorsitzenden der Blockfreienbewegung ernannt, wünschte er sich zur Gipfelkonferenz in Harare die von der BBC sechs Jahre zuvor empfohlene Einführung eines zweiten Fernsehkanals. "ZBC", das in seinen jährlichen Aktivitätsberichten stets den Eindruck erweckt hatte, an diesem Projekt zu arbeiten, mußte innerhalb eines Monats den Betrieb mit einer hastig zusammengelöteten Gerätschaft aufnehmen, ohne über Konzeption, Personal oder Budget zu verfügen. Seitdem können Zuschauer in der Hauptstadt (auf sie ist die Ausstrahlung beschränkt) abends einem Sammelsurium internationaler Dokumentarfilme sowie Wiederholungen der wenigen Eigenproduktionen zusehen. Theoretisch soll TV 2 ein landesweites Bildungsprogramm mit dem Mittelschul-Lehrplan als Schwerpunkt senden. Weder sind dafür Fachkräfte oder Produktionsmittel vorhanden, noch macht dieses ambitiöse Vorhaben angesichts der geringen Zahl vorhandener Fernsehempfänger einen Sinn. Nach Untersuchungen eines FES-Expertenteams unter Einschluß von Technikern der "ZBC" würde allein der Aufbau der nötigen Produktions- und Sendeanlagen in einer ersten Phase rund 32 Millionen D-Mark kosten.

Daß sich das Fernsehen in Zimbabwe vor allem auf die städtische Bevölkerung konzentriert, ist nicht nur durch die begrenzte technische Sendekapazität begründet — in den Städten, und hier vor allem in Harare, ist das Kapital für teure Empfangsgeräte vorhanden. Seit 1987 symbolisieren darüberhinaus in den Vorgärten betuchter weißer und schwarzer Hauseigentümer riesige Satelliten-Schüsselantennen erstens den Unmut über das konzeptionslose Programm sowie die mangelhafte Qualität von ZTV-Angeboten und zweitens durchaus vorhandene Produktionskapazitäten der einheimischen Elektronik-Industrie. Für die 5-Meter-Drahtschüssel und die Empfangskomponenten zahlen private Kunden bis zu umgerechnet 8.000 D-Mark, einen Teil davon in Devisen. Dafür können sie so exotische Informations- und Unterhaltungsquellen wie das sowjetische, das französische oder das libysche Fernsehen empfangen.

Exotik liefert zimbabweschen Fernsehzuschauern — neben den amerikanischen Serien-Exporteuren etwa von "Dallas" und "Dynasty" — auch die Kölner TRANSTEL, die westdeutsche Film- und Fernsehproduktionen per Video-Paket gegen geringes Entgelt an Fernsehanstalten der sogenannten Dritten Welt verschickt. ZBC ist ein dankbarer Abnehmer. Nach der ARD-Serie "Der Alte" — in der englischen Fassung "The Old Fox" — und der Euro-Hit-Ausgabe des Bremer "Musikladens" wurden 1989 zimbabwesche Fernsehzuschauer mit der "Black Forest Clinic", der "Schwarzwald-Klinik" beglückt, wobei es den ZBC-Technikern gelegentlich gelang, statt der englischen Dialogspur die deutsche auf den Sender zu geben.

Ist also im nachkolonialen Zimbabwe das Fernsehen zur Fortschreibung technologischer und inhaltlicher Abhängigkeit schwarzer Medienmanager und ihres Publikums von den Metropolen der Industrieländer verkommen? Für den technischen Bereich hat einer der nachdenklichsten ZBC-Mitarbeiter, Victor Maunde, darauf schon im September 1984 bei einer Konferenz von Medien-Fachleuten in Bonn eine deprimierende Antwort gegeben.
"... Multinationale Konzerne, die über die besten Forscher in der Kommunikationstechnologie verfügen, konkurrieren natürlich untereinander, um das Allerneueste auf den Markt zu bringen. Das heißt, sie müssen diese neuesten Produkte auch an den Mann bringen. Sie verkaufen sie an Empfänger in der Dritten Welt. Das Motiv zum Verkauf dieser neuesten Technologie mag variieren, ich würde aber meinen, das Hauptmotiv ist, Profit zu machen, Geld zu verdienen, egal, welche sozio-ökonomische Folgen diese Technologie hat...
Nun, wer ist die Zielgruppe, wer ist u n s e r e Zielgruppe? Der Norden in seiner Beziehung zur Dritten Welt sagt ständig: 'Ihr müßt mehr produzieren, ihr müßt euch selber versorgen, ihr müßt für euch selber etwas tun.' Wer ist es, der für sich selber etwas tun kann, wenn nicht der Bauer, der arme Bauer im Dorf? Nicht die politischen Bürokraten bilden den größten Teil der Bevölkerung, sondern die Bauern — und die Technologie, über die wir reden, sollte in der Lage sein, diese Bauern zu stimulieren, die Arbeiter, alle Menschen mit unzureichender Ausbildung, etwas für sich selber zu tun.
Was ich sagen will: Da haben wir auf der anderen Seite die multinationalen Konzerne, die über Fachleute und Finanzen verfügen, um die neueste Technologie zu produzieren, bei kompletter Ignoranz der sozio-ökonomischen Folgen dieser Technologie. Das ist der Punkt.
Der andere Punkt: Der Norden hat seine Medienfachleute, seine Sozialwissenschaftler, die sich durchaus mit diesen Folgen für ihre eigene Gesellschaft beschäftigen.
Das ist das Dilemma, dem wir ausgegesetzt sind. Ganz gleich, wieviel Mühe wir uns geben, wir bleiben abhängig von der Gnade der multinationalen Konzerne, wir in den Entwicklungsländern werden den Hasen weiter jagen, ohne ihn je zu fangen. Wir werden uns ewig anpassen müssen. Nehmen wir heute ein Satelliten-System in Gebrauch, haben sie drei Jahre später ein neues eingeführt.
Und der Bauer im Dorf bei uns weiß nichts über die Realität dieses Wettrennens. Es ist im Grunde wie das Wettrüsten. Es ist, als ob jemand behaupten würde, Zimbabwe könnte allen Ernstes beim Wettrüsten zwischen Amerikanern und Russen mithalten...
Ich habe keine Lösung — ich habe nur versucht, meine Meinung auszudrücken."

"Vier Jahre sind wir verheiratet, und noch immer haben wir kein Kind! Da soll ich glücklich aussehen?" Ein Mann streitet mit seiner Frau, Szene aus einem Fernsehspiel in drei Teilen. "I want a child" — "Ich will ein Kind". Ein sehr afrikanisches Thema: Männliche Frustration über Kinderlosigkeit setzt die Ehefrau unter Druck und sucht die Bestätigung bei einer Geliebten. Die wird schwanger, während permanente Vorwürfe die Ehefrau in ein kalkuliertes Abenteuer treiben. Auch sie wird schwanger. Aber lange vor ihr kommt die Geliebte nieder — das Kind ist weiß. Der schockierte Liebhaber läßt sich endlich untersuchen, er ist zeugungsunfähig! Und da kommt ihm seine Frau mit der "freudigen" Nachricht vom so dringlich ersehnten Nachwuchs! Er — und mit ihm die Zuschauer — erkennt die Moral von der Geschicht', es gibt ein happy end.
Lorraine Garwe, Redakteurin bei Radio 4, hat sich als Autorin mit dem Fernsehregisseur Riamous Musasa zusammengetan, der an dem von der Friedrich Ebert Stiftung in Ghana geförderten NAFTI-Institut ausgebildet wurde. Entstanden ist eine wunderschöne zimbabwesche Komödie, die bereits auf den europäischen Fernsehmarkt verkauft wurde. Aber unter welchen Konditionen! Der Dreiteiler zu je 30 Minuten hätte in Europa Produktionskosten von mindestens 500.000 D-Mark verursacht. Musasa hatte gerade umgerechnet 4.000 D-Mark zur Verfügung, um Video-Material, Kamera-Teams, Scheinwerfer, Schnittplatz und Transport mußte er kämpfen. Die Schauspieler sind Amateure, gedreht wurde unter äußerstem Zeitdruck ohne Studio-Kulisse an Originalplätzen. Und es ist nicht die erste Arbeit, die Musasa ablieferte.

Das Bild von der Jagd nach dem Hasen, der nie zu fangen ist, mag zutreffen für die totale Abhängigkeit von technischen Innovationen in den Industriestaaten. Es trifft nicht zu für die selbstbeschnittene Phantasie-Entwicklung im Umgang mit dieser Medientechnik. Solange jedoch Kreativität und individuelle Initiativen der inzwischen auch in Zimbabwe herangewachsenen Generation junger Medienarbeiter von beharrlich auf ihre Privilegien pochenden, lernunwilligen Veteranen der politischen Übergangsphase frustriert werden, solange kann die "Zimbabwe Broadcasting Corporation" für die Entwicklung des Landes keine Avantgarde sein.

Fernab von den ZBC-Verwaltern im Rundfunk- und Fernsehzentrum Pockets Hill neben der Pferde-Rennbahn Borrowdale, im Industrie-Stadtteil Mbare, ist allerdings der Nukleus eines neuen Rundfunkverständnisses zu beobachten.

 
 
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