DER WEG NACH ZIMBABWE oder VERSUCHE, DIE FREMDE ZU VERSTEHEN
© 1990 — Klaus Jürgen Schmidt



"JEEPNEY"



Wer auf den Philippinen eine größere Strecke fahren will — in der Stadt oder über's Land — der steigt in ein "Jeepney". Das ist ein eigenartiges Fahrzeug, grell bunt bemalt, verchromte Metallteile an allen Ecken und Enden, die keinen anderen Zweck haben, als nur zu glänzen und zu blitzen.
Ich habe solche Autos nur auf den Philippinen gesehen, und dort werden sie gebaut — besser gesagt: zusammengestückelt aus verschiedenen Teilen alter Militär-Jeeps. Die werden aus allen Gegenden Südost-Asiens, wo die Amerikaner ihren Militärschrott loswerden wollen, zusammengetragen. Und weil die Philippinen das Land sind, wo amerikanisches Militär am längsten stationiert war, gibt's hier auch den meisten Schrott!
Aus zwei oder drei abgetakelten Jeeps bauen findige Mechaniker ein neues Auto zusammen. Das ist hinterher doppelt so lang und sieht eher aus wie ein Zirkuswagen. Links und rechts gibt es zwei lange Bänke, und hinten stehen auf seinem Trittbrett noch einmal fast soviele Leute wie drinnen Platz haben. Statt einer Auto-Versicherung haben die Fahrer meistens ein Jesus-Kreuz über ihrem Lenkrad hängen, oder die Mutter Maria, umrahmt von bunten Lämpchen. Und die Decke eines solchen "Jeepneys" ist bemalt mit frommen Sprüchen und Bildern.

So also sah das Auto aus, mit dem wir weiter nach Norden fuhren.
Eine Klima-Anlage war nicht nötig, weil so ein "Jeepney" gar keine Fenster hat, da bläst einem der Fahrtwind um die Nase, manchmal allerdings auch der Straßenstaub.
Es waren eher Feldwege, die von einem Dorf zum anderen führten, und die Schlaglöcher sorgten dafür, daß niemand einschlief.
Wir blieben die einzigen Weißen auf dieser Strecke, und es war durchaus unklar, wer wen mit größerer Neugier anstarrte. Hier sprach tatsächlich kaum noch jemand englisch, aber wir konnten uns trotzdem verständigen: Wir lachten uns einfach gegenseitig an. Manchmal faßte eine Hand verstohlen nach meinem Arm. Die Finger, die über die Haut strichen, waren kräftig und rauh — Bauernhände!
Dann reichte jemand eine Banane herüber, die hatte eine rötliche Schale, nicht so bananengelb wie in unseren Geschäften. Ich biß ein Stück ab — und spuckte es sofort wieder aus. Alles lachte, und ich entschuldigte mich.
"Es schmeckt wie — wie gekochte Kartoffeln! Überhaupt kein bißchen süß!"
"Es sind ja auch Mehlbananen," Klaus lachte mit. "Was wir in Europa essen, das ist die Obst-Banane. Die ist für viele hier schon wieder ein Luxus, denn der größte Teil der Ernte ist für das Ausland bestimmt. Und weißt du, was man noch aus den philippinischen Bananen-Pflanzen macht?"
"Manila-Hanf," sagte Elsa. "Das gibt festen Zwirn und Seile und Schnüre." "Und neuerdings werden die Fasern dieser Bananen-Art auch zu besonders hochwertigem Papier verarbeitet."

Was man nicht alles erfährt, wenn man mit einem "Jeepney" fährt — zwischen Körben mit Hühnern, Säcken mit Reis und vor allem zwischen lauter freundlichen Menschen.
Aber nicht alle Merkwürdigkeiten lassen sich aufklären. Seit Beginn der Fahrt beobachtete ich zwei alte Bäuerinnen, die fast ohne Unterbrechung selbstgedrehte Zigaretten rauchten. Dazu wickelten sie den Tabak in dünne getrocknete Blätter. Doch das war nicht das Merkwürdige, sondern ihre Art, zu rauchen: Sobald sie sich ihre Zigaretten angezündet hatten, steckten sie sich diese so zwischen die Lippen, daß sich die Glut im Mund befand — also die Asche wohl auf die Zunge fiel! Ich habe sie nie die Zigarettenasche abklopfen sehen!
"Vielleicht ist das die Art, wie man im 'Jeepney' Zigaretten raucht," ulkte Klaus, "aus Rücksicht darauf, daß uns die Asche nicht um die Ohren fliegt!"

 
 
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