DER
WEG NACH ZIMBABWE oder VERSUCHE, DIE FREMDE ZU VERSTEHEN
© 1990
Klaus Jürgen Schmidt
DIE DIEBE VON PARIS
Wir haben ein französisches Auto grün, und an
vielen Stellen ist es schon ein paar mal überlackiert.
Meine Eltern nannten es "Florence". Sie
sprachen es aus wie "Florangs", weil das ein
französischer Mädchenname ist. Ich heiße Constanze.
Als ich noch kleiner war, riefen mich meine Eltern "Schmidti",
später "Nanny". Zu der Zeit als wir unsere große
Reise machten, bekam ich den Namen, mit dem mich noch
heute alle rufen: Conny. Das war, weil unterwegs viele
Leute meinen Namen nicht richtig aussprechen konnten. So
wurde aus Constanze Conny das gefiel mir.
Die große Reise haben wir nicht mit "Florangs"
gemacht da hätten wir ja ein paar Jahre
gebraucht, und über's Wasser wären wir mit dem Auto
sowieso nicht gekommen. Also für unsere Reise nach Südostasien
war "Florangs" nicht wichtig. Da stand sie die
ganze Zeit zu Hause in der Garage. Aber mit unserem Plan,
über die Reise ein Buch zu schreiben, da bekam "Florangs"
doch zu tun.
Nach der langen Reise machten wir eine kurze bloß
bis Paris. Das ist die Hauptstadt von Frankreich. Und
dort wurde unser französisches Auto von Dieben
aufgebrochen. Es waren keine französischen Autoknacker,
aber das erfuhren wir erst später. Sie hatten jedenfalls
alles geklaut: die Koffer, die Taschen und mir ist
gleich eingefallen, daß wir alle Dias von unserer großen
Reise, alle Tonbänder, alle Tagebücher eingepackt
hatten, den Klaus wollte nach unseren gemeinsamen Ferien
in Paris nicht bloß Französisch lernen, sondern auch
anfangen, an dem Buch zu schreiben. Ich hab' vielleicht
geheult und jetzt erzählt besser Klaus weiter.
Das war ein Abenteuer, auf das wir gern verzichtet hätten.
Es war unser erster Tag in Paris, und wir ließen den
Wagen mit all dem Gepäck wohlverschlossen in einer
Seitenstraße unterhalb der Kirche "Sacre Coeur".
Das ist ein Wahrzeichen von Paris, und das heißt "Heiliges
Herz". Was dann passierte, war recht herzlos und
ziemlich unheilig. Obwohl sich die Geschichte nach
unserer großen Reise ereignete, gehört sie an den
Anfang dieser Erzählung. Denn sie zeigt wie unter einem
Vergrößerungsglas den Zusammenhang all unserer
Erlebnisse.
Conny hat erzählt, daß wir herausfanden: Es waren nicht
französische Diebe, die in Paris unser Auto aufgebrochen
hatten. Wir meldeten den Diebstahl natürlich gleich der
Polizei. Aber die Flics so heißen in Frankreich
die Polizisten machten uns wenig Hoffnung.
Bekannte bei "afp" das ist eine große
französische Nachrichtenagentur halfen mir, am nächsten
Tag Suchmeldungen im Rundfunk und bei der Zeitung
unterzubringen. Ich versprach darin eine Belohnung für
die Rückgabe von Dias, Tonbändern und Tagebüchern. Und
dann kam Elsa auf die Idee, wir sollten den Tatort noch
einmal besichtigen zur gleichen Tageszeit.
Vielleicht so spekulierte sie ist die Bande
dort wieder am Werk. Ganz schön verrückt diese Idee, in
einer Stadt von ein paar Millionen Einwohnern ich
weiß aber es kam noch viel verrückter!
Wir waren gerade um die Ecke von "Sacre Coeur"
gebogen, da entdeckte Elsa ihren Rock, den wir zusammen
auf der indonesischen Insel Bali gekauft hatten. Am Abend
zuvor war er mit all unserem Grepäck geklaut worden
jetzt trug ihn eine fremde junge Frau. Und nicht
bloß Elsas Rock hatte sie an! Aber sie soll das selber
erzählen.
Es wollte mir keiner glauben, daß ich meinen Rock
wiedererkannt hatte es schien ja wirklich verrückt!
Aber sie trug auch meinen Pulli, und darunter wurde sogar
eines meiner bunten Hemden sichtbar. Ich sprach also die
Frau an. Sie war mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern
unterwegs. Mit einem Gemisch aus französischen,
englischen und spanischen Sprachbrocken konnten wir uns
verständigen. Sie war aus Algerien, ihr Mann aus Marokko
das ist in Nordafrika. Die Frau verstand sofort,
was wir wollten: Ja, sie hätten die Sachen am Abend auf
einem Markt gekauft kurz nach dem Einbruch in
unser Auto also. Ja, sie wollten uns helfen, uns zeigen,
wo genau das war aber alles bitte ohne Polizei!
Wir erfuhren, daß sie schon viele Jahre in Paris lebten,
und noch immer hatten sie Angst vor der Ausländerpolizei.
Mit dem Vertrauen zwischen uns war das dann auch so eine
Sache: Hauen die bei der nächsten Gelegenheit ab? Weil
sie vielleicht doch etwas mit dem Diebstahl zu tun
hatten? dachten wir. Rufen die doch bei der nächsten
Gelegenheit die Polizei? Weil das bekanntlich die Art
ist, wie man mit "lichtscheuem Gesindel"
verkehrt? dachten wohl die beiden aus Nordafrika.
Der Marokkaner brachte uns in sein Stadtviertel ganz nahe
bei "Sacre Coeur" ein Viertel mitten in
Paris. Aber es hatte zu unserer Verblüffung überhaupt
nichts zu tun mit Frankreich. Es sah anders aus, es lärmte
anders und es roch anders! Hier gab es nicht einmal mehr
Franzosen.
UNTER DEM VERGRÖSSERUNGSGLAS:
WIE KOMMT EIN NORDAFRIKANISCHES STADTVIERTEL NACH PARIS?
WIE KOMMEN DIEBSTAHL UND ANGST IN DIESES STADTVIERTEL?
Da muß man etwas erzählen von der Aufteilung der Welt:
Irgendwann in der Mitte des Fünfzehnten Jahrhunderts
zerschlug eines Morgens ein Mann namens Christoph
Kolumbus ein Ei. Es war Gott sei Dank hart gekocht, und
er bekleckerte sich nicht die Finger.
Niemand hatte ihm glauben wollen, daß die Erde rund ist
und er somit nach Westen segeln könnte, um schließlich
doch im Osten zu landen.
"Eher könnte ein Ei auf der Spitze stehen,"
sagten die Zweifler.
Da setzte Kolumbus sein Frühstücksei hart auf den
Tisch, die Spitze brach ein das Ei stand! Heute
ist bekannt, daß Christoph Kolumbus nicht der erste war,
der rund um die Welt wollte, über's Meer segelte und
Amerika entdeckte. Die Wikkinger haben es vermutlich von
Nordeuropa aus vor ihm geschafft. Aber mit seiner Reise
begann die gewaltsame Aufteilung der Welt.
Nach Kolumbus zerschlugen sogenannte "Entdecker"
nicht mehr bloß Eier. Man nannte sie nun "Eroberer"
und das kommt der Sache schon näher. Sie
eroberten im Auftrag von Königen, Kirchen und Handelshäusern
fremdes Land und fremde Völker. Das taten sie in
Amerika, in Afrika und in Asien, denn in Europa war die
Welt schon aufgeteilt. Sie brachten Gold und Gewürze und
Sklaven nach Hause. Später wurde die Warenliste
viel umfangreicher. Die Lieferungen hießen dann "Kolonialwaren".
Die beraubten Länder waren die "Kolonien". Die
Länder, die die Macht hatten, sie auszurauben, das waren
die "Kolonialmächte".
Das Ei des Kolumbus war ziemlich faul!
Bald bekämpften sich die Kolonialmächte untereinander.
Sie nahmen sich gegenseitig die Kolonien weg. Ein paar
der Eroberer wollten mit den Auftraggebern zu Hause nicht
mehr teilen sie machten sich mit ihren Kolonien
selbständig.
Schließlich gab es zwei große Kriege. Weil fast alle Länder
der Erde davon betroffen waren, nannte man sie Weltkriege.
Deutschland hatte beide Kriege angefangen. Weil seine
Machthaber im weltweiten Aufteilungsgeschäft zu spät
gestartet waren und sozusagen kein Bein mehr auf den
Boden kriegen konnten, versuchten sie es mit Gewalt gegenüber
den Konkurrenten. Deutschland verlor beide Kriege, und
die Konkurrenten nahmen ihm ab, was es an Kolonien in
Afrika und in Asien doch noch hatte zusammenklauben können.
Frankreich war selber schon lange Zeit Kolonialmacht in
Afrika und in Asien gewesen. Jetzt wollte es genau
wie die übrigen Kolonialmächte (z.B. England, Holland,
Belgien, Spanien, Portugal) Glanz und Macht seiner
Kolonialreiche wieder auferstehen lassen. Aber die Welt
war nach dem letzten großen Krieg nicht mehr die alte!
Der Besitz von Menschen die Sklaverei war
schon vorher abgeschafft; nun wurde in der Weltöffentlichkeit
auch der Besitz von fremden Ländern verurteilt. Einige
der unterdrückten Völker begannen den Kampf gegen die
fremden Mächte. Und sie warfen schließlich nicht nur
deren Soldaten hinaus, sondern auch gleich noch alle Händler,
Politiker, Generale, Priester und Beamte, die mit den
Fremden zusammengearbeitet hatten. Solche Kämpfe dauern
bis heute an.
Die Folge: In den Hauptstädten der ehemaligen Kolonialmächte
gab es plötzlich eine neue Sorte von "Kolonien"
Stadtviertel mit vielen Menschen aus den früheren
Besitzungen Auswanderer und Flüchtlinge. Ein paar
brachten ihren Reichtum mit, den sie daheim unter dem
Schutz der Fremden hatten zusammenstehlen können. Diese
paar findet man in Paris und anderswo außerhalb der
neuen Kolonien. Sie leben wie zu Hause, in großen Häusern
mit prächtigen Gärten hinter hohen Mauern. Die
Mehrheit kam ohne Geld. Viele verließen ihre Heimat,
weil dort nach dem Abzug der Weißen oft nun ihre eigenen
Führer um die Macht kämpften. Andere gingen, weil sie
keine Arbeit mehr fanden. Früher waren sie voller
Hoffnung vom Land in die Stadt gezogen und wurden
statt reicher immer ärmer. Jetzt wollten sie als "Gastarbeiter"
ihr Glück machen im Land der reichen Weißen, aber die
hatten nicht vor, den Farbigen im eigenen Land die Rechte
einzuräumen, die sie ihnen in den Kolonien verwehrt
hatten.
So leben Afrikaner, Asiaten, Südamerikaner zusammengedrängt
in den Ausländervierteln der europäischen Großstädte
oft ohne Arbeit, immer in Angst vor der Polizei.
Und so also kamen Diebstahl und Angst in das Pariser
Afrikaner-Viertel.
Conny erinnert sich: Unser Marokkaner hieß Achmed Ben
Mohammed. Er war immer sehr ängstlich. Oft mußte er die
Brille abnehmen, weil er so schwitzte und die Brillengläser
beschlugen. Seine Frau und die beiden Kinder habe ich
nicht wieder gesehen. Aber er hatte einen netten Onkel.
Dem gehört ein Restaurant, und da saßen lauter nette
Marokkaner. Auch ein paar schwarze Afrikaner tranken und
assen dort. Die hatten schicke Anzüge und seidene Hemden
an und Schuhe mit sehr hohen Absätzen. Wir haben auch
viel gegessen. Ein paar Sachen waren neu, aber sie haben
mir gut geschmeckt: Fleisch, das an kleinen Eisenspießen
gebraten war, Salat und eine arabische Speise, die heißt
"Kuskus". Eine saure Linsen-Suppe gab es und
hinterher Melonen. Und immerzu hörte ich arabische Musik
vom Plattenspieler. Einen alten Marokkaner mit einer
Baskenmütze, der uns bediente, konnte ich gut verstehen.
"Ich habe im Krieg für die Deutschen gekämpft,"
sagte er, und er hat mir immer die besten Stücke vom
Essen ausgesucht.
Ich habe aus den bunten Pfeifenreinigern von Klaus Blumen
gebastelt und allen Gästen und dem alten Ober und auch
Achmed Ben Mohammed eine ins Knopfloch gesteckt. Da waren
wir hinterher wie ein Club, und Klaus brauchte ja die
Pfeifenreiniger nicht mehr, denn mit unserem Gepäck
waren ja auch seine sieben besten Pfeifen geklaut worden.
Achmed und Klaus sind zusammen zum Diebesmarkt gegangen.
Elsa und ich mußten in dem Restaurant bleiben. Dort
hatte uns Achmed als "Freunde von früher
vorgestellt".
"Das ist zur Tarnung," sagte er, denn keiner
sollte merken, daß wir nach Diebesgut suchten. Später
sind wir noch einmal alle zusammen durch Achmeds
Stadtviertel gelaufen, und Klaus hat mir gezeigt, wo überall
sie nach unseren Sachen gesucht hatten.
Dort traf ich auch die netten schwarzen Afrikaner aus
unserem Restaurant wieder, die mit den schicken Anzügen.
Unsere weißen Gesichter fielen in den schmalen, dunklen
Straßen mehr auf als ihre. Die einzigen Weißen, die ich
noch sah, das waren Polizisten. Sie standen an der Straßenkreuzung,
und unter den Armen geklemmt hielten sie schwarze Gummiknüppel.
Achmed hat uns in einen dunklen Hauseingang gezogen und
geflüstert: "Paßt auf gleich passiert was!"
Und nach ein paar Minuten sind fünf Polizisten in eine
Straße hineingerannt. Aber da hatten sich Wachposten
versteckt. Achmed hatte die uns vorher gezeigt. Die gaben
ein Signal, und schon waren die meisten Leute von der
Straße verschwunden. Die es nicht geschafft hatten,
bummelten wie Spaziergänger auf dem Bürgersteig. Der
war jetzt fast menschenleer. Dabei hatte es da eben noch
das große Gedrängel gegeben. Wir hatten Mühe gehabt,
durchzukommen.
Auf beiden Straßenseiten waren große Kartons als Tische
aufgebaut. Darauf flogen Spielkarten hin und her oder Würfel
oder Münzen unter drei Bechern. Man mußte raten, unter
welchem Becher die Münze sich zum Schluß befand. Das
konnte kaum einer richtig raten. Ich auch nicht. Ich
glaube, der Mann hat geschummelt! Große Geldscheinbündel
wurden hinüber und herübergeschoben. "Das ist
verbotenes Glücksspiel," erklärte Achmed.
Aber als die Polizisten losrannten, genügte ein Tritt
gegen die Kartontische. Sie fielen in sich zusammen,
Karten und Würfel verschwanden in Hosentaschen.
"Ab und zu wird mal einer geschnappt, aber die
Polizei hat hier keine Chance," sagte Achmed.
Die Polizisten waren noch nicht am Ende der Straße, da
war vorn schon wieder das alte Gewimmel.
Achemd fragte, ob wir schon etwas von unseren Sachen
wiedererkannt hätten. Und da merkte ich, daß das hier
der Diebesmarkt war. Araber und Afrikaner boten den Vorübergehenden
an, was ihre Freunde kurz vorher oben bei der Kirche
"Sacre Coeur" aus Touristen-Autos geklaut
hatten: Mäntel, Anzüge, Kleider, Taschen, Ferngläser,
Fotoapparate, Armbanduhren ja sogar Tabakpfeifen.
Aber Klaus konnte von seinen keine entdecken. An diesem
Abend hatten wir kein Glück.
Klaus soll erzählen, wie es weiter ging.
Wir waren bei der Suche nach unserem Eigentum erfolglos,
aber der Abend hatte uns trotzdem etwas gebracht: Die
Freundschaft mit Achmed endlich war das Mißtrauen
weg!
Ich hatte ihm von dem Plan erzählt, über unsere
Erlebnisse in Südostasien ein Buch zu schreiben. Achmed
Ben Mohammed versprach, uns zu helfen. Wir wollten
wenigstens die Reiseunterlagen und die Farbdias
wiederhaben. Für uns waren sie sehr wertvoll für
die Diebe überhaupt nicht. Sie würden nichts davon
verkaufen können. Vielleicht hatten sie das meiste schon
weggeworfen!
Ich mußte rasch mit ihnen Kontakt aufnehmen! Ich mußte
eintauchen in ihre Welt. Und dort so lernte ich in
den folgenden Tagen herrschen Regeln und Gesetze,
die nichts mehr zu tun haben mit der Ordnung, die man mir
als Kind beibrachte. Es ist eine Ordnung, in der
Diebstahl als Arbeit gilt. Das Arbeitsergebnis ist die
Beute. Ihr Wert richtet sich vor allem nach dem Risiko,
das der Dieb zu tragen hatte, nach der Gefahr also,
geschnappt zu werden. Der Rest ist ein ganz normales
Geschäft. Der Preis der angebotenen Ware sprich
Diebesgut richtet sich danach, wie stark die
Nachfrage ist. Die Tatsache, daß es sich in meinem Fall
um einen Rückkauf handeln würde, konnte mir eher
schaden, denn großes Interesse an einer Ware erhöht den
Preis.
Die Leute, mit denen ich es zu tun bekam, waren gute Schüler
gewesen. Die Lehrherren waren vor langer Zeit in das Land
ihrer Vorväter gekommen. Sie waren wir erinnern
uns weiß!
Achmed brauchte vierundzwanzig Stunden, um
herauszufinden, welche Firma sprich Bande für
den Einbruch in unser Auto verantwortlich war.
Am dritten Tag unserer Bekanntschaft wußte er Bescheid,
am vierten Tag hatte er über mehrere Kontaktleute einen
Preis ausgehandelt es war soviel, wie ich
freiwillig in der Zeitung und im Radio als Belohnung
angeboten hatte. Dann kam der Zeitpunkt des Austausches
Ware gegen Geld. Das war der gefährlichste Moment
und er wurde sorgfältig vorbereitet.
Die Angst tauchte wieder auf, auf beiden Seiten: Die
Angst der Diebe vor einer Polizeifalle vielleicht
im letzten Augenblick doch noch von mir gestellt; meine
Angst vor einem Messerstich oder einem Knüppelschlag, um
mir auf einem stillen Hinterhof ohne Gegenleistung auch
noch mein letztes Geld abzunehmen. Würden die Regeln und
die Gesetze dieser anderen Welt gelten? Haben dort
Absprachen einen Wert Wort gegen Wort?
Ich gestehe, daß mich zu diesem Zeitpunkt mehr als mein
Eigentum Antwort auf die Frage interessierte, ob es
wirklich so etwas gibt wie "Ganovenehre".
Das Ende lief ab wie im Krimi: Achmed brachte mich wenige
Minuten vor Mitternacht in eine Gasse, erhellt nur von
einer einzigen Laterne.
"Keine Polizei?" flüsterte er noch einmal
voller Angst.
Mit genausoviel Angst im Genick schüttelte ich den Kopf:
"Keine Polizei! Kein Messer?"
"Nein, wir machen ein Geschäft!"
Und dann sah ich zum erstenmal meine Geschäftspartner
weit oben als dunkle Gestalten am Ende der Gasse,
hinter einem verschlossenen Eisengatter.
Achmed wies mich auf einen Platz unterhalb der Straßenlaterne
gut sichtbar für alle. Dann ging er beide
Hände vom Körper gestreckt langsam die Gasse
hinauf.
Das kannte ich aus Kriminalfilmen: Er wollte zeigen, daß
er keine Waffe trug!
Elsa erinnert sich: Das einzige, was uns nach dem
Einbruch in unser Auto geblieben war, das war unser Zelt.
Wir haben schon oft unsere Ferien damit verbracht.
Diesmal hatten wir nur wenige Tage in Paris bleiben
wollen, um dann irgendwo in Frankreich zu zelten. Klaus wäre
später zum Französischlernen nach Paris zurückgekehrt,
wo er dann ja auch an dem Buch arbeiten wollte.
Jetzt hockten Conny und ich in diesem Zelt. Es war der
vierte Tag, und allmählich wurde uns klar, daß wir
nicht bloß unser Gepäck, sondern auch die Buchpläne in
den Wind schreiben konnten.
Unser Zelt stand auf einem großen Campingplatz im "Bois
de Bologne", das ist ein großer Wald am Rande von
Paris.
Wir waren nervös und freuten uns über jede Abwechslung.
Neben uns hatte eine Gruppe schwarzer Amerikaner zwei große
Zelte aufgeschlagen, eines für die Frauen, das zweite für
die Männer.
Unterwegs nach Afrika machten sie hier Station. Auf einem
ihrer Autos stand in großen Buchstaben "ROOTS",
das ist englisch und heißt "WURZELN".
Zwölf Jahre lang war ein schwarzer Amerikaner der Frage
nachgegangen: "Woher kommt meine Familie wo
liegen ihre Wurzeln?"
Und er fand ihre Wurzeln in Afrika! Von dort war
vor langer Zeit auf dem alten Handelsweg nach Nordamerika
zusammen mit tausend anderen Afrikanern ein kleiner Junge
verschleppt worden als Sklave. Der schwarze
Amerikaner fand das Dorf seines Vorfahren, und seitdem
reisen immer mehr Schwarze nach Afrika auf der Suche nach
ihren Wurzeln "ROOTS".
In den USA, wo Millionen Farbiger wegen ihrer Hautfarbe
noch immer als Menschen zweiter Klasse gelten, sagen
inzwischen viele mit neuem Stolz: "Black is
beautiful!" "Schwarz ist schön!"
Conny spielte Federball mit unseren schwarzen Nachbarn.
Dann kam der Abend, an dem Klaus den Austausch versuchen
wollte. Wir hatten vereinbart, ich würde als letzten
Ausweg doch die Polizei alarmieren, falls er nicht bis
zum nächsten Morgen zurückkehrte.
Es war zwei Uhr morgens, als Scheinwerfer von außen das
Zelt anstrahlten. Dann wurde ein Motor abgestellt. das
Licht verlosch. Ich schnappte mir die Taschenlampe und
leuchtete hinaus. Da kam Klaus, und er trug seinen
gestohlenen Aktenkoffer und zwei Tuchtaschen.
"Es ist alles da!"
Conny schlief zu fest das Federballspiel mit ihren
schwarzen Freunden hatte sie ganz schön angestrengt. Sie
erfuhr die Nachricht erst am nächsten Morgen.
Hurra! Alle Dias, alle Tonbänder und die Tagebücher
wir haben alles zurück!
Und eine Tasche war dabei, die gehörte gar nicht uns. In
einem Seitenfach steckte ein langer Schraubenzieher
der liegt jetzt zu Hause als Erinnerung an die
Diebe von Paris.
Leider mußten wir nun unsere Ferien abbrechen, das Geld
war fast alle.
Bevor wir heimfuhren, kam Achmed noch einmal zu uns auf
den Zeltplatz. Er kam, als wir gerade nachzählten, ob
unser Geld noch für die Heimfahrt reichen würde. Da hat
er heiße Würstchen für uns gekauft und mir zum
Abschied noch eine große Münze geschenkt. Und Elsa
bekam von ihm sogar alle Sachen zurück, die seine Frau
auf dem Diebesmarkt erworben hatte.
Achmed sagte: "Schreibt das alles auf!"
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