DER
WEG NACH ZIMBABWE oder VERSUCHE, DIE FREMDE ZU VERSTEHEN
© 1990
Klaus Jürgen Schmidt
ALS DER PRÄSIDENT GEBURTSTAG HATTE
Wenn ihr wissen wollt, wie heiß es ist, wenn man in Südostasien
aus dem Flugzeug steigt, dann besucht 'mal im Sommer eine
Gärtnerei. Dort bleibt ihr solange im Treibhaus, bis der
Stoff vom Kleid oder vom Hemd an der Haut klebt. So
feuchtheiß war es, als wir in Manila auf den Philippinen
ankamen. Auf der Fahrt mit dem Taxi vom Flughafen in die
Stadt sahen wir am Strassenrand lange Reihen von
Schulkindern. Die Mädchen trugen weiße Blusen und
dunkelblaue Röcke, die Jungs weiße Hemden und
dunkelblaue Hosen. Sie sangen Lieder und einige spielten
auf Instrumenten aus Bambusrohr ein toller Empfang!
Als wir unser Hotel erreichten, erfuhr ich aber, daß der
Kinderaufmarsch mit unserer Ankunft überhaupt nichts zu
tun hatte. Im Zimmer, das wir mieteten, war das Radio
eingeschaltet, und Klaus übersetzte die Durchsage, die
zwischen viel Musik den ganzen Tag über wiederholt wurde:
"Wir sehen uns um, und wir sehen alles in guter
Verfassung," sagte die Radio-Stimme. "Es sind
die Früchte Ihrer selbstlosen Arbeit, Mister Präsident.
Sie sind der Vater unseres Volkes!"
Wir waren an dem Tag in Manila eingetroffen, an dem der
Präsident Geburtstag feierte. Ich habe ihn später
einmal bei einer Parade gesehen. Dort kündigte ein
Lautsprecher die Ankunft seiner ganzen Familie an, sogar
seinen Sohn: "...und Ferdinand Marcos, junior!"
Und alle standen stramm die Soldaten, die Minister
und das ganze Publikum. Anschließend marschierten
stundenlang Menschen aus allen Gegenden des Landes an der
Präsidenten-Familie vorbei: Bauern mit ihren großen Hüten,
Fabrik-Arbeiter mit ihren Werkzeugen, Ingenieure,
Krankenschwestern, Schulkinder. Und da habe ich nicht
mehr geglaubt, was im Radio zu hören war daß der
Präsident die ganze Arbeit alleine schafft!
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