DER WEG NACH ZIMBABWE oder VERSUCHE, DIE FREMDE ZU VERSTEHEN
© 1990 — Klaus Jürgen Schmidt



TOTE, DIE AUF ANTWORT HARREN



Seit Tagen halten wir einen unserer Übertragungswagen bereit, die Nachricht kommt anderthalb Stunden vor dem Ereignis, das die politische Landschaft Zimbabwes verändert. Mit hastig ausgestellten Sonderausweisen fahren wir durch die Sicherheitszone des State House, hinter uns die Schlange der Fahrzeuge der in Harare akkreditierten Korrespondenten, darunter Fernseh-Teams aus den USA, aus Goßbritannien, der DDR. Wir haben Mühe, den Protokollbeamten klarzumachen, daß für eine Live-Rundfunkübertragung die Mikrofone v o r dem Eintreffen des Präsidenten und des Premierministers aufgebaut werden müssen. Die Post bemüht sich um das Zustandekommen einer Direktleitung, während wir weiter im Clinch mit dem Protokoll liegen, einen Platz für die beiden ZBC-Reporter zu sichern, der es ihnen ermöglichen soll, für die zusammengeschalteten vier Radio-Kanäle das Geschehen beobachtend zu kommentieren. Ich stehe mit einem Walkie-Talky nahe dem Tisch mit dem Gästebuch als der schwergewichtigste Akteur die Szene betritt: Joshua Nkomo, Chef der PF ZAPU, vor wenigen Monaten noch der öffentlichen Verleumdung als angeblicher Schutzherr von Terrorbanden preisgegeben, wird zum Gästebuch geführt.
"Richtig, noch bin ich ja Gast," brummelt er und zückt den Federhalter. Von meiner privilegierten Position kann ich durch die immer wieder von Saaldienern geöffnete Tür in den Raum blicken, in dem sich nun die Creme der zimbabweschen Politik versammelt, Mitglieder des Politbüros der Regierungspartei ZANU PF, ihr Vorsitzender und Premierminister Robert Mugabe, ZAPU-Führer und zum Schluß Präsident Canaan Banana, der am Ende seiner Amtszeit durch beharrliches Vermitteln dieses Ereignis herbeigeführt hat — die Unterzeichnung einer Vereinbarung über den Zusammenschluß von ZANU PF und PF ZAPU, den alten Kontrahenten schon in Zeiten des Befreiungskampfes, die mittlerweile für die beiden Bevölkerungsgruppen der Shona und der Ndebele stehen. Noch vor einem Monat war die Zeitschrift MOTO mit einem Titelbild erschienen, das den Abdruck eines Polizeistiefels über dem Namen ZAPU zeigte, mit der Überschrift "Nkalas Traum". Enos Nkala, selber Ndebele, war Joshua Nkomos Stellvertreter und Assistent, bevor sich 1963 die Nationale Bewegung in ZANU und ZAPU spaltete. Als Innenminister Robert Mugabes nutzte er jede Abwesenheit des Premierministers, um die Einigungsbemühungen zu torpedieren. 1987 ließ er alle ZAPU-Büros schließen, verglich die Partei mit der terroristischen MNR im benachbarten Mocambique, und schwor öffentlich, das Verbot werde bestehen bleiben, solange er Minister sei. Bei der Umbildung des Kabinetts, die Mugabe als neuer Exekutivpräsident kurz nach Bekanntgabe der historischen Einigung vornahm, ließ dieser ihn zwar nicht fallen, Nkala verlor jedoch die Polizeigewalt und wurde ins Verteidigungsministerium berufen. Aber da war sein endgültiges Verschwinden von der politischen Bühne schon programmiert.

Nach der Unterzeichnung des Vertrages kommt es zu ernsten und zu lockeren Sprüchen der beiden Gallionsfiguren zimbabwescher Unabhängigkeit. Die internationale Presse konzentriert sich auf die ernsten, ich mich auf die lockeren, weil sie — so glaube ich — besser als die politischen Statements das neue, gelöste Verhältnis der beiden alten Kämpfer in dieser Zeit des neuen Aufbruchs wiedergeben. Mugabe und Nkomo jonglieren mit ihrem Alter, Mugabe lehnt sich zurück und denkt laut nach: "Warum sollten sich nicht Ndebele-Männer und Shona-Frauen lieben lernen — und umgekehrt?"
Die Fernseh-Teams schalten die Scheinwerfer aus, die Politiker-Runde hat sich in den Nebenraum zurückgezogen. Von meinem Platz aus kann ich erneut durch die sich immer wieder öffnenden Türflügel blicken — ich sehe eine bewegende Szene: Alte Männer umarmen sich, der dicke Nkomo zieht den alten Kämpen Nyagumbo an die Brust, daß der den Boden unter den Füßen verliert.

Nach Ablauf von acht Jahren hatte das Lancaster-House-Abkommen die Möglichkeit vorgesehen, das zimbabwesche Regierungssystem mit Zustimmung des Parlaments zu ändern. Mit der Vereinigung von ZANU und ZAPU verfügt Mugabe in diesem Parlament nahezu über alle Abgeordnete — der einzige Abtrünnige hat keine Aussicht auf Wiederwahl. Mugabes Amtsvorgänger Ian Smith lebt als Rentner auf seiner Farm, schwadroniert gelegentlich noch vor ausländischen Fernsehkameras und kämpft im Übrigen um seine Pension. Seine weißen Mitstreiter sind zum Teil konvertiert und besetzen nicht nur Parlamentssessel, sondern sind in Mugabes neuer Regierung auf wichtigen Posten vertreten. Ist nun also alles zum Besten bestellt?

Das schwarze Erbe TRIBALISMUS ist stets unzureichend beschrieben gewesen, wenn damit allein der Streit zwischen Shona und Ndebele gemeint war. Dieser alte Streit zwischen den ackerbautreibenden Erstsiedlern und den aus Südafrika gekommenen, kämpferischen Kuhherden-Besitzern war im frühen Kampf gegen die weißen Söldner, Händler und Siedler des Cecil Rhodes längst in einer strategischen Interessengemeinschaft aufgelöst. Nach der Gründung von Filialen des African National Congress (ANC) während der Fünfziger Jahre in Rhodesien entwickelten sich politische Bewegungen, in denen zunächst Shona- und Ndebele-Politiker gleichermaßen vertreten waren. Es waren die Weißen, die für i h r e Zwecke die alten Abneigungen wiederbelebten. Der rhodesische Geheimdienst (CIO) schickte seine Agenten aus, um die politischen und militärischen Flügel durch geschickt arrangierte Operationen gegeneinander auszuspielen.

Im März 1985 erschien als deutsche Übersetzung in der Bundesrepublik ein Buch, das zuvor in der Republik Südafrika zu einem Bestseller geworden war. Der Frankfurter Verlag schrieb gleich auf den Einband:

"Ein durch und durch faschistisches Buch...
TAFFY: GESCHICHTE EINES WEISSEN KILLERS IN AFRIKA
...Wir haben uns lange überlegt, ob man ein so ungeheuerliches Buch aus einem süafrikanischen Militaria-Verlag in der Bundesrepublik verlegen kann...Wohl kein Werk führt jedoch die alltägliche Brutalität des weißen Herrenmenschen in unserer Gegenwart so drastisch und unmittelbar vor Augen wie dieses Buch..."
(Vito von Eichborn GmbH & Co Verlag KG, Frankfurt am Main)

Für unseren Zusammenhang reicht es wohl aus, einige Zeilen aus dem Vorwort der Originalausgabe des Autors Peter Stiff zu zitieren:

"Dies ist ein authentischer Bericht über den Krieg des rhodesischen Geheimdienstes, erzählt von Taffy — Codename des Anführers einer der geheimsten Auslandseinsatzgruppen der Central Intelligence Organisation CIO. Es ist eine unglaubliche Geschichte über mehr als sechs Jahre spannenden Abenteuers, über Tapferkeit und Rafinesse, über Standhaftigkeit und über die Einsamkeit, die dem Bewußtsein der Beteiligten entsprang, daß ihr Land, Rhodesien, jedes Wissen um ihre Existenz ableugnen würde, falls man sie faßte. Es ist eine Geschichte, die nie erzählt worden wäre, wenn es Rhodesien noch gäbe...
Obwohl ihre Stärke dezimiert wurde, erst durch Tod, dann durch Gefangennahme, gelang es ihnen auf brilliante Weise, eine tiefe Kluft aufzureißen zwischen Rhodesiens wichtigsten terroristischen Gegnern, die von Sambia aus operierten — Robert Mugabes ZANU und Joshua Nkomos ZAPU — eine Kluft, die bis heute besteht. Sie spielten zu einem verwirrenden Tanz des Todes und der Zerstörung auf und suggerierten jeweils der einen Gruppe, daß die andere verantwortlich dafür sei. Durch den Mord an Herbert Chitepo, dem Chef der ZANU, sorgten sie dafür, daß Präsident Kaunda von Sambia alle Mitglieder des militärischen Oberkommandos der ZANLA als Mordverdächtige verhaftete und die ZANU aus dem Land jagte, wodurch ihre kriegerischen Aktivitäten 18 Monate lang lahmgelegt wurden."

Taffy's in Südafrika unter dem Originaltitel "SEE YOU IN NOVEMBER 1985" vermarktetes Geständnis erschien im selben Jahr wie eine Publikation i n Zimbabwe über den dunkelsten Punkt in der Geschichte des Befreiungskampfes, die Ermordung des ZANU-Vorsitzenden im Asyl der sambischen Hauptstadt Lusaka, "THE CHITEPO ASSASSINATION". Die Autoren David Martin und Phyllis Johnson hatten schon vier Jahre zuvor mit ausdrücklicher Billigung des Premierministers und ZANU-Chefs Robert Mugabe, der das Vorwort schrieb, eine offizielle Geschichte des Befreiungskampfes veröffentlicht, "THE STRUGGLE FOR ZIMBABWE", in der sie erstmals Vermutungen entgegengetreten waren, Herbert Chitepo sei Opfer tribaler Machtkämpfe innerhalb der ZANU geworden. Damals deuteten sie nur an, daß sie der wirklichen Identität der Attentäter auf der Spur seien, die 1975 von einer Untersuchungskommission aus Vertretern von dreizehn Staaten der Organisation für Afrikanische Einheit in den höchsten Rängen der ZANU ausgemacht worden waren. Das Motiv — so die vom sambischen Präsidenten Kaunda berufene Kommission: Der Versuch der Karanga, einer Gruppe der Shona, im Machtkampf um das politische Erbe in einem befreiten Zimbabwe die Oberhand zu gewinnen.

Es gibt drei Hauptgruppen der Shona, die Karanga, die Manyika und die Sezuru — alle drei aus unterschiedlichen Regionen des Landes stammend. Ihr Verhältnis zueinander — in der Vergangenheit und heute — muß verstanden werden, um zu begreifen, welche Schwierigkeiten die Menschen bei der Entwicklung der gemeinsamen Heimat im neuen Zimbabwe haben, auch — und vor allem nach der politischen Aussöhnung zwischen den zentralen politischen Vertretungen von Shona und Ndebele, der beiden Parteien ZANU PF und PF ZAPU.

Dabei wiederholt sich nichts anderes als jener Mechanismus, der zum Beispiel in Europa — offen — wie in Belgien mit der Auseinandersetzung zwischen Flamen und Wallonen, militärisch — wie in Nordirland, oder — verdeckt — noch immer in Deutschland zwischen Bayern und Preußen fortwirkt: Konflikte zwischen Völkergruppen oder Regionen. Industrialisierung und daraus folgende Kommunikationszwänge haben diese Konflikte bei uns in den Hintergrund treten lassen, und wer mag sich heute noch in der Bundesrepublik Deutschland daran erinnern, daß am 8. Mai 1949 Tribalismus (oder Regionalismus?) ein einstimmiges Votum der Landtage für die Annahme des Grundgesetzes verhinderte: Der Bayerische Landtag verweigerte seine Zustimmung! Die Christlich Soziale Union ist mit einer eigenen Gruppe im Bonner Parlament vertreten. — Die "Schwarzen" lassen grüßen!

Auf einem Hügel im Weichbild Harares reckt sich ein steinerner Obelisk in den Himmel. Nachts zucken rote Lichter um die Zementflamme auf seiner Spitze. Von Nordkoreanern bombastisch ausgerichtet, haben unterhalb auf einer Terrasse die toten Helden des Befreiungskampfes ihre letzte Ruhe gefunden — unter ihnen Herbert Chitepo, der am 18. März 1975 morgens gegen acht Uhr vor seinem Haus in Lusaka seinen blauen Volkswagen zurücksetzte und dabei eine Bombe auslöste; mit ihm starben ein Leibwächter und ein sambisches Kind im Nachbargarten, ein zweiter Leibwächter wurde schwer verletzt. Die Frage: "Wer tötete Herbert Chitepo?" bewegt bis heute die politischen Gemüter in Zimbabwe und läßt immer wieder alte Vorbehalte aufbrechen, trotz inzwischen umfangreicher Dokumentationsversuche. Sie haben unglücklicherweise zu zwei sehr unterschiedlichen Interpretationen geführt, von denen die eine die heutige politische Führung Zimbabwes belastet, die andere — über Umwege — befreundete Nachbarn in Sambia und Mozambique, nicht als Täter, aber als opportunistische Helfer eines seinerzeit von den Amerikanern angezettelten politischen Kompromisses, dem die militante ZANU im Wege stand.

Dies soll nicht eine weitere Anstrengung sein, Antwort auf die Frage zu finden, wer Herbert Chitepo tötete, sondern der Versuch, die Probleme eines Fremden in der Fremde darzustellen, der zu verstehen versucht, weshalb sich um ihn herum entwicklungshemmende Barrieren aufbauen, von zunächst undurchsichtigen Ängsten begleitet, von undurchschaubaren Entscheidungen bestimmt — in einem Kreislauf, der sich um diese eine Frage dreht: "Wer tötete Herbert Chitepo?"

Als 1985 — ich war noch nicht ein Jahr im Lande — David Martins und Phyllis Johnsons "THE CHITEPO ASSASSINATION" erschien, begann in den sonst regierungsnahen Hauptstadtzeitungen THE HERALD und THE SUNDAY MAIL ein ungewöhnlicher Meinungsstreit in Rezensionen, Kommentaren und Leserzuschriften, der in zwei Feststellungen gipfelte: Verwundert wurde zur Kenntnis genommen, daß ein so wichtiges Werk von zwei Ausländern veröffentlicht wurde, und unwidersprochen behauptete ein Rezensent, die wahre Geschichte müsse erst noch geschrieben werden.
Wie das? — David Martin gilt als einer der besten Kenner der ZANU-Historie, er soll über Dokumente verfügen, die nicht einmal die Partei in ihren Archiven hat. Martin und Phyllis Johnson begannen ihre erstaunliche Karriere, die sie zu Vertrauten der ZANU-Führung in Sachen geschichtlicher Interpretation machte, als Reporter für den OBSERVER und die Canadian Broadcasting Corporation auf dem afrikanischen Kontinent. In ihrem historischen Abriß "THE STRUGGLE FOR ZIMBABWE" wird auf 33 Seiten der Vorwurf von Tribalismus als Ursache ZANU-interner Konflikte auf "Regionalismus" reduziert, auf Seite 185 wörtlich:
"Einige tribale Elemente gab es auf beiden Seiten (Karanga und Manyika), und einige, die damals involviert waren, sagen, 'Regionalismus' kam häufiger vor als 'Tribalismus', und zwar in dem Sinne, daß einige Leute, die zusammen aufgewachsen, zusammen in die Schule gegangen waren, sich manchmal gegenseitig unterstützten, um andere auszuschließen."
Das Kapitel endet mit dem Hinweis, bei Drucklegung des Buches (1981) sei bekanntgeworden, daß in London ein Journalist an einem Buchskript arbeite, das auf langen Interviews mit jenem Mann basiere, der von sich behaupte, der Mörder Herbert Chitepos zu sein. Er kann es nicht gewesen sein: D e r Mann, den Martin und Johnson vier Jahre später in ihrem zweiten Buch als Mörder präsentierten, mit Foto und einem fotokopierten Einreiseformular der rhodesischen Grenzbehörden, war zu diesem Zeitpunkt längst tot! Er starb nach ihren eigenen Angaben am 28. Januar 1977 bei einem Autounfall in Sambia während eines Waffentransports mit einem weiteren Agenten des rhodesischen Geheimdienstes im Einsatz gegen schwarze Befreiungskämpfer.

1985 hatte also der ZANU-Dokumentarist David Martin mit höchster Billigung der Partei eine Version der Chitepo-Ermordung auf der Basis nicht näher identifizierter Interviews mit ehemaligen rhodesischen Geheimdienstbeamten gefunden, die merkwürdigerweise im selben Jahr im "TAFFY"-Buch eines südafrikanischen Militaria-Verlages bis in alle Einzelheiten bestätigt wurde — nur daß in diesem Werk noch eine dritte handelnde Person, eben TAFFY, auftaucht. Die Zweifel zimbabwescher Leser scheinen verständlich.
Sie sollen glauben, daß Ex-Geheimdienstbeamte der weißen Rhodesier, exilierte Killer in Südafrika u n d die sozialistische Regierungspartei Zimbabwes einen der wichtigsten Abschnitte in der Geschichte des Befreiungskampfes identisch interpretieren: Die CIO habe den unabhängig arbeitenden Agenten Hugh (Chuck) Hind angeheuert, um Chitepo in die Luft zu jagen, und zwar mit der vorausberechneten Wirkung, den sambischen Präsidenten Kaunda gegen die von seinem Land aus operierenden ZANU-Kämpfer vorgehen zu lassen. Dies nun geschah tatsächlich: Kaundas Polizei nahm alle erreichbaren Führer des politischen und des militärischen Flügels der ZANU fest, sie wurden unter Einsatz von Folter zu Geständnissen gezwungen, die sie später widerriefen. Darunter war Joshia Tongogara, der Oberkommandierende der ZANLA-Streitkräfte, der nach seiner Flucht aus Lusaka von den FRELIMO-Streitkräften Samora Machels an Sambia ausgeliefert worden war, und der zuvor freiwillig gegenüber FRELIMO-Vertretern nicht ausgeschlossen hatte, daß Chitepo das Opfer ZANU-interner Konflikte geworden ist. Seine wörtlich in FRELIMO-Dokumenten festgehaltene Stellungnahme:
"Chitepo — da müssen wir definitiv ausschließen, daß Smith Chitepo hat töten lassen. Ich muß jeden äußeren Einfluß ausschließen. Das scheidet aus. Chitepo wurde nicht von ZANU als Partei getötet. Da will ich ganz ehrlich sein. Wir haben nie zusammengesessen, und Schritt für Schritt entschieden, aber Mataure starb auf Beschluß von ZANU als Partei. ('At the hands of ZANU as a party')"
John Mataure, Manyika und Politischer Kommissar der ZANU-Führung, starb einen schlimmen Tod, und mit ihm — in der Folge einer militärischen Rebellion gegen Oberkommando und politische Spitze der ZANU im Jahr 1974 (Nhari-Rebellion) — zahlreiche Freiheitskämpfer "in den Händen der Partei", verscharrt in Massengräbern der ZANU-Stützpunkte in Mozambique.
Diese Greuel in den eigenen Reihen — unbestritten, aber nach der Unabhängigkeit kaum erwähnt — sind das unbewältigte Erbe Zimbabwes u n d Ursache dafür, daß sich viele ehemalige Kämpfer im befreiten Land noch immer nicht heimisch fühlen.

Eine Auseinandersetzung ist überfällig, sie ist nicht die Sache fremder Autoren, auch nicht die meine. Daß aber die Fehde zwischen unterschiedlichen Gruppen der Shona die Entwicklung Zimbabwes an allen Ecken und Enden lähmt und weiter um die Frage kreist, "Wer tötete Herbert Chitepo?", beweist ein unerhörter Vorgang im Nationalen Parlament im siebten Jahr der Unabhängigkeit. Transportminister Herbert Ushewokunze, schillerndste Figur in der Umgebung Robert Mugabes, hatte sich im April 1986 gegen Korruptions- und Mißmanagementvorwürfe einer von Mugabe selbst eingesetzten parlamentarischen Kommission zur Untersuchung der Geschäftsführung bei der halbstaatlichen Eisenbahngesellschaft zu verteidigen. Diese Vorwürfe waren von einer Abgeordnetengruppe um Karanga-Persönlichkeiten in Parlament und Regierung zu einer massiven Pressekampagne gegen den von Mugabe (Sezuru) immer wieder gestützten Ushewokunze genutzt worden. In einer mehrstündigen Gegenattacke sagte der bedrohte Minister laut amtlichem Protokoll des Parlaments (HANSARD) unter anderem wörtlich:
"Sie haben Pläne, mich mit vereinten Kräften anzuschwärzen, bis mich der Premierminister schließlich als Stänkerer empfindet und mich von meinem Posten ablöst, aber ihre Absichten enden nicht einmal dort. Sie sind davon überzeugt, es diesmal zu schaffen, und sollten sie es schaffen, dann würden alle Sicherheitsmaßnahmen um mich herum entfernt, dann könnten sie sich auf mich stürzen und mich umbringen. Mich töten würde sie mit der abschließenden Lösung versehen, das politische Gespenst Herbert Ushewokunze als eingebildete Bedrohung würde aufhören, physisch zu existieren... Wenn Tribalismus diesen Grad erreicht hat, Mister Speaker, dann wird er Wahnsinn. Tatsächlich wurde gehört, wie einer aus dieser Gruppe — und er ist ein Minister in diesem Haus — am Abend der Debatte vom 26. März 1986 gesagt hat: 'Dieses Mal ist es geschafft und da kann kein Zweifel sein, heute haben wir es geschafft. Wir können gehen, laßt uns essen und trinken und fröhlich sein, denn Ushewokunze ist jetzt auf dem Abmarsch. Das Ende seines Aufenthaltes auf Erden ist in Sicht.' Und dies ist nicht eine leere Drohung, Mister Speaker, denn diese Leute können töten. Sie haben zuvor getötet, innerhalb des Landes als Teil des früheren Regimes, und außerhalb des Landes als Agenten des Imperialismus. Ich möchte nicht unrealistisch klingen, aber wenn dies nicht so wäre, Herbert Chitepo und andere wären heute noch unter uns..."

Am 12. April 1986 beschloß das Zentralkommitee der PF ZANU unter Leitung ihres Vorsitzenden Robert Mugabe — neben anderen personellen Konsequenzen — die Abberufung Herbert Ushewokunzes als Polit- und Kulturkommissar der Partei. Im Januar 1988 verlor er seinen Ministerposten, und mit ihm gingen all jene, die in den Augen des wachsamen Mugabe ihre Ämter genutzt hatten, um persönliche Machtansprüche in tribalen Auseinandersetzungen durchzusetzen — oder sich schlicht bereichert oder als unfähig erwiesen hatten. Es war eine afrikanische Lösung, die Mugabe in seiner neuen Eigenschaft als Exekutivpräsident wählte: Die Geschaßten blieben Mitglieder eines Teilkabinetts, ausschließlich zuständig für Aufgaben der Partei — und unter ihrer Kontrolle. Drei Jahre später mußte Mugabe die Kontrahenten schon wieder in seiner nächsten Umgebung dulden, ihr Wissen lähmt jeden Versuch, mit der Vergangenheit aufzuräumen. Und der aufgeblähte Regierungsapparat kostet den Staat ein Vermögen, er hat vorgemacht, wie es weitergeht bei der Aufarbeitung der Konflikte in den Verwaltungen untergeordneter Behörden und halbstaatlicher Einrichtungen: Posten schaffen!

Ein Vierteljahr nach Mugabes Entscheidung setzte sich dieser Prozeß in meiner Partnerorganisation, der Zimbabwe Broadcasting Corporation, fort, legitimiert durch das Beispiel der Regierung: Die Verwaltungsspitze wurde aufgebläht, der Generaldirektor erhielt Stellvertreter, neue Direktoren wurden ernannt, die Organisation setzte Fett an, das die durch tribale Auseinandersetzungen gehemmte Fortentwicklung schmieren soll.

Erst zwei Jahre nach Übernahme meiner Aufgabe begriff ich eine der wesentlichen Ursachen für die Konflikte um den regierungsamtlich geförderten Bildungskanal Radio 4: TRIBALISMUS! Sein Chef, selber ein Sezuru und außerordentlich kompetent, hatte wichtige Positionen mit Leuten seines Vertrauens besetzt und versucht, die Stagnation an der ZBC-Spitze mit einer eigenen, langfristigen Entwicklungsplanung zu überwinden. Das konnte nicht gut gehen, solange die politischen Rahmenbedingungen nicht geklärt waren. Mißtrauisch beobachtete die von Karanga-Elementen bestimmte Vorstandsetage den Erfolgsmarsch der Sezurus in dem von einer westdeutschen Organisation mit Gerät und Rat unterstützten Radiokanal, der zudem als einziger ZBC-Dienst durch einen Parlamentsakt jährlich mit Betriebskapital vom Informationsministerium versorgt wird. Dort waltete als Vertrauter Robert Mugabes der "Ober-Sezuru" Nathan Shamuyarira, dem der in London erscheinende und gewöhnlich sehr gut unterrichtete Pressedienst AFRICA CONFIDENTIAL (Vol 28, No 2, 21.01.1987) diese Rolle in einem "Geheimen Komitee der 26" zuschrieb. Die Analyse von AFRICA CONFIDENTIAL:

"...es gibt keinen Grund, warum sich die Beziehungen zwischen Sprechern der Shona und der Ndebele nicht verbessern sollten, sie waren stabil auch in schlechten Zeiten. Das gleiche kann nicht von Shona-Gruppen innerhalb der ZANU behauptet werden. Die Partei wird beherrscht von einer Allianz der Sezuru (aus der Gegend um Harare) und der Manyika (aus dem östlichen Hochland) auf Kosten der Karanga aus der Masvingo-Provinz, die die größte Shona-sprechende Gruppe repräsentieren. Natürlich wird niemand gegenüber Aussenstehenden zugeben, daß diese Stammespolitik zählt, aber in privaten Kreisen wird dies allgemein eingeräumt. Nicht alle ZANU-Politiker sind Tribalisten. Mugabe, selber ein Sezuru, ist erhaben über ethnische Vorbehalte..."

Erhaben, ja — aber er muß damit umgehen, wenn es in Zimbabwe vorangehen soll, und um fair zu sein, muß ich wohl einräumen, daß seine Lösung, die entwicklungshemmenden Persönlichkeiten mit guten Gehältern auf weniger einflußreiche Posten wegzuloben, so genuin afrikanisch nun auch wieder nicht ist. Das öffentlich-rechtliche Rundfunkwesen in der Bundesrepublik Deutschland (und nicht nur dieser öffentliche Bereich!) hat längst ähnliche Methoden entwickelt, unliebsam gewordene Ämterinhaber auf der Treppe nach oben ohne Schaden, aber wohldotiert auf abseitigen Posten zu parken, oder in einen finanziell angenehm gestalteten, vorzeitigen Ruhestand zu schicken.

Insofern hat in Zimbabwe — im Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen (und asiatischen) Ländern mit fortgesetzten gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Stämmen, Religionen oder Regionen — schon eine Anpassung an Strategien für Konflikt-Management in den industrialisierten Ländern stattgefunden. Die Heimat der Schwarzen ist ein bißchen weißer geworden!

 
 
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