DER WEG NACH ZIMBABWE oder VERSUCHE, DIE FREMDE ZU VERSTEHEN
© 1990 — Klaus Jürgen Schmidt



ZIMBABWE FAKTEN - DAS DOSSIER



HANDEL & INDUSTRIE


Robert Mugabe am 16. April 1980 in "Newsnight" / BBC-TV:

"Ich bin entschlossen, unser wirtschaftliches System nicht zu zertrümmern... Ein Sozialist muß nicht die Infrastruktur, die er vorfindet, zerstören... Es wäre katastrophal, so zu handeln... Wie könnten wir die Veränderungen erreichen, zum Beispiel die Pläne zur Umsiedlung unserer Menschen, wenn wir nicht die notwendigen Finanzen haben? Es ist wahr, wir haben solche Ideen, aber wir haben nicht die nötigen Gelder, und das wird ein einschränkender Faktor sein."


Fremdbestimmung

Gründer des Kolonialstaates zwischen Sambesi und Limpopo war bekanntlich ein multinationaler Konzern, die British South Africa Company. Bergbau brachte ihr anfangs die höchsten Exporterlöse, Landwirtschaft bildete die Grundlage der Siedler-Kolonie und erst mit dem Zweiten Weltkrieg begann der Boom einheimischer Unternehmen in der verarbeitenden Industrie. Dann kam die Einseitige Unabhängigkeitserklärung (UDI) des weißen Rhodesiens von London und damit ein durch wirtschaftliche Sanktionen erzwungener Aufschwung nationaler Produktion. Vertretungen multinationaler Konzerne wurden von ihren überseeischen Zentralen abgeschnitten, im Lande erwirtschaftete Gewinne mußten reinvestiert werden. Um den Abfluß rar werdender Devisen zu verhindern, wurden 1965 erstmals staatliche Kontrollmaßnahmen eingeführt, die für Unternehmer und Privatleute den Zugang zu Devisen regulierten. Diese Devisenkontrolle und ein die gesamte Wirtschaft erfassendes staatliches Reguliersystem wurden von den schwarzen Wirtschaftsplanern nach der Unabhängigkeit übernommen - und dennoch: Der Kampf um die Unabhängigkeit hat Zimbabwes Handel und Industrie nicht von Fremdbestimmung befreien können.

Besitzverhältnisse   einheimisch   ausländisch
         
Agrarindustrie   55 %   45 %
         
Verarbeitende Industrie   48 %   52 %
         
Bergbau   25 %   75 %
         
Handel   75 %   25 %
         
Transport   65 %   35 %
         
Banken / Versicherungen   25 %   75 %

Zimbabwe war von Anfang an gefangen zwischen der Bestrebung seiner Regierung, die Kontrolle über die von Ausländern beherrschte Wirtschaft zu gewinnen und zugleich abhängig zu sein von deren Finanzierung (durch Steuern, Investitionen, Kredite, Entwicklungshilfe) für ambitöse Vorhaben (Bildung / Behausung / Umsiedlung / Arbeitsplatzschaffung / Gesundheitsvorsorge / soziale Leistungen). Staatliche Beteiligungen an Konzernen erfolgten seit 1980 in erster Linie, um fremden Einfluß - etwa im Zeitungsbereich - zurückzudrängen, nicht um Sozialismus einzuführen. So sah die Regierung auch keinen Widerspruch zu ihrer verbal proklamierten sozialistischen Zielsetzung, als sie im April 1989 mit der Bekanntgabe eines Investment Codes ihre Handelspolitik liberalisierte und ausländische Investoren zu großzügigen Konditionen nach Zimbabwe einlud. Genau ein Jahr später teilte der Minister für Finanzen, wirtschaftliche Planung und Entwicklung, Bernard Chidzero mit, das Zimbabwe Investment Centre habe Projekte im Wert von 400 Mio. Z-$ gebilligt, mit denen voraussichtlich 5.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden könnten.


"Die effiziente 'Rhodesierung' ausländischer Unternehmen während UDI bedeutete, daß ausländische Kontrolle der Wirtschaft für die Regierung weniger Bedeutung hat, als die Kapitalbesitz-Zahlen anzeigen mögen. Während die Geschäftsleute zur Zeit im Wesentlichen noch weiß sind, sind sie doch Zimbabwer und die Regierung kann schon absehen, daß eine bedeutende Zahl Schwarzer bald wichtige Aufgaben in den ausländischen Firmen übernehmen wird. Tatsächlich ist in Zimbabwe ein auffallendes Phänomen, wieviele Schwarze, die in Spitzenpositionen der Regierung dienten, in hochbezahlte Stellungen ausländischer Unternehmen wechseln. Als die Regierung erst einmal mit ausländischen Unternehmen zu tun bekam, stellte sie fest, daß sie viel weniger 'bedrohlich' und viel weniger 'ausländisch' waren, als es während des Schreibens ihrer Propaganda im Guerillakampf schien."

Jerry Herbst in: "STATE POLITICS IN ZIMBABWE"
University of Zimbabwe Publications / Harare / 1990


Morgan Tsvangirai, Generalsekretär des Zimbabwe Congress of Trade Unions in einem Fernseh-Interview am Tag nach Bekanntgabe der Handelsliberalisierung: "Eine Sache stört uns vor allem. Obwohl der Präsident nicht in Einzelheiten gegangen ist, vermuten wir, daß seine Ankündigungen die Arbeiter einschneidend betreffen werden. Was passieren wird: Eine Reduzierung - die Kapitalisten werden versuchen, alles, was die Arbeiter bisher erreicht haben, aufzugeben - Dinge wie Kündigungsschutz, Preiskontrolle, alles, was der Profitmaximierung im Wege steht." "Aber," fragte der ZBC-Reporter, "werden lokale Unternehmen nicht ihre Profite reinvestieren?" - "Sie werden nicht," antwortete der Gewerkschaftsvorsitzende. "Wir haben doch eine Menge einheimische Betriebe, die enorme Gewinne zu verzeichnen hatten. Was ist mit diesen Gewinnen passiert? Sie wurden nicht wiederinvestiert. Ein Experte sprach von 3 Milliarden, die unnütz herumliegen. Nein, es geht nicht um die Einführung eines Investment-Codes, es geht um die Frage, was für Kapital wir hier haben. Ist es nationales oder multinationales Kapital? In Zimbabwe gehört die Mehrheit der Unternehmen Fremden - und die fühlen keine patriotische Verpflichtung gegenüber diesem Land!"


Verschuldung

Das nationale Einkommen allein kann die immensen Ausgaben für die von der Regierung nach der Unabhängigkeit dramatisch erhöhten Ausgaben in den sozialen Bereichen nicht finanzieren. In den ersten sieben Jahren stieg das Budget für Bildung von 118,6 Mio. auf 771 Mio. Z-$, für Gesundheit von 52,8 Mio. auf 260 Mio. Z-$. Um gewaltige Lücken im National-Budget zu decken, mußte das Ausland zu Hilfe kommen.

Zimbabwe bleibt Zuwendungsempfänger umfangreicher Entwicklungshilfe vornehmlich aus westlichen Industrieländern (Stand 1986: 2,7 Milliarden Z-$).

Zugleich verschuldete sich Zimbabwe erheblich im AuslandZ-$, . Schon Ende 1983 betrug die Auslandsschuld 2,835 Milliarden der Schuldendienst beanspruchte 26,0 % der Exporterlöse.


"Fiel die 'Hilfe' geringer als erwartet aus, wurden die Lücken mit teuren kommerziellen Krediten gestopft. Die gewohnheitsmäßige Finanzierung staatlicher Konsumausgaben durch Auslandskredite ist ein Schritt in die Schuldenfalle, denn so werden Zahlungsverpflichtungen in Devisen eingegangen, ohne daß diese zu einem deviseneinsparenden Abbau der Importabhängigkeit oder zu einem Ausbau der Exportkapazität beitragen."

Joachim Becker in: "ANGOLA, MOSAMBIK UND ZIMBABWE / IM VISIER SÜDAFRIKAS"
Pahl-Rugenstein, Köln, 1988


Ende 1982 wurden für neue Schuldaufnahmen im Ausland strengere Richtlinien erlassen - die Regierung konzentrierte sich nun auf die Steigerung des Exportüberschusses.


Grunddaten

Zimbabwe gehört zu den am stärksten industrialisierten Ländern Afrikas (außer Südafrika). Kennzeichen der Wirtschaftsstruktur ist ein Dualismus zwischen einem starken modernen Sektor auf der einen und einem armen Subsistenzsektor auf der anderen Seite. Der Subsistenzsektor - hauptsächlich die Kleinbauernfamilien auf dem Lande - bietet immer noch den wirtschaftlichen und sozialen Rückhalt für die breiten armen Schichten der im modernen Sektor Beschäftigten. Daneben existiert ein informeller Wirtschaftsbereich, in dem - teils illegal - ein Lebensunterhalt gesucht wird (z.B. etwa 30.000 nichtlizenzierte Goldwäscher entlang des Mazowe-Flusses und Müllverwerter in den größeren Städten).

Die Bedeutung der verarbeitenden Industrie zeigt sich im mit 27,5 % größten Einzelbeitrag zur Erwirtschaftung des Bruttoinlandsprodukts. Gleichzeitig ist sie mit 169.000 Beschäftigten (1985) nach der Landwirtschaft der zweitgrößte Arbeitgeber.

Der dritte bedeutende Sektor ist der Bergbau, der neben Zulieferungen von mineralischen Rohstoffen an die zimbabwesche Industrie insbesondere einen wichtigen Beitrag zur Erwirtschaftung von Exporterlösen leistet. Zimbabwe ist der zwölftgößte Gold-Produzent und der fünftgrößte Chromerz-Erzeuger der Welt. Die Asbest-Produktion ging zu Beginn der Achtziger Jahre wegen der im Ausland diskutierten Gesundheitsrisiken scharf zurück, erreichte jedoch am Ende der Dekade wieder Exporterlöse von jährlich rund 100 Mio. Z-$. Mit 26,9 % der Exporte lag der Bergbau 1984 nur knapp hinter der gesamten verarbeitenden Industrie (32,1 %). Um multinationale Konzern-Interessen in den Griff zu bekommen, hatte die Regierung 1982 die halbstaatliche Mineral Marketing Corporation of Zimbabwe / MMCZ gegründet, die alle Mineral-Rohstoffe des Landes für den Export vermarktet; damit vermied sie die unkalkulierbare Bürde von Nationalisierung und sicherte sich dennoch die entscheidende Kontrolle.

Die wichtigsten Energieträger sind Holz, Kohle und Wasserkraft sowie importierte Brennstoffe. Ende 1989 erhielt die amerikanische MOBIL die bei zimbabweschen Umweltschützern umstrittene Genehmigung, im Naturschutzgebiet des Sambesi-Tales nach Erdöl zu suchen. Ein großer Teil der elektrischen Energie wird im Verbund mit Sambia von zwei Kraftwerken am Süd- und Nordufer des Kariba-Sees produziert, der zu den größten Stauseen der Erde gehört. Ein Teil des Stroms muß von Sambia gekauft werden. Elektrizitätswerke auf Kohlebasis arbeiten in Harare, Bulawayo und Hwange. Trotz kontinuierlich zurückgehender Elektrizitätserzeugung stieg der Stromverbrauch. Bei Ausfall von Generatoren durch Ersatzteilmangel oder Kohle-Transportproblemen wird Strom sektorenweise abgeschaltet. Solar- und Wind-Energieerzeugung befindet sich im Experimentierstadium.


Zusammenarbeit in Afrika

Zimbabwe ist Vollmitglied der Ende 1981 gegründeten Wirtschaftsgemeinschaft Preferential Trade Area / PTA. Die Zölle zwischen den 12 afrikanischen Vollmitgliedern sollen bis 1992 allmählich verringert werden, bis zur Einführung eines gemeinsamen Außenzolls. Gefördert werden vor allem lokale Produzenten, die Warenhandel in heimischer Währung tätigen können. Um Destabilisierungen durch Südafrika entgegenzuwirken, wurde 1980 von den 6 Frontlinienstaaten mit Malawi, Swaziland und Lesotho die Southern African Development Coordination Conference / SADCC gegründet. Schwerpunkt der meist durch internationale Entwicklungsorganisationen finanzierten Projekte ist die Förderung des Transport- und des Industriesektors.


Perspektiven

Anfang Dezember 1989 - kurz vor dem entscheidenden Kongreß der in einer Einheitspartei zusammengeführten ZANU PF und PF ZAPU - wurde der Informationssekretär der Partei, Außenminister Nathan Shamuyarira in einem Fernsehinterview nach der Zukunft des Sozialismus in Zimbabwe befragt. Seine Antwort: "Zimbabwe wird sich wegen der Ereignisse in Osteuropa nicht von seinem Weg zum Sozialismus abbringen lassen. Der zimbabwesche Sozialismus ist aus einer eigenständigen Analyse entstanden, angepaßt an eigenen Erfordernissen und deshalb ist er verschieden von Sozialismus, wie er in anderen Ländern praktiziert wird."


Mitte März 1990 - angesichts des historischen Besuchs von Nelson Mandela in Zimbabwe - faßte der Senior-Minister für Finanzen, wirtschaftliche Planung und Entwicklung, Bernard Chidzero, die Herausforderungen der Zukunft zusammen. ("BUSINESS HERALD" / 15.03.90): "Dr. Bernard Chidzero erklärte, der Beginn politischer Veränderungen in Südafrika werde weitreichende Auswirkungen in der Region haben und Zimbabwe müsse rasch handeln, um von diesen Auswirkungen zu profitieren... Zimbabwe werde in den Neunziger Jahren nicht bloß wachsende Konkurrenz durch südafrikanische Exporte erfahren, sondern schon in den nächsten fünf Jahren die wachsende Rivalität zwischen Japan und den sogenannten 'süostasiatischen Tigern', Südkorea, Taiwan und Hong Kong erleben. Damit Zimbabwe erfolgreich gegen all diese Entwicklungen, z.B. auch gegen den ab 1992 vereinheitlichten europäischen Markt, bestehen könne, müßten durch das angestrebte Programm zur Liberalisierung des Handels... zimbabwesche Exporte in Preisen und Qualität konkurrenzfähig gemacht werden."

 
 
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