DER WEG NACH ZIMBABWE oder VERSUCHE, DIE FREMDE ZU VERSTEHEN
© 1990 — Klaus Jürgen Schmidt



ZIMBABWE FAKTEN - DAS DOSSIER



POLITISCHE STRUKTURENTWICKLUNG NACH UNABHÄNGIGKEIT


Patriotische Front zerbricht

Das auch beim gemeinsamen Auftreten in London nie überwundene Mißtrauen von ZANU-Präsident Mugabe gegenüber ZAPU-Führer Nkomo verhindert ein Wahlbündnis. Mugabe läßt sich weder von den Präsidenten der Frontlinien-Staaten noch von eindringlichen Mahnungen seines eigenen Militärchefs Tongogara überzeugen, der kurz nach seinem Appell zur Einheit im ZANU-Zentralkomitee bei einem Autounfall in Mozambik ums Leben kommt. ZANU und ZAPU nehmen ihre alten Konflikte mit auf dem Weg in die Unabhängigkeit Zimbabwes, dessen Entwicklung während der nächsten zehn Jahre von diesem Erbe belastet bleibt.


Unabhängigkeit

Das Lancaster House Abkommen sieht vor: Waffenstillstand und Internierung von Streikräften beider Seiten in von Commonwealth-Truppen überwachten Kasernen und Camps / freie und allgemeine Wahlen nach einer Übergangszeit von drei Monaten, in der Zimbabwe-Rhodesien wieder den Status einer britischen Kolonie unter Gouverneur Lord Arthur Christopher Soames erhält / getrennte Wahllisten für Schwarze und Weiße (die für die zehnjährige Dauer der Lancaster House-Verfassung 20 der 100 Parlamentssitze garantiert erhalten; eine Aufhebung dieser Bestimmung wird durch eine Zweidrittel-Parlamentsmehrheit aber schon nach sieben Jahren möglich).

Bei der unter internationaler Kontrolle stattfindenden ersten Wahl vom 27.- 29. Februar 1980 stimmen 93,6 % der Wahlberechtigten ab. Von den 80 den Afrikanern zugeteilten Sitzen erhält Mugabes Partei, die sich jetzt ZANU/PF (Patriotic Front) nennt, 57, die Patriotic Front (früher ZAPU) von Joshua Nkomo 20 Sitze. Bischof Abel Muzorewas (vor allem von den Weißen favorisierte) Partei United African National Council/UANC kommt auf 3 Sitze. Ndabaningi Sitholes ursprüngliche ZANU geht leer aus. Die Rhodesian Front von Ian Smith gewinnt alle den Weißen vorbehaltenen 20 Sitze. Mugabe bildet als Premierminister eine Koalitionsregierung unter Einschluß von PF ZAPU-Politikern, u.a. mit Nkomo als Innenminister; zugleich nimmt er zwei Weiße in sein Kabinett auf (Ressorts: Landwirtschaft / Handel & Industrie). Erster Staatspräsident wird der Methodistenpfarrer Canaan S. Banana.

Wesentlichste politische Aussage Mugabes bei Amtsantritt und der Unabhängigkeitsfeier des neuen Staates Zimbabwe am 18. April 1980: Versöhnung zwischen Schwarz und Weiß. Mugabe: "Wenn ich euch gestern als Feind bekämpft habe, habt ihr mich heute als Freund. Wenn ihr mich gestern gehaßt habt, könnt ihr heute nicht die Liebe vermeiden, die euch an mich und mich an euch bindet."
Rechtsgrundlagen


AUS: "PARADE" / HARARE / SPECIAL TENTH ANNIVERSARY ISSUE / April 1990:
Enock Dumbutshena, bis Ende April 1990 Justizpräsident von Zimbabwe:

"Unsere Justiz ist jetzt blind - farbenblind... Ich glaube, Zimbabwe kann zu recht stolz sein auf das in der ersten Dekade unserer Unabhängigkeit durch die Jurisdiktion Erreichte. Falls niemand sonst stolz ist über die Art, wie die Jurisdiktion über das Gesetz gewacht und das Recht des Individuums geschützt hat - ich bin es."


Die Verfassung verbietet Rassendiskriminierung und enthält den üblichen Katalog an Grundrechten, die jedoch durch ein von der Regierung und ihrer Parteimehrheit im Parlament - mit unterschiedlichen Sicherheitsbegründungen - jedes halbe Jahr durch ein (schon seit Mitte der Sechziger Jahre von der Smith-Regierung erlassenes) Notstandsrecht eingeschränkt bleiben / Land für die Ansiedlung schwarzer Siedler kann unter den Lancaster House-Bestimmungen nur von willigen Verkäufern erworben werden. Enteignungen sind ausgeschlossen.

Es existiert ein vielfach modifiziertes römisch-holländisches Recht und ein überkommenes, traditionelles Recht, das nach der Unabhängigkeit integriert wird und das auf seiner Ebene nun auch für Weiße gilt. Der Jurisdiktion steht seit 1981 ausschließlich der Justizminister vor, der Staatspräsident ernennt auf Vorschlag des Justizministers den Justizpräsidenten. Die Rechtssprechung ist unabhängig, hauptberufliche Richter sind unkündbar. Höchste Instanz ist der Supreme Court (mit Appelationsgericht), nächste Stufe ist der High Court mit einer Anzahl von Beisitzern. Regionalgerichte sind für Zivilstreitigkeiten, Magistratsgerichte zusätzlich für Strafsachen zuständig. Seit 1982 werden Beschwerden gegen Verwaltungs- und Behördenmaßnahmen von einem Ombudsman bearbeitet. Zuständigkeiten von 1.150 traditionellen Dorf- und Gemeindegerichten sowie von Häuptlingen z.B. bei Familien- und Landkonflikten sind immer wieder umstritten.

Unabhängigkeit und Kompetenz der obersten Richter schlagen sich in einigen grundsätzlichen Entscheidungen nieder, die gelegentlich gegen Machtansprüche von Regierung und Parlament oder gegen alte Traditionen durchgesetzt werden müssen. So wird die gesetzliche Herabsetzung des Erwachsenenalters von 21 auf 18 Jahre in 1982 vom Supreme Court genutzt, um wesentliche Frauenrechte festzuschreiben. Internationale Anerkennung, u.a. vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, erhielt der Supreme Court für seine Grundsatzentscheidung, die Prügelstrafe als Verstoß gegen die Verfassung zu bannen.

Im November 1985 beschuldigt die Gefangenenhilfsorganisation Amnesty International die Regierung, in Bulawayo, der Hauptstadt des Matabele-Landes, PF ZAPU-Mitglieder gefoltert zu haben. Premierminister Mugabe weist dies als "Serie von Lügen" zurück, Innenminister Nkala fordert Amnesty auf, die Vorwürfe durch eine Delegation in Zimbabwe überprüfen zu lassen. Im August 1986 wird Amnesty von Regierungsmitgliedern und insbesondere von Innenminister Nkala heftig wegen einer Dokumentation über Grausamkeiten im Matabele-Land angegriffen.

In Zimbabwe werden zwischen 1982 und 1988 35 wegen Mordes Verurteilte gehenkt. Die Katholische Kommission für Gerechtigkeit und Frieden in Harare stellt Mitte 1988 fest, in Regierung und Parlament gebe es eine deutliche Abneigung gegen die Todesstrafe.


AUS: "PARADE" / HARARE / SPECIAL TENTH ANNIVERSARY ISSUE / April 1990:
Mike Auret, Vorsitzender der "Catholic Commission of Justice and Peace":

"Unglücklicherweise sind viele der repressiven Gesetze aus der Vergangenheit noch immer gültig. Das 'Gesetz zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung' und das 'Notstandsgesetz' - eingerichtet vom Regime der 'Rhodesian Front' - sind mit einigen Anpassungen noch immer in Kraft. Die Regierung hat auch die Folter-Technik geerbt und - in der Tat - einige dieser Verhör-Methoden. Es ist eine unglückliche Tatsache, daß diese Regeln und Methoden mehr oder weniger während der gesamten vergangenen Dekade angewendet worden sind."


1. Legislaturperiode

Das - britischem Muster entsprechende - Zweikammersystem sieht für die zehnjährige Übergangszeit ein gewähltes Unterhaus mit 100 Abgeordneten und einen Senat mit 40 ernannten Mitgliedern vor. Die Verwaltung ist in 8 Provinzen mit ernannten Gouverneuren und in 163 lokale Selbstverwaltungskörperschaften strukturiert. Traditionelle Häuptlinge wählen aus einem gemeinsamen Rat Repräsentanten für den Senat oder werden vom Präsidenten delegiert. Im Januar 1981 wird Joshua Nkomo zum Minister ohne Geschäftsbereich degradiert. Am 1. Januar 1982 erklärt Mugabe, er strebe ein Einparteien-System an. Nach der Entdeckung von Waffenverstecken auf Farmen von PF ZAPU-Mitgliedern werden am 17. Februar Nkomo und zwei weitere PF ZAPU-Minister aus der Regierung entlassen. Die beiden ZIPRA Kriegshelden Dumiso Dabengwa und Lookout Masuku werden wegen Hochverrats verurteilt (und bleiben bis zum Erfolg der späteren ZANU/PF-PF ZAPU-Zusammenführung 4 Jahre im Gefängnis). 9 Abgeordnete der Rodesian Front spalten sich im März ab und arbeiten als unabhängige Gruppe mit der Regierung zusammen. Am 18. April wird die Hauptstadt Salisbury umbenannt in Harare, die alte Shona-Bezeichnung für den Häuptlingsort ("Der, der niemals schläft"). Mitte des Jahres beginnen im Matabele-Land schwere Ausschreitungen von Polizei und Militär mit willkürlichen Verhaftungen und von internationaler Presse später dokumentierten Massengräbern. Tausende Zimbabwer suchen Zuflucht in Botswana. Nkomo flieht nach Hausarrest Mitte März 1983 nach London (freiwillige Rückkehr Mitte August). Anfang Oktober scheitern Einigungsgespräche zwischen ZANU/PF und PF ZAPU. Ende Oktober wird Bischof Muzorewa unter dem Verdacht einer Verschwörung gegen den Staat festgenommen (10 Monate später wird er ohne Anklage-Erhebung freigelassen). Im August 1984 beschließt der 2. Parteitag der ZANU/PF u.a.: Schaffung eines Einparteien-Staates unter ihrer Führung / sozialistische Transformierung der Wirtschaft / Marxismus-Leninismus als Grundlage eines sozialistischen Staates im Einklang mit eigenen Erfahrungen Zimbabwes. Beim 6. Parteitag der oppositionellen PF ZAPU Mitte September (5.000 Delegierte) stellt Joshua Nkomo fest: "Mit der Idee eines Einparteien-Staates haben in Afrika korrupte Eliten schon immer versucht, sich an der Macht zu halten." Im November wirft Mugabe der PF ZAPU vor, regierungsfeindliche Rebellen zu unterstützen, zuvor war in Beitbridge an der südafrikanischen Grenze ZANU/PF-Senator Moven Alex Ndlovo ermordet worden. Anfang Januar 1985 gewinnt die PF ZAPU bei Gemeindewahlen im Matabele-Land in 127 von 203 Bezirken, die ZANU/PF-Kandidaten setzen sich in nur 35 Bezirken durch. Zwei Tage später, am 3. März, riegeln 4.000 Soldaten die Hauptstadt des Matabele-Landes, Bulawayo, ab; Hausdurchsuchungen und Verhaftungen sind - nach offiziellen Angaben - Antwort auf eine Dissidenten zur Last gelegten Mord- und Gewaltwelle, mit der auch die Verschiebung der Parlamentswahlen von März auf Juni begründet wird.


2. Legislaturperiode

Bei den zweiten Wahlen im Juni 1985 sind 2,9 Millionen Schwarze und 32.500 Weiße als Wahlberechtigte registriert; sie stimmen an unterschiedlichen Tagen ab. Von den für die Weißen vorbehaltenen 20 Sitzen erhält die Conser-vative Allianz of Zimbabwe von Ian Smith 15 Sitze, weiße Abtrünnige der Smith-Partei in der Independent Zimbabwe Group gewinnen 4 Mandate, 1 Sitz geht an den unabhängigen Minister (für öffentliche Dienste) Chris Andersen. Premierminister Mugabe kommentiert den weißen Wahlentscheid: "Die Weißen haben Liebe mit Haß vergolten!" Wenige Tage später erhält er von den schwarzen Wählern 63 Sitze für seine ZANU/PF, ein zunächst vakanter Sitz fällt ihr durch Nachwahl ebenfalls zu. Die PF ZAPU verliert 5 Sitze und behält 15, alle Mandate ausschließlich aus dem Matabele-Land, wo die ZANU/PF leer ausgeht. Mugabe kommentiert: "Mandat für den Sozialismus!" Nkomo kontert: "Nationale Tragödie!" Der UANC büßt alle 3 bisher gehaltenen Mandate ein; Muzorewa zieht sich später aus der Politik zurück. Die ZANU Sitholes, der sich wegen Hochverratsbeschuldigungen im Exil der USA befindet, gewinnt 1 Sitz. In der Regierung verbleibt als einziger Weißer der unabhängige Minister Andersen. Der noch bestehende Senat soll 1990 abgeschafft werden. Im August wird Nkomo der Reisepaß entzogen, 3 PF ZAPU-Parlamentarier (im Septemer 2 weitere) und 20 Parteiangestellte in Bulawayo werden verhaftet, Mugabe beschuldigt die PF ZAPU, für "bewaffnetes Banditentum" verantwortlich zu sein; der gerade ins Amt eingeführte Bürgermeister von Bulawayo wird festgenommen. Am 2. Oktober trifft Mugabe seinen Opponenten Nkomo zu einem Gespräch, die Atmosphäre wird als "geschäftsmäßig" bezeichnet - es ist die erste Begegnung der beiden Politiker seit drei Jahren. "Einigungsgespräche" von Delegationen beider Parteien hatten schon im September begonnen. Im Dezember erklärt Mugabe in einem Interview, beide Parteien seien sich im "ideologisch-philosophischen Bereich" nähergekommen, Differenzen bestünden noch hinsichtlich der Besetzung von Führungsgremien. Im März 1986 wird der wegen Verschwörung gegen Premierminister Mugabe verurteilte frühere ZAPU-Generalsekretär Moyo nach fast vierjähriger Haft entlassen. Am 10. März appelliert Nkomo an eigene Partei-Anhänger, "die Kämpfe der Vergangenheit zu vergessen", am 23. März kommt es zu einer ersten gemeinsamen Kundgebung Nkomos mit Innenminister Nkala im Matabele-Land, auf der von einem "historischen Wendepunkt" gesprochen wird. Im April beginnt Staatspräsident Banana seine zweite Amtszeit. Als erster weißer Parlamentarier gibt der bisherige CAZ-Abgeordnete Charles Duke im Juni seinen Übertritt zur regierenden ZANU/PF bekannt. Im August erklärt sich die PF ZAPU bereit, nach einer Verschmelzung mit der ZANU/PF deren Namen als gemeinsame Bezeichnung zu akzeptieren. Im April 1987 wird Ian Smith, Führer der CAZ im Parlament, für ein Jahr von Rechten und Pflichten eines Abgeordneten entbunden, Grund: Er hatte in Südafrika vor Sanktionen gegen das Apartheid-Regime gewarnt. (Mitte Mai legt er den CAZ-Vorsitz nieder). Im Mai wird Edgar Tekere, ZANU/PF-Chef in der Ostprovinz Manicaland und ehemaliger Generalsekretär der Partei, von seinem Amt entbunden, weil er "seine Aufgabe nicht erfüllt und beständig dem Ansehen des Parlaments schadet"; er bleibt jedoch im Parlament. Tekere hat öffentlich zunehmende Korruption in den eigenen Reihen angeprangert. Am 22. Juni untersagt Innenminister Nkala der PF ZAPU die Abhaltung von politischen Versammlungen, im September - während eines Auslandsaufenthalts Mugabes - läßt er alle Parteibüros schließen. In der ZANU/PF verstärken sich tribale Auseinandersetzungen wegen der Befürchtung, bei einem Zusammenschluß mit PF ZAPU Einfluß und Posten zu verlieren. Das Mandats-Privileg der Weißen wird am 21. August nach dem Übertritt eines weiteren weißen Abgeordneten zur ZANU/PF mit 78 von 100 Stimmen abgeschafft. Im Oktober wählt das Abgeordnetenhaus für die freigewordenen Sitze Ersatz: Alle sind von derZANU/PF nominiert, 11 sind weiß. (Unter den Nachfolgern für ebenfalls freigewordene 10 Sitze im Senat sind 4 weiß). Am 30. Oktober ändert das Parlament die Verfassung mit dem Ziel, ein Präsidialsystem einzuführen. Am 26. November werden 16 weiße Angehörige einer Missionsstation in Esigodini südlich von Bulawayo als Opfer eines Land-Streits ermordet. Am 22. Dezember unterzeichnen Mugabe und Nkomo ein Abkommen über die Vereinigung von ZANU/PF und PF ZAPU. Ziel der vereinigten Partei ist die Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus. Am 31. Dezember wird Robert Gabriel Mugabe als Exekutiv-Präsident vereidigt; er vereinigt in sich die Ämter des Staatsoberhauptes, des Regierungschefs und des Oberbefehlshabers der Streitkräfte.


Präsidialverfassung

Am 1. Januar 1988 bildet Mugabe eine neue Regierung, der Joshua Nkomo als einer von drei Ministern im Präsidialamt angehört. Neben Vizepräsident Simon Muzenda ist Nkomo nun ebenfalls stellvertretender Vorsitzender der vereinigten Partei ZANU/PF, die im Parlament über 93 der 100 Sitze verfügt. Am 19. Mai verkündet der Präsident eine Amnestie für politische Gefangene und Flüchtlinge und begrenzt das Angebot von Straffreiheit für bewaffnete Dissidenten im Matabele-Land bis Ende Mai. 113 haben bis zu diesem Zeitpunkt die Waffen niedergelegt, 992 Gefangene sind frei. Im August droht Mugabe Führern, die Reichtum angesammelt hätten, aus der Regierung zu entlassen. Studenten der Universität und des Polytechnicums werden im September bei Straßendemonstrationen gegen Korruption in Partei- und Regierungsspitze von Polizei zusammengeknüppelt. Mugabe, auf den sie sich beriefen, verurteilt sie nun als "Randalierer". Edgar Tekere, ebenfalls Antikorruptions-Zeuge der Studenten, wird im Oktober aus der ZANU/PF ausgestoßen. Schon im Dezember muß Mugabe nach Enthüllungen des Bulawayo-Chronicle über illegale Beschaffung und Wiederverkauf von fabrikneuen Personenwagen zu exorbitanten Preisen durch Spitzenpolitiker einen öffentlich tagenden Untersuchungsausschuß unter Richter Sandura einsetzen.

Die Öffentlichkeit erlebt sechs Monate lang arrogant lügende Statthalter der Macht, am Ende (ab März 1989) müssen aufgrund der Untersuchungsergebnisse in der Willowvale-Affäre 5 Minister und ein Gouverneur zurücktreten. Maurice Nyagumbo, enger Gefährte Mugabes, begeht Selbstmord und wird dennoch als Nationalheld beigesetzt. Den ersten, von einem ordentlichen Gericht verurteilten Schuldigen, Ex-Arbeitsminister Shava, begnadigt Mugabe, die Staatsanwaltschaft stellt daraufhin alle Verfahren ein; eine zweite Sandura-Kommission zur Untersuchung weiterer Korruptionsfälle bleibt weitgehend erfolglos. Zum 9. Unabhängigkeitstag, am 18. April, gibt Mugabe einen Investment-Code bekannt und damit die Einladung an ausländische Investoren und eine liberalere Handelspolitik. Ende April stellt Tekere die Formierung einer Oppositionspartei vor, die Zimbabwe Unitiy Movement, die die Unterstützung weißer Politiker der Conservative Alliance of Zimbabwe / CAZ gewinnt und gegen Korruption, Einparteienstaat, Fehlschlag der Landreform und Anwesenheit zimbabwescher Truppen in Mozambik Front macht. Im September wird die Universität nach neuen schweren Studentenunruhen geschlossen (bis April 1990), Studentenführer und der Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes, Morgan Tsvangirai, werden unter dem Notstandsrecht verhaftet und - gegen Weisung des höchsten Gerichts - festgehalten; (Tsvangirai wird später ohne Anklageerhebung auf freien Fuß gesetzt, die Anklage gegen Studentenführer wird im April 1990 fallengelassen.)


3. Legislaturperiode

ZUM kann zwar bis zu den Wahlen im März 1990 (4,8 Mio. Wahlberechtigte) mit einer wachsenden Lethargie großer Wählerschichten rechnen, bietet aber mit ihrer Allianz mit ehemaligen Rhodesian Front-Politikern (die CAZ kandidiert nicht), der schillernden Vergangenheit Tekeres und einem Fehlen konstruktiver Vorschläge keine wirkliche Alternative. Dennoch ist ZANU/PF heftig irritiert und der Wahlkampf, bei dem ZUM in den staatsnahen Medien kaum eine Chance erhält, endet in einer verbalen Schlammschlacht mit Prügeleien und Schießereien. ZUM wird der Vorbereitung eines Putsches beschuldigt. ZANU/PF hält erstmals für gegeneinander konkurrierende Kandidaten im ganzen Land Primaries (parteiinterne Vorwahlen) ab, wobei nach dem erklärten Prinzip einer "Guided Democracy" (angeleiteten Demokratie) einige Kandidaten des Zentralkomitees gegen die Wahl der Parteibasis durchgesetzt werden. Vom 28. - 30. März stimmen nur 54 % der Wahlberechtigten ab, eine Rekordzahl ungültiger Wahlzettel wird registriert. Erstmals ist die Abstimmung aufgeteilt in eine A) Direktwahl des Präsidenten und in die B) Parlamentswahl. Ergebnis A: 2.026.976 Stimmen für Mugabe / 413.840 Stimmen für Tekere. Ergebnis B: 116 Sitze für ZANU/PF / 2 für ZUM / 1 für ZANU-NDONGA (Sithole). (Ein Sitz muß noch während einer Nachwahl bestimmt werden.) Das veränderte Wahlgesetz (vom November 1989) hat das Parlament auf 150 Sitze vergrößert: Neben den 120 gewählten Volksvertretern sind 10 vom Häuptlingsrat bestimmte Vertreter sowie 12 vom Präsidenten ausgesuchte Persönlichkeiten und die ebenfalls von ihm eingesetzten 8 Provinzgouverneure Parlamentsmitglieder. Präsident Mugabe stellte am 10. April 1990 sein neues Kabinett vor, das wieder drei weiße Mitglieder aufweist, dessen Zusammensetzung im übrigen aber durch Einbeziehung zweier - früher wegen tribaler Konflikte und politischer Skandale fallengelassener - Politiker (Eddison Zvobgo / Herbert Ushewokunze) interne Parteikonflikte unbewältigt ließ. Mugabe kündigte die Berufung Joshua Nkomos zu seinem zweiten Stellvertreter im Präsidentenamt an sowie seine unveränderte Absicht, ein Einparteien-System anzustreben. Kandidaten der ZUM-Opposition wurden in den Wochen nach der Wahl durch ZANU/PF-geförderte Demonstrationen in verschiedenen Landesteilen unter Druck gesetzt, Arbeitsplatz und Wohnungen aufzugeben; der Geheimdienst behauptet, ZUM sei für die Rekrutierung einer zurzeit in Südafrika trainierten Dissidenten-Armee von ca. 1.000 Zimbabwern verantwortlich.


Der Minister für Nationale Sicherheit Sidney Sekeremayi sagt am 27. März 1990: "Zimbabwe hat noch nicht das Stadium politischer Reife für ein Multi-Parteiensystem erreicht, das in einigen afrikanischen Staaten von ambitiösen Politikern und fremden Mächten ausgenutzt wurde."


AUS: "PARADE" / HARARE / SPECIAL TENTH ANNIVERSARY ISSUE / April 1990:
Sir Garfield Todd, 1953 - 1958 Premierminister Süd-Rhodesiens (scheiterte mit dem Versuch, größere Rechte für Schwarze einzuführen, am Widerstand der weißen Siedler):

"Robert Mugabe ist dabei, eine dritte Amtszeit anzutreten, angesichts seiner Amtsausübung bis heute begrüße ich es, begrüße es als eine Ausnahme, die die überkommene Weisheit bestätigt, daß zwei Amtsperioden die Grenze für jeden Menschen sein sollte. Der Präsident hat angekündigt, den Wahlen würden umfassende Änderungen folgen - und er mag das für uns Unerträgliche planen, die legal aufgedrängte Einführung des Einparteien-Staates. Ich bete darum, daß er die Versicherung unseres alten Freundes Julius Nyerere wahrnimmt, daß der Einparteien-Staat nicht notwendigerweise Gottes Plan für die Menschheit ist... In unserem Zimbabwe mit seiner Schönheit, seiner Lebenskraft und seinem großen wirtschaftlichen Potential produzieren wir einen Lebensmittelüberschuß, so daß - was auch immer für ökonomische Probleme wir haben mögen - niemand hungern sollte. Das ist ein gesunder Anfang, aber Robert Mugabe sollte vor allem der Hunderttausenden von jungen Menschen gewahr sein - stark, gebildet und enthusiastisch -, die nun ihren Platz in einer freien Gesellschaft und in einer dynamischen Wirtschaft suchen. Dies, Herr Präsident, ist die Herausforderung der zweiten Dekade."


AUS: "PARADE" / HARARE / SPECIAL TENTH ANNIVERSARY ISSUE / April 1990:
Luke Mhlaba, Dozent der Rechtsfakultät an der Universität von Harare:

"Der Demokratie-Anspruch würde sicherlich vorangebracht, wenn das dritte Parlament von Zimbabwe allen Wählern das Recht zur Teilnahme an Veränderungen der Verfassung (durch Volksabstimmung) zugestehen würde... Zimbabwer sind bisher noch nie unter einer Verfassung regiert worden, an deren Einführung sie beteiligt waren."


Jeffrey Herbst in: "STATE POLITICS IN ZIMBABWE
University of Zimbabwe Publications / Harare 1990:

"... Rhodesien hatte immer ein de facto Einparteien-System. Beim Studium der Landesgeschichte wird tatsächlich deutlich, daß die gegenwärtige Periode der Konkurrenz verschiedener Parteien eher die Ausnahme ist und nicht das Verlangen der neuen Regierung nach einem Einparteien-Staat... Die interessante Frage ist nicht, ob der Einparteien-Staat für Zimbabwe kommen wird (oder besser: wiedereingeführt wird), sondern was diese Entwicklung des Wahlsystems überhaupt für die Verteilung von Macht und Vorteilen bedeutet."

 
 
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