DER WEG NACH ZIMBABWE oder VERSUCHE, DIE FREMDE ZU VERSTEHEN
© 1990 — Klaus Jürgen Schmidt



ZIMBABWE FAKTEN - DAS DOSSIER



VÖLKER & SPRACHEN


Bevölkerungsentwicklung

Mitte 1987 hatte Zimbabwe 9,42 Mio. Einwohner (fortgeschriebenene Zahl). Die letzten Volkszählungen fanden vom 21. April bis 11. Mai 1969 und am 18. August 1982 statt. 1982 wurden 7,5 Mio. Einwohner gezählt (3,67 Mio. männliche und 3,83 Mio. weibliche). Nach Vorausschätzungen der Vereinten Nationen wird die Bevölkerungszahl bis zum Jahr 2025 auf 26 Mio. (niedrige Variante) bis 37 Mio. (hohe Variante) angewachsen sein. (Unberücksichtigt dabei blieb die für Zimbabwe inzwischen akute AIDS-Problematik.)

Wie in den meisten afrikanischen Ländern ist der Anteil junger Menschen an der Gesamtbevölkerung relativ hoch. Mitte 1985 waren 47,6 % der Bevölkerung unter 15 Jahre alt. 49,5 % befanden sich im Alter zwischen 15 bis unter 65 Jahre, nur 2,7 % waren 65 Jahre oder älter.

Die Zahl der Auswanderer ging seit 1983 ständig zurück. 1985 wurden um 64 % weniger Emigranten registriert als 1983. Abnehmend war allerdings auch die Tendenz der Einwanderung. 1985 gab es 21 % weniger Einwanderer als 1983. Für 1986 wurde erstmals wieder ein Wanderungszuwachs ausgewiesen.

Erhebliche Probleme hatte Zimbabwe nach Erlangung der Unabhängigkeit mit der Rückführung von etwa 250.000 Flüchtlingen und der Auflösung der 70.000 Mann starken Guerilla-Armee. Außerdem waren etwa 750.000 Afrikaner durch Umsiedlung von ihren angestammten Wohnsitzen vertrieben worden und 400.000 in die Randgebiete städtischer Siedlungen abgewandert. 150.000 Flüchtlinge aus Mozambik, von denen rund 60.000 im Land geblieben sind, verschärften die Lage. Ab zweiter Hälfte 1986 begannen die Flüchtlingszahlen wegen der Intensivierung der Kriegshandlungen in Mozambik wieder zuzunehmen.

Der Anteil der Stadtbewohner hat erheblich zugenommen. 1982 wohnten 26 % der Bevölkerung in den Städten und 74 % in Landgemeinden. Die Anteile sind jedoch unterschiedlich auf die Rassengruppen verteilt. Über 80 % der Europäer und Mischlinge leben in Stadtgebieten, bei den Afrikanern beträgt der Anteil etwa ein Viertel. Die Bevölkerungszahl in den Städten wird nach Schätzung der Vereinten Nationen jährlich um 7 % wachsen.


Bevölkerungszusammensetzung

Die vier wichtigsten Bevölkerungsgruppen sind Afrikaner / Europäer / Asiaten und Mischlinge. Afrikaner bilden mit fast 98 % den mit Abstand bedeutendsten Bevölkerungsanteil. Der Anteil der Europäer, der 1980 noch 3 % betrug, verminderte sich in den folgenden Jahren erheblich. Mischlinge und Asiaten sind nur mit 0,5 % vertreten.

Größter afrikanischer Bevölkerungsanteil sind die Shona, die etwa 77 % der Afrikanern ausmachen und in nahezu allen Landesteilen dominieren. Die zweite Gruppe bilden mit etwa 17 % die Ndebele, Abkömmlinge der Zulu und stärkster Bevölkerungsanteil im südwestlichen Landesteil. 6 % der afrikanischen Bevölkerung gehören zu kleineren ethnischen Gruppen, die in der Regel nur in den Randgebieten des Landes siedeln.

Die Zahl der Europäer soll inzwischen auf unter 100.000 gesunken sein. Sie stammen überwiegend aus Großbritannien und Nordirland, zu einem Drittel auch aus der Republik Südafrika und aus früheren britischen Kolonien, vornehmlich Ostafrikas. Eine prominente Rolle im gesellschaftspolitischen Leben Zimbabwes spielen u.a. die Griechen. Die Zahl der Deutschen in Zimbabwe wird gegenwärtig auf 1.300 geschätzt; davon ist jedoch der größte Teil nur begrenzte Zeit im Land, z.B. als Lehrer, Entwicklungshelfer und Berater.


Sprachen

Die Amtssprache ist Englisch, das auch als Verkehrssprache weit verbreitet ist. Unter den afrikanischen Bantu-Dialekten hat die Shona-Sprache die größte Bedeutung; sie verfügt (ähnlich wie Ndebele) über eine festgelegte Orthographie und wird auch als Literatursprache benutzt. Shona- und Ndebele-Schriftsteller finden aus ökonomischen Gründen dennoch kaum einen Markt. 1986 kam der Zeitungsverlag Zimbabwe Newspapers, der die meisten englisch-sprachigen Blätter herausbringt, mit einer Shona-sprachigen Wochenzeitung KWAYEDZA heraus, die jetzt eine Auflage von 80.000 erreicht hat und von etwa 900.000 Menschen gelesen wird. Ende 1989 wurde von Lehrern und Schriftstellern eine Vierteljahresschrift TSOTSO aufgelegt, die Prosa und Lyrik aller in Zimbabwe verwendeten Sprachen vorstellen will. Zwei Rundfunkkanäle der Zimbabwe Broadcasting Corporation senden Informations-, Bildungs- und Unterhaltungsprogramme in sieben einheimischen Sprachen; in den beiden Fernsehkanälen werden immer öfter lokale Dramen in Shona oder Ndebele gezeigt. Beide Sprachen sind in den ersten drei Grundschuljahren - neben Englisch - Pflichtfach (auch für weiße Schüler) und können als Sprachfach auch später weiterbelegt werden; 4 weitere Minoritätensprachen (Venda / Kalanga / Tonga / ShiChangana) werden seit 1985 in relevanten Schulen benutzt. Verschiedene Komitees überwachen Entwicklung und Gebrauch einheimischer Sprachen und beraten die zuständigen Ministerien. Von den National Archives werden orale Überlieferungen gesammelt und ausgewertet. Zur Erläuterung komplizierterer Zusammenhänge in öffentlichen Reden oder Nachrichtensendungen mischen sich immer häufiger englische Ausdrücke in den Gebrauch einheimischer Sprachen.

Shona-Sprichwort:
"USATUKE RWENDO: RUTSOKA NDIMARASHE"

Übersetzung:
"BEHANDELE EINEN REISENDEN STETS SO GUT DU KANNST
DU KÖNNTEST EINES TAGES REISENDER IN SEINEM LAND SEIN"


Schwarz

Am 14. November 1989 wertete Ex-Präsident Canaan Banana vor afrikanischen Kirchenführern in Harare Tribalismus und Nepotismus als ebenso verheerend wie Apartheid: "Tatsächlich fürchten sich in manchen Fällen Menschen mehr vor den Auswirkungen tribalistischer Praktiken als vor Rassismus." Der alte Konflikt zwischen Shona und Ndebele war Ende 1987 mit der Vereinigung der jeweils für beide Bevölkerungsgruppen stehenden ZANU/PF und PF ZAPU politisch aufgefangen worden; verdeckt wirkt jedoch nun in erster Linie das gegenseitige Mißtrauen zwischen Statthaltern von unterschiedlichen Shona-Gruppen weiter. Die Shona unterteilen sich im Wesentlichen in Karanga / Kalanga / Korekore / Manyika / Ndau / Zezuru. Vor allem Führer der Karanga, Zezuru und der Manyika sind seit der Zeit des Befreiungskampfes in tribalen Auseinandersetzungen um Macht und Einfluß verstrickt.


AUS: "PARADE" / HARARE / SPECIAL TENTH ANNIVERSARY ISSUE / April 1990:
Kempton Makamure, Senior-Dozent der Rechtsfakultät an der Universität von Harare, 1989 unter dem Notstandsrecht eine Woche lang in Polizeihaft:

"In Zimbabwe ist es immer noch besser weiß als schwarz zu sein. Uns fehlt das Prinzip der Liebe, wir sind unfähig, uns Armut, Entwürdigung und Leid zuzuwenden. Offensichtlich fehlt uns eine grundsätzliche Liebe für unsere Menschen und deshalb sind wir nicht in der Lage, für sie Opfer zu bringen. Dies steht in scharfem Gegensatz zu den Kolonisten, die alles aus Liebe zu ihren weißen Mitmenschen entwickelten... Wir sollten zuerst lernen, unsere Menschen zu lieben, bevor wir etwas entwickeln. Es gibt kein Prinzip der Liebe in unserer Politik und in unserer Ökonomie... Der ehrliche, hart arbeitende, sich selber aufopfernde Zimbabwer wird jetzt als naiv, sogar als dumm angesehen. Was also wird aus einem Land, wenn die 'Respektablen' und 'Cleveren' die 'schnellreichen' sozialen Gangster sind? Solch ein Land kann nur in den Abgrund stürzen."


Weiß

Schon in 1982 waren 43,7 % der verbliebenen weißen Bevölkerung über 40 Jahre alt war. Während Mugabe immer darauf bedacht war, weiße Präsenz auch im Partei- und Regierungsapparat vorzuzeigen, haben es die einflußreichen Organisationen weißer Farmer und Industrialisten vermocht, trotz schrumpfender ethnischer Bedeutung am Parlament vorbei effektive Kommunikationswege zur Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Interessen einzurichten, über die sie erfolgreich direkten Druck auf die Regierung ausüben. Black Advancement, die Besetzung von Positionen in den ökonomischen Sektoren durch Schwarze - spielte sich während der ersten Dekade der Unabhängigkeit vornehmlich in publikumsnahen Bereichen ab, wo bis dahin wenig ausgebildete Weiße untergekommen waren. Verborgene Schlüsselstellungen in Industrie und Handel sind nach wie vor von Weißen besetzt. Window Dressing - Stichwort für die im Grunde einflußlose Besetzung von öffentlichen Positionen mit Vertretern der anderen Hautfarbe - wird in Zimbabwe von Schwarz und Weiß zur Maskierung einer in Realität bislang nicht gelungenen Integration betrieben.


Jeffrey Herbst in: "STATE POLITICS IN ZIMBABWE"
University of Zimbabwe Publications / Harare / 1990:

"Zur Unabhängigkeit machte die Mugabe-Regierung in Wirklichkeit einen Handel mit den verbleibenden Weißen. Der Handel - der nie diskutiert, aber allgemein begriffen wurde - beruhte im Grunde darauf, daß die Weißen, die bei der Unabhängigkeit in Zimbabwe sind, bleiben und ihre Geschäfte und Farmen weiter betreiben und bis zum Ende ihres Lebens ihren gewohnten kolonialen Lebensstil weiterführen können. Ihre Kinder jedoch werden im allgemeinen entmutigt, zu bleiben... Für die Weißen war der Handel sicherlich die beste Rassenpolitik, die sie überhaupt von einer schwarzen Regierung erwarten konnten... Durch die Erlaubnis für Weiße, zu bleiben, behielt das neue Regime lebenswichtiges Personal bis es durch ausgebildete Schwarze ersetzt werden kann... Zimbabwe ist - um einen Ausdruck von W. Arthur Lewis auszuleihen - eine Gesellschaft, die tagsüber vereint ist und nachts getrennt."

 
 
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