DER WEG NACH ZIMBABWE oder VERSUCHE, DIE FREMDE ZU VERSTEHEN
© 1990 — Klaus Jürgen Schmidt



ZIMBABWE FAKTEN - DAS DOSSIER



SCHWERPUNKT LANDWIRTSCHAFT


Aus der Begründung für die Verleihung des Africa Prize for Leadership For the Sustainable End of Hunger / 1988:

"Präsident Mugabe hat seiner Bevölkerung Prosperität durch eine Politik verschafft, die Zimbabwes Landwirtschaft zur größten Erfolgsstory auf dem Kontinent gemacht hat."


Grunddaten

Zimbabwes Agrarsektor zählt zu den wichtigsten Wirtschaftsbereichen des Landes und bietet die Existenzgrundlage für annähernd 80 % der Bevölkerung. Er trägt mit Exporten ca. 40 % zu den Deviseneinnahmen des Außenhandels bei und erwirtschaftet 15 % des Bruttosozialprodukts.
Im Finanzjahr 1988/89 überschritt der Gesamtverdienst der landwirtschaftlichen Exporte 1,4 Milliarden Z-$.


Produkte / Ernährung / Einkommen

Haupterzeugnis für den Eigenverbrauch sind Mais, als wichtigstes Grundnahrungsmittel, sowie Weizen, Sojabohnen, Hirse, Erdnüsse, Gerste, Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Zitrusfrüchte und Bananen. Tabak, Baumwolle, Kaffee, Tee und Zuckerrohr werden sowohl für den Eigenbedarf als auch für den Export angebaut.

Eine Dürreperiode zwischen 1982 und 1984 brachte Zimbabwe an den Rand einer Hungersnot. Ausbleibende Regenfälle machen in jeder Saison für verschiedene Landesteile Notlieferungen aus hervorragend organisierten Getreide-Depots erforderlich. Zimbabwe ist für die Staaten der Southern African Development Coordination Conference / SADCC wesentlichster Getreide-Lieferant. Während bis zur Unabhängigkeit weiße Farmer fast den gesamten in Zimbabwe vermarkteten Mais produzierten, halten schwarze Produzenten am Ende der ersten Dekade die Hälfte des Marktanteils (1880/81: 42.000 Tonnen - 1985: 481.000 Tonnen / Agrarkredite: 1980 - 4,18 Mill. Z-$ an 18.000 kommunale Bauern / 1885 - 30 Mill. Z-$ an 64.000 kommunale Bauern). Das daraus erzielte Bareinkommen hat zu einer Hebung des Lebensstandards vieler kleinbäuerlicher Familien beigetragen. Landarbeiter auf Farmen (ca. 263.000) bilden dagegen mit einem monatlichen Mindestverdienst von 116 Z-$ (oft weniger) noch immer die niedrigste Einkommensgruppe.


Exportabhängigkeiten

Ende 1988 erhöhte die Europäische Gemeinschaft / EG Rindfleisch-Importe aus Zimbabwe um 22 % auf einen Gesamtwert von 87,8 Mio. Z-$ (in Devisen) pro Jahr. Im Frühjahr 1989 erfaßte die Maul- und Klauenseuche fast alle Herdenbestände, Zimbabwe mußte stornierte Aufträge von geschätzt 6 Mio. Z-$ verkraften. 1989 verdiente Zimbabwe durch Tabak-Exporte rund 600 Mio. Z-$ in Devisen. Drei Jahre zuvor war in Harare die größte Tabak-Auktionsbörse der Welt eingerichtet worden. 90.000 Beschäftigte sind von der Tabakindustrie abhängig (es werden auch internationale Zigarettenmarken produziert), 20 % aller Deviseneinkünfte Zimbabwes werden durch Tabak erwirtschaftet. Anti-Raucher-Kampagnen u.a. der Weltgesundheitorganisation / WHO werden deshalb in Zimbabwe als direkte wirtschaftliche Bedrohung empfunden. Kaffee-Farmer, die für 1989/90 eine Ernte von 15.000 Tonnen im Wert von 47 Mio. Z-$ erwarteten, sahen sich mit dem Fall des internationalen Kaffeepreises um 50 % konfrontiert. Trotz eines effektiven Wildtier-Managements mit einem Überschuß an Elefanten wurde Zimbabwe - ungefragt - Opfer des Ende 1989 von CITES beschlossenen totalen Banns gegen jeden Elfenbein-Handel. Das Land verliert ein jährliches Einkommen von ca. 600.000 Z-$, mit denen u.a. die Hege von Elefanten-Herden finanziert wurde, die nun wieder Wilderern zum Opfer fallen und unkontrolliert Felder zerstören.


Forst / Fisch / Wild - Wirtschaft

Die staatliche Forstbehörde ist der größte Landbesitzer: Auf 1 Mill. Hektar Staatsforst werden seit über 50 Jahren planmäßige Aufforstungen mit Eukalyptus, Nadelbäumen und einheimischen Hartholzarten durchgeführt. Exportiert werden insbesondere Eisenbahnschwellen und Parketthölzer. Fischfang in den Binnengewässern und Fischzucht in Teichen ist auf den internen Konsummarkt ausgerichtet. Großfarmer und kommunale Projekte wenden sich zunehmend erfolgreich der (im Vergleich zur Rinderzucht ökonomischeren) Haltung von Wildtieren zu, deren hochwertiges Fleisch die Ernährungslage verbessert, während Leder und Trophäen Devisen-Einkünfte bringen.


Strukturen

Historische Gründe haben die Betriebsstruktur der Landwirtschaft in drei Bereiche segmentiert:

Commercial Farming Areas / marktorientierte großbetriebliche Landwirtschaft auf ca. 40 % der gesamten Landfläche Zimbabwes - heute etwa 4.500 Betriebe, vornehmlich im Besitz von Weißen. Betriebsflächen haben im Durchschnitt zwischen 500 und 3.000 Hektar, Viehhaltungsbetriebe ohne Ackerbau (einige im Besitz von multinationalen Konzernen) sind wesentlich größer. Etwa 75 % der gesamten Agrarproduktion und über 90 % der gesamten vermarkteten landwirtschaftlichen Produktion werden von Großbetrieben erzeugt.

Communal Land Areas früher Tribal Trust Lands / traditionellem Recht unterliegend, etwa 800.000 Familien mit ca. 4 Mio. Menschen auf 42 % der zimbabweschen Landfläche. Nur etwa 15 % der Produktion werden vermarktet, der Rest ist das Ergebnis von Subsistenzwirtschaft. Kahlschlag und Erosion sind wesentliche Merkmale. Die Siedlungsdichte soll durch Umsiedlungen verringert werden. Die Einführung von Kooperativen ist wegen unklarer politischer Vorstellungen, wechselnder Zuständigkeiten in der Zentralregierung und Managementproblemen an der Basis kaum vorangekommen.

Small Scale Commercial Farms Areas früher African Purchase Areas / 1,4 Mio. Hektar mit rund 8.600 kleinbäuerlichen Betrieben. In diesen Gebieten konnten auch schon früher Afrikaner Land zur Bewirtschaftung erwerben. Die Betriebsgröße beträgt durchschnittlich 124 Hektar, zwei Drittel der Gesamtproduktion werden vermarktet, ein Drittel dient dem Eigenbedarf.


Agrarpolitik

Die zentrale Regierung ist durch das Ministry of Lands, Agriculture and Rural Resettlement verantwortlich für politische Vorgaben, unterstützende Dienste und halbstaatliche Einrichtungen zur Forschung, Vermarktung und Kreditfinanzierung. Ein System der Preisregulierung basiert auf Konsultationen zwischen Ministerium, Marketingboards der verschiedenen Agrarbereiche und Organisationen der Bauern. Dadurch werden vorab festgelegte Preise garantiert, relative finanzielle Sicherheit für die Produzenten hergestellt und eine saisonale Steuerung bestimmter Artenschwerpunkte möglich. Tatsächlich bestimmt wurde die Agrarpolitik während der ersten Dekade durch die Organisation der weißen Großfarmer Commercial Farmers Union / CFU, die ihren - auf der Welt einzigartigen - politisch/administrativen Einfluß aus Rhodesien in das unabhängige Zimbabwe unangefochten hinüberrettete; ihr alter Vorsitzender, der weiße Farmer Denis Norman, wurde Landwirtschaftsminister im ersten Kabinett Mugabes.


"Kooperation der Regierung mit CFU war möglich, weil - obwohl sie die konservativste Gruppe im Lande repräsentierte - ihre Führerschaft noch vor irgendeinem anderen Element der weißen Gesellschaft die Notwendigkeit einer konstruktiven Beziehung zur neuen schwarzen Regierung erkannte. Aufseiten der Regierung hatten viele Offizielle, die während des Befreiungskampfes in Mozambik gelebt hatten, mit eigenen Augen gesehen, was durch den Massenabzug der Weißen zerstört worden war und sie waren entschlossen, eine Wiederholung dieses Desasters zu vermeiden."

Jeffrey Herbst in: "STATE POLITICS IN ZIMBABWE"
University of Zimbabwe Publications / Harare / 1990


Neben der CFU existieren für die beiden anderen Farmbereiche:

Die National Farmers Association of Zimbabwe / NFAZ, die Massenorganisation der 800.000 kommunalen Bauernfamilien.

Die Zimbabwe National Farmers Union / ZNFU, die in der African Purchase Area die ca. 8.600 Kleinbauernfamilien repräsentiert.


Die NFAZ formulierte im September 1989 sechs Hauptprobleme für ein schnelleres Vorankommen der kommunalen Bauern:
1. Schleppende Umsiedlung aus Gegenden mit schlechten Böden und unzuverlässigem Regenfall / 2. Unzureichende Konditionen für Bewässerungsplanung / 3. Kreditblockade für exportorientierte Anpflanzungen durch kommerzielle Banken / 4. Auf 650 kommunale Farmer kommt durchschnittlich nur 1 landwirtschaftlicher Berater / 5. Mangel an Transportmitteln: Saatgut und Dünger kommt oft zu spät, Ernten verrotten / 6. Noch immer nicht befriedigende Straßenverhältnisse im kommunalen Land.


Denis Norman (Minister of Transport and National Supplies im von Präsident Mugabe am 9. April 1990 bekanntgebenen neuen Kabinett) im März 1990 bei einem Seminar in Südafrika:

"Obwohl Fehler gemacht wurden, spielte die Landwirtschaft Zimbabwes wahrscheinlich die entscheidende Rolle beim Erreichen politischer Stabilität nach 11 Jahren Sanktionen und 14 Jahren Krieg."

 
 
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