DER
WEG NACH ZIMBABWE oder VERSUCHE, DIE FREMDE ZU VERSTEHEN
© 1990
Klaus Jürgen Schmidt
ZIMBABWE FAKTEN - DAS DOSSIER
FRAUEN-ENTWICKLUNG
"Vor der Unabhängigkeit war ich nur eine Frau, die
zu Hause Babies bekam. Seit 1980 gibt es viele Chancen für
Frauen auf dem Lande. Wir sind frei geworden. Es fing
damit an, daß nach der Unabhängigkeit in Versammlungen
angekündigt wurde, daß jeder die gleichen Rechte haben
muß, daß es keinen Unterschied zwischen Mann und Frau
gibt. Durch die Verabschiedung des 'Legal Age of Majority
Act' im Jahr 1982 wurden schwarze Frauen zum ersten Mal
mit 18 Jahren wie alle andere Zimbabwer als Erwachsene
anerkannt. Das bedeutete, daß wir erstmals in eigenem
Namen Kredite aufnehmen konnten und unseren Mais an die
Vermarktungsbehörde verkaufen konnten, ohne den Ehemann
zu fragen. Ich habe mein eigenes Bankkonto eröffnet und
mein Mann und ich haben unser Stück Land aufgeteilt; ich
bin für 4 Morgen verantwortlich, mein Mann für die
anderen 10. Früher war es schwer für mich, zu fragen,
ob ich Geld zum Beispiel für Töpfe bekommen könnte.
Jetzt nehme ich einfach mein Geld - ohne Streit, ohne
irgendwelche Fragen."
Perpetua Magaya, Kleinbäuerin und ländliche Beauftragte
des Zimbabwe Women's Bureau", in: "EDICESA NEWS"
/ Harare / März-April 1990
Frauen / Männerwelt
Unter insgeamt 150 Mitgliedern des im März 1990
bestimmten Parlaments sind von 120 gewählten
Abegeordneten 10 weiblich, unter den 12 vom Präsidenten
bestimmten Mitgliedern sind es 4. Im neuen, am 9. April
1990 vorgestellten Kabinett sind von den insgesamt 26
Ministern plus 3 Ministern im Büro des Präsidenten 3
Frauen: Victoria Chitepo im Informations- und Postressort
/ Joyce Mujuru im Ministerium für Gemeinde- und
Kooperativenentwicklung / Fay Chung im Ministerium für
Erziehung und Kultur. Für "Frauenangelegenheiten"
gibt es kein Ministerium mehr; dieser zuvor in einem
Vollministerium abgedeckte Bereich wurde einer
stellvertretenden Ministerin zugeteilt, die dem Ressort
des personell überproportional ausgeweiteten Präsidial-Ministeriums
für politische Angelegenheiten (Senior-Minister Didymus
Mutasa) und einem weiteren Staatsminister unterstellt ist.
Diese stellvertretende Ministerin, Shuvai Mahofa, hat
Erfahrungen hinter sich, die das Verhältnis von Frauen
und Männern in Zimbabwe beim gnadenlosen Kampf um
politische Spitzenpositionen eindrucksvoll aufzeigen: Am
28. Juni 1989 wurde sie von einem Gericht in Harare wegen
Fälschung eines Dokuments, das ihr geschäftliche
Vorteile bringen sollte, zu 2.000 Z-$ Strafe und 4
Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Das war der
Abschluß einer Affäre, die ihren Ursprung in einer Männergesellschaft
hat, deren Hackordnung sich Shuvai Mahofa zu eigen
gemacht hatte, ohne zu bedenken, daß sie als Frau sehr
viel leichter am kürzeren Ende sitzen könnte. Nur das
Eingreifen des Präsidenten, der den eigentlichen
Hintergrund dieser parteiinternen Kabale durchschaute und
für seine eigenen Zwecke nutzte, rettete ihre politische
Karriere.
"Dieser Teil der Gesellschaft (das Patriarchat) ist
das Bollwerk männlicher Vorherrschaft. Er toleriert
nicht die Frauenforderung nach Gleichheit und Beteiligung
an Entscheidungsprozessen im Wirtschaftsbereich... Je stärker
eine Fraktion eine andere unterdrückt, je mehr werden
Frauen aus Machtpositionen entfernt. Die Mahofa-Geschichte
ist dafür ein Beleg. Frauen können von einflußreichen
Positionen durch ein Netzwerk von Intrigen,
orchestrierten Kampagnen und billigem Klatsch entfernt
werden... Sollten sie (diese rückständigen Kräfte)
aber ähnliche Herausforderung erfahren, nehmen sie
sofort Deckung hinter Opportunismus und einer subtilen
Form von Naivität. Sie sind Papier-Tiger."
Nyaradzo Makamure in: "AS I SEE IT..." /
Kolumne der "SUNDAY MAIL" / Harare / 30. April
1990
Die Frauenorganisation der regierenden ZANU/PF wird von
der Frau des Präsidenten, Sally Mugabe, geführt, eine
Entscheidung der Parteispitze auf dem Kongress Anfang
November 1989 - nicht der wahlberechtigten Frauen. Als
bei dieser Veranstaltung mit Delegierten aus dem ganzen
Land die Parteiführung auch noch versuchte, eigene
Kandidatinnen für bestimmte Provinzen gegen die Stimmung
der von dort entsandten Vertreterinnen durchzusetzen, kam
es zum Aufstand - die Frauen sangen das populäre Shona-Lied
"hatitambwe ivoyo" ("Spielt nicht dieses
Spiel mit uns") und Präsident Mugabe mußte geholt
werden. Er folgte schließlich dem Mehrheitswunsch der
Basis und zog die oktroyierten Kandidaturen zurück.
Selbst in der städtischen Gesellschaft Zimbabwes ist es
während der ersten zehn Jahre Unabhängigkeit nur ganz
wenigen schwarzen Frauen gelungen, führende Positionen
in der Politik oder in der Wirtschaft einzunehmen. Nach
einer vom Bildungsministerium veröffentlichten Statistik
waren 1988 an der Universität nur 25 % Studentinnen
eingeschrieben.
Erziehungsministerin Fay Chung am 25. Juli 1989 vor einem
Seminar über "Bildungszugang ländlicher Frauen in
Zimbabwe":
"Wie kann eine Frau effizient an der Entwicklung der
Nation teilnehmen, wenn sie nicht über moderne
technologische und wissenschaftliche Kenntnisse verfügt?
Enthalten wir einer Frau nicht Menschlichkeit vor, wenn
unsere Bildungsprogramme sie nicht erreichen? Die
Gesellschaft muß die nötigen sozialen und strukturellen
Anpassungen vornehmen, damit jene traditionellen Stricke
fallen, die eine Entwicklung von Frauen durch Bildung
behindern."
Traditionelle Stricke
"Frauen besitzen heißt, Arbeiter zu besitzen,
unbezahlte Arbeiter, Arbeiter, deren gesamte Arbeitskraft
ohne Widerstand vom Ehemann enteignet werden kann, denn
er ist der Herr und Meister. In einer
landwirtschaftlichen Ökonomie ist das Heiraten einer
Frau der sicherste Weg größeren Reichtum anzusammeln.
Dem Ehemann ist eine freie Arbeitskraft sicher, die sich
gegen ihre Ausbeutung weder beschweren noch auflehnen
kann. Dies begründet die wichtige Rolle der Polygamie in
einer primitiven landwirtschaftlichen Ökonomie. In der
Erkenntnis, daß Frauen eine Quelle für Wohlstand sind,
verlangt die Gesellschaft für sie einen Preis. Eltern
von Töchtern verlangen von ihren künftigen Schwiegersöhnen
die Bezahlung des Brautpreises - 'lobola' - bevor sie
ihnen die Töchter geben. Die Frau ist gekauft und geerbt
gerade so wie irgendein Gut oder irgendeine andere Quelle
von Wohlstand. Aber was noch wichtiger ist - die Frau,
verglichen etwa mit einem Sklaven (der ja wie andere
unbezahlte Arbeiter ebenso eine Quelle von Wohlstand ist)
offeriert ihrem Besitzer zwei zusätzliche Vorteile: Sie
ist eine Quelle für Vergnügen und - vor allem - sie
produziert weitere Arbeiter, sie produziert neue Quellen
von Wohlstand."
Dr. Austin M. Chakaodza in: "AS I SEE IT..." /
"SUNDAY MAIL" / Harare /
12. November 1989
Noch heute ist es in der Shona-Gesellschaft üblich, daß
Mädchen und Frauen gegenüber einem Mann ihren Respekt
durch einen Kniefall bezeugen - vor dem Vater, vor dem
Ehemann, vor dem Lehrer... vor dem Präsidenten. Die Ökonomie
zwingt viele Männer, in der Stadt zu arbeiten - oft
sehen sie damit ihre Unterhaltspflicht gegenüber der zurückgebliebenen
Familie als erloschen an. Zugleich existiert jedoch
weiter der Stolz, möglichst viele Kinder zu zeugen - oft
in außerehelichen Verhältnissen. Im November 1988
wandten sich Anwohner und Leserbriefschreiber gegen die
Initiative einer privaten Organisation in Harare, für
alleinstehende, schwangere Mädchen ein Heim einzurichten.
Baby-Dumping, das Beseitigen von ungewollten Kindern, war
schon seit Jahren zu einem öffentlich diskutierten
Problem geworden.
"Für einen Teil der Menschen in Zimbabwe ist ein
'Baby-Dumper' eine Kriminelle, die schwerstens bestraft
werden muß, ja sogar gehenkt werden sollte. Für andere
ist sie jedoch ein Opfer von Umständen, das Verständnis
der Gesellschaft verdient... Das Problem wird hauptsächlich
durch lose Moral als Folge dekadenter westlicher Werte
verursacht, denen unsere Mädchen ausgesetzt sind."
Aus einem Kommentar des "HERALD" / Harare / 22.
September 1988
Im November 1988 diskutierte das zimbabwesche Parlament
eine Novellierung des Maintenance Act, des Gesetzes zur
Unterhaltspflicht. Die vorgeschlagenen Verbesserungen
zugunsten alleingelassener Mütter führte zu einem
Aufruhr der überwiegend männlichen Abgeordneten ("Maintenance
Bill sparks off row among MPs" / Schlagzeile des
"HERALD" vom 25.11.88) Der Abgeordnete Sydney
Malunga verstieg sich zu der Bemerkung: "Dieses
Gesetz sollte abgeschafft werden... Viele Mädchen machen
aus der Unterhaltszahlung ein Gewerbe."
Schon im September 1988 hatte die Hauptstadtzeitung über
die steigende Zahl von im Stich gelassenen Kindern durch
alleinstehende Mütter und nach Ehescheidungen berichtet.
Simomo Mubi kam in einer Untersuchung über das
zunehmende Ehescheidungsproblem ("HERALD" / 10.11.88)
zu dem Schluß, daß der Hauptgrund in einer Reaktion der
Männer auf emanzipatorische Aktivitäten von Frauen zu
suchen sei, Männer seien nach statistischen
Erkenntnissen in der Regel die klagende Partei.
"Wenn du als Frau in Zimbabwe eine berufliche
Karriere machen willst und sie wirklich ernst nimmst,
dann vergiß zu heiraten."
Einzige schwarze Managerin eines Hotels in Harare in
einer ZBC-Fernsehdokumentation zum 10. Jahrestag der
Unabhängigkeit Zimbabwes über die Entwicklung der
Frauensituation.
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