In der Zwischenzeit zeigen wir einen Film
über einen Mann, der mit Henry Kissinger
eines gemein hat: den Friedensnobelpreis!
Er wird zum Thema Ethik beim
Handeln in der Welt bestimmt
einiges beitragen können.
Und er hat wie wir gehört haben
schon den deutschen
Kissinger-Freund und SPIEGEL-Herausgeber
Rudolf Augstein zu umfassender
Jesus-Recherche inspiriert.
Zwei Doktortitel hatte der Mann schon
erworben, den ersten in Philosophie, den
zweiten in Theologie, und 1913 folgte
seine medizinische Doktorarbeit Die
psychiatrische Beurteilung Jesu:
Darstellung und Kritik.
In dieser Arbeit versuchte er, analog
seiner theologischen Dissertation,
zeitgenössische Versuche zu widerlegen,
das Leben Jesu aus psychiatrischer Sicht
beleuchten zu können gewiss ein
ungewöhnliches Thema für eine
medizinische Dissertation, aber es sollte
ja zu den Heiden nach Afrika gehen!
Im Alter von 38 Jahren war unser Mann
also in drei verschiedenen Gebieten
promoviert, hatte sich habilitiert und
war Professor.
Den Mann wollen wir genauer kennenlernen!
REGIE! BITTE FILM AB!
ALBERT SCHWEITZER

Text geschrieben und gesprochen von
Albert Schweitzer
Musik: Alec Wilder, Orchester-Leitung:
Leon Barzin
Schnitt: Luke Bennett
Ton: C. Robert Fine
Photographie: Erica Anderson
Regie: Jerome Hill, 1957
Die, die an sich erfuhren, was Angst und
körperliches Weh sind, gehören in der
ganzen Welt zusammen. Ein geheimnisvolles
Band verbindet sie. Miteinander kennen
sie das Grausige, dem der Mensch
unterworfen sein kann, und miteinander
die Sehnsucht, vom Schmerze frei zu
werden. Wer vom Schmerz erlöst wurde,
darf nicht meinen, er sei nun wieder frei
und könne unbefangen ins Leben
zurücktreten, wie er vordem darin stand.
Wissend geworden über Schmerz und Angst
muss er mithelfen, dem Schmerz und der
Angst zu begegnen, soweit Menschenmacht
etwas über sie vermag, und anderen
Erlösung zu bringen, wie ihm Erlösung
war.
Als
Zeitzeugen begrüssen wir jetzt Herrn
Werner Möllenkamp, Jahrgang 1921.
Herr Möllenkamp verbrachte seine
Jugendzeit in Ostpreussen. Zu Beginn des
Zweiten Weltkrieges von der Schulbank zum
Wehrdienst gerufen, nahm er als junger
Offizier am Ostfeldzug teil. Nach dem
Krieg studierte er technische
Wissenschaften und arbeitete für ein
deutsches Unternehmen in Übersee ...
Willkommen Herr Möllenkamp!
Sie haben uns Ihr Buch mitgebracht, einen
Roman ...
Verzeihung, ich nannte diesen
Versuch eines Montageberichts
nicht einen Roman!
Stimmt,
aber einer Ihrer Rezensenten war so
beeindruckt, daß er schrieb ...
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Dieser Zeitroman wird einmal ein
historischer Roman werden aus jener Zeit,
als an den Anfängen der Zivilisation die
Endprodukte des Wohlstandes abgeladen
wurden, als uns die Schwarzen
undurchschaubar erschienen, die uns
längst durchschaut hatten ... (Bernhard
Boie)
Lesen
Sie uns doch bitte vor, was Sie für
Afrika empfanden als Sie Ihre
eigenen Erlebnisse in dieser Geschichte
notierten.
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Alles im Leben ist Aufbruch,
Abschied, Reise und Ankunft. Bilder und
Farben prangen am Wege, kein Gesicht so
mächtig, allen Zauber dieser Erde zu
sehen. Klarheit und Helle des Himmels
blenden das Auge, die Gesänge der Nacht
betören das Ohr.
Hier in Afrika sind die Sterne
fröhlicher, wärmer die Feuer,
reissender die Wasser, ärmer und reicher
der Mensch, der die Brandung passiert und
den Fuss in den rotblassen Staub der
Savanne setzt. Unbarmherziger ist das
Tier, üppiger die Natur oder steiniger
und grausamer denn alle Grausamkeit unter
den Wolken.
Schneller rinnen die Stunden, kürzer ist
das Dasein und rascher der Tod. Wo eben
noch Spiel und Bewegung, ruft schon
Verwesung die grossen, gefleckten
Hyänen. Geier begleiten den tagmüden
Wanderer.
Frucht und Gewinn versagen sich, wo die
milden Zonen zum Bleiben verlocken und
kommen üppig, wo die Stachel der Tropen
in die Poren dringen.
Afrika hebt uns hinauf und stösst uns
hinab. Hier sind die Geschicke
unermüdlich im Wechsel, unbändiger,
unfassbarer als sonstwo unter dem Kreuz
des Südens.
Wir
schauen uns um weisse Mitreisende
nicken heftig, schwarze scheinen weniger
beeindruckt von Ihrem emotionalen
Afrika-Porträt, Herr Möllenkamp ...
Kofi hat einen Einwand? ... Oh, sorry,
Kofi! Du bist ja der Dritte im Bunde der
Friedensnobelpreisträger! Hold on
wir planen einen Dreier-Gipfel,
sobald wir umgebaut haben, einverstanden?
...
Hach, ist er nicht ein vollendeter
Diplomat? ...
Zurück zu Herrn Möllenkamp: Nicht von
einer Eisenbahnbaustelle handelt Ihr
Buch, sondern von einem anderen
gigantischen Projekt der Moderne, von der
Errichtung eines Staudamms in Afrika ...
Meine Damen und Herren TAZARA-Reisenden!
Nie was gehört von Herrn
Möllenkamp?
Mr. Rockefeller! Seine Kollegen brachten
A f r i k a das Licht! Deutsche
Ingenieure sorgten für Strom aus
Wasserkraft, und Werner Möllenkamps
Versuch eines Montageberichts
erzählt davon, wie sie dauernd
herausgefordert durch afrikanische
Versuchungen die Turbinen
einbauten hinter dem Damm eines Flusses
im südwestafrikanischen Angola, zu einer
Zeit, da sich dort erster bewaffneter
Widerstand gegen die portugiesischen
Kolonialisten regte.
Ein bis dahin noch unbekannter
Ingenieur der Seele hatte
knapp fünfzig Jahre zuvor, am 6. Januar
1907, in der Straßburger Kirche St.
Nikolai zum Missionsfest gepredigt.
BITTE ROLLTEXT AB!
... An was denken
unsere Staaten, wenn
sie den Blick übers Meer richten?
... was sie aus dem Lande ziehen können,
immer zu ihrem Vorteil. Wo sind die
Arbeiter, die Handwerker, die Lehrer, die
Gelehrten, die Ärzte, die in diese
Länder ziehen? Macht unsere Gesellschaft
eine Anstrengung in dieser Hinsicht?
Nichts ... Das Christentum wird zur Lüge
und Schande, wenn nicht, was draußen
begangen, gesühnt wird, nicht für jeden
Gewalttätigen im Namen Jesu ein Helfer
kommt, für jeden, der etwas raubt,
einer, der etwas bringt, für jeden, der
flucht, einer, der segnet.
Als
Gabun nördlich von Angola
noch von Franzosen beherrscht wurde,
hiess es Französisch-Äquatorialafrika.
Dort, am Fluss Ogowe, hatte 1913, sechs
Jahre nach dieser Predigt der Arzt und
Theologe Albert Schweitzer sein lang
gehegtes Vorhaben in die Tat umgesetzt,
das Urwaldspital Lambaréné.
Und Sie, Herr Möllenkamp, haben ihn 1957
in Lambaréné getroffen ...
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... Der aufmerksame Betrachter wurde
sofort gewahr, daß Albert Schweitzer die
Schatten des Urwaldhospitals längst
hinter sich gelassen hatte und Weltgeist
geworden war. Der grosse alte Mann liess
seine dreiundachtzig Jahre nicht
erkennen. Philosoph, Theologe, Arzt und
nun seit fünf Jahren
Friedensnobelpreisträger ...
Da sich zu unserer Zeit in Lambaréné
weder die Vertreterinnen internationaler
Frauenorganisationen noch der
amerikanische Vizepräsident aufhielten,
wurde uns die Ehre zuteil, Dr. Schweitzer
an der Mittags- und Abendtafel
gegenüberzusitzen. So gerieten wir rasch
ins Plaudern. Über die schwarzen Völker
und das Gesetz vom zunehmenden Abstand
zwischen den Besitzenden und den
descamisados (=
Besitzlose, argentinische
Wortschöpfung). Über das Fehlen einer
Ordnungsmacht und die Notwen-digkeit,
eine Weltordnungsmacht zu etablieren, um
den Abstand zu verkürzen, auszugleichen.
Albert Schweitzer sprach von seiner
Korrespondenz mit John Foster Dulles, dem
er immer wieder klarzumachen versuchte,
daß die Vereinigten Staaten nicht in der
Lage seien, diese Ordnungsmacht zu werden
oder Vorbild der freien Welt zu sein. Um
eine Weltanschauung der Toleranz und der
Harmonie unter den Völkern zu lehren,
bedürfe es wohl der Weisheit einer alten
Nation. Und nach einer Pause: Es
ist erstaunlich, wie fortschrittlich sie
sind und wie wenig die Amerikaner von
Weltpolitik verstehen.
Albert Schweitzer schob das Gedeck
beiseite, schlug die Bibel auf, las ein
Station vor und begann mit der Auslegung
der Heiligen Schrift. Dann sprach er ein
Gebet, ging zu dem Piano an der Wand
rechts des Eingangs und spielte ein
Kirchenlied. Eine Bachimprovisation
schloss sich an ...
Das hat er damals schon gewusst, daß die
Amerikaner von Weltpolitik nichts
verstehen 1957? Da hatte Der
stille Amerikaner in Indochina doch
schon heimlich die Weichen gestellt.
Was ist denn das für ein Geklimper da
draussen?
Ein Klavier ist das eine Fuge!
Eine was? ... Himmel! Da ist ja ein
Riesenhaus neben dem Bahnsteig gewachsen!
Und das Geklimper, das kommt von da!
Gelber Anstrich, rote Dachziegel,
Giebel-, Fenster- und Türfassungen aus
Sandstein gehauen, eine Art
Glockentürmchen aus grünspanigem
Kupferblech ...
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