Aus welcher Quelle kommen solche
falschen Anschuldigungen? Sie sollten
wissen, daß es einen solchen Artikel in
der Verfassung meiner Vereinigten Staaten
von Amerika gar nicht gibt!
Nun, Mr. Rockefeller, jemand hat
in der Tat den originalen 13.
Zusatzartikel zur Verfassung der
Vereinigten Staaten verschwinden lassen,
er wurde auf geheimnisvolle Weise ersetzt
durch einen anderen Text, mit dem nach
dem Bürgerkrieg die Sklaverei verbannt
wurde.
Bis zum Jahr
2002 sah es so
aus, als wäre diese Manipulation nie
mehr nachzuweisen. Doch dann fanden
Rechercheure im Bundesstaat Virginia ein
Buch, das 1825 mit der Autorität des
Kriegsministeriums veröffentlicht worden
war. Es enthielt die
Militärgesetze der Vereinigten
Staaten von Amerika, und angehängt
war die Verfassung der U.S.A. von 1825
mit dem originalen 13. Zusatzartikel, der
es Amtsträgern verbietet, durch einen
ausländischen Staat Titel anzunehmen
oder für ihn Dienste auszuüben.
Das war seinerzeit für die
Gründerväter offenbar von grosser
Bedeutung angesichts von Versuchen der
eben überwundenen britischen
Kolonialmacht, Handlanger für deren
Interessen in der Neuen Welt
zu gewinnen.
Solange nicht durch eine oberste
Rechtsinstanz geklärt ist, wie und durch
wen der Austausch der Texte erfolgte, und
ob die Bestimmungen des alten Textes je
durch einen Rechtsakt aufgehoben wurden,
bleibt dieser Verfassungsgrundsatz in
Kraft mit anderen Worten, ein
Zuwiderhandeln bleibt strafbar!
Woher kommen die Stimmen aus den
Lautsprechern? Ich bestehe darauf,
endlich zu erfahren, wer hier eine Art
rollendes Gerichtsverfahren durchführen
will!
Señor Galeano, helfen Sie bitte
Mr. Rockefeller weiter?
Wenn Sie, wie ich, gelegentlich aus
dem Fenster schauen würden, Mr.
Rockefeller, hätten Sie es schon erraten
...
ratenco ratenco ratenco ...
Schauen Sie, hier auf der
pazifischen Seite fallen die Anden viel
steiler ab als auf der atlantischen
Seite.
ratenco ratenco ratenco ...
Von Caracoles nach Los Andes sind
es bloss knapp einundsiebzig Kilometer,
aber auf dieser Strecke geht es
zweitausendsechshundertsechzig Meter in
die Tiefe. Seit wir den Cumbre-Tunnel
verlassen haben, macht die Bahnlinie also
immer wieder relativ spitze Kehren
eine Meisterleistung der Ingenieure und
der Bauarbeiter ... und ein Beispiel für
überseeische Kapitalanlagen.
Vierhundertsechsundsiebzig Millionen
Liter Wein pro Jahr im argentinischen
Mendoza brauchten einen Transportweg zur
Pazifik-Küste. Die ist nur gute
dreihundertzwanzig Kilometer entfernt,
verglichen mit den weit über tausend
Kilometern zum Atlantik.
Argentinische und chilenische
Finanzkräfte erlahmten bei der
Mammutaufgabe, mit einem Schienenstrang
die Anden zu überwinden. Briten, nicht
gerade bekannt als Weinliebhaber, formten
in London ein Unternehmen, das in der
ersten Dekade des vergangenen
Jahrhunderts mit der Durchbohrung des
Cumbre-Bergmassivs die Gleise der
Transandine-Eisenbahnlinie von
argentinischer und von chilenischer Seite
zusammenführte.
Señor Galeano, Sie wollten Mr.
Rockefellers Fragen beantworten! ...
Nun, das muss noch zu Ende gebracht
werden, denn tatsächlich befinden wir
uns alle in einem Geisterzug nicht
nur weil er aus Afrika kommt, sondern
weil Tunnel und Gleise in Wirklichkeit
nur noch Schrott sind, zugeweht von
Schneefeldern.
Die
Eisenbahnlinie war 1910
fertiggestellt worden, in den folgenden
Jahrzehnten unterbrachen Kriege und
Naturkatastrophen immer wieder den
Verkehr, doch erst der Bau einer
Hochstrasse über die Anden brachte dem
Eisenbahngeschäft endgültig den Ruin.
Seit 1982 fährt auf diesen Schienen kein
Zug mehr, und deshalb ist das, was ich
Ihnen zeigen soll, Mr. Rockefeller, ein
Albtraum.
Unser Geisterzug aus Afrika, er folgt
hier auf der chilenischen Seite den engen
Kurven des Transandine Railway. Von jedem
Fenster aus ist der Zug immer wieder fast
in voller Länge zu sehen, also auch alle
aneinanderhängende Waggons ...
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