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Eine
gnädige Weiche lässt uns seit geraumer
Zeit in eine neue Himmelsrichtung rollen,
unter Führung eines anderen Reiseleiters
...
Nach dem Süden!
Das ist so viel wie eine Fahrt ins
Unbekannte, ins Geheimnisvolle. Und wer
diese Fahrt schon zehn- oder zwanzigmal
gemacht hat, dem bleibt der Süden doch
immer noch die Gegend des Dunkels, in
welcher täglich neue Entdeckungen zu
machen sind.
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Wir
haben unsere Fahrt wieder aufgenommen,
offensichtlich unter Leitung eines
Führers, der sich nicht bloss bei den
Indianern Nordamerikas auskennt
Man glaube nicht, daß das Wort Sudan
gleichbedeutend mit unserm deutschen
»Süden« ist ... Da das Wort Sudan,
allerdings schon im Mittelalter
gebräuchlich, ein jetzt so viel
gehörtes ist, so dürfte eine kurze
Bemerkung über dasselbe am Platze sein.
Beled es Sudan, das ist der vollständige
Name. »Beled« heißt Land, und »es«
ist der Artikel. Sudan ist der gebrochene
Artikel von »aswad« = schwarz (Plural
»sud«). Beled es Sudan heißt also das
Land der Schwarzen. Der Ton wird nicht,
wie man oft hört, auf die erste, sondern
auf die zweite Silbe gelegt; man sagt
also nicht Suhdan, sondern Sudahn.
und der uns offenbar auf die Nerven gehen
will mit unerschöpflichen Details aus
seinem Zettelkasten. Dabei ist er nicht
einmal ein Eisenbahn-Fan.
Jetzt kann man mit der Bahn von Kairo
nach Siut fahren; aber eine pfeifende
Lokomotive am Nil, eine dunkle,
häßliche Rauchwolke in der herrlichen
Luft des heiligen Stromes, das will wie
eine Entweihung erscheinen. Und wie
fährt man auf der ägyptischen Bahn!
Es ist vor einigen Jahren in Ungarn
vorgekommen, daß der Zug an einer
kleinen Station zwei Minuten zu halten
hatte; die Beamten stiegen aus, um Wein
zu trinken; der Maschinist that
natürlich dasselbe. Da kam den
Passagieren der Gedanke, auf einer nahen
Kegelbahn ein Spielchen zu machen. Als
die erste Partie zu Ende war, wurde noch
eine zweite geschoben; dann stieg man
gemächlich ein, und der Zug trollte sich
mit Beamten und Passagieren von dannen.
Wenn das an der schönen, blauen Donau
geschieht, was kann man dann am Nile
erwarten?
Ich ziehe das Deck eines Schiffes dem
engen Bahncoupée vor. Da sitzt man auf
seiner Matte oder auf seinem Polster, die
Pfeife in der Hand und den duftenden
Kaffee vor sich. Der über zweitausend
Fuß breite Strom dehnt sich wie ein See
vor dem Blicke aus, scheinbar grenzenlos.
Das erregt die Phantasie, welche
vorauseilt, dem Süden entgegen, um sich
denselben mit riesigen Pflanzen und
Tierbildern zu bevölkern. Der Nordwind
liegt in den Segeln; die Matrosen hocken
allerorts und vertreiben sich die Zeit,
indem sie schlafen, gedankenlos vor sich
hinstarren oder sich mit kindlichen
Spielen beschäftigen. Die Augen des
Reisenden werden müde; sie schließen
sich nicht, und doch beginnt er zu
träumen, und er träumt, bis der Ruf
erschallt: »Auf zum Gebete, ihr
Gläubigen!« Dann knieen alle nieder,
verneigen sich nach der Kibblah und
rufen: »Ich bezeuge, daß es keinen Gott
giebt außer Gott; ich bezeuge, daß
Muhammed der Gesandte Gottes ist!«
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Auf
dieser Etappe erleben Sie als
Reiseführer
Sie haben richtig
geraten: Karl May, nicht als Old
Shatterhand, nicht als Kara
Ben Nemsi, sondern unter dem
osmanischen Ehrentitel
Effendi, als christlichen
Abenteurer (oder abenteuerlichen
Christen?) unter Moslems im Sudan!
Auf seinen Wunsch haben wir allerdings
ein paar Veränderungen vornehmen
müssen. Da Herr May partout nicht in
unseren Zug steigen wollte, haben wir uns
vorübergehend schrumpfen lassen
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Und Sie rollen in einer
Miniaturbahn auf Miniaturschienen durch
ein afrikanisches Diorama. Das ist
Bestandteil einer Ausstellung dort, wo
meine Bedeutung endlich offiziell
wahrgenommen wird in Deutschlands
Hauptstadt, in Berlin!
Ich begrüsse Sie
im Deutschen Historischen Museum ...
eigentlich in der virtuellen Version
dieser Ausstellung, die wie man
mir erklärt hat, in etwas, das Internet
heisst Panorama-Blicke in meine
Romanwelten erlaubt. Ich denke, deshalb
haben die Organisatoren dieser
wunderbaren Ausstellung auch diesen Titel
gegeben:
Karl May Imaginäre
Reisen ...
Tatsächlich habe ich ja mehr als ein
Jahrhundert vor dem
Schriftsteller-Kollegen Wilbur Smith die
historische Figur des Mahdi zur
literarischen Verwertung entdeckt. Das
war zu einer Zeit, da war diesem zwar
schon der Kopf Gordon Paschas als
Trophäe auf einer Lanze präsentiert
worden, die Briten hatten den Sudan aber
noch nicht von den Mahdisten
zurückerobert! ...
Den ersten Teil der Erzählung schrieb
ich von Januar bis April 1890. Er
erschien ein Jahr darauf zwölf Monate
lang in der Wochenzeitschrift
Deutscher Hausschatz in Wort und
Bild. 1896 wurde Am
Nile als erster Band der
dreibändigen Ausgabe von Im Lande
des Mahdi veröffentlicht, als Band
16 der Reihe Karl May's gesammelte
Reiseromane beim Verlag Friedrich
Ernst Fehsenfeld in Freiburg im Breisgau.
Weitere Erzählungen kamen später als
Band 17 und 18 hinzu.
Spannend
ist ja, Herr May, daß Sie sich mit
Erscheinungen des radikalen Islamismus
auseinandsetzten, lange bevor die Debatte
um Al Quaida und um Mohammed-Karrikaturen
in der Neuzeit begann.
Vor diesem Hintergrund erscheint Osama
Bin Laden als Wiedergänger des Mahdi ...
und Ihr vor über hundert Jahren
ausgedachter Disput mit einem
Mahdi-Anhänger wie die Vorwegnahme des
Meinungsstreits arroganter Streithähne
von heute
»Wunder über
Wunder! Ein Christ
will mir, dem gelehrten Fakir el Fukara,
Erklärung des Kuran, der Sunna und aller
heiligen Schriften geben! Sollte man so
etwas für möglich halten! Du bist nicht
nur in Thaten, sondern auch in Worten
verwegen, Effendi!«
»Von einer Verwegenheit kann da gar
keine Rede sein. Was ich sage, hat alles
Grund und vollständige Berechtigung.
Versuche es!«
»Nein. Ich werde mich hüten, mit einem
Christen über den Islam zu disputieren.
Du lässest dich doch nicht bekehren. Es
waren nur einige wenige Fragen, welche du
mir beantworten solltest. Selbst dem
weisesten der Weisen ist es unmöglich,
ein endgültiges Urteil über unsern
Glauben zu fällen, denn Muhammed hat das
Werk nur begonnen. Zu Ende führen wird
es ein anderer.«
»Wer?«
»Das fragst du? Und doch behauptest du,
den Kuran und alle seine Erläuterungen
zu kennen! Durch diese Frage hast du
bewiesen, daß du sie noch nicht
kennst.«
»Du irrst dich abermals. Ich weiß, daß
du den Paraklet, den Ma'dijj meinst, den
viele von euch erwarten.«
(Dieses Wort darf nicht Mahdi, sondern es
muß Ma'diji geschrieben werden; es kommt
von dem arabischen Verbum hahdaja her,
welches »führen« heißt, und bedeutet:
der auf den rechten Weg Geführte, der
Helfer, der Vermittler. Doch werde ich
dem einmal gewohnten Gebrauche folgen und
Mahdi schreiben.) ...
Herr
May, könnten Sie Ihren Zettelkasten
mal für einen Moment beiseite
lassen? Danke!
»Du, weißt das also doch?« fragte
er. »Hast du gehört, daß ein Mahdi
kommen wird?«
»Gehört und auch gelesen. Der Kuran
erwähnt nichts von ihm, und auch den
Kommentaren ist die Sendung eines Mahdi
unbekannt; er lebt nur in der mündlichen
Ueberlieferung, auf die ich nichts
gebe.«
»Ich desto mehr. Allah wird einen
Propheten senden, welcher das von
Muhammed begonnene Werk zu vollenden hat.
Dieser Prophet wird die Ungläubigen
entweder bekehren oder, wenn sie sich
nicht bekehren lassen, sie vernichten und
dann die Güter dieser Erde so verteilen,
daß ein jeder nach seiner Frömmigkeit
erhält, was ihm gebührt.«
»Das sind mehr weltliche als religiöse
Hoffnungen und Wünsche. Wäre ich
Moslem, ich würde mich nur an den Kuran
halten, nach dessen Lehren ein solcher
Mahdi nicht erwartet werden kann.«
»Wieso? Wenn der Kuran nicht von einem
Mahdi redet, so ist das doch kein
triftiger Grund, anzunehmen, daß es
keinen solchen geben kann und geben
wird.«
»O doch, denn die Prophetologie des
Kuran ist vollständig abgeschlossen.
Nach Muhammeds eigenen Worten ist er der
letzte Prophet, den Allah gesandt hat und
senden wird; seine Lehre, der Islam, ist
in sich vollendet und kann nicht durch
Zusätze ergänzt oder gar verbessert
werden, und nach ihm wird, wie er sagt,
nur einer kommen, nämlich Isa Ben
Marryam (Jesus, Mariens Sohn.), und zwar
am jüngsten Tage, an welchem er sich auf
die Moschee der Ommijaden in Damaskus
niederlassen wird, um zu richten die
Lebendigen und die Toten. Ganz abgesehen
davon, daß Muhammed da den Heiland der
Christen als Weltenrichter hoch über
sich selbst stellt, macht er damit eure
Mahdi-Hoffnung ganz und vollständig zu
schanden.«
»Das sprichst du als Ungläubiger.«
»Nein, sondern als Kenner des Islam, als
welcher ich mich in die Anschauung eines
Moslem gedacht habe. Wenn jetzt ein Mahdi
erstände, welcher beabsichtigte, die
sogenannten Ungläubigen, falls sie sich
nicht von ihm bekehren ließen, zu
vernichten, so wäre das einfach
lächerlich. Es giebt weit über tausend
Millionen Menschen, welche nicht
Muhammedaner sind; ich will aber nur von
uns Christen sprechen. Wie wollte euer
Mahdi es anfangen, uns zu vernichten?«
»Mit Feuer und Schwert!«
»Er mag kommen! Und das ist es ja eben,
daß er gar nicht kommen kann, nämlich
nicht zu uns. Kann eine Quelle der Wüste
sich herausnehmen, zum Nile zu kommen, um
ihn zu verschlingen? Kann sie die Wüste
überwinden und dann die Felsenberge,
durch welche sie vom Nile getrennt wird?
Sie muß, sobald sie sich aus der Oase
hervorwagt, schamrot im Sande
verlaufen.«
»Allah wird ihre Wellen mehren und ihre
Kräfte stärken, daß sie tausendmal
breiter wird als der Nil!«
»Gott ist allerdings allmächtig; aber
er läßt nicht der Ueberhebung eines
Moslem zuliebe ein Meer aus dem dürren
Boden quellen und die Höhen der Gebirge
überfluten.«
»Ihr kennt uns nicht. Wir sind
unwiderstehlich, wenn wir uns im Kriege
über eure Länder ergießen!«
»Pah! Euer Strom würde elend
versiechen, noch lange ehe er unsere
Grenzen erreichte. Kennt ihr unsere
Länder? Wo liegen sie? Kennt ihr unsere
Völker, unsere Einrichtungen, unsere
Heere? Ein Wüstenfloh hat den Gedanken,
mit den Elefanten und Flußpferden des
Sudan, den Büffeln und Bären Amerikas,
den Löwen und Tigern Indiens anzubinden!
Wahnsinn! Und kämt ihr zu
Hunderttausenden, so hast du gar keine
Ahnung, wie schnell wir mit euch
aufräumen würden.«
»Allah'l Allah! Hast du einmal einen
Moslem im Kampfe gesehen? Wir würden
euch im Augenblick zermalmen!«
»Aber einen Augenblick vorher würdet
ihr aus den Mündungen unserer Gewehre
und Kanonen bis auf den letzten Mann den
Tod getrunken haben. Ehe du vom Zermalmen
redest, besuche die Länder der Christen,
um da Umschau zu halten! Du redest wie
der Fisch vom Wüstensturm; sobald er nur
aus dem Wasser kommt, ist's mit ihm
vorbei. Zähle die Millionen und aber
Millionen Krieger, welche wir haben. Und
was sind das für Männer! Was sind zehn
von euch gegen einen von ihnen! Du fragst
mich, ob ich einen Moslem im Kampfe
gesehen habe. Nicht einen, sondern viele
sah ich schon. Ich selbst habe mit
Moslemin gekämpft und wundere mich sehr,
daß du mich so fragen kannst. Nimm doch
das nächste Beispiel, welches dir zur
Verfügung steht, nämlich mich selbst!
Man wollte und will mich hier verderben.
Ist es gelungen? Sind diese großen
Helden nicht alle in ihre eigenen Gruben
gefallen? Ich bin der einzige Christ
unter euch. Sagt Abd Asl nicht selbst,
daß ich mehr zu fürchten sei, als alle
Asaker zusammen? Man wollte mich fangen.
Was geschah? Ich habe diese sechzig
tapfern Moslemin gefangen, und zwar hier,
wo sie daheim sind und alle Verhältnisse
kennen. Dein Mahdi mag kommen, um uns zu
vernichten. Meinst du, daß wir uns gegen
ihn zu wehren brauchten? O nein! Wir
würden lachen, nur lachen, und vor dem
Schalle dieses Spottgelächters würde er
samt seinen Helden Hals über Kopf
davonlaufen.«
Überaus
beeindruckend, Herr May, wir sollten
Ihren Vorschlag an das Pentagon und an
die U.S.-Kommandeure in Afghanistan und
im Irak weiterreichen
obwohl, die
haben wenig zum Lachen. Im Irak nennen
sich die gegen Amerikaner kämpfenden
radikalen Islamisten übrigens
Mahdi-Milizen.
Unterdessen wollen wir Ihren Kollegen
Wilbur Smith weiter erzählen lassen ...
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