Nun, zwei unserer Gäste
erhielten Anerkennung für ihre Leistung
ebenfalls standesgemäss
Sie, Sir
Hiram, den Ex-Amerikaner, erhob 1901
Königin Viktoria in den Ritterstand ...
und Sie, Michail Tifomojewitsch,
erhielten das Äquivalent in ROT,
nämlich den Stalin-Preis, obwohl Sie als
achtes von achtzehn Kindern in einer
Familie geboren wurden, die als Opfer von
Stalins Zwangskollektivierung nach
Sibirien verschleppt worden war.
Wir würden gerne auch von Ihnen wissen
wollen, was Sie zum Waffenerfinder
machte.
Daß ich
Waffenkonstrukteur wurde, lag an den
Deutschen. Wäre der Krieg nicht gewesen,
hätte ich vermutlich Geräte für zivile
Zwecke gebaut. 1941 lag ich mit einer
Schussverletzung aus einer deutschen
Maschinenpistole im Lazarett. Da schwor
ich mir, für die Rotarmisten endlich ein
gutes Sturmgewehr zu erfinden.
Kann es sein, daß es sich bei
der Waffe, mit der Sie verwundet wurden,
um das deutsche Sturmgewehr
44 handelte?
Es war 1941 unter einem anderen
Namen bekannt, aber es war schon dieser
Typ, und es war die überlegene
Feuerkraft und die enorme taktische
Flexibilität dieser neuartigen deutschen
Maschinenwaffen, die mich bei meiner
Entwicklungsarbeit geleitet hat.
Und sagt Ihnen der Name Hugo
Schmeisser etwas? 1884 in Jena geboren,
1953 in Erfurt gestorben ...
Sicher, auch er war Konstrukteur
von Infanteriewaffen, wie schon sein
Vater auf der anderen Seite. 1943
waren zehntausend Stück seiner
Neuentwicklung für die deutsche Front
produziert worden, doch eigenartigerweise
verbot Hitler im gleichen Jahr
Weiterentwicklung und Produktion. Erst
1944, als die neue Waffe im
Truppenversuch einen durchschlagenden
Erfolgt hatte, genehmigte Hitler die
Massenproduktion des inzwischen in
MP44 umbenannten Gewehrs. Im
April 1944 erhielt die Waffe dann die
Bezeichnung Sturmgewehr
44.
Am 3. April 1945 besetzten
amerikanische Truppen die Stadt Suhl und
verhängten sofort für alle
Waffenfabriken ein Produktionsverbot.
Hugo Schmeisser und sein Bruder Hans
wurden von Waffenexpertenteams des
amerikanischen und britischen
Geheimdienstes wochenlang verhört.
Ende Juni 1945 räumten die Amerikaner
Thüringen, und die Rote Armee besetzte
das Werk. Im August 1945 wurden fünfzig
Sturmgewehre 44 aus
vorhandenen Montageteilen zusammengebaut
und von der Roten Armee zur technischen
Auswertung in die Sowjetunion
überstellt, gleichzeitig mit fast
elftausend Blatt technischer Zeichnungen
zur Fertigung von Militärwaffen. Im
Oktober 1945 wurde Hugo Schmeisser zur
Arbeit in einer sogenannten Technischen
Kommission der Roten Armee verpflichtet.
Diese Kommissionen hatten die Aufgabe,
den neuesten Stand der deutschen
Waffentechnik festzustellen, um die
Ergebnisse in eigene, sowjetische
Entwicklungen einfließen zu lassen.
Ein Jahr darauf wurde Hugo Schmeisser
zwangsweise als Spezialist für
Waffentechnik für mehrere Jahre in die
Sowjetunion verpflichtet. Dieses
Schicksal betraf viele
Waffenkonstrukteure aus den Werken der
Stadt Suhl. Sie alle wurden am 24.
Oktober 1946 in einem Sonderzug nach
Ischewsk im Südlichen Ural gebracht.
Über die genaue Tätigkeit von Hugo
Schmeisser in den Jahren 1946 bis 1952 in
Ischewsk ist wenig bekannt.
Wie wichtig er für die Sowjetunion war,
zeigte sich nochmals im Jahr 1952, als
alle übrigen deutschen Spezialisten
zurückkehren durften, sein Aufenthalt in
der Sowjetunion aber kurzfristig um ein
halbes Jahr verlängert wurde, sodaß er
erst am 9. Juni 1952 wieder in
Deutschland eintraf.
Die Ähnlichkeit
im Äusseren und in der
Konstruktion des AK-47 mit
dem deutschen Sturmgewehr 44,
haben manche Fachleute zu der Annahme
verleitet, Michail Tifomojewitsch, Sie
hätten die deutsche Erfindung einfach
nachgebaut?
Nun, wir hatten natürlich
Beutestücke. Und unumgängliche
Gesetzmäßigkeiten und Traditionen des
Waffenbaus erzwingen praktisch rein
optische Ähnlichkeiten, auch bestimmte
Produktionsprozesse muss man ja nicht
jedesmal neu erfinden.
Aber beim
AK-47 hatten wir
durch zahlreiche Neuerungen dafür
gesorgt, daß die Waffe anspruchslos,
zuverlässig und praktisch unzerstörbar
war egal ob Tundra oder Wüste,
Dschungel oder Großstadt. Man konnte das
Gewehr im Schlamm oder im Sand vergraben
und auf felsiges Gelände fallen lassen
trotzdem funktionierte es mit
relativ hoher Wahrscheinlichkeit noch.
Der von mir entwickelte
Verschlussmechanismus klemmt selten, weil
beim Abfeuern höhere Energie zugeführt
wird. Das wurde allerdings mit einem
stärkeren Rückstoß erkauft. Und dieser
Verschlussmechanismus lag im Gehäuse
nicht flächig an, wie ein Kolben in
einem Zylinder, sondern er fuhr auf
Schienen. Während bei anderen Waffen
Verschmutzungen leicht blockieren
konnten, hatte der AK47
Leerräume, in denen der Verschluss den
Dreck schieben konnte. So war die Waffe
zwar vielleicht weniger präzise
aber wesentlich praxistauglicher.
Sehen Sie, für das amerikanische
Konkurrenzprodukt M16 gab es
anfangs keine Reinigungsgeräte, es wurde
den GIs im Vietnamkrieg als
selbstreinigend angepriesen.
Ein Irrtum der, wie sich später bei
einer Untersuchung durch den
amerikanischen Kongress herausstellen
sollte, häufig zu Ladehemmungen führte
und zu tödlichen Unfällen bei
Reinigungs- und Reparaturversuchen.
Berichte, nach denen amerikanischen
Soldaten erbeutete AK47 statt
M16 benutzten, stehen seit
dem Vietnamkrieg im Raum, wurden aber vom
amerikanischen Verteidigungsministerium
nie offiziell bestätigt.
Genosse Trotzki hat ja schon
drauf hingewiesen, daß Ihre Erfindung
für die Rote Armee leider zu
spät kam, und sie dennoch nach Ende des
Zweiten Weltkrieges zur meist
produzierten Waffe weltweit wurde. Wie
kam es dazu?
Zunächst sollte niemand
wissen, daß wir den AK-47
entwickelt hatten. Die Soldaten mussten
den Karabiner in einer Hülle tragen.
Dann entdeckten unsere Führer, daß die
Kalaschnikow eine ideale Waffe für die
Weltrevolution war.
Der AK 47 wird der
größte Exportschlager der Sowjetunion:
In Vietnam werden die Amerikaner mit der
Kalaschnikow besiegt. 19 Länder kaufen
von der Sowjetunion Fertigungslizenzen.
Weltweit existieren über 70 Millionen
Kalaschnikows. Sogar in den U.S.A. ist
das Gewehr weit verbreitet, vor allem bei
Drogendealern und Gangs.
Wissen
Sie, auch Leute, die was
Illegales tun, wollen dafür Sachen
nutzen, auf die Sie sich verlassen
können. Das kann man vielleicht
verstehen, denn sie wollen ja auch
überleben. Aber ich bin unglücklich,
daß meine Waffe für Verbrechen benutzt
wird.
Ich bedauere, daß diese Waffen nicht
für den Zweck eingesetzt wurden, für
den ich sie bestimmt hatte, nämlich zur
Verteidigung meines Vaterlandes.
Konstrukteure können nicht dafür
verantwortlich gemacht werden, daß ihr
Produkt unrechtmässig benutzt wird. Es
sind die Politiker, die es nicht
schaffen, zu friedlichen Lösungen zu
kommen.
Sie erhielten zwar einen Orden,
wurden General und Abgeordneter, aber
privat haben Sie nichts verdient an Ihrer
Erfindung, weil in der Sowjetunion ja
niemand ein Patent anmelden konnte.
Ich
hatte tatsächlich überhaupt keine
Geschäftserfahrung, und ich fange erst
jetzt an, zu lernen. Es ist sehr
verschieden von dem, was ich kannte ...
aber, ich habe ja schon so viele
Veränderungen in der Welt gesehen ...
Vor fünf Jahren, 2002, kontaktierte mich
ein Unternehmen und fragte an, ob ich
meinen Namen für eine neue Wodka-Marke
hergeben würde ...
Ich meine, auch während des Krieges
hatten wir immer ein bisschen Wodka
dabei. Unsere Winter sind sehr kalt, und
ein Schluck Wodka mobilisiert den Geist
und hält dich von innen warm!
Nastorowje
Gratulation! Ob auf den Fahnen Mosambiks
und der Hisbollah oder in den
Staatswappen von Osttimor und Simbabwe
oder eben auf einer Batterie von
Wodkaflaschen, der Kalaschnikow-Karabiner
bleibt attraktiv.
Michail Tifomojewitsch, unser Rat: Sie
sollten sich umgehend zumindest die
Rechte auf die Verwertung der
Kalaschnikow-Abbildung sichern ...
und lassen Sie sich von uns
vorführen, wie Sie als Ex-Miltär sogar
in der Unterhaltungsbranche ein Star
werden könnten
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