REGIE! BITTE FILM AB!
ANGEKLAGT:
Henry Kissinger
Arte-TV, 9. April 2004, 20:45 Uhr
Dokumentation von Alex Gibney &
Eugene Jarecki
Mit tatkräftiger Hilfe der U.S.A.
putscht General Augusto Pinochet gegen
den gewählten sozialistischen Staatschef
Salvador Allende und lässt die Luftwaffe
den Präsidentenpalast angreifen. Es ist
der Beginn einer 17 Jahre währenden
Militärdiktatur, in der Tausende von
Menschen gejagt, gefoltert, getötet
werden. Unterstützer und Befürworter
des Staatsstreiches: Henry Kissinger,
damals frisch ernannter
U.S.-Außenminister. Darauf weisen
zumindest Dokumente hin, die erst vor
wenigen Jahren freigegeben wurden. Und es
ist nicht die einzige
Menschenrechtsverletzung, in die der
Politiker verwickelt gewesen sein soll.
Als Lichtgestalt der
Diplomatie hat man Henry Kissinger
bezeichnet, als Superstar der
Außenpolitik ihm den Friedensnobelpreis
verliehen. Kaum ein Außenminister des
20. Jahrhunderts wurde so mit Lob
überhäuft. Kritische Stimmen verklangen
dahinter. Doch das Bild vom genialen
Diplomaten hat inzwischen einen Fleck
bekommen. Im Zuge des Prozesses gegen
Augusto Pinochet im Jahr 1998 musste die
U.S.-Regierung bisher verschlossene
Dokumente der CIA öffnen und die
lassen Kissinger in einem Licht
erscheinen, das lange Schatten wirft.
Glühendster Gegner Kissingers ist der
Journalist Christopher Hitchens. Anhand
des Archivmaterials und von
Zeugenaussagen porträtierte er den
Ex-Minister schon 2001 in seinem Buch
The Trial of Henry Kissinger
(Die Akte Kissinger) als einen
skrupellosen Strategen, der eine blutige
Spur von Vietnam über Chile bis
Indonesien zog. Legte man an ihn
dieselben Maßstäbe wie heute an einen
Milosevich oder Pinochet, dann wäre auch
Kissinger vor ein internationales
Tribunal zu laden. Wegen
Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und der Verschwörung zu
Mord, Entführung und Folter ...
ratenco ratenco ratenco ...
Leave poor Henry alone
hes such a nice dinner guest!
Oh, Mr. Rockefeller ist wieder
unter uns ... Lasst den armen Henry
in Ruhe er ist bei Festessen so
ein netter Gast.
Mr. Rockefeller, Sie zitieren die
WASHINGTON POST, die das schrieb als die
Untersuchung der Untaten von Henry
Kissinger noch in Nischen stattfand.
In Nischen! Obwohl sein Wirken
Millionen von Menschen rund um die Erde
Unglück brachte ... sein Wirken als:
gelehriger Adlatus und Vertrauter
Ihres Sohnes Nelson, Mr. Rockefeller, bei
der konspirativen Durchsetzung
wirtschaftlichen und politischen
Einflusses in mehreren
U.S.-Administrationen
Planer verdeckter amerikanischer
Operationen von Indochina bis Iran, von
Chile bis Rhodesien
Partner von Politikern und
Geschäftemachern, die daheim und
in aller Welt als Gesetzesbrecher
hinter Schloss und Riegel endeten ...
In Nischen?
Das selbsternannte Sturmgeschütz
der Demokratie das deutsche
Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL
fand in 60 Jahren
Zeitgeschichte Platz für Henry
Kissinger ... als Gratulant!
REGIE! FILM AB!
Der
Spiegel - 60 Jahre Zeitgeschichte /
DVD
2007 - Spiegel TV - Hamburg
Niemand kann ignorieren, daß der
SPIEGEL einen wichtigen Beitrag macht,
ohne den man sich die Entwicklung in
Deutschland nicht vorstellen kann.
(Henry Kissinger über die
Bedeutung der Zeitschrift)
Ich habe nicht immer mit all seinen
Kriegen übereingestimmt, mit allen
Schlachten, die er geführt hat, aber ich
habe immer grossen Respekt für seine
Werte gehabt und ihn menschlich besonders
geschätzt, denn das war ein Freund, auf
den man sich verlassen konnte.
(Henry Kissinger über die
Bedeutung des Gründers und verstorbenen
Herausgebers)
Von allen guten Geistern
verlassen wäre, wer erwartete, daß in
den vom SPIEGEL beleuchteten 60
Jahren Zeitgeschichte der so
gelobte Rudolf Augstein mehr als nur
Nischen zur Untersuchung der Untaten
seines Freundes Henry zugelassen hätte.
Anders erging es Augsteins ehemaligem
Saufkumpan Franz Josef Strauß, dessen
Reise 1977 nach Chile für einige
Aufregung sorgte. Er empfing dort die
Ehrendoktorwürde der Rechtswissenschaft,
lobte ausdrücklich die Militärdiktatur
Pinochets und übernachtete in der
Colonia Dignidad des Sektenführers Paul
Schäfer, der in Deutschland per
Haftbefehl wegen sexuellen Missbrauchs
von Kindern gesucht wurde.
Fünfzehn Jahre zuvor war Strauss über
die SPIEGEL-Affäre gestolpert ...
Was veranlasste Rudolf Augstein
und bis heute die SPIEGEL-TV-Redaktion
den einen als Freund, den anderen
als Feind zu adoptieren?
REGIE! FILM AB!
Der
Spiegel - 60 Jahre Zeitgeschichte /
DVD
2007 - Spiegel TV - Hamburg
Die Tatsache, daß Strauss zu Augsteins
Lieblingsgegner avanciert, hat eine lange
Vorgeschichte.
(Rudolf Augstein im Bild:)
1957 war die einhellige Meinung:
Der hier nicht! ... Ich hatte ihn nach
Hause eingeladen, und dort wurde
ordentlich gepichelt, eigentlich
überall, wo Strauss und ich
zusammenwaren. Und, äh, und der Strauss
benahm sich sehr unflätig.
Der weinselige Redaktionsabend bei
Augstein zu Hause festigt die
SPIEGEL-Meinung, daß dieser Mann, der
die Sowjets mit Sittlichkeitsverbrechern
vergleicht, nicht nur keine Manieren hat,
sondern in seinem Drängen nach Macht
gefährlich werden kann. Strauss darf
niemals Kanzler werden, lautet die
Parole, die Augstein ausgibt.
REGIE! ROLLTEXT AB!
Leseprobe aus: AUGSTEIN
Autor: Dieter Schröder
Siedler, ISBN-13: 978-3-88680-782-6
September 2004
Station 15
Multiple Persönlichkeit
Er schätze bei seinen Freunden am
meisten, daß es wenige sind,
sagte Augstein im FAZ-Fragebogen. Es
waren sehr wenige.
Die vielen anderen, die er Freunde
nannte, waren Nenn-Freunde, mit denen ihn
im Grunde nicht viel verband, außer daß
er sie im Moment interessant fand oder
sich mit ihren Namen schmückte ...
Es gab Ausnahmen wie Hans-Dietrich
Genscher, der bis zum Schluss der einzige
Politiker blieb, mit dem er ständig
Kontakt hielt, oder Henry Kissinger, auf
dessen Urteil und Sympathie er Wert
legte. Als Kissinger ihm eine heftige
Kritik an seinen Memoiren verargte und
sich lange Zeit nicht meldete, war er
betroffen. Das war ungewöhnlich, denn
sonst scherte er sich wenig um das, was
andere über ihn dachten ...
... er bewunderte Menschen, die er für
Originale hielt, halb gut, halb böse,
das Abgründige faszinierte ihn. Und er
bedauerte, daß sie aussterben.
Der Aufklärer und Wahrheitssucher
Augstein liebte das Spiel mit der
Verstellung: Wer mich Zyniker
nennt, der ehrt mich, ich bin gern
Zyniker. ...
... Wenn sie fair sind, erinnern sich
seine Chefredakteure an die guten und an
die schlechten Seiten des
Menschen Augstein; wenn sie
tief verletzt sind, fallen ihnen vor
allem die negativen ein.
Er war, sagt Jacobi, dessen Erinnerungen
freundschaftlich sind, ein
ruchloser Verfechter seiner
Interessen; er entschied
selber, was gut und was böse, was falsch
und was richtig ist ...
Männerfreundschaft als
Weichenstellung zu der Empfindung, was
gut und was böse ist?
Ja, Señor Galeano und
religiöse Sinn-Suche!
Als Rudolf
Augstein starb, sah man
wieder wichtige Bilder aus seinem Leben:
die seiner Verhaftung im Oktober 1962 und
die seiner Entlassung Anfang 1963.
Dazwischen lagen einhundertdrei Tage
Untersuchungshaft wegen angeblichen
Landesverrats. Einhundertdrei Tage, in
denen Augstein viel Zeit zum Lesen hatte.
Ein Buch hatte ihn im Gefängnis
besonders gefesselt: Albert Schweitzers
Geschichte der
Leben-Jesu-Forschung. Dessen
Abrechnung mit allen Versuchen, eine
Biografie Jesu zu schreiben, weckte bei
ihm die Frage: Wer war dieser Jesus
eigentlich?
Er machte sich auf die Suche nach
Jesus Menschensohn und
er fand heraus: ohne Kaiser Konstantin
und die Vertriebskanäle des römischen
Reiches wäre das Christentum eine kleine
Sekte geblieben. Im klassischen Rom
hatten die Astrologen und der Schachclub
weit mehr Zulauf als die paar Christen
mit ihrem merkwürdigen Kult.
In Konstantin, der das Christentum im
Römischen Reich als Staatsreligion
einführte, sah Augstein einen
Skrupellosen, der unter
den vorhandenen Götterlehren das
Christentum als Kitt für die gefährdete
Weltmacht ausersah. Der Bund ging,
so Augstein, einher mit dem Verrat der
urchristlichen Lehren.
Augstein war schon 1968 aus der
katholischen Kirche ausgetreten. Anfang
2000 war er davon überzeugt, das die
Kirche heute nicht mehr gebraucht wird:
In der Gesellschaft des 21.
Jahrhunderts spielt sie keine Rolle
mehr, sagte er. Allerdings müsse
man zwischen den Kirchen und den Christen
unterscheiden: Ohne Christen wäre
die Welt ärmer. Daß Christen
entsprechende Berufe wählten, Freizeit
und Geld, manche sogar ihr Leben für
ihren Glauben opferten, nötigte ihm
Respekt ab ...
Das Abgründige habe
Augstein fasziniert, haben wir gehört,
Menschen halb gut, halb
böse. Einen nach John Le Carrés
Façon? Einen wie Kissinger? Einen wie
Judas?
Bei seinen Bibel-Studien muss ihn das
Widersprüchliche an dieser
Verräter-Figur gereizt haben und
die Konsequenz: Ohne Judas keine
Kreuzigung! Ohne Kreuzigung keine
Auferstehung!
Das Böse als Werkzeug zur Durchsetzung
des Guten!
Das Gute verkleidet als das Böse?
Oder eher umgekehrt?
4 In der
geopolitischen Konzeption des
Imperialismus ist Mittelamerika nichts
weiter als ein natürliches Anhängsel
der Vereinigten Staaten. Nicht einmal
Abraham Lincoln, der auch die
Annektierung dieses Territoriums erwog,
konnte sich dem Bann der offenbaren
Bestimmung der Grossmacht für die
angrenzenden Gebiete entziehen ...
1912 erklärte der Präsident William H.
Taft: Der Tag liegt nicht fern, an
dem drei Sternenbanner an drei gleich
weit entfernten Punkten die Ausdehnung
unseres Territoriums anzeigen werden:
eines am Nordpol, das andere am
Panamakanal, und das dritte am Südpol.
Es wird zur Tatsache werden, daß die
ganze Hemisphäre uns gehört, wie sie
uns auch, dank unserer rassischen
Überlegenheit, moralisch schon jetzt
gehört.
Wissen Sie, die Ankläger des Henry
Kissinger sollten aus der amerikanischen
Justizgeschichte lernen: auch grossen
Haien kommt man mit einem zierlichen
Fischmesser bei!
Al Capone, genannt Scarface ein
Landsmann und Zeitgenosse von Ihnen, Mr.
Rockefeller wurde als Gangsterchef
in Chicago der Mitwirkung an zahlreichen
brutalen Bandenmorden beschuldigt, aber
1931 nur wegen nachweislicher
Steuerdelikte zu elf Jahren Haft
verurteilt.
Eine Petitesse in der Verfassung der
Vereinigten Staaten ist das Verbot für
Persönlichkeiten des öffentlichen
Dienstes, ohne Zustimmung des Kongresses
einen im Ausland verliehenen Adelstitel
zu akzeptieren!
No title of
nobility shall be
granted by the United States; and no
person holding any office of profit or
trust under them, shall, without the
consent of the Congress, accept of any
present, emolument, office, or title, of
any kind whatsoever, from any king,
prince, or foreign state.
Übrigens darf sich auch kein
Träger eines öffentlichen Amtes der
Vereinigten Staaten von Amerika in den
Dienst eines fremden Staates stellen ...
Vielleicht ist dieser Hinweis von Nutzen
bei der weiteren Suche nach Spuren, die
Sir Heinz Alfred Kissinger im Gleisnetz
der jüngeren Weltgeschichte hinterlassen
hat.
Señor Galeano, wir bedanken uns
für diesen Hinweis. ... Und vielleicht
spielt ja auch noch die Frage eine Rolle,
weshalb Queen Elizabeth II., Königin von
Grossbritannien und Nordirland sowie
Haupt des Commonwealth, überhaupt so
viele mächtige U.S.-Amerikaner geadelt
hat: neben Henry Kissinger unter anderen
Norman Schwarzkopf, Colin Powell, Casper
Weinberger, Ronald Reagan, George Bush
(Senior), Rudy Giullani, Alan Greenspan
...
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