Die Brücke in die Vergangenheit

http://www.kirchner-raddestorf.de/heimat/regional/regges.htm

Seit der Bronzezeit war der Mittelweser-Raum Siedlungsgebiet germanischer Stämme aus Schleswig-Holstein. Im 4. Jahrhundert erreichten die Sachsen als letztes Wandervolk dieses Gebiet. Der Stamm der Sachsen entstand vermutlich durch den Zusammenschluss mehrerer germanischer Stämme zu einer Wehrgemeinschaft, der sie nach der gemeinsamen Waffe, dem Kurzschwert "Sax" den Namen "Sachsen" gaben. Die Sachsen besaßen keinen König, sondern nur in Kriegszeiten einen Herzog (Heerführer). An der Spitze der einzelnen Gaue standen Anführer oder Fürsten. Einmal im Jahr trat mitten in Sachsen eine allgemeine Versammlung (Allthing) zusammen, um allgemeine Angelegenheiten, aber auch um über Krieg und Frieden zu beraten. Themen waren ausserdem das Verhalten gegenüber den Römern...


...das Verhalten gegenüber den Römern, die bei der Kolonialiserung Europas bis in die Nähe der Markloher Vorfahren vorgedrungen waren. Die Markloher haben den Nazis das Missverständis zu verdanken, dass ihr Heimatort für jenen Platz gehalten wurde, an dem die sächsischen Vorfahren ihren "Allthing" abzuhalten pflegten. Auf der Suche nach symbolhaften Verbindungen zum "germanischen Erbe" stiessen die Nationalsozialisten auf die einzige Quelle für das Stammesleben der Sachsen im 8.Jahrhundert, auf die "Vita Lebuini antiqua" des Mönches Lebuin. Der hatte sich zusammen mit seinem Gefährten Marchelm bemüht, die Sachsen zu missionieren.

 
http://www.satyroi.de/geschichte.html
Die hierzu erfolgten Ausführungen Lebuins lauten in der Übersetzung:


"Lebuin ging hin und wieder nach Sachsen, bemüht, Menschen für Christus zu gewinnen und bekehrte viele zum Glauben an Christus. Er hatte auch Freunde und Vertraute unter den Vornehmen, darunter war ein reicher Mann im pagus Sudergo, namens Folcbraht... Einen König hatten die alten Sachsen nicht, sondern Statthalter (satrapae) in den Gauen. Auch war es Sitte, daß sie einmal im Jahr mitten im Sachsenland eine allgemeine Versammlung an der Weser bei dem Ort, der Marclo heißt, abhielten. Dort kamen gewöhnlich alle Statthalter zusammen, sowie aus den einzelnen Gauen 12 auserwählte Adlige und ebensoviel Freie und ebensoviel Liten. Sie erneuerten dort ihre Gesetze, fanden das Urteil in wichtigen Rechtsfällen und beschlossen, was sie während des Jahres an Kriegs- und Fiedensunternehmungen durchführen wollten, in gemeinsamer Beratung."...


Die Nationalsozialisten entdeckten glücklicherweise nicht den richtigen Ort und verlegten den Thingplatz kurzerhand nach Lohe, linksseits der Weser. Lohe wurde dann umgetauft zu Marklohe. Vielleicht war es Glück, das sie den Platz nicht fanden und für ihre "völkischen" Versammlungen mißbrauchten, so behielt der alte sächsische Thingplatz ganz seinen Reiz.
(Quelle: "Varus starb im Teutoburger Wald" Rolf Bökemeier)

Den entscheidenden Tip für den vermutlich richtigen Ort gab später der Heimatforscher Konrad Wiebking:

  Rechtseits der Weser, unweit von Loccum, in der Nähe des Ortes Wasserstraße schüttet eine Quelle am westlichen Rand des Clusberges so große Wassermengen, daß selbst in trockenen Sommern gleich ein kräftiger Bach entsteht. Rechts von der heute eingefaßten Quelle stand im Mittelalter eine Kirche, vermutlich zum ‘Entheidnischen’ des Ortes. Die Kirche wurde später wieder abgetragen. Die Topographie des Clusberges drängt geradezu den Eindruck auf, dass sich hier die sächsische Kultstätte, der Thingplatz befunden haben muss. Dazu kommt der strategische Vorteil für einen Versammlungsort für Tausende von sächsischen Abgesandten zu Pferde. Wo sollten sie sich anders treffen als auf trockenem, sandigen Boden an einer guten Quelle?


Erstaunlich, wie reichhaltig das Internet historische Informationen über diesen Landstrich hier an der Mittelweser bereithält, abgerufen über die fragile Telefonleitung zu unserem Landhäuschen, auf den letzten Metern sozusagen von Mast zu Mast hüpfend, während die Suchmaschine nur Bruchteile von Sekunden brauchte, um die eingegebenen Stichworte mit Milliarden gespeicherter Websites abzugleichen. Diesen Teil der Recherche hätte ich auch von meinem Computer in Harare aus erfolgreich durchführen können...
Halt! Bei einem Lernergebnis hat mir das Internet nicht die ganze Brücke in die Vergangenheit geliefert, sondern nur einen Baustein: "Lohe" - im Jahr 1934 umgetauft in "Marklohe". Ich surfe zurück und finde im Worldwide Web die Chronik der Markloher Freilichtbühne.


http://www.freilichtbuehne-marklohe.de/use-chronik.html


Unsere Geschichte

1922 wurde der Jugendbund Lohe gegründet. Eine Gruppe davon war die Schauspielergruppe, die mit verschiedenen Aufführungen in den Loher Gaststätten den Grundstock für eine lange Theatertradition in unserem Dorf legte.

 

1932 das 10jährige Bestehen sollte auf einer Naturbühne begangen werden, und so begann man mit dem Bau der ersten Freilichtbühne in Lohe. Mit der ersten Aufführung auf dieser Freilichtbühne verbinden wir die eigentliche Gründung unseres Vereins, mit dem Ziel die plattdeutsche Mundart zu pflegen.

1934 bekam der Ort Lohe seinen heutigen Gemeindenamen Marklohe. So entstand auch der jetzige Name unseres Vereins „Heimatspiele Marklohe“

1937 wurde die Waldbühne in einem kleinen Tal in Marklohe errichtet, wo wir bis heute unsere Plattdeutschen Theaterstücke aufführen. Nach Aussage vieler Besucher zählt sie zu den schönsten Bühnen weit und breit.

1962 erfreute Lale Andersen als Stargast die Besucher...


Die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise mit ihrer Massenarbeitslosigkeit und der Verschuldung der Bauern hatte der "Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei", der NSDAP, Wählermassen zugeführt. Ihr Führer, Adolf Hitler, hatte die Ziele seiner angestrebten Herrschaft über Deutschland schon 1925 offen dargelegt, in seinem Buch "Mein Kampf". Danach mass der Nationalsozialismus dem als "rassische" Einheit aufgefassten Volk den höchsten Wert zu. In der Wertung der Rassen wurde dabei der nordisch-germanische Mensch an die Spitze gestellt, der Jude auf den untersten Rang verwiesen. Am Ende der Entwicklung sollte eine "höchste Rasse als Herrenvolk" stehen. Dem deutschen Volk - so Hitler - gebühre der nötige "Lebensraum", der nur durch "das Schwert" genommen werden könne.

In der Chronik der Markloher Waldbühne klafft eine Lücke zwischen ihrer Errichtung im Jahr 1937 bis zum Auftritt von Lale Andersen im Jahr 1962 ("Lilli Marleen"- bei dem Soldatenlied des Zweiten Weltkrieges bekommen nicht nur altgediente Lanzer noch heute eine Gänsehaut. Lale Andersen wurde mit dem Lied ein Weltstar.)

Ich wende mich wieder dem Internet zu, aber Suchfragen nach dem Markloher Leben während der Hitler-Zeit zeitigen nur ein Resultat, die Auflistung der Ergebnisse eines Wettbewerbs für Schulen, den 1973 der Hamburger Unternehmer Kurt A. Körber zusammen mit dem damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann angestossen hatte. Absicht des von der Körber-Stiftung organisierten Wettbewerbs war es, junge Menschen zu ermutigen, in der deutschen Geschichte nach demokratischen Traditionen zu suchen. 1980/81 war die Aufgabenstellung "Tägliches Leben unter dem Nationalsozialismus". Den 5. Preis erhielt die 10. Klasse des Nienburger Hindenburg-Gymnasiums mit dem Thema "Die Hitler-Jugend in Nienburg und die Judenverfolgung".


https://doczz.com.br/doc/1038183/alltag-im-nationalsozialismus-%E2%80%93-vom-ende-der-weimarer

In Form fiktiver Tagebuchaufzeichnungen eines Hitlerjungen und eines BDM-Mädchens stellen die Schüler die Indoktrination Jugendlicher und die Diskriminierng und Verfolgung von Juden dar.


Das Suchergebnis verweist auf den Tutor der Arbeit: Theo Weinobst aus Marklohe. Er könnte jemand sein, denke ich, der mehr weiss als das Internet. Ich finde eine Telefonnummer im Ortsverzeichnis und es passiert etwas, das mich aus dem Worldwide Web in der kleinen Welt meiner unmittelbaren Nachbarschaft landen lässt, und in der Tragödie einer hier ansässigen Frau.

  Als ich nach Theo Weinobst frage, zögert die Frau am Telefon, unter deren Namen der Anschluss registriert ist. "Es war mein Mann," sagt sie schliesslich. "Er ist 1989 zusammen mit dem Piloten eines kleinen Flugzeuges in die Weser gestürzt". Er hatte Rapsfelder fotografieren wollen... "Sie blühten so schön damals," sagt Frau Weinobst.
Und ich höre, wie draussen über dem Haus ein kleines Sportflugzeug die Kurve nimmt. Das rote Ziegeldach unseres Häuschens war schon immer Markierung für die Sportpiloten, ab hier in einer engen Rechtskurve das kleine Flugfeld in Holzbalge
anzusteuern. Von dort war Theo Weinobst zu dem verhängnisvollen Flug gestartet.

Frau Weinobst lässt sich mein Anliegen erklären und rät, den Doyen der Markloher Theater-Gruppe anzurufen, Heinrich Dieckhoff. Ich kenne ihn von der Waldbühne. Ohne das Engagement seiner Familie gäbe es kein Theater in Marklohe. In "Pass up de Deern" spielten in diesem Sommer neben ihm fünf Mitglieder seiner ausgedehnten Familie, er fungierte ausserdem als "Spielleiter", und ein weiteres Familienmitglied hockte im Soufleur-Kabuff.

Also weiter ohne Internet: "Wen wollen Sie sprechen, den Junior oder den Senior?" fragt die Frauenstimme. "Den Senior!" Und da es Mittagszeit ist in Marklohe (in dieser Gegend steht das Mittagessen um 11 Uhr 30 auf dem Tisch!), kann ich bald mit dem Senior schnacken.
1934? Im Februar dieses Jahres sei er auf die Welt gekommen. Nein, dass es die Nazis waren, die seinen Geburtsort umgetauft hätten, davon wisse er nichts. Bei ihm sei in der Geburtsurkunde noch Lohe eingetragen.

 

Drei Orte namens Lohe hätte es in der Region gegeben. Das hätte bei der Post dauernd zu Verwechslungen geführt. Lohe, das heisse ja "Grenze", und dann sei eben "Mark" zur Unterscheidung dazu gefügt worden, Mark als Bezeichnung für "Gemarkung" - "Dorfflur" - "Gemeindeland". Und während des Krieges seien die Theateraufführungen ausgefallen.

Ich telefoniere mit dem Nienburger Stadtarchiv. Die dort zuständige Frau Berger hört sich mit wachsendem Interesse die Ergebnisse meiner bisherigen Recherche-Versuche an und wundert sich ebenfalls, "dass so wenig über diese Zeit veröffentlicht ist".

Mars leuchtet in dieser Nacht wieder vom Südhimmel durch die Terrassentür. Ich stöbere noch ein bisschen im Internet, und über die neun Telefonmasten hüpft von der Dolldorfer Brücke das "Google"-Suchergebnis auf meinen Laptop, eine Website mit demographischen Daten des Nienburger Raumes aus den Dreissiger Jahren.

 





  http://www.literad.de/regional/nienburg.html

Landkreis Nienburg a. d. Weser
Einwohner Landkreis Nienburg a. d. Weser
64.271 (1933)
66.990 (1939)
Konfessionsstruktur Kreis Nienburg a. d. Weser 1939
Evangelisch: 96,1 %
Katholisch: 2,4 %
Gottgläubig: 0,9 %
Glaubenslos: 0,1 %
Sonstige: 0,5 %
Jüdische Bevölkerung im Kreis Nienburg a. d. Weser nach der Volkszählung vom 17. Mai 1939
Juden insgesamt: 68 (davon 25 männlich)
davon Glaubensjuden: 66 (davon 25 männlich)
Jüdische Mischlinge 1. Grades: 10 (davon 5 männlich)
davon Glaubensjuden: 0
Die Reichstagswahlen vom 5. 3. 1933
im Landkreis Nienburg
Wahlbeteiligung 89,8 %
Abgegebene gültige Stimmen insgesamt 38.617
NSDAP 24.798
SPD 7.133
KPD 1.308
Zentrum 136
DNVP (Kampffront Schwarz-weiß-rot) 2.445
DVP - Deutsche Volkspartei 270
Christlich-sozialer Volksdienst 94
Deutsche Bauernpartei 15
Deutsch-Hannoversche Partei 2.226
DDP (Deutsche Staatspartei) 192
Andere Parteien -


Subj: Umbenennung Marklohe
Date: 11/13/2003 10:04:08 AM Eastern Standard Time
From: "Patricia Berger" <p.berger@nienburg.de>
To: <dolldorf@aol.com>
Sent from the Internet (Details)

Sehr geehrter Herr Schmidt,

im Geschichtlichen Ortsverzeichnis der Grafschaften Hoya und Diepholz L-Z von Brigitte Streich, Hannover 1993, ist nachzulesen: "Am 4.4.1934 genehmigte das Preußische Staatsministerium per Erlaß die Umbenennung Lohes in M." (S. 398)
Es wird auf folgende Literatur hingewiesen, die leider weder im Stadtarchiv noch in der Historischen Bibliothek Nienburg zu finden ist: J. Prinz, Das Territorium des Bistums Osnabrück (StudVorarbHistAtlasNds), H. 15, 1934.
Hinweisen möchte ich auf die Möglichkeiten, hier im Stadt- und Kreisarchiv Nienburg, die lokale Tageszeitung von 1934 bzw. Unterlagen zur Gemeinde Marklohe einzusehen. Die Chronik von Marklohe enthält den Hinweis auf Protokollbücher des Gemeinderates Marklohe. Hier empfehle ich, die Samtgemeinde Marklohe anzusprechen.
Ich hoffe, diese Hinweise helfen ihnen weiter.
Für Rückfragen stehe ich gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen

Patricia Berger, Stadtarchiv Nienburg

Frau Berger vom Nienburger Stadtarchiv hat angeboten, in ihr zugänglichen Quellen zu stöbern, z.B. in den Mikrofilmen des historischen Zeitungsarchivs. Die Nienburger Lokalzeitung heisst "Die Harke" und erscheint seit 1871. Am 12.10.2003 lese ich in der Sonntagsausgabe der "Harke", dass es im Raum Nienburg offenbar eine wachsende Zahl von Menschen gibt, die wissen wollen, was damals passierte. Der Artikel berichtet von einem in der Region entstehendes Internet-Projekt, das der Frage nachgehen soll: "Wie war die Diktatur in Nienburg?"


http://www.wir-wussten-nichts-davon.de

Hier erarbeitet der Heimatverein Haßbergen eine Seite mit Zeitzeugenberichten über die Jahre 1933 bis 1948 aus dem Landkreis Nienburg/Weser.
Vorraussichtliche Fertigstellung: November 2003. Dieses Projekt wird gefördert von der niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Hannover. Hier werden Jugendliche und Erwachsene Original-Tonaufnahmen der Zeitzeugen hören, umfangreiches Informations- und Recherchematerial erhalten und Tipps und Links zu diesem Thema bekommen.

 
     

Initiatorinnen sind Sabine Hildebrandt und Hilda Richers-Kieseritzky. Im Jahr 2000 veröffentlichten beide das Kinderbuch "Jan und Julias Abenteuer - eine spannende Zeitreise durch das historische Nienburg".
Im November 2002 erschien ihr zweites gemeinsames Jugendbuch: "Wir wussten nichts davon - Nienburger Zeitzeugen berichten aus den Jahren 1933 bis 1948", das jetzt Grundlage für das ungewöhnliche Internet-Projekt ist.

 
http://www.sabine-hildebrandt.de/buecher.html


Wie war das in meiner Familie? Was weiß mein Opa? Wie hat es meine Großtante erlebt? 23 Zeitzeugen berichten offen und lebendig über die Jahre 1933 bis 1948 im Landkreis Nienburg. Aber was hat das mit der Gegenwart zu tun? Felix und seine Clique suchen nach Ursachen für Fremdenhass und Rassismus. Durch Zufall entdeckt Felix das Tagebuch seines Opas aus der Nazi-Zeit. Er nimmt die Spurensuche auf...

Bei soviel neuen Quellenforschern sollte es eigentlich möglich sein, bis zum Abschluss dieses Manuskripts zu klären, ob es sich bei der Ortsumbenennung Marklohes im Jahr 1934 bloss um eine postalische Korrektur gehandelt hat.
Wenn am 23. November 2003 der Heimatverein Haßbergen seine neue Internet-Plattform vorstellt, werde ich allerdings nur noch als Surfer im Worldwide Web dabei sein können - an meinem PC im Studio von Radio Bridge Overseas in Harare.

Studio- und Ausbildungsbetrieb von Radio Bridge Overseas in Harare sind seit der EXPO in Hannnover im Jahr 2000 eingefroren. Bei ihrer täglichen online-Präsentation von "Stimmen aus Afrika" während der Weltausstellung hatte die Radiobrücke vor und nach der Präsidentenwahl in Simbabwe im Juni jenes Jahres auch die Stimmen der Opposition nicht ausgespart.

  Das führte bei den zur EXPO abgestellten Aufsehern aus Simbabwe zu Irritationen, sie liessen zuerst immer `mal wieder den Stecker ziehen, schliesslich kam es zu einem digitalen Sabotageakt. Eines Morgens waren alle Inhalte auf dem RBO-Computer im Simbabwe-Stand der Afrika-Halle gelöscht, und die Kollegen in Harare bekamen Besuch von den heimischen Staatsschützern. Dem RBO-Gründer wurde signalisiert, seine Rückreise nach Simbabe bis auf weiteres aufzuschieben. Als Folge einer dramatischen Politik- und Wirtschaftskrise sind in Simbabwe die Mediengesetze drastisch verschärft, es gibt keine ausländischen Korrespondenten mehr, simbabwesche Kollegen sehen sich schlimmster Pressionen ausgesetzt.

http://www.radiobridge.net/www/archive011.html

...In einem Wohnviertel der Hauptstadt Harare ist in der Nacht zum 29.08.02 ein Haus gesprengt worden, in dem regierungskritische Radioprogramme produziert worden waren. Es wurde niemand verletzt, aber die Produktionseinrichtungen wurden zerstört. "Voice of the People" umging das repressive Mediengesetz des Landes, indem das Radio-Programm per Internet in die Niederlande geschickt wurde. Von dort aus wurde es per Kurzwelle über Sender auf Madagaskar nach Simbabwe ausgestrahlt...

 


Versuche, die Geschichte des Befreiungskampfes aufzuarbeiten, und damit die Wurzeln der gegenwärtigen Krise in Simbabwe freizulegen, erwiesen sich in den 23 Jahren seit Ende des Krieges dort als ebenso schwierig wie etwa in Deutschland der Versuch, nach 50 Jahren mit der "Wehrmachtsausstellung" Fragen nach der Verantwortung des Militärs für die europaweite Gewaltherrschaft der Nazis zu stellen.
Aber im Land am Sambesi hat sich mindesten einer getraut, die Verbindung herzustellen zwischen Verletzung von Menschenrechten heute und dem Machtkampf in den eigenen Reihen jener Befreiungsbewegung, die nach Erreichen der Unabhängigkeit 1980 die politische Führung in seiner Heimat übernahm. Wilfried Mhanda war nach Erreichen der Unabhängigkeit nach Deutschland gekommen, um sich als Lebensmittelchemiker ausbilden zu lassen. Er gehört zu den Kriegsveteranen, die jetzt führenden Regierungsmitgliedern vorwerfen, sich bei der Landumverteilung in Simbabwe zu bereichern. Sie haben sich von der regierenden Zanu PF abgewendet, um eine eigene Partei zu gründen.

http://www.hsf.org.za/focus20/focus20interview.html

http://www.lrb.co.uk/v23/n04/john2304.htm

 

Die Anarchie bei Farmbesetzungen durch angebliche ehemalige Freiheitskämpfer führte schon im Jahr 2000 zur Bildung einer Organisation von Kriegsveteranen. Sie nannten die Farmbesetzer "Feiglinge", die sich von Freiheitskämpfern zu Unterdrückern gewandelt hätten. Die Opposition gegen Mugabe und seine Partei begann während des Befreiungskampfes als Kämpfer von ZANU und ZAPU sich zu einer gemeinsamen Streitmacht vereinigt hatten. Deren Führer warfen der alten Elite vor, kriegsmüde zu sein. Sie wollten vor allem nationale Einheit und nicht einen Bürgerkrieg wie er nach der Unabhängigkeit in Angola ausgebrochen war. Dafür erhielten sie die Unterstützung der Frontlinien-Staaten; Präsident Samora Machel erlaubte ihnen, von Mozambik aus den Kampf um die Befreiung Rhodesiens weiter zu führen. Doch in den Camps kam es zu Streitigkeiten zwischen unterschiedlichen Fraktionen.

 
Wilfrid Mhanda

Wilfrid Mhanda und seine Kameraden aus der ZANU machten das Fehlen poltischer Führung dafür verantwortlich. Machel bat sie, zehn Namen potentieller neuer Füher aufzuschreiben. Ihre erste Wahl war Robert Mugabe, der in Mozambik unter Hausarrest gestellt war, weil Machel ihn beschuldigte, die erforderliche Einigkeit zu sabotieren. Auf Machels Weisung wurde Mugabe freigelassen, so wurde er Führer der ZANU und später Simbabwes.
Die Freiheitskämpfer, die ihn an die Spitze geholt hatten, waren bald desillusioniert, aber Mugabe konnte Machel überzeugen, sich seinem Weg zu Verhandlungen mit dem rhodesischen Regime anzuschliessen. Ihm wurde erlaubt, all jene in Haft zu nehmen, denen er vorwarf, ihn stürzen zu wollen.
Wilfrid Mhanda war einer der leitenden Offiziere unter Mugabe. Zusammen mit 50 Kommandeuren und später vielen hundert Soldaten wurde er verhaftet und unter unmenschlichen Bedingungen in einer Zelle festgehalten. Die letzten zweieinhalb Jahre vor Kriegsende war er in einem Gefangenenlager.
Mit den Worten eines Überlebenden des Holocaust sagt Mhanda über seine Erfahrung: "Der, der es nicht erlebt hat, kann es nicht glauben; der, der es durchgemacht hat, kann es nicht verstehen." 20 Jahre haben die sogenannten Dissidenten darauf gewartet, dass die Wahrheit ans Licht kommt. "Vielleicht hätten wir vergeben können, ohne zu vergessen. Aber die Ereignisse des letzten Jahres zwangen uns, umzudenken," sagt Mhanda. "Er hat das uns angetan, aber er hat kein Recht, es dem Lande anzutun."

 
  "Schritt fahren!" - "Das geht gar nicht," sagt Oberstleutnant Reinhard Egge, und fotografiert das altertümliche Verkehrszeichen an dem schönen Sandstein-Torbogen, der aus der Weser-Renaissance stammt und im Zentrum des Weilers Drakenburg die Einfahrt zum alten Gutshof ziert. "Kommt aus der Zeit als Pferdekutschen von Benzinkutschen abgelöst wurden." Und ich erfahre von dem Militärexperten, dass Pferdefuhrwerke zum letzten Mal während des Zweiten Weltkriegs eine entscheidende logistische Rolle gespielt haben. Allein für den Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 standen den "bespannten Truppen der Wehrmacht" bei ihrem Aufmarsch im Osten über 700.000 Pferde zur Verfügung, insgesamt hatte die Deutsche Wehrmacht 2,8 Millionen Pferde im Einsatz. Und der kriegerische Einsatz von Pferden prägte in dieser norddeutschen Region schon früher das bäuerliche Leben.
Wir haben nichts davon geahnt, als unsere Tochter 1983 mit ihrem Apfelschimmel "Rocky" an einem Weihnachtsreiten in der nahegelegenen Reithalle Bötenberg teilnahm.
http://www.mmanuskriptt.de/vortrag/pferdezuchtverein_winsen.htm

75 Jahre Pferdezuchtverein Winsen
Festvortrag von Martin Teske

“Ein Pferd, geeignet für die Truppe, Kürassiere und Artilleriestangenpferde, auch mittlerer Karossier mit guten, regelmäßigen und schaffenden Gängen sowohl in der Trabbewegung als auch im Galopp. Ein gutes Temperament, guter Magen. Blut muss mit Masse in richtiger Verbindung stehen. Die zu vorstehenden Zwecken weniger geeigneten Pferde müssen in der Landwirtschaft zu verwenden sein und eine Furche von 30 Zentimetern ziehen können. Das Pferd muss bei gefälligen Formen, gutem Hals- und Schweifansatz eine schräge Schulter und gutgestellte Beine mit ausdrucksvollen Gelenken und Sehnen, dabei gute Hufe mit gut entwickelten gesunden Strahlen haben. In der Schritt- und Trabbewegung müssen die gleichseitigen Füße auf Linie gehen. Pferde mit breiten Hüften sind nicht beliebt, weil solche Pferde schwer zu ernähren sind.“ So umschreibt das Hannoversche Stutbuch von 1888 das Zuchtziel...
Das Deutsche Reich, nach dem Sieg über Napoleon 1871 neu gegründet, ist gerade 17 Jahre alt, und eine Krise bahnt sich an im Dreikaiserjahr: Bismarcks Stuhl wackelt, sein Bündnissystem gerät nach seiner Entlassung ins Wanken, die Spannungen in Europa verschärfen sich. Das Reich rüstet auf, und es beginnt die Aufrüstung dort, wo sie einerseits am wenigsten ins Auge sticht und andrerseits den größten zeitlichen Vorlauf braucht – in der Pferdezucht. Kanonen sind schnell geschmiedet, doch die Pferde, die das neue und immer größer werdende Kriegsgerät manövrieren sollen, sind so schnell nicht aus dem Boden zu stampfen...


Den Oberstleutnant Egge habe ich bei einem Radio Bremen-Forum zum Thema "Medien und Konfliktbewältigung" kennengelernt. Der Organisator hatte darauf bestanden, dass die eingeladenen Offiziere in Uniform erschienen. Inwischen sind wir bei zivileren Umgangsformen angelangt. Reinhard hatte mich zu ein paar Vorträgen in die Lucius-D.-Clay-Kaserne in Osterholz-Scharmbeck eingeladen, wo der "Nachschubschule des Heeres" durch die "Erweiterung des Aufgabenspektrums der Streitkräfte und die daraus resultierende Teilnahme an Auslandseinsätzen seit 1993 eine wesentliche neue Aufgabe zugewachsen ist: Das gesamte in der Logistik eingesetzte Führungs- und Funktionspersonal der jeweiligen Einsatzkontingente wird in einwöchigen Lehrgängen umfassend und realitätsnah auf die Wahrnehmung seiner Aufgaben im Einsatzgebiet vorbereitet... Bis zu 10.000 Lehrgangsteilnehmer können derzeit pro Jahr eine Ausbildung durchlaufen".

  Um seinen Weg zu unserem Landhäuschen in Dolldorf zu finden, hatte Reinhard sich aus der Nachschubschule das Kartenblatt "Nienburg (Weser) L 3320" mitgenommen, herausgegeben vom "Amt für militärisches Geowissen - 1996". Darauf ist sogar unser Häuschen zu erkennen, mit dem Wanderweg, der zur Brücke führt. Aber potentielle Invasionstruppen würden sich auf dem Weg von Bremen nach Nienburg wahrscheinlich verirren: Die Bundesstrasse 6 biegt bei Sudhalenbeck noch Richtung Marklohe-Lemke ab. Das "Amt für militärisches Geowissen" hatte 1996 die seinerzeit schon bestehende B 6-Führung über den Süd-Ost-Bogen einer neuen Schnellstrasse noch nicht berücksichtigt. Hoffentlich sind die Karten auf neuestem Stand, wenn sich Bundeswehrtruppen in neuen Einsatzgebieten der Südwelt orientieren sollen.

"Es gibt sie - die europäischen Spuren in der Region". Das hatte Reinhard am Rand eines kopierten Artikels notiert, der aus dem Bremer Staatsarchiv stammte, und der uns zu unserem Ausflug in den Weiler Drakenburg an der Weserschleife begleitete, etwa fünf Kilometer von der Dolldorfer Brücke entfernt. 1541 hatte Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, die Freiheitsrechte der Stadt Bremen bestätigt. Am 19. Februar 1547 erschien das kaiserliche Heer vor den Mauern der Stadt. Der Rat zu Bremen hatte sich geweigert, im Religionskonflikt mit Karl V. dem Schmalkaldischen Bund abzuschwören. Bis zum 22. Mai verteidigten sich die Bremer mit Erfolg, dann zog das kaiserliche Heer nach Süden ab. Es kam zur Schlacht bei Drakenburg am 23. Mai 1547.

 
  Bereits zu Luthers Lebzeiten hatte die neue Lehre den größten Teil des Deutschen Reiches erfaßt. Kaiser Karl war ein stenggläubiger Katholik; er versuchte, die weitere Ausbreitung der Reformation zu verhindern und die Einheit der katholischen Kirche zu erhalten. Da er sogar mit Waffengewalt drohte, verbündten sich mehrere deutsche Fürsten und Städte zum Schutze der Reformation in dem thüringischen Städtchen Schmalkalden miteinander.

Bereits ein Jahr nach Luthers Tod gelang es dem Kaiser, die Hauptmacht der Schmalkaldener mit Hilfe seiner spanischen Söldner bei Mühlberg / Thüringen zu vernichten und ihren Führer, den Kurfürsten von Sachsen gefangen zu nehmen… Bei Drakenburg wurde der einzige Sieg des Schmalkaldischen Bundes erfochten. Für die Errettung des lutherischen Glaubens in Norddeutschland und für die Zurückdrängung der Gegenreformation hatte der Tag von Drakenburg eine außerordentliche Bedeutung.
“Aus der Geschichte unserer Heimat”, Hermann Ziegler
Verlag Walter Leseberg, Nienburg/Weser, 1988 - S. 163


Auf eine andere Geschichte aus dieser Heimat macht mich Willi Rüter bei einem seiner gelegentlichen Besuche in unserem Dolldorf-Häuschen aufmerksam. "Weisst du, dass in Drakenburg die Paket-Bombe erfunden wurde?" Und er erinnert sich an die Geschichte des Erich von Halacz aus Drakenburg, so wie er sie vor über fünfzig Jahren gehört hatte. Das Internet weiss Einzelheiten.


https://www.kreiszeitung.de/lokales/nienburg/nienburg-weser-ort45437/
nienburg-polizeimuseum-praesentiert-umfassende-dokumentation-paketbomben-attentaeter-halacz-4858484.html

Der Tod kam mit der Post

"Dr. Wolfard durch Attentat getötet", "Bombenattentate alarmieren Norddeutschland", "Höllenmaschinen töteten zwei Menschen" – so lauteten die Schlagzeilen der Tageszeitungen in Deutschland und im Ausland am Tag nach den Sprengstoffanschlägen in Bremen und Eystrup. Heute vor 50 Jahren, am 29. November 1951, töteten in Paketrollen versteckte Sprengladungen den Chefredakteur der "Bremer Nachrichten", Adolf Wolfard, sowie die 18-jährige Postangestellte Margret Grüneklee.
Hinweise aus der Bevölkerung
Eine dritte Paketbombe war an den Verdener Kraftfutter-Hersteller Anton Höing adressiert worden. Durch Radiomeldungen gewarnt, alarmierte Höing allerdings die Kriminalpolizei, nachdem er Drähte an der Postsendung entdeckt hatte. Spezialisten öffneten das Paket. Es enthielt 1,5 Kilogramm des hochexplosiven Sprengstoffs "Donarit".
Zwei Wochen lang hielten die Ermittlungen nach dem Attentäter die junge Bundesrepublik in Atem, dann wurde der Mörder nach Hinweisen aus der Bevölkerung gefasst. In den frühen Morgenstunden des 12. Dezember 1951 gestand der 22-jährige Gelegenheitsarbeiter Erich von Halacz aus Drakenburg bei Nienburg den Beamten der Sonderkommission "S" nach stundenlangen Verhören, dass er der Absender der tödlichen Pakete gewesen ist. Sein Motiv war erschreckend banal: Von Halacz hatte die Morde aus Habgier und Hass auf Menschen begangen, "die auf der Sonnenseite des Lebens stehen". Und die Angehörigen der Opfer wollte er unter Androhung weiterer Anschläge um jeweils 5000 Mark erpressen.

"Nur vom Empfänger zu öffnen"

In seinem Umfeld galt der dunkelhaarige Mann mit den weichen Gesichtszügen zwar als höflich und redegewandt, aber auch als durchtrieben und geltungsbedürftig. Der Tag der Anschläge war der 22. Geburtstag von Halacz'. Er feierte ihn abends mit seiner Freundin, er soll sehr fröhlich gewesen sein.
Adolf Wolfard war sofort tot, nachdem er am Mittag des 29. November in seinem Büro das Paket mit der Aufschrift "Nur vom Empfänger zu öffnen" aufgeschnürt hatte. Durch die Wucht der Explosion wurden Werner Wien, Feuilletonredakteur der "Bremer Nachrichten", sowie Wolfards Sekretärin Helge Emminghaus schwer verletzt. Die Detonation erschütterte das ganze Gebäude.

Opfer: Adolf Wolfhard,
Chefredakteur der "Bremer Nachrichten",
starb beim Öffnen derPost.

              Täter: Erich von Halacz (Mitte) wurde
vom Verdener Schwurgericht zu
lebenslanger Haft verurteilt.

Einige Stunden zuvor war im Postamt Eystrup ein Paket explodiert. Margret Grüneklee wurde in Stücke gerissen, während sie die Post sortierte, zehn Personen in der Schalterhalle wurden verletzt. Das Paket, eine etwa 35 Zentimeter lange Papprolle, die eine Flasche mit einer Schnur im Hals enthielt, war an den Inhaber der Senf-Fabrik Göbbers in Eystrup adressiert. Von Halacz gilt als "Erfinder" der Paketbombe.

Begnadigung am 1. Oktober 1974

Die Attentate lösten in Deutschland eine Hysterie aus. Viele Menschen brachten ihre Pakete zur Untersuchung in Polizeistationen, "Trittbrettfahrer" drohten mit weiteren Bomben, Landesgrenzen wurden während der internationalen Großfahndung geschlossen. Auch der Ruf nach der Todesstrafe wurde wieder laut.
Erich von Halacz, Sohn eines Deutschen und einer Ungarin, der in Drakenburg bei Pflegeeltern aufgewachsen war, wurde 1952 vom Verdener Schwurgericht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Am 1. Oktober 1974 begnadigte der niedersächsische Ministerpräsident Alfred Kubel den inzwischen 44-Jährigen. Im Januar desselben Jahres hatte von Halacz sich einer schweren Operation unterzogen, bei der ihm ein tennisballgroßer Gehirntumor entfernt worden war. Von Halacz sah nach seiner Begnadigung keinen Grund, seinen Namen zu ändern. Unter diesem ist er heute allerdings nicht mehr ausfindig zu machen.


Eine Erinnerung und zwei Träume hinter der Brücke in Dolldorf:

  Im Kaminzimmer unseres Landhäuschens hängt an der Wand das Bild einer Freundin, die wir in Afrika kennenlernten. Reinhild Mann hat in eine abstrakte Landschaft von Durchbrüchen einen roten Schirm gemalt. Daneben steht ein antikes, schmiedeisernes Gestell, das ich zu einer Lampe umfunktioniert habe. Am verstellbaren oberen Arm ist ein malaysischer Seidenschirm befestigt, hinter dem man eine Glühbirne einschalten kann. Den Schirm kauften wir auf einem Markt in Kuala Lumpur für unsere Tochter, damals sechs Jahre alt, mit dabei auf unserer grossen Südostasien-Reise. Das schmiedeeiserne Gestell stammt aus Finnland, wo es in alten Zeiten in einem Bauernhaus auch als eine Art Lampe diente, aber mit einem harzigen Holzspan am Arm und einem gusseisernen Topf an einem Haken darunter. Die Asche wurde darin aufgefangen, wenn der Span langsam abbrannte, und da er dabei kürzer wurde, konnte man den Arm in drei Stellungen im tiefer einrasten.

So hat es mir die alte Dame erklärt, als sie mir das gute Stück schenkte. Ich war damals ein junger Volontär bei Radio Bremens Chefredakteur Harry Pross, und die alte Dame war seine Sekretärin. Sie konnte schlecht sehen, an der Nase hatte sie eine Narbe, manchmal erschien sie nicht zum Dienst, fühlte sich nicht wohl.
Helge Emminghaus hatte 1951 den Bombenanschlag des Drakenburger Attentäters bei den “Bremer Nachrichten” überlebt. Die Lampe schenkte sie mir, als sie ihre Wohnung in einem alten Bauernhaus an der Schwachhauser Heerstrasse in Bremen verliess. Es musste dem Neubau eines Wohn-Geschäfts-Komplexes weichen.

 

Das niedersächsische Örtchen Drakenburg als Schauplatz einer interkulturellen Veranstaltung zum Nordirland-Konflikt, einem Konflikt - wie es vordergründig scheint - zwischen Protestanten und Katholiken, der in unserer Zeit auch mit Sprengstoffanschlägen ausgetragen wird. Obwohl, heute morgen habe ich in den Nachrichten gehört, der Versöhnungsprozess soll wieder in Gang kommen: Waffen sollen vernichtet, der Gewalt soll endgültig abgeschworen werden, man will sich – nach neuen Wahlen - in einer gemeinsamen Verwaltung wieder zusammensetzen.

Die Idee kam mir als ich eines Abends zur alten Kirche in Drakenburg geradelt bin. In der wundervollen Akustik des Kirchenraumes lauschte ich den sakralen Gesängen der originalen Don-Kosaken, die auf Einladung des Drakenburger Heimatvereins ein grosses Publikum angezogen hatten. Gegen 23 Uhr radelte ich zurück, unter einem Himmel übersät mit den Lichtstreifen von "shooting stars" - Sternschnuppen. Auf dem Anrufbeantworter die Nachricht des Freundes Michael in Bremen: Die Amerikaner haben als Ausweitung ihres Anti-Terror-Krieges soeben begonnen, die afghanische Hauptstadt Kabul mit Raketen anzugreifen.

  Live-CNN-Bilder, aufgenommen im grünen Licht von Nachtsichtgeräten, zeigen andere "shooting stars".
Friedliche Irland-Kontakte gibt es schon in der Nachbarschaft Drakenburgs, fällt mir ein. "Die Kapellis", eine Musikantengruppe, die seit 1991 mit irischen Folksongs weit über die Region hinaus Furore macht, hat in der "Alten Kappelle” zu Haßbergen ihre Basis.  

  Die Freilichtbühne in Marklohe als Schauplatz einer “interkulturellen” Komödie.Von den Kiosken für Grillbratwurst und Bierausschank zurückgekehrt, erwartet das Publikum auf den Bänken unter den Buchen am Hang die Geschichte eines Jungbauern, der sich seine exotische Braut aus dem Katalog eines Internet-Heiratsvermittlers ausgesucht hat. Aus der Tür unter den gekreuzten Niedersachsenpferden am Giebel tritt eine schwarze Frau. Sie kommt aus einem Krisengebiet in Afrika. Sie hat studiert, sie hatte keine Zukunft daheim, so landete sie im Katalog des Heiratsvermittlers aus Europa. Jetzt bringt sie Wasser, so wie sie zu Hause im Dorf ihrer Eltern morgens Wasser holen würde.

Da dröhnt, kaum zu ertragen, das Geheul von Krieg an ihr Ohr. Regie-Anweisung: Düsenjäger-Lärm stereophon aus Lautsprechern rund um die Bänke unter den Buchen! Es sind aber bloss Jets der Bundesluftwaffe, an deren tägliche Tiefflüge sich die Menschen hier gewöhnt haben, ebenso wie an die Tatsache, dass sonnabends in der ganzen Gegend mittags um zwölf die Sirenen heulen...
Was passiert weiter in dieser Komödie mit unserem Jungbauern, seinen Kumpeln und der afrikanischen Schönheit in der niedersächsische Tiefebene? Ich bitte um Ideen an: dolldorf@aol.com

 

Von der Weser reise ich bald zurück an den Sambesi. Ich werde aus gegebenem Anlass als Journalist im vorübergehenden Ruhestand reisen, der aus dem Internet gelernt hat, dass schon in viel früherer Zeit irrationale Bedrohungen Menschen an der Mittelweser Angst machten, wie Menschen in ganz ähnlicher Weise heute in Simbabwe.

https://www.kloster-loccum.de/pages/kloster/kloster/hexen/index.html
  Im Stiftsgebiet Loccum fielen im 17.Jahrhundert 33 Menschen den Hexenprozessen zum Opfer. Davon 6 aus Loccum, 3 aus Münchehagen und 9 aus Wiedensahl. Die Herkunft der anderen bleibt unbekannt. Die meisten Verurteilten wurden auf dem ‚Rosenbraken‘ verbrannt, einem Flurstück zwischen Klosterforst und Bundesstraße 441, nachdem man zuvor mit ihnen die ‚Wasserprobe‘ durchgeführt hatte. Sie bestand darin, daß die Angeklagte dreimal in einen Teich geworfen wurde, zweimal gebunden und einmal ungebunden. Schwamm sie jedesmal oben, so galt sie als schuldig und wurde der Tortur zur Erpressung des Geständnisses unterzogen.
In der Loccumer Überlieferung gilt der kleine Teich am Hang oberhalb von Bachteich und Fulde als sogenannter Hexenteich, an dem die Wasserproben vermeintlich stattfanden. Daß diese Prozedur an irgendeinem Loccumer Gewässer vorgenommen wurde, ist aktenkundig, nicht jedoch der Ort. Der ehemalige Loccumer Konventual - Studiendirektor und spätere Landesbischof Horst Hirschler schrieb in seinem Buch ‚Geschichten aus dem Kloster Loccum‘: ‚Die hochgesteigerte Hexenfurcht des Mittelalters ist leider zu einem wesentlichen Teil dem Verhalten der Offiziellen jener Zeit zuzuschreiben: Der Kirche, den Landesherren und den Juristen.‘


Ich bin mir nicht sicher, ob der ehemalige Loccumer Konventual-Studiendirektor und spätere Landesbischof Horst Hirschler das Versagen auf Autoritäten "jener Zeit" hätte eingrenzen sollen. Aus derselben Quelle im Internet erfahre ich, wie Autoritäten unserer Zeit mit Versuchen umgingen, den letzten Hexenprozess des Loccumer Stiftsgerichtes für unsere Zeitgenossen aufzuarbeiten. Dieser war auf Betreiben eines Nachbarn gegen Gese Köllars aus Wiedensahl angestrengt worden. Nach schrecklicher Folter endete das Verfahren mit dem Todesurteil, das am 2.6.1660 vollzogen wurde. In meiner Quelle heisst es dazu:

https://de.wikipedia.org/wiki/Gesche_K%C3%B6llers

Mit dem Namen Gesche Köllars bleibt einer der letzten Hexenprozesse des Loccumer Stiftsgerichtes verbunden. Frauen aus Rehburg-Loccum und Wiedensahl haben 1987 das Schicksal der Gese Köllars zum Anlaß genommen, sich mit der Rolle der Frau und den Hexenverfolgungen auseinanderzusetzen. Dabei wurde es als besonders positiv bewertet, daß die Evangelische Heimvolkshochschule in Loccum damals das Thema aufgriff und sich dieser dunklen Seite der beginnenden Neuzeit selbstkritisch stellte. Damals wollte die Loccumer Frauengruppe am Jahrestag der Anklage gegen Gese Köllars mit der Erinnerung an sie und ihre Leiden auch ein Zeichen der Versöhnung setzen.
Die gleiche Absicht verfolgte 1985 die Frankfurter Künstlerin Eva-Gesine Wegner mit ihrem Versuch, den kleinen Teich in der Nähe des neuen Friedhofs als Mittelpunkt einer Gedenkstätte für ‚die vielen bekannt und unbekannten getöteten Frauen‘ während der Hexenverfolgungen zu gestalten. Dort, so war es die Vorstellung der Künstlerin, könnte die von ihr als Geschenk angebotene Plastik ‚Die Segnende‘ stehen. Gegen diesen Wunsch machte Abt Eduard Lohse erhebliche Bedenken geltend und teilte der Künstlerin abschließend mit, ‚daß das Kloster jener Frauen und Männer, die der Hexenjagd der damaligen Zeit zum Opfer gefallen sind, auf die einzig mögliche Weise gedacht hat, nämlich so, daß der Aufsatz von Herrn Hirschler in den ‚Geschichten aus dem Kloster Loccum‘ abgedruckt wurde. Was damals wirklich geschehen ist, welche Zusammenhänge da bestanden, wie differenziert man von Richtern, der Dorfbevölkerung und der Sachverständigen reden muß, das läßt sich nur in einem sorgfältigen Aufsatz beschreiben, aber nicht mit einem Denkmal darstellen.‘
Auch die Vorstellung der Künstlerin, entweder im kommunalen Bereich oder auf einem anderen Gelände der Loccumer kirchlichen Einrichtungen mit einem Denkmal an die Opfer der Loccumer Hexenverfolgungen erinnern zu können, wurde nach längeren Diskussionen in den betroffenen Gremien ablehnend beschieden.


Was an der Weser vor 400 Jahren passierte, begegnete mir 1998 in Simbabwe, als eine afrikanische Kollegin bei ihrer Recherche über Handel und Wandel am Sambesi erkennen musste, dass dort viele Menschen noch immer glauben, ihren Erfolg durch Hexerei manipulieren zu können.

http://www.radiobridge.net/www/links/PILOT3.html
Warum es Kleinunternehmer in Afrika oft schwer haben
Radio Bridge Overseas / 27.08.98

  Dadirayi Chigoya

Vater Chirisa:
"Sie werden feststellen, dass in den meisten Faellen Kenntnisse ueber die Fuehrung eines Unternehmens nicht an Kinder weitergegeben werden."

Chigoya:
Ray Chirisa lebt in Norton, einem kleinen Staedtchen nahe von Zimbabwe’s Hauptstadt Harare. Dort macht er Geschaefte mit Papier- und Metallwaren, mit Moebeln und mit einem LKW-Transporter.
Die Beziehung zwischen Unternehmern und ihren Kindern, die er hier beschreibt, gruendet sich auf Faktoren, die man beruecksichtigen muss, wenn man Schwierigkeiten bei der Entwicklung eines unternehmerischen Mittelstandes innerhalb der Shona-Kultur verstehen will. Shona bilden die groesste Bevoelkerungsgruppe in Zimbabwe.

Vater Chirisa:
"Es gibt dafuer eine Reihe von Gruenden. Dazu gehoert die Furcht, dass Kinder zu dicht an persoenliche Geheimnisse von Erwachsenen herangefuehrt werden. Traditionell benutzen Geschaeftsleute in unserer Kultur bestimmte Gluecksbringer, die ihnen Erfolg bringen sollen; sie haben mit ganz individuell gepraegten spirituellen Manipulationen zu tun, die niemals Kindern offenbart werden."

Chigoya:
Das mag sonderbar klingen, aber Profitmachen in Zimbabwe ist mehr, als bloss den Verkaufspreis gegen den Einkaufspreis zu kalkulieren. Es ist die weitverbreitete Ueberzeugung, dass die Verwendung eines besonderen Gluecksamuletts den Umsatz foerdern kann. Und nicht nur Geschaeftsleute glauben daran, es ist Teil unseres taeglichen Lebens. Oft werden solche Gluecksbringer getragen, um zum Beispiel die Chance zu vergroessern, einen guten Job zu kriegen. Manchmal jedoch hat dieser spirituelle Glauben grausame Folgen.
Gerade waehrend ich an dieser Story arbeite, berichtet der "Herald", Zimbabwe’s einzige Tageszeitung, ueber einen Mann, der sich vor Gericht fuer einen Mordversuch verantworten muss. Er soll versucht haben, die 11-jaehrige Tochter seiner Freundin umzubringen. Diese Frau hatte von einem Geisterheiler etwas erhalten, das wir "Muti" nennen, eine geheimnisvolle Mischung aus Rinde, Kraeutern oder anderen Materialien. Sie war angewiesen, diesen Gluecksbringer mit dem Blut ihrer Tochter und dem Samen ihres Freundes zu traenken. Als Ergebnis wuerde sie an ihrem Arbeitsplatz befoerdert werden. So grausam und primitiv dies ist, es ist noetig zu verstehen, dass sich unsere Kultur im Umbruch befindet. Noch immer ist der Glaube der meisten Shona in uralten Traditionen verwurzelt, die sich als Hindernisse auf dem Weg in die Modernisierung erweisen. Erst wenigen ist es gelungen, sich davon zu befreien.
Ray Chirisa wuch in einer christlichen Familie auf. Es gelang ihm, den alten Glauben abzustreifen. Stattdessen baut er auf harte Arbeit fuer seinen Erfolg. Und er hat seinen aeltesten Sohn, William, in die Mechanismen seines Geschaeftes eingefuehrt.

  Sohn Chirisa:
"Mein Vater verbirgt nichts vor mir, er ist mir gegenueber sehr aufrichtig. Ich muss allerdings gestehen, dass es mir am ersten Tag etwas komisch war, als er sagte, komm mit William. Es war beunruhigend, aber ich habe laengst erkannt, dass es mir Vorteile brachte."

Vater Chirisa:
"Es ist klar, dass man Fertigkeiten entwickeln muss, nicht nur fuer einen selbst, sondern auch bei seinen Nachkommen. Wenn ich mal sterbe, muss alles weitergemacht werden von jemandem, der die Probleme kennengelernt hat, der weiss wie es weitergeht, ohne angeleitet zu werden von jemandem, der nicht mehr da ist. Es ist noetig jemanden nahebei zu haben, der weiss, wo es lang geht."

 

Sohn Chirisa:
"Ich glaube, ohne meinen Vater haette ich es nicht geschafft. Er hat mich angetrieben, Sohn - das schaffst du! Nur wenige Kumpel haben solche Eltern wie ich. Er unterstuetzt mich noch immer, und ich danke ihm dafuer."... (AUSZUG)

Die Furcht vor Hexern in vielen afrikanischen Gesellschaften (und dort stehen nicht bloss Frauen im Verdacht), war immer ein Thema, dem ich bei der Frage "Wie ist es denn so in Afrika" auszuweichen suchte. Zu einfach schien mir die Querverbindung zu einem ganzen Vorurteilskatalog, der sich mit dem Begriff "Vodoo" beschreiben lässt - Aberglaube und Chaos. Sogar ich hatte - gelegentlich unter Freunden - die Wirtschaftspolitik der regierenden Partei in meiner zweiten Heimat Simbabwe "Vodoo"-Politik genannt. Eine Hemmung, die nachliess, als ein befreundeter deutscher Professor für Politische Ökonomie nichts dagegen einzuwenden hatte, die Versuche der deutschen Regierung, Rezession, Arbeitslosigkeit und Sozialnetz in den Griff zu kriegen, als "Vodoo" zu charakterisieren - ein Kommentar übrigens, dem wohl eine Mehrheit meiner Dolldorfer Nachbarn zustimmen würde.

Die Beschäftigung mit der Loccumer Hexen-Historie hat mich sensibilisiert für Hinweise auf Strukturen, die in Afrika - und in Europa - Hexenjagden begünstigen.
In diesem Zusammenhang soll an jene Bundestagsabgeordnete der SPD erinnert werden, die sich im Spätsommer 2003 nicht dem Fraktionszwang beugten, dem von der Parteispitze verordneten Reformwerk "Agenda 2010" ohne Weiteres zuzustimmen. Peter Fuchs schrieb dazu am 4./5.10.03 in der "tageszeitung":

“Die Bonzen und die Bockigen”

“...Der innere Reichtum von Parteien, der sich in Flügeln und Flügeln von Flügeln ausdrückt, wird massiv eingeschränkt, wenn die Hierarchie sich als alternativenlos darstellt und somit - scharf formuliert - mittelalterliches Format annimmt. Man sieht das sehr gut daran, dass das, was demokratisch gewünscht und erwartet wird, als finale Drohung exerziert wird, deren Diktat dann ein jeder und eine jede unterworfen wird. Wer gegen uns ist, so kann man dies paraphrasieren, darf das sein, solange von ihm keine Gefahr ausgeht, solange er die Alternativlosigeit des Apparates hin und wieder links-nett ornamentiert. Ansonsten herrscht der kalte Realismus des Machterhalts...”

 
 

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