Moderator:
Die Zahl der von Dürre betroffenen Menschen in
Afrika ist im vergangenen Jahr auf hundert
Millionen gestiegen. Wie das
Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen
mitteilte, grassierte die Trockenheit in mehr als
zwanzig Ländern. Besonders betroffen war aber
wieder einmal Afrika, die Gebiete südlich der
Sahara...
Doch auch was den Mangel an kultureller Nahrung
und Information betrifft, steht Afrika ganz oben,
und da ist natürlich Hilfe gefragt, Engagement.
Mit einem, der dort war und der auch wieder hin
will, sprechen wir jetzt, Klaus Jürgen Schmidt,
ein Radiojournalist seit vielen, vielen Jahren,
jetzt wieder nach langen Jahren zurück. Herr
Schmidt, Sie sind in Simbawe gewesen und wollen
auch wieder hin. In Harare, dort haben Sie ein
Rundfunkprojekt angekurbelt, einen Radiosender
aufgebaut. Das war ein Projekt der
Friedrich-Ebert-Stiftung?
Radio als
Demokratie-Einübung
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Schmidt:
Das war Anfang 1985, da hat mich Radio
Bremen freigestellt für diesen Job als
Leiter dieses Versuches, ein
Bildungsprogramm bei der Zimbabwe
Broadcasting Corporation aufzubauen. Das
ist gelungen. Das war zu einer Zeit, da
hatten Stiftungen in Deutschland, in
Europa, bei den Vereinten Nationen noch
Geld. Das war also nich bloss ein
Programm, das war ein ganzer
Studiokomplex, da sind viele Millionen
reingegangen, ein Programm, das
nicht-formale Bildung vermittelt, in
mehreren afrikanischen Sprachen. Das war
für mich eine sehr spannende Geschichte,
diese Zusammenarbeit mit den Kollegen
vier Jahre lang.
In diesen vier Jahren habe ich dann
gelernt, dass zwar untereinander und
miteinander in so einem Land sehr
kommunikativ umgegangen wird, dass aber -
wenn wir hier etwas erfahren in Europa
über Afrika - dass das meistens durch
Menschen wie mich passiert, Nordlichter,
Korrespondenten. Man kann ja mal Hörer
fragen, ob sie sich erinnern, wann sie
mal über Afrika was von Afrikanern
gehört haben, kommt ganz selten vor. |
Und
das war dann eine Geschichte gewesen, die ich
nach Abschluss des Vertrages mit der
Friedrich-Ebert-Stiftung und mit Zustimmung Radio
Bremens - man hat mich dafür immer weiter
freigestellt - versucht habe, zu realisieren, in
Zusammenarbeit mit afrikanischen Kollegen
Methoden zu finden, dass sie ihre eigenen
Programme so gestalten können, dass auch Hörer
in anderen Kulturen sie verstehen.
Moderator:
Sie haben gesagt, Bildungsprogramme, die aber
keine formalen Inhalte haben. Dabei fällt mir
sowas ein wie Kulturtechniken, wie
Alltagserfahrung, wie Umgang mit den Problemen,
die man hat, die ja immer ein gewisses
kulturelles oder zivilisatorisches Niveau
voraussetzen. Können Sie das etwas schildern?
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Schmidt:
Also, viele afrikanische Gesellschaften
sind orale Gesellschaften, das heisst,
sie schreiben wenig auf, sondern
vermitteln auch ihre eigene Geschichte
immer wieder durch neues Erzählen, sie
erzählen viel, sie können das. Sie
haben keine Schwierigkeiten, es
untereinander zu tun, dort, wo man aus
der selben Kultur stammt. Sie haben aber
ganz grosse Probleme, das gegenüber
anderen Kulturen zu tun, auch schon
innerhalb von Afrika. Also in Simbabwe
etwa, wenn die da mit Menschen in
Nachbarländern, oder auch schon mit
anderen Stämmen im eigenen Land reden
wollen, wird es schon schwierig. Und
natürlich ganz besonders, wenn sie sich
äussern wollen etwa in solchen Medien
wie Rundfunk oder Fernsehen, oder jetzt
Internet, also gegenüber der Aussenwelt.
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Das
wird eigentlich nicht gelernt. So eine
Journalistenausbildung gibt es eigentlich auch
gar nicht, dass afrikanische Kolleginnen und
Kollegen erfahren, auch eine Praxis darin haben,
wie sie - ohne ihre eigene Nachricht, ihre eigene
Idee zu korrumpieren - so formulieren, dass sie
auch woanders verstanden werden, und dabei auch
noch als attraktiv empfunden werden.
Moderator:
Also es gibt keine Praxis, keine Erfahrung, keine
Technik, aber es gibt doch - stelle ich mir vor -
von so einer mündliche Gesellschaft her eine
Praxis, die eine grosse Unbefangenheit mitbringt
und die von daher auch einen ganz besonderen Reiz
für uns, die wir aus einem so hochreflektierten
Kulturkreis kommen, darstellt.
Schmidt:
Das ist richtig. Nur, was haben wir für Medien
zur Verfügung, um diese Kommunikation mit diesen
Menschen da unten im Süden zu beginnen. Das sind
natürlich sehr technologisierte Medien. Und da
ist naürlich das Spannende, dass dieses Projekt,
das ich 1993 angestossen habe, eines ist, das
sich dieser modernen Technoligie bemächtigt hat.
Wir haben ein eigenes Studio aufgebaut, das ist
ein Verein, der heisst Radiobrücke Übersee,
haben angefangen zu arbeiten, haben durch viele
Zufälle - auch Radio Bremen hat damals gerade
angefangen, digital zu produzieren mit CutMaster
und all diesen Geschichten - haben ab 1992/93
diese Technologie eingeführt, die natürlich
auch sehr ökonomisch ist, sehr preiswert, aber
die einer ganz neuen Erfahrung bedarf.
Das sind diese beiden Bereiche,
in denen ich dann sehr intensiv zusammen
mit afrikanischen Kolleginnen und
Kollegen gearbeitet habe - das Aneignen
dieser technologischen Möglichkeiten,
die dann ja auch, wenn man digital
arbeitet, erlauben, über Internet etwa
Programme auszutauschen, innerhalb der
Region, aber auch mit der Welt. Und auch,
dass Geschichten so erzählt werden, dass
sie bei Hörern, etwa hier bei Radio
Bremen oder irgendwo anders im Norden,
als ganz attraktiv epfunden werden. |
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Moderator:
Die Technologie ist satellitengestützt, das
heisst, dass - was den Empfänger betrifft -
bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden
müssen, die zwar einfach sind aber doch eine
gewisse Innovation bedeuten für den Hörer?
Schmidt:
Das ist richtig. Nun gibt es ein völlig neues
System, das hier weitgehend gar nicht bekannt
ist, das aber in Afrika gerade zu wachsen
beginnt, und auch in anderen Gegenden des
Südens. Das ist die WorldSpace-Technologie, von
einem in den USA lebenden Afrikaner erdacht, der
mit viel Geldern des Nordens und des Südens ein
Satellitensystem aufgebaut hat. Es handelt sich
übrignes um ein technisches
Komprimierungssystem, das in Deutschland erfunden
worden ist, am Erlangener Fraunhofer-Institut.
Und das gibt es schon. Da sind japanische Firmen,
die haben Radiogeräte entwickelt, die ganz
kleine Antennen haben, mit Batterien betrieben
und sehr handlich, mit denen man überall - ob im
Busch, in der Wüste - in CD-Qualität schon
jetzt Programme empfangen kann vom Satelliten.
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Da
kann man sogar, da es ja digital ist, mit
einem Laptop oder einem PC die
dazugehörigen Texte und Bilder
herunterladen. Das ist ein sehr
spannendes System. Und dort hat meine
Organisation, die ja nach wie vor
arbeitet, jeden Tag vier Programme - vier
mal 15 Minuten, die kann man weltweit
hören. Ich hab so einen kleinen
Empfänger, und sogar hier in
Norddeutschland kann man es hören. |
Moderator:
Geben Sie mal ein Beispiel. Wie sieht so ein
Sendeschema aus, das Sie da betreuen?
Schmidt:
Etwas, was völlig neu war, ist der Versuch,
über Kultur- und Sprachgenzen hinweg zu
arbeiten. Die umliegenden Länder, Botswana,
Namibia, Sambia, das sind alles Länder, die
grosse Wildbereiche haben. Das ist während der
Kolonialzeit alles an die Zentralregierung
gegeben worden. Durch neue Gesetzgebungen haben
Menschen in diesen Ländern plötzlich wieder die
Möglichkeit, in den eigenen Dörfern den Profit
etwa von Grosswildjagd oder von Tourismus in
diesen wunderschönen Wildgebieten zu haben.
Dafür brauchen sie aber Erfahrungen,
Vermarktungserfahrungen.
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Da
haben wir also eine Radioserie
produziert, haben mit diesen Menschen
geredet, haben sehr viele Aufnahmen
gemacht in Gegenden, wo das Radio noch
nie war, mit afrikanischen Kollegen, in
ganz vielen afrikanischen Sprachen. Haben
daraus eine Serie von 24 Folgen gemacht,
die in vier Sprachen produziert worden
ist, in Englisch für Namibia, in
Setswana für Botswana, Bemba für
Sambia, Shona für Simbabwe. Die ist dann
24 Wochen lang parallel in allen vier
Ländern ausgestahlt worden, was zu einem
ganz starken Feedback geführt hat. Im
nächsten Schitt haben wir dann diese
Sendereihe komprimiert, haben sie
aufgeteilt und haben sie aufs
Internet getan. Dort kann man jetzt
Bilder und Texte nachsehen. |
Und
das ist etwas, was ich jetzt gerne verbinden
würde mit den Erfahrungen, die vielleicht auch
bei Radio Bremen nötig sind.
Moderator:
Das war meine Frage: Wie kommt ein Journalist aus
Harare, der dort viele Erfahrungen gesammelt hat
und ein grosses Arbeitsfeld hat, nun auf die
Idee, gerade jetzt zurückzukehren zu Radio
Bremen, das sich ja eher in einem
Schrumpfungsprozess befindet?
Schmidt:
Ja, ich war 16 Jahre weg. In all diesen Jahren
habe ich immer wieder versucht, auch dabei
Kollaborateure bei Radio Bremen gefunden, solche
Programme aus Afrika in Europa und auch hier bei
Radio Bremen unterzubringen. Im Prinzip war die
Antwort, die ich dann immer bekommen habe von den
höheren Etagen: Wir haben unser eigenes
Korrespondenten-Netz. Es war also nie richtig
begriffen worden. Es war also nicht möglich, das
systematisch hinzukriegen, obwohl die Welt ja
immer enger wird und wir in einem globalen Dorf
leben. Ich denke, dass dieser Prozess, in dem
sich Radio Bremen befindet, dieser
Neuorientierung - auch der neuen Aufgabenfindung,
es möglich machen wird, einen Teil von Radio
Bremen in ein Portal einer solchen
Nord-Süd-Kommunikation zu verwandeln, in die ARD
hinein, vielleicht auch in das europäische
Rundfunksystem. Wir reden ja über eine
Vernetzung von Kulturen. Auch das Internet, das
dies ja tut, ist nach wie vor zersplittert, dort
gibts ein spanisch-sprachiges, ein
arabisch-sprachiges, ein französisch-sprachiges.
Ich würde gerne die Erfahrungen, die wir in
Afrika gemacht haben, nämlich Kulturen zu
überbrücken und Sprachbarrieren zu überwinden,
als eine Möglichkeit hier einführen für Radio
Bremen, sich eine Kompetenz zu verschaffen in
dieser Nord-Süd-Kommunikation, als ein Sender in
einer Stadt am Meer mit einem Schlüssel im
Wappen.
Moderator:
'Radio on grassroots level', so bezeichnen Sie
das. Wie sind solche Erfahrungen dann doch
übertragbar aus so einer Struktur, wie Sie sie
beschrieben haben für Simbabwe und die Region
dort, auf eine Region, die zwischen Emden,
Bremerhaven und Hamburg liegt. Haben Sie da eine
Idee?
Schmidt:
Das Medium existiert ja nur, weil es über
Menschen kommuniziert und mit Menschen spricht,
die in bestimmten Lebensverhältnissen sind. Und
es ist ganz erstaunlich, wieviele
Lebensverhältnisse von Menschen im Süden und im
Norden ganz ähnlich sind, ähnliche
Problemstellungen da sind. Und ich würde gerne
dazu beitragen, dass ganz lokale Bezüge in
diesem Bremer Raum sich wiederfinden in der
Kommunikation mit Menschen im Süden, nicht nur
in Afrika.
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Das
Ganze hat ja schon in Bremen ganz
intensiv angefangen, der Begriff 'Lokale
Agenda 21, der Versuch zwischen
Kommunen, zwischen Gemeinden, zwischen
Menschen da unten - wie man sagt
'grassroots - eine Kommunikation
aufzubauen, braucht ein Medium, ein
Nord-Süd-Medium. Und ich denke, dass
Radio Bremen dies mit der Erfahrung, die
ich jetzt mitbringe, machen kann. |
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