DER WEG NACH ZIMBABWE
oder VERSUCHE, DIE FREMDE ZU VERSTEHEN
© 1990 Klaus Jürgen Schmidt
Der Autor war vier Jahre lang (1985-1988) für
die Bonner Friedrich-Ebert-Stiftung Leiter eines
Projektes,
das bei der Zimbabwe Broadcasting Corporation
eine Bildungsradiostation einrichtete. |
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RADIO ALS DEMOKRATIE-EINÜBUNG
Eddingtom Mhonda, Redakteur von ZBC-Radio 4, hat seinen
großen Auftritt. In einem Vorort der zimbabweschen
Hauptstadt Harare kündigt er vor vielen hundert
Schülern die erste Direktübertragung einer
"Quiz-Show" an, mit der der Bildungskanal
künftig durchs ganze Land ziehen wird sozusagen
als Bonbon seiner eigentlichen Arbeit mit den beiden zur
Verfügung stehenden Übertragungswagen.
"Radio 4 ist da zu eurem Nutzen," sagt
Eddington Mhonda, "wir haben Programme vor allem
auch für junge Menschen, die ihnen helfen können bei
der Vorbereitung auf einen späteren Beruf. Und wir haben
unterschiedliche kulturelle Programmangebote."
Das war 1985, ein Jahr zuvor war Radio 4 auf Sendung
gegangen als Ergebnis eines längeren
Planungsprozesses und mit der Unterstützung durch die in
Sachen Medienentwicklung erfahrene Bonner Friedrich Ebert
Stiftung. Die hatte 1982 mit der "Zimbabwe
Broadcasting Corporation" einen Kooperationsvertrag
abgeschlossen, nachdem sich ZBC von der "British
Broadcasting Corporation" und vom
Informationsministerium zur Einrichtung eines neuen
Bildungskanals hatte überreden lassen. Eine BBC-Studie
zur Überprüfung der elektronischen Medienlage im gerade
unabhängig gewordenen Zimbabwe hatte es sich 1980
einfach gemacht: Neben den schon existierenden 3
Radiokanälen so empfahlen die britischen Experten
solle ZBC einen vierten Kanal zur Versorgung der
Landbevölkerung einrichten, der neben dem bisher von
Radio 2 ausgestrahlten formalen Schulfunk zusätzlich
nichtformale Bildungsprogramme produzieren und senden
sollte. Victor Maunde war Chef von Radio 4, als der neue
Kanal vom ZBC-Studiokomplex im Industrieviertel Mbare zu
senden begann.
"Die Pioniere mußten sich neue Ideen einfallen
lassen," erinnert sich Maunde. "Sie mußten
herausfinden, was ein Bildungskanal überhaupt sein soll.
Am Anfang kam das Personal von Radio 2 und aus der
Nachrichten-Abteilung, denn dort gab es Leute mit
Rundfunkerfahrung, oder wenigstens hatten sie eine
Vorstellung davon, wie man anfangen könnte."
Bis heute existiert kein verbindliches Dokument der
Rundfunkorganisation oder der Regierung, in dem die
Aufgabenstellung des Senders klargestellt wäre. Ein
inoffizielles Tondokument von einem Seminar der
Radio-4-Mitarbeiter im Herbst 1985 gibt immerhin
ungefähre Auskunft. ZBC-Generaldirektor Kangai gab
damals die grobe Richtung an:
Debatten wolle man hören auf Radio 4, sagte der
Generaldirektor, aus den ländlichen Gebieten, 20
Minuten, 30 Minuten oder sogar eine Stunde, wenn es um
wichtige Dinge gehe! Es gebe keinen Zeitdruck durch
Werbeeinblendungen dafür sei Radio 4 da.
Das war zwar sehr generell, aber es klang gut. Der Haken
an der Sache ist aber eben die fehlende Werbung! Anders
als alle anderen ZBC-Dienste mit Ausnahme des
Zweiten TV-Kanals, der seit Mitte 1986 ebenfalls
Bildungsprogramme ausstrahlt, muß Radio 4 nicht mit
Werbeeinblendungen Geld verdienen. Die Betriebskosten
zunächst von der öffentlich-rechtlichen ZBC aus
eigenen Mitteln vorgestreckt werden mit einer
jährlichen Parlamentsgenehmigung aus dem Etat des
Informationsministeriums bezahlt. Alle technischen
Einrichtungen sowie Trainingsmaßnahmen trägt für die
Dauer des Kooperationsvertrages, die Friedrich Ebert
Stiftung das waren bis Ende 1988 runde 1,3
Millionen Mark. Die großzügige Hilfe aus der
Bundesrepublik hat bei Radio 4 einen technischen Standard
geschaffen, der nach einem Abzug der Stiftung mit eigenen
Mitteln schwer zu halten sein wird. Und: Je attraktiver
Radio 4 seine Programme gestaltet, um so mehr Hörer
werden von den anderen 3 Hörfunksendern weggezogen. Die
aber sind wegen ihrer Werbebotschaften angewiesen auf
hohe Einschaltquoten. Mißgunst, verschärft durch eine
mangelhafte ZBC-interne Aufklärung, haben über Jahre
das Verhältnis von Radio 4 und Radio 2, die im selben
Studio-Komplex beheimatet sind, gestört. Dabei wird ein
Gründer-Problem deutlich: Radio 2 hat als
ehemaliger "African Service" der Rhodesier
eine über dreißigjährige Tradition als Sender
für Programme in den heimischen, afrikanischen Sprachen.
Er hätte schon aus ökonomischen Gründen
zum unterhaltsamen Bildungskanal für die auf dem Lande
lebenden 80 % der Bevölkerung ausgebaut werden sollen.
Stattdessen ist es den Radio-4-Mitarbeitern überlassen
geblieben, in einem täglichen Kleinkrieg den
Konkurrenzdruck auszuhalten und ohne ein
wirkliches Interesse der ZBC-Spitzenmanager
Konzepte für ihre Programmarbeit zu entwickeln.
"Der Fragebogen, den wir ausarbeiten wollen, den ihr
mitnehmen werdet wenn wir es hoffentlich schaffen,
auf's Land zu gehen dieser Fragebogen wird euch
helfen, so zu denken, wie eure Hörer denken. Er wird
euch helfen, die Interessen, die Bedürfnisse und die
Grundhaltung eurer Hörer zu verstehen. Mit der
Ausarbeitung dieses Fragebogens wollen wir erreichen, die
Probleme der Hörer besser zu erkennen und zu
interpretieren zusammen mit ihnen. Eure Ansichten
mögen nämlich Themen betreffen, die gar nichts zu tun
haben mit den Themen der Landbevölkerung."
Peter Parirewa, selber durch und durch ein Stadtmensch,
ist in seinem Element. Er ist Abteilungsleiter bei Radio
4, dessen Mitarbeiter sich bei einem von der Friedrich
Ebert Stiftung organisierten Seminar abmühen, den
rechten Zugang zu ihren Hörern zu finden. Es sind
ehemalige Lehrer oder Sozialarbeiter, in der Stadt
großgeworden in der Regel durch irgendeinen
Verwandten in der Partei-Hierarchie zum Job bei der ZBC
gekommen, den viele eher als Sprungbrett in eine besser
bezahlte Stellung betrachten, denn als Anreiz, neue
Horizonte auf dem Lande zu erkunden. Peter Parirewa fiel
Mitte 1987 auf dem Höhepunkt von Stammes- und
Parteikonflikten in Zimbabwe einer ZBC-internen
Intrige zum Opfer, mit ihm mußten einige der
engagiertesten Redakteure gehen. Auch Victor Maunde,
energischer und planungsfähiger Chef des Bildungskanals,
stieß bald an das personelle Grundproblem des
ZBC-Managements: Ehemalige Aktivisten des
Befreiungskampfes, 1980 nach der erreichten
Unabhängigkeit mit Posten belohnt, merken nun, daß ihre
Meriten aus dem Befreiungskampf nicht mehr ausreichen,
sie fühlen sich durch kompetenten Nachwuchs bedroht, den
sie mit allen Mitteln unten zu halten suchen. Die
postkoloniale Gesellschaft Zimbabwes geht durch eine
schwierige Phase, in der Kreativität, riskierfreudige
Initiative, persönliches Engagement noch nicht gefragt
sind.
Das sind die Konditionen für den Versuch, innerhalb
eines unbeweglichen afrikanischen Rundfunksystems den
Nukleus für ein Radio zu etablieren, das den nationalen
Entwicklungsprozeß mit neuen Ideen fördert.
Erstaunlicherweise ist das Radio-4-Projekt trotz schwerer
Rückschläge immer wieder auf die Beine gekommen. Eine
nicht unbedeutende Rolle spielte dabei die Hilfe der
Friedrich Ebert Stiftung, die das Projekt wie einen Kork
auf den Wellen unruhiger Gewässer alle Auf- und
Abbewegungen der politischen Krisenzeit mitmachen sah.
Medienprojekte in Ländern der sogenannten Dritten Welt
sind eben zumal in Zeiten gesellschaftlichen
Umbruchs keine Fabriken, die nach einem einmal
festgelegten Konstruktionsplan ihre Produktion in
vorausberechenbaren Phasen aufnehmen können. Sie müssen
in besonderer Weise in einem hochsensitiven
Politikbereich auf Veränderungen reagieren und sich
neuen Entwicklungen anpassen.
"Wir haben mit dem Vertreter der Stiftung darüber
diskutiert, wie das Programm verbessert werden
kann," sagte Informationsminister Shamuyarira vor
den Leitern von FES-Medienprojekten, die sich 1986 in
Harare versammelt hatten, um 20 Jahre Projekterfahrungen
in aller Welt zu reflektieren. Der Minister räumte
Unzulänglichkeiten ein, versprach jedoch neue
Anstrengungen seiner Regierung, um Radio 4 weiter zu
stärken.
Die Medien-Experten der Friedrich Ebert Stiftung und
Vertreter des für die Projekt-Finanzierung
verantwortlichen Bundesministeriums für wirtschaftliche
Zusammenarbeit lernten in Harare eine Radiostation
kennen, die sich in mühsamen Lernprozessen ein
eigenständiges Profil verschafft hat.
"Unsere wichtigste Aufgabe bei Radio 4 ist die
Herstellung und Ausstrahlung von
Bildungsprogrammen," erläutert Claude Mararike
in der mittlerweile schon etwas langen Abfolge von
Radio-4-Chefs bis 1988 dritter Leiter des Bildungskanals.
Die formalen Bildungsprogramme zur Begleitung des
Grundschulunterrichts würden von einer
Produktionseinheit des Erziehungsministeriums in eigener
Verantwortung hergestellt und bei Radio 4 nur
ausgestrahlt. "Wir kümmern uns um die nichtformalen
Programme für die Hörer auf dem Lande," sagt
Mararike, "zum Beispiel im landwirtschaftlichen
Bereich, neue Methoden, die sie kennenlernen sollen.
Gesundheitsthemen, Gefahren, über die sie Bescheid
wissen müssen. Wir tun dies auf verschiedene Weise
es wird nicht mehr nur im Studio produziert. Mit
unseren zwei Übertragungswagen produzieren wir vor Ort.
Wir können direkt von dort übertragen. Auf diese Weise
beziehen wir die Hörer ein."
Der Übertragungswagen steht in der Nähe von Murewa. Ein
Anhänger ist zur Bühne ausgeklappt, aus dem
Lautsprecher ertönt die Erkennungsmelodie
während des Aufbaus haben sich Frauen und Männer mit
ihrem Werkzeug um das Radio-4-Team versammelt. Sie kommen
von einer nahen Baustelle, wo sie versuchen, bis zum
Beginn der Regenzeit in Eigeninitiative eine Brücke
über den Fluß zu schlagen, dessen steigende Flut sie
bisher regelmäßig von dem kleinen Hospital auf der
anderen Seite trennte.
Alan Ndoro, verantwortlich für die wöchentliche
Sendereihe hat auf der kleinen Bühne Sprecher der Gruppe
und Vertreter der Distrikt-Verwaltung versammelt. Murewa
ist zwei Stunden entfernt von der Hauptstadt, es ist
diesmal nur ein Tagesausflug. In der Regel ist einer der
beiden Übertragungswagen zwei oder drei Wochen im Lande
unterwegs. Die Sendungen werden dort wo eine
Telefonleitung zur Verfügung steht live
übertragen, sonst werden sie aufgezeichnet und später
vom Studio ausgestrahlt. Unterschiedliche Formate lockern
die Programm-Serie auf. Heute entsteht auf der kleinen
Bühne in Gesprächen mit Beteiligten der Bau-Initiative
und mit Liedern zwischendurch ein lebendiges Bild von
Problemen und Fortschritt der Dorfgemeinschaft.
Gelegentlich nehmen die Radio-4-Redakteure
Landwirtschafts- oder Gesundheitsexperten mit, manchmal
auch das zuständige Mitglied des Parlaments in Harare
oder einen Minister. Dann entsteht ein Frage- und
Antwort-Programm, bei dem die Dorfbewohner mit ihren
Problemen nicht hinter dem Berg halten.
Mit den Übertragungswagen kommt Radio 4 auch dem Auftrag
nach, die reiche Lied- und Musik-Kultur der in Zimbabwe
lebenden unterschiedlichen Volksstämme zu konservieren
und zu fördern. Landesweit besucht das Rundfunkteam
regionale Wettbewerbe von Chören und Tanzgruppen. Das
aufgenommene Material wird archiviert und in allen
möglichen Sendungen verwendet. Und das mobile Radio 4
hat noch einen anderen kulturellen Bereich entdeckt, den
es mit einer spannenden Eigeninitiative fördert: Das
noch immer britisch orientierte höhere Schulsystem hat
in Zimbabwe die angeborenen Talente zum Theaterspiel
zumindest nicht verkümmern lassen. Aber nicht
Shakespeares "Kaufmann von Venedig" nach
dem Cambridge-Lehrplan aufgeführt von schwarzen
Jugendlichen auf einer dörflichen Schulbühne
gilt das Interesse der Drama-Abteilung von Radio 4. 1986
rief sie Schulen und unabhängige Jugendgruppen zu einem
Wettbewerb auf. In Shona und in Sindebele, den beiden
wichtigsten afrikanischen Sprachen Zimbabwes, sollten sie
30-Minuten-Hörspiele über von ihnen selbst
identifizierte Alltagsprobleme schreiben. Radio 4
verschickte auf Anforderung einfache Anleitungen für die
Abfassung eines Rundfunk-Drama-Skripts. 18 Skripte von
aus dem ganzen Land eingegangenen Bewerbungen wurden von
einer Jury akzeptiert. Radio 4 schickte einen seiner
Ü-Wagen mit dem Drama-Team auf eine dreiwöchige
Rundreise.
Für Redakteure und Techniker war der Einsatz auch eine
neue Erfahrung. Eine Schülergruppe in Gweru hatte ein
Stück über das Problem junger Mädchen mit den
sogenannten "Sugar Daddies" mit
Männern, die sich an Schulmädchen heranmachen
geschrieben und einstudiert. Der Übertragungswagen wurde
zur Vermeidung von Störgeräuschen weitab
vom Schulgebäude mitten im Feld geparkt. Aber da gab es
eine Szene, die sollte in einem Raum spielen. Das
Radio-4-Team steckte die schauspielernden Mädchen in den
ZBC-PKW, zusammen mit dem Mikrofon die Hörer
werden schon nicht merken, daß die Szene in einem Auto
und nicht in einer Bar aufgenommen wurde.
Vertreter der drei Gewinnergruppen wurden nach Harare in
die Radio-4-Studios eingeladen, und die
Hauptabendnachrichten des Fernsehens präsentierten das
Ergebnis. Der Nachrichtensprecher gab zugleich das Lob
des ZBC-Generaldirektors Kangai für die Arbeit der
Drama-Abteilung von Radio 4 wieder, und der
Generaldirektor ließ es sich nicht nehmen, die
Attraktion dieser Funkform persönlich hervorzuheben:
"Obwohl es eine Nachstellung von Leben im Studio
ist," sagte Kangai, "bringt Drama eine
größere Nähe zur Realität als jede andere Art von
Wortprogramm. Hörer bekommen eine Chance, sich mit den
Charakteren zu identifizieren, nehmen teil an ihrer
Freude und an ihrem Unglück."
Die Wirkung von Hörspielen auch nach der
Unabhängigkeit Zimbabwes vornehmlich eine Domäne des
englischsprachigen Rundfunks, mit Übernahmen von
BBC-Produktionen ist von Radio 4 früh erkannt
worden. Schon 1985 wagte sich der Sender an eine
aufwendige Serie zur Förderung der Kooperativen-Idee.
Auf Shona und Sindebele produzierte das Team in
Zusammenarbeit mit Beratern der Friedrich Ebert Stiftung
insgesamt 22 Folgen von je 15 Minuten Länge. FES
bezahlte die Honorare für den Autor, die
Laien-Schauspieler und einen einheimischen, sonst mit
Werbesendungen beschäftigten Regisseur, dessen Aufgabe
es zugleich war, Mitglieder der Drama-Abteilung bei
dieser Produktion zu trainieren.
Ob die Hörspielserie den Willen zur Gründung von mehr
Kooperativen gefördert hat, kann bezweifelt werden;
politisch ist diese Idee von der ökonomischen
Kehrtwendung der Regierung im Jahr 1989 weg vom
Sozialismus hin zur Marktwirtschaft mit der Einladung an
ausländische Investoren inzwischen wohl eher
überholt. Aber sie hat den Radio-4-Redakteuren
praktische Erfahrungen vermittelt, die inzwischen mit
internationalen Preisen belohnt wurde. Beim
gesamtafrikanischen URTNA-Wettbewerb des Jahres 1987
wurde ZBC-Radio 4 mit dem zweiten Preis für das
Hörspiel "Changes" in drei Teilen der
ghanaischen Autorin Ama Ata Aidoo ausgezeichnet:
In der Hotelhalle einer afrikanischen Metropole treffen
sich zufällig zwei alte Freundinnen, die eine,
glücklich verheiratet, die andere hat Erfolg im Beruf
aber ihre Ehe ist "kaputt". Durch drei
Folgen erleben die Hörer den Versuch der jungen Frau,
ihren Unabhängigkeitsdrang mit den Gegebenheiten
afrikanischer Vorstellungen zu vereinbaren. Und sie
agiert auf verblüffende Weise. Ein neuer Freund
selber verheiratet, der sie zur Ehe drängt, nachdem er
sich selber würde scheiden lassen wird mit dem
Ansinnen konfrontiert, männliche Tradition in einer
afrikanischen Gesellschaft für eine Frau gelten zu
lassen. Sie will gerne mit ihm zusammenleben aber
als seine, offizielle, zweite Frau!
Der Austausch von Erfahrungen nicht nur im
Rundfunkbereich findet höchst selten zwischen
afrikanischen Nachbarn statt. Das hat sicherlich etwas zu
tun mit einer durch Entwicklungshilfe geprägten
Grundhaltung, die sozusagen eine materielle Zugabe aus
dem industrialisierten Teil der Welt erwartet. Zugleich
scheitert aber oft die Vermittlung von Ergebnissen
praktischer Erfahrung in der Zusammenarbeit von Schwarz
und Weiß, weil hinter professioneller Argumentation
weiße Arroganz gewittert wird. So schmeicheln zwar
gelegentliche Co-Produktionen zum Beispiel mit der
Deutschen Welle dem Selbstwertgefühl von ZBC, sie
bringen sicherlich den Radio-4-Kollegen während der
jeweils mehrwöchigen Zusammenarbeit mit erfahrenen
Redakteuren aus Köln zusätzliche Routine, aber
wichtiger sind Erfahrungen bei der Identifizierung und
Umsetzung eigener Programmideen. Und da hat Radio 4 den
Durchbruch geschafft:
Im Frühjahr 1988 verkündeten die Fernseh-Nachrichten
eine neue Initiative des Radio-4-Projekts. Zuschauer
konnten beobachten, wie Frauen angeleitet durch
ZBC-Techniker lernten, mit
Radio-Kassettenrecordern umzugehen, die von der Friedrich
Ebert Stiftung zur Verfügung gestellt, und nun vom
Generaldirektor der Zimbabwe Broadcasting Corporation den
ersten 9 Hörerclubs von Radio 4 übergeben wurden. 25
Clubs, alle von Frauen organisiert, sind mittlerweile in
drei Distrikten nahe der Hauptstadt aktiv. Sie bilden den
Kern einer Operation, die 1989 zunächst auf das
Matabeleland im Westen Zimbabwes ausgeweitet wurde und
später alle Provinzen des Landes einschließen soll.
Mavis Moyo, die stellvertretende Leiterin des
Bildungskanals, verweist darauf, daß viele Menschen auf
dem Lande noch nicht in der Lage sind, zu lesen und zu
schreiben.
"Wir wollen die Menschen ermutigen, mit den
Autoritäten zu kommunizieren, die nicht immer zu ihnen
auf's Land kommen können," sagt Mavis Moyo.
"Unsere Redakteure holen Antworten auf ihre Probleme
von den betroffenen Behörden und Organisationen ein
an ihrer Stelle, durch das Radio."
Anders als bei fehlgeschlagenen Versuchen in Afrika oder
Südamerika, sind die Radio-4-Hörerclubs in Zimbabwe
keine passiven Einrichtungen, in denen Programme nur
angehört und diskutiert werden. Die Frauen nehmen
Stellung zu handfesten Problemen in ihrer Gemeinschaft
auf Kassette auf. Ein Koordinator von Radio 4, selber ein
erfahrener Rundfunkmann, besucht sie regelmäßig, gibt
technische Ratschläge, bringt ihnen Batterien die
die Frauen selber bezahlen und ist im übrigen
für die Gestaltung der wöchentlichen
Halbstunden-Sendung verantwortlich, in der nicht bloß
die Frauen zu Wort kommen, sondern üblicherweise auch
eine Antwort im Originalton von zuständigen
Behördenvertretern enthalten ist. Das geht nicht immer
problemlos ab. Die Zweiwege-Kommunikation ist eine neue
und ungewohnte Qualität demokratischer Willensbildung.
Der Koordinator hat sich schon manch böses Wort von
in ihrer Bürokraten-Ruhe gestörten
Autoritäten anhören müssen. Darüberhinaus muß er
ständig mit Transportproblemen kämpfen. Aber seine
Club-Sendungen sind schon nicht mehr bloß ein
Experiment. Selbst in schwieriger werdenden politischen
Zeiten dürfte es ZBC schwerfallen, eine Absetzung dieses
Programms ohne Widerstand seiner Hörer durchzusetzen.
In Abwesenheit eines Politik-Dokuments für Radio 4 haben
sich die Mitarbeiter des Bildungskanals ihre Aufgabe
selber definiert. Und diese Definition gibt ihnen die
Chance, immer wieder die Grenzen von Meinungsfreiheit
auszutesten. In einer Studio-Diskussion unter der
Verantwortung des mittlerweile vierten Leiters von Radio
4 wurde die Bildungsaufgabe im Mai 1989 'mal wieder bis
an den Rand dieser Grenze getrieben: Die von Präsident
Mugabe vorgenommene ökonomische Kehrtwendung mit der
Einladung an ausländische Investoren wurde mit dem
"Ausverkauf Zimbabwes durch den Ndebele-König
Lobengula an Cecil Rhodes" vor 100 Jahren
verglichen. Der Radio-4-Chef wurde suspendiert
aber, eine neue Qualität von Selbstbewußtsein, er
drohte, sich einen Anwalt zu nehmen! Erstmals machte sich
auch die junge Journalistengewerkschaft für ihn stark.
Nach sechs Wochen durfte er zurück zu Radio 4.
WHERE YOU CAME FROM - WOHER SIE KAMEN
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