STORY 2



Die selige Ambuya

Titus Nyaude und seine Familie wohnen in Seke, einem Vorort der zimbabweschen Hauptstadt Harare, wo er - wie viele seiner Nachbarn - Steine in Skulpturen verwandelt. Ich sehe ihm gerne bei der Arbeit zu, das Entstehen einer Skulptur fasziniert mich immer wieder. Struktur und Form des Steines, die Qualität der Werkzeuge, Kreativität und Gewandtheit des Künstlers, und die Stimmung, in der er sich befindet, sind ausschlaggebend.

Einmal schlug mir Titus vor, mit ihm nach Mutoko in den Steinbruch zu fahren, um Nachschub an Steinen zu holen. Ich stimmte zu, denn ich war neugierig. Zur vereinbarten Zeit holte ich ihn ab. Mit uns fuhren seine Frau, seine beiden jüngsten Kinder, sein Schwager und dessen Freund. Im Steinbruch wendeten und drehten sie jeden Stein, achteten auf Adern, Form und Größe. Die für gut befundenen Steine wurden in den Landcruiser verfrachtet. Die Ladefläche senkte sich bedenklich.

Schließlich traten alle Mitfahrer mit angezogenen Beinen die Rückfahrt an. Unterwegs hielten wir an, denn Titus wollte Maisbier für seine Mutter kaufen, die an der Landstraße zwischen Mutoko und Murewa lebt.

Nach Einbruch der Dunkelheit erreichten wir ihr Gehöft, wo sie in einer Kochhütte auf einer Matte saß, es roch nach Holzfeuer. Wasser kochte in einem großen Topf. Sie war sehr erfreut über die unerwarteten späten Gäste. Gleich zog sie die Kinder an sich, rieb die nackten Beinchen und Arme warm - nahm sie unter ihre Fittiche.

Die Männer nahmen auf der erhöhten Wandbank Platz. Wir Frauen setzten uns auf die geflochtene Grasmatte am Feuer. Wir klatschten, dem traditionellen Shona-Zremoniell folgend, die Hände. Ich wurde vorgestellt als shamwari - Freundin der Familie - aus Germany, die in Harare wohnt. Neuigkeiten wurden ausgetauscht, während ambuya, Titus’ Mutter, Holz nachlegte. Plötzlich stieg ein vertrauter Duft in meine Nase: Der Tee war fertig. Genüßlich schlürften wir ihn, während ambuya mit flinken Fingern Gemüse zupfte, Tomaten und Zwiebeln schnitt. Jeder Griff saß. Verwandte und Nachbarn kamen, um uns zu begrüßen. Die Frauen wurden sogleich einbezogen in die Vorbereitung des Abendessens. Zwei Hühnchen wurden geschlachtet, gerupft und ausgenommen, sie wanderten in den vorbereiteten Topf...

...während Titus erwähnte, daß er ein Geschenk für seine Mutter mitgebracht habe. Sie sollte erraten, was es ist. "Es riecht gut, schmeckt gut, und es tut gut." Alle rieten mit - alle wußten es bald. Ein Strahlen ging über ihre Gesichter.

Inzwischen wurde Maismehl in kochendes Wasser geschüttet, durch kräftiges Rühren entstand ein klümpchenfreier dicker Maisbrei, der sadza genannt wird. Er mußte dann noch eine Weile ziehen, um das volle Aroma zu entfalten. Eine Schüssel mit warmem Wasser wurde zum Händewaschen herumgereicht. Ambuya bereitete die Teller vor. Die Kleinen bekamen zuerst, denn sie haben noch nicht gelernt, zu warten. Es war genug für alle da. Mit den Fingern wurden kleine Maisbreikugeln geformt und in die Soße getaucht, und zusammen mit etwas Gemüse und Hühnchenfleisch verschwand alles nach und nach in unseren Mündern. Die plötzlich einsetzende Stille machte klar, daß es allen schmeckte. Wieder wurden Schüssel und Tuch gereicht, um die Finger zu säubern. Ein Becher frisches Wasser vom Brunnen löschte den Durst. Alle schienen zufrieden und entspannt, fröhliche Stimmen schwirrten wieder durch den Raum. Schließlich überreichte Titus sein Geschenk - das in einem braunen Plastik-Container gekaufte Maisbier.

Viele "Ahs" und "Ohs" begleiteten die Übergabe. Er erzählte von einem Fest, das er als Kind erlebt hatte, als ambuya nach der Ernte noch selbst Bier braute. Inzwischen haben die Schwiegertöchter diese Arbeit übernommen - das Ernten und das gelegentliche Bierbrauen. Nur selten kann es sich ambuya leisten, vom industriell hergestellten "Chibuku" zu kosten. Aber der Effekt, so schien mir nach der Erzählung von Titus, war ähnlich: ambuya’s Gesicht strahlte voller Seligkeit.

In ihren Armen schliefen schon die Kinder. Spät war es geworden. Wir weckten sie und verließen die Geborgenheit der Rundhütte. Im ersten Moment war es stockdunkel, doch schnell gewöhnte sich das Auge an das Sternenlicht, und wir entdeckten das "Kreuz des Südens". Ich schaltete die Scheinwerfer des Landcruisers ein, und wir fuhren zurück nach Seke, wo Titus für mich seine Kindheitserinnerung an die selige ambuya in Stein meißelte.




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