MICHAEL GEYER

Erinnerungen an einen Freund, der nicht bloß journalistisches Vorbild wurde
     
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  "DIE HAUEN DOCH VOR DEM KOMMUNISMUS AB"

Texte einer Ausstellung des Bremer Übersee-Museums, 1978
von Klaus Jürgen Schmidt & Michael Geyer

Nachgedruckt in "LEBEN IM REISFELD - Reportagen aus Vietnam, Laos und Kampuchea"
Klaus Jürgen Schmidt, Peter Hammer Verlag, Wuppertal, 1984
 
FLUCHT-MOTIVE


Motiv: Angst vor Vergeltung

Als für die Amerikaner nichts mehr zu retten war, brachten sie mit Flugzeugen und in den letzten Stunden mit Hubschraubern vietnamesische Mitarbeiter und deren Familien außer Landes (130.000). Es folgten in der ersten Nachkriegsphase im Stich gelassene Angehörige der 500.000-Mann-Armee des Saigoner Regimes, der Beamten-Hierarchie, des Polizei-Apparates. Als das vorausgesagte Blutbad der Kommunisten ausblieb und stattdessen 100.000 Ex-Offiziere and Ex-Funktionäre in Umerziehungslager gebracht wurden, machte sich neue Angst breit - geschürt durch (dokumentierte) Radio-Propaganda von Geheimsendern: "Wir lassen unsere Freunde nicht im Stich - vor der Küste warten unsere Schiffe!"

Motiv: Keine Chancen mehr für Nutznießer des alten Systems

Allein zwischen 1954 und 1966 pumpten die USA 8,5 Millarden Dollar nach Südvietnam. Sie bezahlten 86 % des Militär-Haushaltes und 74 % des Wirtschaftsbudgets. Das Geld landete nach amerikanischen Untersuchungen nahezu ausschließlich in privaten Taschen (US-Senator Kennedy 1968: "Wir wissen seit Jahren, daß die Korruption in Südvietnam allgegenwärtig ist.") Es profitierte nicht bloß die Oberschicht, sondern auch der kleine Händler auf dem Schwarzen Markt. Auch er war betroffen, als nach der Befreiung der Nachschub an Konsumartikeln ausblieb und die Befreier das System von Konsum- auf Bedarfswirtschaft umstellten.

Motiv: Chinesische Minderheit

Hauptbetroffene von dieser Umstellung waren im Frühjahr 1978 die chinesischen Händler, als das neue Regime 3 Jahre nach Kriegsende den Reishandel verstaatlichte. Sie hatten 80 % der südvietnamesischen Geldwirtschaft und vor allem den Reishandel beherrscht. Vor dem Hintergrund des wachsenden Konflikts zwischen Hanoi und Peking hatten die Nachfolger Mao Tse-tungs mit massiver Propaganda die Furcht auch der chinesischen Kleinhändler vor Repressalien der neuen vietnamesischen Machthaber geschürt. 160.000 machten sich auf den Weg in die chinesische Volksrepublik, 50.000 wählten den lebensgefährlichen Weg über das Meer. Im sozialistischen Vietnam gibt es keine Perspektive mehr für privates Gewinnstreben.

Motiv: Hoffnung auf Alternativen

Der Luftkrieg der Amerikaner und ihrer südvietnamesischen Söldner-Armee hat in einer Dekade zu einem bei uns kaum wahrgenommenen Flüchtlingsproblem innerhalb Südvietnams geführt. Millionen Menschen flohen vor den Bomben in die Städte oder wurden in "Strategische Wehrdörfer" umgesiedelt. Saigon, beispielsweise, einst geplant für nicht mehr als 400.000 Einwohner, beherbergte am Ende des Krieges vier Millionen! In Zentral-Vietnam waren Anfang 1966 schon eine Million Menschen in Flüchtlingslagern untergebracht. Hunderttausende Bergbewohner wurden in KZ-ähnliche Wehrdörfer vertrieben - Menschen, die einst in der Landwirtschaft arbeiteten. Die Befreier sahen sich mit zwei Hauptproblemen konfrontiert: Massen-Arbeitslosigkeit in den Städten auf der einen Seite, Mangel an Arbeitskräften im notwendigen Reis-Anbau auf der anderen. Aber die Felder sind übersät mit Minen und Blindgängern, einst fruchtbare Landstriche sind verbrannt oder vergiftet! In "Neuen Ökonomischen Zonen" muß ganz von vorn angefangen werden - das bedeutet härteste körperliche Arbeit für Menschen, die das sozialistische Regime für die neuen Entbehrungen verantwortlich machen.

Motiv: Hunger

Nichts hatten die Amerikaner unversucht gelassen, die vietnamesische Befreiungsfront in die Knie zu zwingen - heute kämpft das befreite Land mit den Folgen: Vergifteter und verbrannter Boden, zerbombte Deiche und Bewässerungsanlagen - die entblößte Erde ist in der Monsunzeit den Regenstürmen und in der Trockenzeit der Dürre ausgeliefert. Die für den Reisanbau unentbehrlichen Zugtiere, die Wasserbüffel-Herden, sind gezielt zusammengeschossen. Der Fischfang ist um die Hälfte reduziert - 5.000 gestohlene Fischerboote fordern ihren Tribut. Während der schlimmsten Zeit des Krieges standen den Kämpfern pro Monat 15 bis 18 Kilo Reis zur Verfügung, heute ist für jeden eine Ration von drei Kilo das Maximum.

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