Internationale Tagung in Loccum vom 22.- 24.06.2001
Süd-Nord-Kommunikation auf dem globalen Medienmarkt

Jörg Kruse & Bea Schallenberg
Internship bei Radio Bridge Overseas (RBO)
in Harare, Zimbabwe

 

1. Ziele RBO's

Zu den definierten Zielen und wahrgenommenen Aufgaben von RBO zählen

· der Aufbau eines Journalisten-Netzwerkes im Süden zur Identifikation von Themen und Produktion von Beiträgen,
· die Bereitstellung der entsprechenden technischen Möglichkeiten zur Produktion,
· die Anleitung zur selbständigen Handhabung moderner Produktionstechnologien und die Anwendung professioneller formaler Maßstäbe,
· die Produktion von Hörfunkprogrammen in verschiedensprachigen Versionen, wobei der Schwerpunkt auf englischsprachigen Programmen liegt, die dann ins Deutsche synchronisiert werden,
· der Verkauf der Produktionen in Europa (Schwerpunkt Deutschland) und den USA,
· und die das Angebot von Praktika für junge deutsche und afrikanische Journalisten in Simbabwe Durchführung von gemeinsamen Workshops bzw. Internships mit deutschen und afrikanischen Journalisten als Teilnehmer,
· die Vermittlung zwischen afrikanischen Wahrnehmungs- und Erzählgewohnheiten und europäischen bzw. nordamerikanischen Hörgewohnheiten und damit die Intensivierung der Süd-Nord-Kommunikation,
· sowie die ebenfalls angestrebte Unterstützung der Süd-Süd-Kommunikation.


2. Programmphilosophie RBO's

Die Produktionen (im wesentlichen Radiofeatures) berücksichtigen in grundlegenden Zügen folgendes: Sie lassen Menschen des Südens bzw. des betroffenen Landes oder Kontinents aus unterschiedlichen Schichten zu Wort kommen und beinhalten eine bewusst subjektive Darstellungsform des aus dem Süden stammenden und an der Geschichte ‘beteiligten’ Autors.

Durch die Darstellung der Problematik aus afrikanischer Sicht wird bei den Beiträgen deutlich, dass auch Fragen aufgeworfen werden, die in der öffentlichen Diskussion der Industrieländer, in diesem Fall Deutschlands, kaum zu hören sind.


3. Grundlagen afrikanischer Erzählformen und ihre Gegensätze

Die afrikanische Erzählweise ist, im Gegensatz zu der in den Industrieländern, eng mit der oralen Tradition verbunden und damit wesentlicher Ausdruck afrikanischer Kultur (vgl. Becker 1996b: 31). Diese Erzählweise ist der Tradition der sogenannten ‘Storytellers’ nachempfunden. Hier werden, wie bereits erwähnt, wesentliche Bestandteile des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens mündlich überliefert. Während der Vermittlung von Werten, Normen und Mythen sind sowohl die Zuhörer als auch der Erzähler an der Geschichte beteiligt.

Aus Sicht eines afrikanischen Journalisten sind die Kollegen aus den Industrieländern Opfer von Verschriftlichung und einer Lebensform geworden, die sich auf das Tatsächliche, das Wirkliche und Zweifellose beschränkt, sich allein auf gesammelte Erfahrungen beruft und jegliche Metaphysik als theoretisch unmöglich und praktisch nutzlos ablehnt.

Journalisten aus dem Norden sind aufgrund ihres anderen kulturellen Hintergrundes nicht in der Lage, die offensichtlich ihrer Perspektive nach irrationale Tiefe einer oralen südlichen Gesellschaftsstruktur zu begreifen und nachzuvollziehen.

Ergebnis:
Folglich wird auf beiden Seiten von unterschiedlichen Wirklichkeitskonzepten ausgegangen. (Vgl. Tomaselli/Shepperson 1996: 8) Beobachtung, Wahrnehmung und Konstruktion vollziehen sich demnach unter verschiedenen kulturellen Voraussetzungen.

RBO beharrt darauf, dass die für die Medienorganisation arbeitenden afrikanischen Journalisten eine durch orale Tradition geprägte kulturelle Sichtweise in ihren Beiträgen zugrunde legen. Die Autoren arbeiten nicht aus scheinbar objektiver Distanz heraus, sondern verstehen sich als Teil des Gegenstandes über den sie berichten, nämlich ihrer Kultur und Gesellschaft.


4. RBO-Internships

4.1 Ziel
Die Relativität des eigenen „Bezugs- und Interpretationssystems" (Maletzke 1996: 24) wird erst durch die Konfrontation mit einer möglicherweise ganz anderen Sicht der Dinge deutlich. Wichtigstes Ziel des Internships und Grund für die Anwesenheit nördlicher Journalisten bei RBO in Simbabwe ist die Vermittlung von unterschiedlichen, kulturell bedingten, in diesem Fall nördlichen Hörinteressen und Hörgewohnheiten.

4.2 Anfänge
Mitte 1995 machte RBO durch Aushänge an Deutschen Universitäten, Journalistenschulen und anderen Ausbildungszentren Studenten der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft mit Praxiserfahrungen im Hörfunkbereich und angehenden Journalisten das Angebot, ein vierteljähriges Praktikum bei RBO zu absolvieren.

Laut Schmidt wurden bewusst Studierende ausgewählt, die sich noch in der Ausbildung befinden. Diese hätten zwar sowohl technische als auch theoretische Kenntnisse, seien jedoch am Beginn ihrer journalistischen Laufbahn noch offen genug in Hinblick auf die Beschäftigung mit Randthemen und fremden Kulturen.

Im April des darauf folgenden Jahres wurde mit dem ersten Internship begonnen, an dem vier deutsche und vier afrikanische ‘Interns’ teilnahmen. Das zweite, sich anschließende Internship wurde von Juli bis September mit jeweils drei Teilnehmern, das dritte, von September bis Dezember, und vierte von Januar bis März mit jeweils zwei Interns durchgeführt.

Sowohl afrikanische als auch deutsche Journalisten sollten von Beginn an gemeinsam an der Programmentwicklung - also an der Themenfindung, der Recherche, der Erstellung der Manuskripte und den jeweiligen Programmproduktionen - arbeiten.

Wichtigster Aspekt bei der Durchführung des Internship-Programms ist die von Anfang an festgelegte Rolle der afrikanischen und deutschen Teilnehmer. Ausschließlich die afrikanischen Journalisten sind Autoren der erzählten Geschichten. Sie legen das Thema des Beitrages fest, bestimmen den Vorgang bei der Recherche und selektieren die ihnen wichtig erscheinenden Passagen aus dem gesammelten Tonmaterial. Anhand dieser ersten Planung wird ein Skript verfasst und dies sowohl dem Chefredakteur Klaus Jürgen Schmidt, dem Subeditor Nick Ishmael-Perkins und den übrigen Teilnehmern vorgestellt.

Den deutschen Teilnehmern wird, so Schmidt, „nicht erlaubt" eigene Stories zu produzieren. Sie treten aber in eine Diskussion ein, nachdem die Bedeutung des Themas in afrikanischem Kontext seitens der südlichen Teilnehmer erklärt ist und über die mögliche Gestaltung des Beitrages gemeinsam nachgedacht wird. Die deutschen Interns sind

Schmidt: „[...] die guinea-pigs, wie man im Englischen sagt, die Versuchskaninchen [...], der erste Hörer, der erste ausländische Nordhörer für den afrikanischen Journalisten, der denen sagt: ‘Das kapier ich nicht. Das, was du mir hier erzählen willst, das kapier ich nicht, das hab ich ganz anders gehört, oder das sind Geschichten, da musst du mir noch einen ganz anderen Hintergrund erklären’."

Durch die Gegenwart von Vertretern zweier unterschiedlicher Kulturen ergibt sich eine unmittelbare, direkte Diskussion über Bedeutung und Darstellung eines Themas, das in einem afrikanischen Kulturkreis eine jeweils andere Gewichtung erfährt als in einem der Industrieländer.

Vor einer Ausstrahlung des Beitrages aus afrikanischer Sicht im Norden, hat der am Internship beteiligte afrikanische Journalist die Möglichkeit, Teile seiner bisherigen Darstellung zu verändern und gegebenenfalls in abgeänderter Fassung den Sachverhalt tendenziell anders zu beleuchten. Dabei soll keineswegs die afrikanische Erzählform in den Hintergrund geraten oder grundlegend verändert werden. Vielmehr können Aspekte zu einzelnen Themen ergänzt und möglicherweise anders strukturiert werden, so dass sie auch für Hörer eines anderen Kulturkreises verständlich werden.

Über diese Aufgabe der interkulturellen Diskussion hinaus leisten die nördlichen Journalisten Assistenz beim Gebrauch der technischen Geräte während der Recherche, der geführten Interviews und der digitalen Produktion der Beiträge. Sie übersetzen und sprechen die englischen Originalfassungen außerdem ins Deutsche. In technischer Hinsicht wird besonders auf die hohe Qualität der Beiträge geachtet. Das betrifft sowohl den Schnitt als auch die Synchronisation, da die Beiträge prinzipiell sendefähig sein sollen. Sprechübungen vor dem Mikrophon gehören daher ebenso zur Ausbildung.

Wenn Medien also Wirklichkeitsentwürfe liefern (vgl. Weischenberg 1992b: 60), so treffen hier Wirklichkeitsentwürfe von Journalisten aufeinander, die kulturspezifischen Werten und Meinungen zugeordnet werden können und auf eben dieser Grundlage interpretiert werden. Laut Schmidt ist das Internship der Versuch, „Brücken zu bauen". Afrikanischen Journalisten soll durch die Arbeit bei RBO

Schmidt: „[...] beigebracht werden, dass sie in einer Weise erzählen, die Leute aufmerksam werden lässt. Warum sollen die interessiert sein, draußen in Frankreich, in Deutschland, Amerika, England? Eine Hausfrau die das Radio einschaltet und sagt: ‘Oh, das ist ja interessant’. Und das kann sie nur sagen, wenn es ihr entgegen kommt als ein Programm, wo sie Mechanismen hat, die sie versteht. [...] wenn es denn für wichtig gehalten wird, dass Afrika sich selber darstellt durch trainierte gute Storytellers, durch Geschichtenerzähler, müssen sie den nächsten Schritt gehen und sagen, ich muss mein Publikum abholen, dort wo es ist. Ich muss Mechanismen benutzen, die sie kennen."

4.3 Ergebnis:
Das Internship trägt dazu bei, dass afrikanische Journalisten die Gelegenheit haben, ihre Programme so zu gestalten, dass sie das Interesse der Hörer in Industrieländern wecken ohne ihre Botschaft korrumpieren zu müssen. Wenn dies gelingt, sind beide Seiten an einer Verbesserung der Süd-Nord-Kommunikation beteiligt.


5. Themenfindung

Im Falle von RBO zeigte sich, dass typische Themen der Nordkorrespondenten, wie Katastrophen, Hungersnöte und bittere Armut, für die einheimischen Autoren keinesfalls oberste Priorität besaßen. Für Korrespondenten aus dem Norden wurde die Wahrnehmung für Themen geschärft, die alltäglich schienen.

Wichtig bei der Themenfindung ist das Interesse des afrikanischen Journalisten an einem bestimmten Thema. Er kann über etwas berichten, was er schon immer einmal mitteilen und zu einem Beitrag machen wollte, wozu ihm jedoch beim staatlich kontrollierten Rundfunk ZBC wenig Gelegenheit geboten wurde, da die staatsnahen Medien in Simbabwe, mit Ausnahme von Radio 4, meist wenig Interesse an Alltagsgeschichten haben.

5.1 Probleme
Ist der Gegenstand des späteren Beitrages bestimmt, beginnt die Recherche. Journalistisches Recherchieren kann gelernt und in methodischen Schritten durchgeführt werden (vgl. Haller 1989: 36 f.). In Entwicklungsländern gestaltet sich das Recherchieren jedoch oft schon wegen der äußeren Umstände als schwierig und findet unter anderen Voraussetzungen statt als in einem Industrieland. So schreibt der Reporter zwar einen Rechercheplan, nach dem er vorgehen will, dennoch muss er häufig umdisponieren.

Beispiele:
Abgelegene Dörfer sind nicht an das ohnehin schlechte Verkehrsnetz angebunden. Stundenlange Wartezeiten an Bushaltestellen und Bahnhöfen gehören zur Tagesordnung und müssen in Kauf genommen werden (vgl. Schmidt 1990: 245 f.). Private Personenwagen sind wegen der hohen Devisenbeschränkungen bis auf wenige Ausnahmen für die meisten schwarzen Afrikaner - und damit auch für die Korrespondenten bei RBO - unerschwinglich. Termine mit Interviewpartnern können oft nicht per Telefon, Fax oder Post vereinbart, geschweige denn verschoben oder vorverlegt werden. In vielen Dörfern erreicht die Post nur alle paar Tage ihre Adressaten. Dementsprechend kommt es vor, daß Informanten manchmal gar nicht angetroffen werden, da sie die Mitteilung, daß ein Interview mit ihnen geplant ist, nicht rechtzeitig erreicht hat und sie sich beispielsweise in einem oft mehrere Stunden Fußmarsch entfernten Dorf befinden.

Eine präzise Vorrecherche ist in Simbabwe und den umliegenden Ländern deshalb nur begrenzt möglich. Häufig hat der Journalist nur etwas über eine Person, über einen bestimmten Ort oder einen Mythos gehört oder kennt Menschen aus einem Dorf oder einer Familie, die ihm etwas zum Thema erzählen. Diese Informationen können häufig nicht gezielt überprüft werden, indem Fakten und Quellenmaterial aus Archiven und Bibliotheken abgerufen werden wie in einem Erste-Welt-Land. Denn Archive in Afrika stehen ebenso wie Bibliotheken nur begrenzt und schlecht ausgestattet zu Verfügung und sind, wenn überhaupt, nur in den Metropolen zu finden.

Die Recherche vor Ort lässt sich ebenfalls nur schwer planen. Der Faktor Zeit spielt dabei eine große Rolle und hat in Afrika nicht die Bedeutung wie in den nördlichen Ländern (vgl. Maletzke 1996: 53 ff.). Wenn beispielsweise ein Bus erst viele Stunden später als geplant sein Ziel erreicht, so nützt auch der beste Rechercheentwurf nur wenig und muß gegebenenfalls kurzfristig geändert werden. Wenn also bei seriösen deutschen Journalisten „Recherche vor Ort mit Zufall so viel zu tun hat wie Ulla Kock am Brink mit Montserrat Caballé" (Großekathöfer 1997: 63) - nämlich gar nichts, so gilt das nicht für Simbabwe.

5.2 Unterschiede
Sieht man von den äußeren Umständen einmal ab, die die Recherche in einem Entwicklungsland erschweren und zum Teil erheblich von der in einem Industrieland unterscheiden, so ist sie deshalb von der westlichen Arbeitsweise grundverschieden, da sie von einem afrikanischen, für RBO arbeitenden Journalisten durchgeführt wird. Ziel des Recherchierens ist hier keineswegs die scheinbare objektive Genauigkeit der Darstellung, sondern die subjektive Annäherung an ein Thema. Der Journalist ist Teil der Geschichte, die er erzählen will. Er ist nicht unvoreingenommen, sondern geprägt durch seine Herkunft, seinen kulturellen Hintergrund. Seine Interviewpartner bringen in Hinblick auf Herkunft und kulturelle Zugehörigkeit gleiche Voraussetzungen mit. So werden meist schon bei der Begrüßung rituelle Handlungen zwischen Fragendem und Befragtem ausgetauscht, die genauso wie die gemeinsame Hautfarbe und das Beherrschen einer der landesüblichen Sprachen Shona oder Ndebele Vertrauen zwischen den Kommunikationspartnern schafft.

Der Auslandskorrespondent kann sich zwar die landesüblichen Riten und Sprachen aneignen, sie können jedoch kaum so verinnerlicht werden, dass sie nicht erlernt wirken. Menschen unterschiedlicher Sozialisationen haben andere Weltanschauungen und emotionale Beziehungen. Sie schätzen diese unterschiedlich ein und bewerten sie jeweils anders. Erst eine länger andauernde Konfrontation der eigenen Denkmuster mit den fremden kann dies möglicherweise verdeutlichen. Für eine entsprechend lange Konfrontation braucht man Zeit. Die hat der Korrespondent aus dem Norden häufig nicht. So wird zwar kommuniziert, ein Dialog findet jedoch nicht statt, die Missverständnisse bleiben daher oft unerkannt. (Vgl. Schmidt 1990: 60 f.)


6. Fazit, Aussichten

Inwieweit haben die Originalstimmen Afrikas zukünftig eine Chance auf dem globalen Medienmarkt? Multimediale Zukunftsversionen lassen die Welt zusammenwachsen und gleichzeitig befürchten, dass die Weltbevölkerung gespalten wird in eine technisch versierte Info-Elite und eine „Masse von Info-Habenichtsen" (Bredow/Kerbusk 1998: 67).

Im ‘Global Village’ wird Simbabwe nicht an der Hauptstraße liegen, die durch das Dorf und schließlich auf den Informationshighway führt, sondern vielmehr am Ende eines schlecht ausgebauten Schotterweges, der möglicherweise ausgebaut wird, vielleicht aber auch zuwuchert: Simbabwe, lange Zeit eines der Musterländer im Südlichen Afrika, steckt derzeit in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Inflationsrate steigt, weitere drastische Preissteigerungen werden auf dem Sektor der Grundnahrungsmittel erwartet. Arbeitslosenquoten von über 50 Prozent und die daraus resultierende wachsende Armut bringen die nach der Unabhängigkeit erreichte politische Stabilität des Landes ins Wanken (vgl. Stratmann 1998: 48) und lassen vermuten, dass der Großteil der Menschen in Simbabwe mit dem Erhalt ihres bisherigen Lebensstandards beschäftigt sein wird. Afrika, der Krisenkontinent?

Die orale Tradition beeinflusst bis heute den Umgang mit den Medien in Simbabwe. Haben die durch Oralität geprägten Hörfunkbeiträge afrikanischer Journalisten tatsächlich eine Chance auf Verbreitung in Industrieländern mit visueller Tradition, wo das Fernsehen mehr und mehr die Realität der Rezipienten bestimmt? Wer setzt sich im Online-Zeitalter noch vor das Radio und lauscht gespannt einem Feature? In den Industrieländern verbringt ein immer größerer Teil der Bevölkerung die ‘knappe’ Zeit lieber damit, im Internet zu surfen.

In Deutschland ist es bisher sowohl beim Hörfunk als auch beim Fernsehen nur bei Ansätzen geblieben, die Afrikaner an der Berichterstattung aus ihrem eigenen Kontinent zu beteiligen. Einen ausgewogeneren Informationsfluss zwischen dem Süden und dem Norden herzustellen, würde aber gerade eine vermehrte Beteiligung von Journalisten aus den Entwicklungsländern bedeuten und hieße darüber hinaus, ihre Länder nicht nur im Moment der Krise blitzlichthaft aufscheinen zu lassen, sondern Entwicklungen zu verfolgen und sich bewusst zu machen, wie vorschnell eigene Urteile sind.

Die meisten Experten beurteilen die zukünftigen Entwicklungen der Auslandsberichterstattung pessimistisch. So würden sich die Arbeitsbedingungen der Korrespondenten ebenso verschlechtern wie die Produktqualität. Der Kampf um Markanteile und Aktualität verleitet mehr und mehr zu sensationsheischenden Blitzmeldungen und so werden sich vermutlich alle Sender aus Wettbewerbsgründen diesem Trend anpassen. Der bereits zum jetzigen Zeitpunkt reduzierte Anteil der Berichterstattung aus dem Ausland wird sich weiter verringern, die Chance auf Verbreitung fundierter Hintergrundbeiträge wird weiter sinken. (Vgl. Kirschstein 1996: 235) Das in der NWIKO definierte Ziel eines ausgewogeneren und vermehrt von Süd nach Nord fließenden Informationsflusses ist mehr denn je aus dem Blickwinkel geraten.

Die bedingte Abnahme von RBO-Beiträgen im Norden macht deutlich, dass die Medienorganisation ihre Programme am Markt vorbei produziert. Offensichtlich besteht eine Dissonanz zwischen dem, was RBO als nördliche Hörgewohnheiten bezeichnet, und dem, was in Industrieländern als Hörgewohnheit empfunden wird. Dieser Missklang verlangt nach Auflösung, wenn RBO tatsächlich Stimmen des Südens für Hörer im Norden zugänglich machen will. Publizistischer Erfolg beinhaltet, dass Rezipienten erreicht werden. Wie Hans-Josef Dreckmann bei der diesjährigen Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises richtig bemerkte, kann ein Korrespondent nur so gut sein, wie er Sendeplätze findet. Wenn er singt und nicht gehört wird, nützt das nichts. Dies gilt nicht nur für Journalisten aus Industrieländern, sondern ebenso für Korrespondenten aus der Dritten Welt. RBO wird sich daher langfristig den Gesetzen des Medienmarktes beugen und die Programme kompatibel machen müssen.

So ist die Reduktion der Sendeformate auf das Feature ebenso bedenklich wie die bisherige Länge der Beiträge. Andererseits sind die tagesaktuellen Nachrichten in deutschen öffentlich-rechtlichen Radiosendern - als Hauptabnehmer der Beiträge RBOs - durch die Korrespondenten abgedeckt. Also besteht gerade mit dem hintergründigen Feature-Format die Chance, in Programmlücken etwa bei Magazinsendungen zu stoßen, zumal nördliche Korrespondenten aus den genannten Gründen oft nicht in der Lage sind, Beiträge von gleicher inhaltlicher Qualität zu liefern. Trotzdem wäre eine Erweiterung der Formatpalette sinnvoll. RBO könnte sich stärker an der Tagesaktualität orientieren, um Hintergrundberichte zu aktuellen Themen liefern zu können. Denn solche Beiträge haben eine wesentlich größere Chance, gesendet zu werden, als zeitlose Produktionen, die wahrscheinlich im Stehsatz der deutschen Sender auf Nimmerwiederhören verschwinden. Neue Technologien im Medienbereich machen das schnelle Versenden von Informationen heute möglich, so dass die Begründung RBOs, sich von tagesaktuellen Themen deshalb abzuwenden, weil zwischen dem Ereignis und der Ausstrahlung in Übersee Tage vergehen, nicht mehr zutrifft.

Doch selbst wenn RBO sich den genannten Problemen gegenübergestellt sieht, so haben die Beteiligten hinsichtlich anhaltender Entwicklungen (‘sustainable development’) Pionierarbeit in Sachen Medien-Entwicklungshilfe geleistet. Einer der wichtigsten Aspekte in dieser Hinsicht ist sicherlich die Ausbildung der afrikanischen Autoren. Durch den Einsatz der digitalen Schnitttechnik und durch das interkulturelle Konzept der Internships werden die afrikanischen Journalisten sowohl in technischer als auch in kultureller Hinsicht mit den europäischen, insbesondere den deutschen Standards vertraut gemacht und lernen, wie sie die anvisierte Zielgruppe erreichen können, wenn sie sich am bestehenden Markt orientieren.

Wichtiger - und nachhaltiger - dürfte aber die von Subeditor Ishmael-Perkins angesprochene Schaffung einer „Freelance"-Mentalität wirken. Denn nur mit dem Bewusstsein, als freier Journalist ein eigenverantwortlicher Informationsagent zu sein, der das Angebot im regionalen, nationalen oder globalen Medienmarkt aktiv mitbestimmt, sind die afrikanischen Autoren in der Lage, sich so zu artikulieren, dass ihre Stimmen sowohl in der Süd-Nord- als auch in der Süd-Süd- Kommunikation an Bedeutung gewinnen - auch ohne RBO. RBO hilft den afrikanischen Journalisten dabei mit einer umfassenden Ausbildung von der Themenfindung über die Produktion bis zum Absatz der Beiträge.

Der Austausch zwischen Journalisten aus Entwicklungsländern und den Industrienationen muss - in beide Richtungen - verstärkt werden, um den Charakter der interkulturellen Kommunikation und die Kenntnisse der gegenseitigen Ansprüche zu vertiefen. Zu regelmäßigen Internships in Harare müssen vermehrt Praktika für afrikanische Journalisten in Europa angeboten werden.

Fraglich bleibt, ob das Zusammenwachsen der Weltgesellschaft tatsächlich das ernsthafte Interesse des einzelnen mit sich bringen muss, zu verstehen, wie der Nachbar im globalen Dorf sein Leben gestaltet. Möglicherweise reicht es aus, von seiner Existenz zu wissen, seinen Namen zu kennen und auf der Karte zu sehen, dass jenseits der Hauptstraße am Ende eines zugewachsenen Weges Afrika liegt, der Kontinent der Krisen und Exotik.

Das Online-Zeitalter wird die Welt weiter verändern. Afrika wird vorerst nur bedingt an diesem Prozess teilhaben. Sendeplätze werden in der Auslandsberichterstattung gestrichen. Wer sich jedoch nur auf Krisen und Katastrophen stürzt, wird Afrika als Kontinent nicht gerecht. Es müssen sich daher zumindest Nischen für eine Berichterstattung außerhalb der bisher üblichen finden, die um eine südliche Sicht erweiterungsbedürftig ist. Wer dieses Abenteuer finanziert, trägt zu einem Dialog zwischen den Völkern des Südens und des Nordens bei.


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