Montag, 2. Juli 2001 Nr.
151
Frankfurt am Main, 5. Juli
2001 Kirchen-Zeitung für das
Bistum Hildesheim (Druck-Ausgabe) Interessenten können sich im Internet näher
informieren unter www.radiobridge.org. Hier gibt es ein
Interview mit Klaus-Jürgen Schmidt, die Möglichkeit zum
Chat (Gespräch), die vier Pilotsendungen sowie Projekte
und Informationen von "Radio Bridge Overseas"
auf Deutsch und Englisch. Wissen 50/2001 Rundfunk mit Text und Bild von Dirk Asendorpf Die Zukunft des Radios hat schon begonnen - in Afrika. 36 000 Kilometer über dem Kongo steht seit Ende 1998 der AfriStar, ein Satellit für die Ausstrahlung der digitalen Radioprogramme von Worldspace. Damit hat sich der Äthiopier Noah Samara seinen Traum erfüllt: "Unser digitales Satellitenradio bringt das Licht des Wissens nach Afrika." Fast eine Milliarde Dollar hat Samara bei Investoren und Sponsoren gesammelt, um mit insgesamt drei Satelliten bis zu 80 Radioprogramme in Afrika, Asien und Lateinamerika auszustrahlen. Alles, was man zum Empfang benötigt, ist ein spezielles Kofferradio mit einer kleinen, aufklappbaren Satellitenantenne. Bei freier Sicht nach Süden funktioniert der Empfang sogar noch in Norddeutschland. In brillanter Tonqualität ist dann zum Beispiel Radio Sud zu hören, ein Privatradio aus dem Senegal, oder der staatliche Rundfunk aus Kongo Brazzaville, mehrere Musikprogramme oder auch die Afrikadienste von BBC und Bloomberg. Und wer will, kann zusätzlich noch seinen PC direkt an das Radio anschließen und ausgewählte Internet-Angebote gebührenfrei empfangen. "Die Letzten werden die Ersten sein", sagt Noah Samara über sein Projekt. Ausgerechnet auf dem technologisch rückständigsten Kontinent hat mit Worldspace das Zeitalter des digitalen Hörfunks begonnen. 400 000 Empfangsgeräte sollen bis Ende des Jahres verkauft werden - zu Preisen, die heute noch zwischen 300 und 1000 Mark liegen, bei größerer Verbreitung aber schnell sinken werden. Das Marktpotenzial schätzt Worldspace auf rund 200 Millionen Haushalte in Afrika, Asien und Lateinamerika. Von derlei hoffnungsvollen Prognosen sind die deutschen Digitalsender weit entfernt. Schon 1988 begann man mit der Entwicklung der digitalen Technik. Über 200 Millionen Mark haben die Rundfunkgebührenzahler - ohne es zu wissen - für die Entwicklung des Digitalradios ausgegeben. Mindestens noch einmal so viel wurde an öffentlichen Forschungsmitteln vergeben und von der Industrie in die Systementwicklung gesteckt. Seit 1997 wird die Technik nun auch tatsächlich genutzt. Rund 100 digitale Radioprogramme werden hierzulande per Antenne ausgestrahlt. Nur: Gehört werden sie von fast niemandem. Während die Zahl der UKW-Empfänger auf 500 Millionen geschätzt wird, stehen bisher kaum mehr als 10 000 digitale Empfangsgeräte in deutschen Haushalten. Die Technik für den Antennen-Empfang von digitalem Hörfunk heißt DAB (Digital Audio Broadcasting) und stammt aus einer Zeit, in der der Begriff Multimedia noch nicht erfunden war. Ähnlich wie beim Übergang von der Schallplatte zur CD ersetzt DAB lediglich die analoge durch eine digitale Speicherung und Übertragung der Töne. Doch welchen Nutzen DAB für die Hörer haben könnte, ist trotz vieler Pilotprojekte, Forschungsarbeiten und Marktstudien bis heute nicht recht klar. Also machen die Anbieter digitaler Empfangsgeräte keinen Umsatz, und folglich werden die Digitalradios nicht billiger. Unter 500 Mark ist bisher kaum ein DAB-Empfänger zu bekommen. Trotzdem: Das Digitalradio wird kommen. Es wird sich schon deshalb durchsetzen, weil es auf den heiß umstrittenen Frequenzbändern Platz schafft für mehr Programme. Schon haben einzelne Autohersteller angekündigt, dass sie einige Mittelklassewagen serienmäßig mit kombinierten UKW/DAB-Empfängern ausstatten wollen. Und 2003 will die Initiative Digitaler Rundfunk, ein von der Bundesregierung eingesetztes Beratergremium, den Termin für die Abschaltung des analogen UKW-Hörfunks festsetzen. Angepeilt wurde bisher ein Zeitpunkt irgendwann zwischen 2010 und 2020, es kann aber auch noch länger dauern. Denn die Deutschen - so haben Umfragen gezeigt - wollen die neue Technik nicht. Die ganz große Mehrheit ist mit ihren alten UKW-Radios vollauf zufrieden. Um sie zur Anschaffung neuer Empfangsgeräte zu bewegen, müssen sich die Sender schon etwas einfallen lassen. "Es müssen schlüssige und wirtschaftlich tragfähige Konzepte für neue Dienste entwickelt werden, die die zusätzlichen technischen Möglichkeiten nutzen und für den Verbraucher einen Mehrwert darstellen", fordert denn auch Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder. Leicht gesagt, doch welchen "Mehrwert" könnte denn digitales Radio für die Konsumenten überhaupt haben? Drei Antworten sind auf diese Frage immer wieder zu hören: Klangqualität, Verkehrsnachrichten und Zusatzinformationen zur Musik. Doch allenfalls zwei Begründungen davon können gelten. Kein Stau im Hobbykeller Denn von der besseren Klangqualität bekommt nur derjenige etwas mit, dessen Digitalempfänger auch an eine hochwertige Hi-Fi-Anlage angeschlossen ist. Radio aber hören die Deutschen vor allem mit einfachen Empfangsgeräten im Auto, in der Küche, im Bad, im Hobbykeller oder mit dem Radiowecker im Schlafzimmer. Bei den Verkehrsnachrichten allerdings gibt es tatsächlich Verbesserungen. Digitalradio ermöglicht es nämlich, die nützlichen Informationen neben dem laufenden Programm zu senden und nach eng begrenzten Regionen aufzuteilen. Wer nicht im Auto sitzt, muss sie überhaupt nicht hören, und wer gerade fährt, bekommt nur die Verkehrsmeldungen angesagt, die ihn wirklich betreffen. Wird das Ganze direkt mit Messapparaten an den Autobahnbrücken kombiniert, könnte das DAB-Radio schon vor einem Stau warnen, der sich gerade erst bildet. Ein exklusives Angebot könnte das Digitalradio mit üppigen Zusatzinformationen zum Programm machen. Ein Display am Radio würde dann während der Nachrichten auch die Börsenkurse anzeigen, und parallel zur Musik würde das CD-Cover mit Informationen zum Titel des Stücks, dem Interpreten und der Bandbesetzung eingeblendet. "So etwas ist für junge Leute sehr wichtig", sagt Michael Bus, Leiter der Abteilung Programmstrategie beim Südwestrundfunk (SWR). Der Haken dabei: Gerade diese jungen Hörer haben am wenigsten Geld, um sich einen teuren DAB-Empfänger zuzulegen. Schmerzlich hat der SWR diese Erfahrung mit seiner 1997 rein digital gestarteten Jugendwelle DasDing machen müssen. Mehr als 1000 Hörer konnte das digitale Programm nie erreichen. Erst seit es auch über UKW ausgestrahlt wird, ging die Einschaltquote steil nach oben. Immerhin wird DasDing auch weiterhin über DAB verbreitet. Das unterscheidet die Jugendwelle von anderen Programmen, deren digitale Version mangels Hörerschaft inzwischen wieder abgeschaltet wurde. Der Hörer als Programmdirektor Die Probleme mit DAB sind aber nicht nur technischer und finanzieller Natur. "Das Schlimme bei der Digitalisierung ist, dass die Technik die Vorgaben macht und nicht die Inhalte", klagt SWR-Programmstratege Bus. Eigentlich sollten zunächst die Redaktionen darüber nachdenken, welche Zusatzangebote journalistisch sinnvoll und machbar wären, meint er. Doch bisher haben die wenigsten Radiomacher eine Vorstellung von den multimedialen Möglichkeiten eines digitalen Mediums. Dabei kann interaktives Radio durchaus funktionieren, wie im Internet schon heute zu sehen ist. Die Trennung zwischen Sender und Empfänger verwischt sich. Mit einem PC, einer Soundkarte und technischem Geschick kann hier jeder sein eigenes Hörfunkprogramm anbieten. Über 300 deutschsprachige Internet-Sender tummeln sich im Netz, jede Woche werden es mehr. Neben allerhand Newcomern sind inzwischen auch viele traditionelle Radioprogramme verfügbar, aus Deutschland zum Beispiel der Auslandssender Deutsche Welle, die beiden nationalen Hörfunkprogramme Deutschlandfunk und DeutschlandRadio, aber auch regionale Sender wie SWR3 oder das öffentlich-rechtliche Info-Radio in Berlin und Brandenburg. Wer im Internet Radio hört, ist kein Hörer mehr, sondern User. Er ist nicht mehr gezwungen, dem Programmablauf so zu folgen, sondern kann sich sein persönliches Programm zusammenstellen. Pop, Jazz, Weltmusik oder Klassik - für jeden Musikwunsch gibt es ein eigenes Spartenangebot. Und neben dem Ton werden hier schon längst Hintergrundinformationen übermittelt: vom Titel des Musikstücks bis zum Foto des CD-Covers. Per Mausklick lässt sich die gerade gehörte Musik nachträglich noch auf die Festplatte speichern und anschließend auf CD brennen. Dieses Radio ist kein Medium mehr, das sich eindeutig von Fernsehen und Online-Zeitungen unterscheidet. Bisher war Radio das schnellste, aber auch das flüchtigste Medium. "Das versendet sich", heißt es unter Radiojournalisten, wenn eine ungenaue Formulierung oder eine falsche Zahl in einen Beitrag gerutscht ist. Künftig werden sie sich von der Vorstellung trennen müssen, dass sie nur fürs Ohr arbeiten. Wer fürs digitale Radio produziert, wird auch Texte und Bilder in seine Beiträge integrieren müssen. Mobiler Internet-Zugang ermöglicht das Senden wie das Empfangen schon heute von fast jedem Ort der Welt aus. Auch aus Dolldorf. Auch in dem Flecken im niedersächsischen Flachland hat die Zukunft des Radios begonnen. Mit weitem Blick über ein Weizenfeld auf die äsenden Rehe am Waldrand arbeitet hier der Journalist Klaus Jürgen Schmidt. Er ist Gründer von Radio Bridge Overseas, einem unabhängigen Zusammenschluss von Hörfunkjournalisten im südlichen Afrika. Die Zentrale ist eigentlich in Harare, der Hauptstadt von Zimbabwe. Doch seit dort der Bürgerkrieg droht, hat Schmidt seinen Arbeitsplatz verlegt. Harare oder Dolldorf - mit einer Standleitung ins Internet macht das keinen Unterschied. Die Journalisten von Radio Bridge Overseas übermitteln ihm die Manuskripte und O-Töne aus Afrika jetzt per Datentransfer. Am PC mischt Schmidt sie zusammen. Falls Musikeinblendungen gewünscht sind, holt er sich auch diese aus dem Internet. Die fertigen Sendungen stehen Sendeanstalten in Afrika, Europa und den USA auf der Website der Radiobrücke zur Verfügung. Für Länder, in denen der Internet-Zugang für die Übertragung von Audiodateien noch nicht gut genug ist, lässt Radio Bridge Overseas die Programme auch über den Worldspace-Satelliten ausstrahlen. Die Radioanstalten können sie dann mitschneiden und in ihre eigenen Programme auf UKW, Kurz- oder Mittelwelle übernehmen. "Hier an meinem kleinen PC kann ich inzwischen besser und schneller arbeiten als in einem Studio, für das man vor ein paar Jahren noch 200 000 Mark ausgeben musste", sagt Schmidt.
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