AUF DEM
WEG ZU EINER MULTIMEDIALEN BRÜCKE
ZWISCHEN EUROPA UND DER AKP-REGION
(AFRIKA-KARIBIK-PAZIFIK)
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"Wahrnehmung
afrikanischer Transformationsvorgänge"
Internationale Tagung der Evangelischen Akademie
Loccum
22.-24.06.2001 |
Klaus Jürgen Schmidt
Redetext / 23.06.2001
Ich war zu Beginn dieser Woche bei einer Tagung des
"Eine Welt Forums" der sozialdemokratischen
Partei in Berlin, das Thema dort: "Beitrag der
Entwicklungszusammenarbeit zu menschlicher Sicherheit und
Kriegsprävention". Eingeladen als Referent war
unter anderen Reinhard Keune, Vorsitzender des UNESCO
International Programme for the Development of
Communication.
Keune ist ja ein weltweit bekannter Medien-Fachmann. Er
war mal Leiter des Medien-Referats der Friedrich Ebert
Stiftung, als diese noch über Mittel und einen
Bauchladen von Medien-Projekten aller Art für die
Südwelt verfügte.
Zu jener Zeit, es war 1984, fragte mich Keune, ob ich bei
einem darniederliegenden FES-Radioprojekt in Zimbabwe als
Projektleiter in die Bresche zu springen bereit sei. Der
Zimbabwe Broadcasting Corporation war zur Unabhängigkeit
ein neuer Bildungs-Kanal versprochen worden, komplett mit
Studio, Technik und Training. Bei meiner Ankunft Anfang
1985 war dieser Sender, obwohl erst im embryonalen
Stadium, schon Spielball im Machtkampf unterschiedlicher
Fraktionen des 5 Jahre zuvor beendeten Befreiungskampfes
geworden.
Vier Jahre lang lernte ich, dass in einem afrikanischen
Land, das sich im Umbruch befindet, ein Medien-Projekt
zwangsläufig wie ein Kork auf "troubled
waters" auf und ab schwankt.
Dem Bundesrechnungshof musste ich erklären, weshalb bei
der Entwicklung eines solchen Projektes die deutsche
Ausgabenordnung selten als Maßstab herangezogen werden
kann, und weshalb im Falle dieses Projektes zum Beispiel
von mir keine weiteren teuren Übertragungswagen
angeschafft wurden, sondern stattdessen ländliche
Frauen-Clubs eine simple Kombination aus Radio und
Kassetten-Rekorder erhielten, samt Training, um dem neuen
Sender Aufnahmen aus ihrem Alltag zu schicken.
Die Übertragungswagen-Technik bei Radio 4 der Zimbabwe
Broadcasting Corporation ist längst verrottet. Die
Frauen-Clubs aber sind nicht bloss zahlenmäßig enorm
gewachsen, sie haben auch allen Versuchen widerstanden,
ihr wöchentliches Halbstunden-Programm abzuschaffen.
Das Medien-Referat der Friedrich Ebert Stiftung wurde
längst wegrationalisiert, sein ehemaliger Chef Reinhard
Keune beklagt, dass das UNESCO-Mitglied Deutschland nur
"mit Knurren" hier und da zur Medienhilfe
dieser Weltorganisation einen Beitrag leistet. Seine auf
der Berliner Konferenz vorgetragene Erkenntnis: die
Existenz vor allem lokaler Medien und deren Förderung
ist eine wesentliche Voraussetzung für menschliche
Sicherheit und Kriegsprävention.
Unglücklicherweise sind lokale Medien in der Südwelt in
der Regel gar nicht in der Lage, einem solchen Anspruch
gerecht zu werden. Sie sind meistens Sprachrohr von
Macht-Eliten, oft aber auch technisch und professionell
völlig überfordert, als Brücke zwischen Menschen zu
dienen, die, oft dicht nebeneinander, in vielen
unterschiedlichen Kultur- und Sprachnischen ihr
Überleben organisieren.
Journalismus-Training für elektronische Medien in
afrikanischen Ländern selbst stellt solch eine Aufgabe
auch gar nicht in den Vordergrund. Dort wird vor allem
Verlautbarungsjournalismus vermittelt. Die wenigen
Kolleginnen und Kollegen von Rundfunk und Fernsehen, die
es zu einem Studium oder Praktikum im Ausland geschafft
haben, kehren in heimische Strukturen zurück, die eine
Anwendung des Gelernten weder ökonomisch noch politisch
zulassen. Ihre Sehnsucht gilt bald nicht mehr dem
Streben, das Gelernte daheim anzuwenden, sondern
möglichst rasch zurück auf den internationalen
Medienmarkt zu gelangen. Staatliche und halbstaatliche
Medien bieten für Alternativen, etwa für das Auskommen
als freiberufliche Autoren oder Produzenten, keine
Aussicht.
Wir werden an diesem Nachmittag bis zum frühen Abend
einen anderen Ansatz kennenlernen, der schon mit ein paar
praktischen Erfahrungen aufwarten kann, der aber vor
allem einen Brückenbau vorstellen will. Ein
multimedialer Brückenbau, der zugleich einem neuen Trend
folgt und dem weltweiten Auftauchen selbstbewusster
zivilgesellschaftlicher Bewegungen ein Forum für
Kommunikation und Interaktion bieten kann.
So sehr es nötig scheint, den horizontalen
Informationsfluß in der Südwelt zu fördern, so sehr
erscheint es uns notwendig, diesen Prozeß mit einer
Weiterentwicklung des Medienangebots hier in Europa zu
verknüpfen.
Wir schlagen die Einrichtung einer multimedialen Brücke
zwischen Europa und den Ländern der mit der
Europäischen Union assoziierten AKP-Region (Afrika,
Karibik, Pazifik) vor, mit der Aussicht, diese Brücke
später auf Asien und Lateinamerika auszuweiten. Erstmals
würden lokale und regionale Lebenswirklichkeiten in
einer Kombination von Rundfunk und Internet auf Dauer
global vernetzt. In einer durchaus unterhaltsamen
Interaktion könnten sich Menschen über Kultur- und
Sprachgrenzen hinweg austauschen, sie würden über neue
computer-gestützte lokale Medien Zugang zu diesem
globalen Austausch erhalten und selber Inhalte beitragen.
Und das Spannende an diesem Vorschlag ist, daß wir nicht
bei Punkt Null anfangen müssen.
Seit 1993 wird schon authentischer afrikanischer
Programm-Inhalt produziert und weltweit über Radio und
Internet verbreitet. Die von mir in Afrika gegründete
Organisation RADIO BRIDGE OVERSEAS war als
"Weltweites Projekt" bei der EXPO2000
registriert. Das dort vorgestellte Projekt "GLOBAL
VILLAGE VOICES" baut Brücken zwischen Kulturen
über Sprachgrenzen hinweg. RADIO BRIDGE OVERSEAS
versucht, ein globales Netzwerk für lokale
Radiostationen einzurichten, die eigene Programme
beisteuern und dafür kostenlos Sendungen anderer
Teilnehmer erhalten. Der preisgünstige Austausch im
Worldwide Web findet über komprimierte Audio-Files
statt, die auch Internet-Surfern offenstehen.
RBO-Audio-Programme sind im digitalen Broadcast-System
von WorldSpace zu hören, das schon über zwei Satelliten
Afrika und Asien abdeckt, ein dritter Satellit für
Lateinamerika wird in diesem Jahr gestartet. WorldSpace
bietet ein in Europa kaum wahrgenommenes Potenzial
multimedialen Zugangs zur gesamten Südwelt. Neben der
hervorragend gelungenen technischen Realisierung hat es
WorldSpace allerdings versäumt, eigene
Multimedia-Inhalte zu entwickeln und bleibt auf Partner
mit globalen Programm-Inhalten angewiesen. RADIO BRIDGE
OVERSEAS ist mit ihren täglichen Beiträgen für den
"Africa Learning Channel" ein angesehener
Partner der WorldSpace Foundation.
Wir werden hier und heute eine Einführung in praktische
Erfahrungen der eben genannten Organisationen erleben und
dabei die von uns für notwendig erachteten Elemente
einer multimedialen Brücke zwischen den Ländern Europas
und jenen in Afrika, und in der Inselwelt der Karibik und
des Pazifik kennenlernen. Warum eine Konzentration auf
jene Region des Südens?
Die Europäische Union und die
AKP-Staaten
Rev. Lawford Imunde, einer unser Gastgeber hier in
Loccum, hat diese internationale Tagung in den Rahmen
eines Projektes gestellt, für das ihn Akademie-Direktor
Anhelm nach Loccum holte. Lawford leitet ein Projekt, das
heisst "Sensibel für Afrika". Es befasst sich
mit europäisch-afrikanischen Beziehungen, und er hat in
einer Zwischenbilanz etwas aufgeschrieben, das ich mit
seiner Genehmigung zitieren möchte.
Lawford Imunde schreibt:
"
Bei unserem Versuch, das ganze Problem
der europäischen Dimension des Projekts zu umreissen,
ist es uerlässlich, an der Tatsache festzuhalten, daß
es sich hierbei um ein Konzept der Beziehung handelt. Die
Lomé-IV-Konvention, dieses deutlichste und anhaltende
Bindeglied zwischen den 71 Mitgliedstaaten der AKP-Gruppe
und Europa, bleibt eine der zahlreichen bestehenden
Auswirkungen des europäischen Imperialismus, eine
unangenehme Erinnerung daran, daß diese Länder, von
denen 41 in Afrika liegen, Kolonien und Ableger der
europäischen Kolonialmächte waren. Die dauernde Folge
ist, daß die beiden Kontinente durch eine untrennbare
Nabelschnur miteinander verbunden sind
Wir sind
keine Welt separater Nationalstaaten, die voneinander
unabhängig sind; wir sind e i n e Welt und vollständig
ineinander verschlungen
"
Ich möchte dieses Argument durch ein weiteres Zitat
verfestigen. Einige von Ihnen wissen, dass ich nach 16
Jahren Leben und Arbeiten in Afrika zu meinem alten
Sender Radio Bremen zurückgekehrt bin. Dort versuche
ich, eine offenes Ohr zu finden für die Einrichtung von
Partnerschaften, die gemeinsam eine
Nord-Süd-Medienbrücke ermöglichen könnten.
Wäre er nicht nach erschöpfender Arbeit für eine
Gesundschrumpfung Radio Bremens erkrankt, hätte sein
Intendant, Dr. Glässgen, hier an dieser Stelle wohl
folgendes sagen mögen:
"Da, wo es in Bremen zum Freimarkt geht, halten
sich die Bremer einen Elefanten aus Ziegelstein. Der soll
sie daran erinnern, dass im Wappen der Freien Hansestadt
Bremen noch immer der Schlüssel zum Tor der Welt prangt.
Die andere Hansestadt, Hamburg, schmückt sich zwar in
ihrem Wappen mit diesem Tor zur Welt, aber wohin kommen
die ohne Schlüssel? Seit 50 Jahren pendeln die dort
jeden Sonntagmorgen Zwischen Hamburg und
Haiti. So heisst der Dauerbrenner jenes Senders,
der heute Norddeutscher Rundfunk heisst, und dem wir bei
Radio Bremen im Spätsommer dieses Jahres die Hand zur
Partnerschaft reichen - und vielleicht einen Schlüssel
zum Tor der Welt. Es ist nicht wahr, dass Radio Bremen
dafür einen
Dauerbrenner von ähnlicher Zeitdauer einzubringen
gedenkt, der Übern Gartenzaun hiess
und zur Belehrung ganzer Kleingärtner-Generationen
beitrug.
Nein, wir in Bremen haben ja den Elefanten aus Stein, der
mal ein Kolonial-Denkmal war, genauso wie wir einmal ein
Kolonial-Museum hatten, das heute ein Völkerkunde-Museum
ist.
Und der Elefant? Er wurde, durch Spenden finanziert, Ende
der 20er Jahre errichtet und 1932 als Denkmal eingeweiht
zur Erinnerung an die Deutschen, die ihr Leben verloren
hatten in Afrika bei den Auseinandersetzungen der
europäischen Kolonialmächte untereinander und mit den
Kolonialisierten.
Vom Kolonialdenk- und ehrenmal wurde der Elephant nun
schon vor Jahren durch eine Schrifttafel umgewidmet zum
Denkmal gegen den Kolonialismus.
Wenn das doch immer so einfach wäre, eine Tafel dran,
und wir sind wieder politisch korrekt. Es ist übrigens
auch nicht wahr, dass man aus ähnlichen Überlegungen
heraus in Bremen den Übersee-Hafen zugeschüttet hat,
obwohl ja über ihn einst viele Expeditionen in den
dunklen Kontinent aufbrachen, der neuerdings
ja bunter Kontinent heisst, wie wir das einem
neuen Buch entnehmen können, das so heisst und bei dem
einer der bekannteren deutschen Publizisten seine Hand
als Mitherausgeber im Spiel hatte: Theo Sommer. Der ist
bei der Hamburger Zeit jetzt etwas, das
editor at large heisst, und er ist daneben
Vorstandsmitglied der Deutschen
Welthungerhilfe. Als solcher plädiert er für
einen neuen Blick auf Afrika.
Womit wir beim Thema dieser internationalen Tagung hier
an der Evangelischen Akademie Loccum sind, und bei der
Rolle, die Deutschlands kleinster öffentlich-rechtlicher
Sender bei dem Versuch spielen könnte, an einem
europäisch-afrikanischen Medien-Portal mitzubauen, das
diesen neuen Blick ermöglichen soll.
Das mag auf den ersten Blick vermessen klingen, da wir
doch alle wissen, wie sich Radio Bremen gerade abmüht,
nicht das Schicksal des Bremer Übersee-Hafens zu
erleiden. Aber als jemand, der an die Weser von der Elbe
kam, wo gerade zugunsten einer Airbus-Ansiedlung ein
umstrittenes Stück Fluß-Watt zugeschüttet wird, blick
ich Übern Gartenzaun und sehe, dass
Bremen sich schon sehr erfolgreich als Teil des
globalen Dorfes positioniert hat. Vor dem
Übersee-Museum steht seit Januar 1999 als Teil des
Bremer Verkehrsleitsystems eine Konsole, die
Partner-Städte der Hansestadt in vielen Teilen der Welt
markiert.
Einige dieser Partnerstädte liegen in Europa, Dudley in
England und Gdansk in Polen zum Beispiel, und ich bin
sicher, dass wir bei Radio Bremen von dort schon öfter
etwas gehört haben, im Funkhaus Europa des
Westdeutschen Rundfunks nämlich, für das Radio Bremen
jeden Tag einen Teil des Programmes produziert und
sendet. Andere Partnerstädte liegen, wie es früher
hiess, in Übersee, Windhuk in Namibia zum Beispiel.
In Übersee gibt es viele Staaten, die vor längerer Zeit
schon mal Bekanntschaft mit Europa gemacht haben, als
Kolonien, als Schutzgebiete, als Übersee-Territorien.
Sie liegen unter anderem in Afrika, in der Karibik und im
Pazifik, für die Mitglieder der Europäischen Union -
viele von ihnen ehemalige Kolonialherren - abgekürzt:
AKP. Mit den Verträgen von Lomé und nun von Cotonou
wird den AKP-Ländern Sonderkonditionen für Entwicklung
und Handel eingeräumt, aber kaum jemand in Europa kennt
diesen Zusammenhang.
Das ist der Baustein, den wir bei Radio Bremen in das
Funkhaus Europa einfügen möchten, wenn es
gelingt, dafür Partner und Sponsoren in Europa und -
für einen ersten Schritt - in Afrika zu finden, Partner
für Entwicklung und Betrieb eines multimedialen
Programmaustausches. Die Erfahrung, die unser Kollege
Klaus Jürgen Schmidt bei der Radiobrücke
Übersee in Afrika gesammelt hat, kann Radio Bremen
helfen, Programm-Formate zu entwickeln und zu
realisieren, die eine überfällige Interaktion zwischen
Menschen in Nord und Süd anstösst.
Dann kann es passieren, dass es nicht bei den 10
Städtenamen bleibt, die das Verkehrsleitsystem vor dem
Bremer Übersee-Museum als offizielle Partner der
Hansestadt anzeigt. Es wird sich nämlich herausstellen,
dass es viele tausend ganz unterschiedliche
Partnerschaften von Bremern mit Übersee gibt, von denen
wir bisher gar nichts wissen, tausende von Geschichten,
die zu erzählen sind
wir würden uns dabei über
jeden neuen Hörer in Bremen, in Europa und in Übersee
freuen."
Ich habe für Sie aufgeschrieben - sorry, es ist auf
Englisch - welche Elemente aus unserer Sicht zu
berücksichtigen wären, wollte man eine - wie man heute
sagt - nachhaltige Entwicklung in dieser Richtung in Gang
setzen. Sie dürfen aufatmen, ich werde das nicht
vortragen; es gibt einen Stapel von Ausdrucken, von dem
Sie sich anschliessend eine Kopie mitnehmen können.
Ein wichtiges Element, das RADIO BRIDGE OVERSEAS schon in
eigener Initiative ausprobiert hat, wird jetzt von zwei
Beteiligten vorgestellt: Bea und Jörg Schallenberg, zwei
ehemalige journalistische Praktikanten bei uns in
Zimbabwe. Danach werden wir anhand eines Pilot-Programms
erfahren, was Multimedia in unserem Zusammenhang bedeuten
kann. Wir werden dafür auch einen Ausflug ins Internet
unternehmen
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