Montag, 2. Juli 2001 Nr. 151

Blick in die Zeit

Auf der Datenautobahn nach Afrika
Eine Tagung in Loccum sucht nach besserem Verständnis für den Schwarzen Kontinent
Hans-Anton Papendieck


Loccum. Es gefällt den Afrikanern nicht, in der Berichterstattung als die ewigen Hungerleider und Katastrophenopfer dargestellt zu werden. Wie sie es jedoch anstellen können, auch einmal mit guten Nachrichten in die Schlagzeilen zu kommen, das wurde jetzt auf einer Tagung der Evangelischen Akademie in Loccum, die dem Bild Afrikas in den europäischen Medien galt, auch nicht recht deutlich. Denn die Kriegsgräuel, die Überschwemmungen und die vielen ebenso korrupten wie unfähigen Regierungen lassen sich nun einmal auch mit noch so gut gemeinten Fernseh- und Zeitungsberichten nicht aus der Welt schaffen.
Was also tun? Die aus dem ganzen Bundesgebiet zu der Tagung angereisten Afrikaner, in der Regel gut situierte Intellektuelle, ließen jedenfalls nicht erkennen, dass es sie drängte, ihre komfortablen Lebensumstände in Deutschland mit einem Wohnsitz in ihren Heimatländern zu tauschen. Selbst wenn sie in Deutschland auch immer wieder schlechte Erfahrungen machen, fällt der Vergleich mit den Lebensbedingungen in Afrika in der Regel eher zu Gunsten Deutschlands aus. Auf der Loccumer Tagung hatte man mitunter sogar den Eindruck, ließe man allein Afrikaner über ihren Kontinent berichten, so würde sich in den Köpfen in Deutschland ein noch viel negativeres Afrikabild festsetzen. Afrikaner wissen am besten, dass in ihren Heimatländern - von geringen Ausnahmen abgesehen - Straßen, Schulen und Krankenhäuser von Jahr zu Jahr mehr verrotten, die Gesellschaften zerfallen und die Propheten eines neuen Afrika, die Schriftsteller und Künstler, häufig frustriert im Ausland leben, weil sie sich nur dort sicher glauben und nur dort gelesen und anerkannt werden.
Die Kirchen und die nichtstaatlichen Hilfsorganisationen bemühen sich zwar, über ihre Medienkanäle in die übliche Katastrophenberichterstattung ein paar hellere Tupfer zu bringen. Doch das breite Publikum erreichen sie nicht damit. Ihr Dilemma ist es überdies, dass sie an Spenden für ihre Arbeit nur herankommen, wenn neue Horrormeldungen die Herzen und Brieftaschen öffnen.
Wo bleibt da Raum für das "Positive", für eine Schilderung der boomenden Städte, die es ja schließlich auch gibt und die nicht allein aus Blechhütten bestehen, für die Würdigung funktionierender Demokratien und die Darstellung der Tatkraft und des Mutes, mit denen viele Afrikaner ihren täglichen Überlebenskampf meistern? Jetzt hoffen die Afrikaner, dass die neuen elektronischen Medien ihnen helfen, in Europa ein tieferes Verständnis für ihre täglichen Sorgen zu gewinnen. Aber Afrika ist eben nicht Europa oder Amerika und nicht einmal Indien. Die Stromnetze sind löcherig oder gar nicht existent, die nötigen Geräte für afrikanische Verhältnisse nahezu unbezahlbar. Und Experten für Informationstechnologie sind Mangelware. Eine Reihe afrikanischer Länder und Organisationen hat eindrucksvolle Internet-Portale ins Netz gestellt, verfügt aber nicht über Geld und Menschen oder auch die Ausdauer, um die Websites professionell zu verwalten.
Viele Afrikaner fragen sich auch, ob es besser wäre, Schulen zu bauen als teure Datenautobahnen. Zudem ist der Kampf zwischen Traditionalisten, die Gefahr für die "afrikanische Kultut" wittern, und Modernisten, die fürchten, dass sich bei dieser Zukunftstechnologie eine neue Kluft zwischen Nord und Süd auftut, noch längst nicht entschieden. Immerhin: Die Informationstechnologie ist ein Thema in Afrika. "Die Infrastruktur ist schwach entwickelt," räumte Ezra Mbogori ein, der Chef eines Netzwerkes von Nichtregierungsorganisationen in Afrika mit Sitz in der simbabwischen Hauptstadt Harare. "Aber wir sind entschlossen, die digitale Kluft zu überbrücken." Einige Erfolge konnte Mbogori immerhin vermelden. Zum Beispiel eine Menschenrechtskampagne im Netz, die die Freilassung politischer Häftlinge in Äthiopien zum Ziel hatte. Innerhalb von zwei Wochen seien die Häftlinge wieder freigekommen. Oder eine aufwendige Darstellung der Landrechtsreform in Afrika, die sehr guten Zuspruch gefunden habe.
In Loccum waren die Bedenkenträger nicht stark vertreten, obwohl die Furcht vor jeder neuen Form von Kolonisierung, also auch vor der Kolonisierung durch die Herrschaft des Nordens über die Datennetze und ihre Inhalte, zur Grundausstattung afrikanischer Intellektueller gehört.
Wie sich der Wunsch verwirklichen lässt, sich im Netz selbst darzustellen - ohne einen europäischen Mittler, der doch wieder nur alles falsch versteht - ist Gegenstand eines in Loccum erstmals vorgestellten Projekts von Radio Bremen. Danach soll der Sender die Geschichten afrikanischer Erzähler ausstrahlen, möglichst originalgetreu und gesammelt von einheimischen Reportern. Das Projekt hat den Vorteil, abseits der europäischen Fixierung auf aktuelle Katastrophen den Blick auf den Alltag und die Gefühlslage von normalen Afrikanern zu lenken.
Klaus Jürgen Schmidt, langjähriger Afrika-Korrespondent der ARD und jetzt zuständig für zentrale Programmaufgaben bei Radio Bremen, wirbt noch um Organisationen, Interessenten und Sponsoren, die sich an einem solchen Projekt beteiligen wollen. Der Internet-Auftritt soll die Auffahrt Afrikas auf die Datenautobahn erleichtern und somit ein helleres Licht in die Tiefen des dunklen Kontinents werfen, als es bisher die düstere Katastrophenberichterstattung schafft.

 

Frankfurt am Main, 5. Juli 2001

Afrika jenseits der Bürgerkriege näher bringen
Hörfunk-Redakteur plant Radioprojekt mit Deutschen und Afrikanern

Bremen (epd). Afrikanische Reporter und Erzähler sollen deutschen Hörern künftig ihren Kontinent selbst vorstellen. Klaus-Jürgen Schmidt, Hörfunk-Redakteur von Radio Bremen, will bis Ende des Jahres ein Radioprojekt verwirklichen, das es den Afrikanern ermöglicht, ihr Land jenseits von Bürgerkriegen und Katastrophen zu schildern, sagte Schmidt am Donnerstag auf epd-Anfrage.

Schmidt, bisheriger Leiter von "Radio Bridge Overseas" in Harare, Simbabwe, sieht die Zukunft des Radios darin, "lokal zu produzieren und global zu senden". Neu an seinem Projekt ist, dass nicht deutsche Korrespondenten über das Leben in Afrika berichten, sondern afrikanische Journalisten. In gemeinsam produzierten Sendungen sollen alltägliche Geschichten aus Afrika und Deutschland über den Äther laufen. Zwei Pilotsendungen hat Schmidt bereits konzipiert: eine zum Alltag von Kindern in Afrika und Bremen, eine weitere zum Umgang mit dem Internet in den beiden Ländern.

16 Jahre lang betreute Schmidt verschiedene Medienprojekte in Afrika. Er stellt sich das Radioprogramm als "multimediale Brücke zwischen Norden und Süden" vor. Das Internet spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Kombination der beiden Medien soll die Interaktion der Hörer ermöglichen.

Ganze Programme können laut Schmidt im Netz gehört werden. Hörer können sich dann ins Netz einklicken und in Chatrooms die Radiosendung diskutieren. Nach Schmidts Angaben ist die Internetverbreitung in Afrika weit vorangeschritten.

Probleme gibt es momentan noch mit der Suche nach Sponsoren und Partnern. Jeder Sender könne an dem Programm mitwirken, sagte Schmidt. Vorbild für ein solches Programm ist für ihn das vom WDR betreute Funkhaus Europa, das in Kooperation mit anderen deutschen Sendern europaweit ein deutschsprachiges Programm ausstrahlt. "Wir sollten begreifen, dass wir alle zum globalen Dorf gehören," sagte Schmidt.

Kirchen-Zeitung für das Bistum Hildesheim (Druck-Ausgabe)

Nr.31 5. August 2001 / Seite 13


RUNDFUNK UND SERVICE


Will multimediale Brücke zwischen Deutschland und Afrika bauen:
Redakteur Klaus-Jürgen Schmidt setzt auf Völkerverständigung per Rundfunk und Internet


Afrika liegt vor der Tür
Hörfunk-Redakteur plant deutsch-afrikanisches Projekt

Bremen/Simbabwe (sb) - "Die Menschen in der Südwelt sollen ihre eigenen Geschichten erzählen", sagt Klaus-Jürgen Schmidt. Deshalb will der Hörfunk-Redakteur von Radio Bremen bis Ende des Jahres ein deutsch-afrikanisches Multimedia-Projekt verwirklichen. Neu daran ist, dass nicht deutsche Korrespondenten vom Leben in Afrika berichten, sondern afrikanische Reporter ihre ganz persönliche Sicht vermitteln. Lediglich bei technischen Fragen und Organisationsproblemen sollen deutsche Nachwuchsjournalisten den einheimischen Reportern zu Hand gehen.
In den Sendungen wird es dann nicht um die typischen Nachrichten-Themen wie Bürgerkrieg und Hungerskatastrophen gehen, sondern um Alltägliches vom afrikanischen Kontinent, der den Europäern noch immer unbekannt sei, so Schmidt. Vier Pilotsendungen hat er bereits entwickelt: "Alt sein in Afrika", "Kinder in Afrika", "Die afrikanische Union" und "Überleben in Angola". Die Sendungen können bereits im Internet verfolgt werden.
Ziel des Projektes sei es, die Kommunikation zwischen Nord und Süd zu verbessern, sich besser kennen zu lernen und nicht zuletzt einander mit Würde zu begegnen. "Zur Zeit schauen wir noch wie durch ein Fenster nach Afrika," erläutert Schmidt. "Ich möchte, dass die Afrikaner so viel Selbstbewusstsein entwickeln, dass sie uns von selbst die Tür aufhalten und sagen: Kommt rein, wir zeigen Euch alles." Ein besseres Verständnis der afrikanischen Kultur und Lebenswelt sei auch deswegen nötig, weil so viele Afrikaner bereits seit langem "bei uns vor der Tür" leben, so Schmidt weiter.
Schmidt selbst hat als Leiter von "Radio Bridge Overseas" in Simbabwe und als Betreuer verschiedenster Medienprojekte Land und Leute 16 Jahre lang ausgiebig studiert. Allein bei der Suche nach Sponsoren und Partnern des deutsch-afrikanischen Projektes gibt es noch Probleme. Schmidt denkt dabei zum Beispiel an die Internationale Universität in Bremen und das hauseigene Campus-Radio. Zudem könne jeder Sender an dem Programm mitwirken, findet Schmidt. Sein Vorbild ist das vom WDR betreute Funkhaus Europa, das in Zusammenarbeit mit anderen Sendern ein deutschsprachiges Programm in ganz Europa ausstrahlt. Wenn es Schmidt gelingt, ein ähnliches Projekt auf die Beine zu stellen, dann hat er ein gutes Stück an der "afrikanisch-europäischen Multimedia-Brücke" gebaut.
Interessenten können sich im Internet näher informieren unter www.radiobridge.net. Hier gibt es ein Interview mit Klaus-Jürgen Schmidt, die Möglichkeit zum Chat (Gespräch), die vier Pilotsendungen sowie Projekte und Informationen von "Radio Bridge Overseas" auf Deutsch und Englisch.

 

Wissen 50/2001

Rundfunk mit Text und Bild
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Der digitale Rundfunk hält bereits Einzug in Afrika. Die Deutschen hingegen lauschen unverdrossen ihren alten UKW-Empfängern. Doch bald wird den Hörern das Sehen beigebracht

von Dirk Asendorpf

Die Zukunft des Radios hat schon begonnen - in Afrika. 36 000 Kilometer über dem Kongo steht seit Ende 1998 der AfriStar, ein Satellit für die Ausstrahlung der digitalen Radioprogramme von Worldspace. Damit hat sich der Äthiopier Noah Samara seinen Traum erfüllt: "Unser digitales Satellitenradio bringt das Licht des Wissens nach Afrika."

Fast eine Milliarde Dollar hat Samara bei Investoren und Sponsoren gesammelt, um mit insgesamt drei Satelliten bis zu 80 Radioprogramme in Afrika, Asien und Lateinamerika auszustrahlen. Alles, was man zum Empfang benötigt, ist ein spezielles Kofferradio mit einer kleinen, aufklappbaren Satellitenantenne. Bei freier Sicht nach Süden funktioniert der Empfang sogar noch in Norddeutschland. In brillanter Tonqualität ist dann zum Beispiel Radio Sud zu hören, ein Privatradio aus dem Senegal, oder der staatliche Rundfunk aus Kongo Brazzaville, mehrere Musikprogramme oder auch die Afrikadienste von BBC und Bloomberg. Und wer will, kann zusätzlich noch seinen PC direkt an das Radio anschließen und ausgewählte Internet-Angebote gebührenfrei empfangen.

"Die Letzten werden die Ersten sein", sagt Noah Samara über sein Projekt. Ausgerechnet auf dem technologisch rückständigsten Kontinent hat mit Worldspace das Zeitalter des digitalen Hörfunks begonnen. 400 000 Empfangsgeräte sollen bis Ende des Jahres verkauft werden - zu Preisen, die heute noch zwischen 300 und 1000 Mark liegen, bei größerer Verbreitung aber schnell sinken werden. Das Marktpotenzial schätzt Worldspace auf rund 200 Millionen Haushalte in Afrika, Asien und Lateinamerika.

Von derlei hoffnungsvollen Prognosen sind die deutschen Digitalsender weit entfernt. Schon 1988 begann man mit der Entwicklung der digitalen Technik. Über 200 Millionen Mark haben die Rundfunkgebührenzahler - ohne es zu wissen - für die Entwicklung des Digitalradios ausgegeben. Mindestens noch einmal so viel wurde an öffentlichen Forschungsmitteln vergeben und von der Industrie in die Systementwicklung gesteckt. Seit 1997 wird die Technik nun auch tatsächlich genutzt. Rund 100 digitale Radioprogramme werden hierzulande per Antenne ausgestrahlt. Nur: Gehört werden sie von fast niemandem. Während die Zahl der UKW-Empfänger auf 500 Millionen geschätzt wird, stehen bisher kaum mehr als 10 000 digitale Empfangsgeräte in deutschen Haushalten.

Die Technik für den Antennen-Empfang von digitalem Hörfunk heißt DAB (Digital Audio Broadcasting) und stammt aus einer Zeit, in der der Begriff Multimedia noch nicht erfunden war. Ähnlich wie beim Übergang von der Schallplatte zur CD ersetzt DAB lediglich die analoge durch eine digitale Speicherung und Übertragung der Töne.

Doch welchen Nutzen DAB für die Hörer haben könnte, ist trotz vieler Pilotprojekte, Forschungsarbeiten und Marktstudien bis heute nicht recht klar. Also machen die Anbieter digitaler Empfangsgeräte keinen Umsatz, und folglich werden die Digitalradios nicht billiger. Unter 500 Mark ist bisher kaum ein DAB-Empfänger zu bekommen.

Trotzdem: Das Digitalradio wird kommen. Es wird sich schon deshalb durchsetzen, weil es auf den heiß umstrittenen Frequenzbändern Platz schafft für mehr Programme. Schon haben einzelne Autohersteller angekündigt, dass sie einige Mittelklassewagen serienmäßig mit kombinierten UKW/DAB-Empfängern ausstatten wollen. Und 2003 will die Initiative Digitaler Rundfunk, ein von der Bundesregierung eingesetztes Beratergremium, den Termin für die Abschaltung des analogen UKW-Hörfunks festsetzen. Angepeilt wurde bisher ein Zeitpunkt irgendwann zwischen 2010 und 2020, es kann aber auch noch länger dauern. Denn die Deutschen - so haben Umfragen gezeigt - wollen die neue Technik nicht. Die ganz große Mehrheit ist mit ihren alten UKW-Radios vollauf zufrieden. Um sie zur Anschaffung neuer Empfangsgeräte zu bewegen, müssen sich die Sender schon etwas einfallen lassen.

"Es müssen schlüssige und wirtschaftlich tragfähige Konzepte für neue Dienste entwickelt werden, die die zusätzlichen technischen Möglichkeiten nutzen und für den Verbraucher einen Mehrwert darstellen", fordert denn auch Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder. Leicht gesagt, doch welchen "Mehrwert" könnte denn digitales Radio für die Konsumenten überhaupt haben? Drei Antworten sind auf diese Frage immer wieder zu hören: Klangqualität, Verkehrsnachrichten und Zusatzinformationen zur Musik. Doch allenfalls zwei Begründungen davon können gelten.

Kein Stau im Hobbykeller

Denn von der besseren Klangqualität bekommt nur derjenige etwas mit, dessen Digitalempfänger auch an eine hochwertige Hi-Fi-Anlage angeschlossen ist. Radio aber hören die Deutschen vor allem mit einfachen Empfangsgeräten im Auto, in der Küche, im Bad, im Hobbykeller oder mit dem Radiowecker im Schlafzimmer. Bei den Verkehrsnachrichten allerdings gibt es tatsächlich Verbesserungen. Digitalradio ermöglicht es nämlich, die nützlichen Informationen neben dem laufenden Programm zu senden und nach eng begrenzten Regionen aufzuteilen. Wer nicht im Auto sitzt, muss sie überhaupt nicht hören, und wer gerade fährt, bekommt nur die Verkehrsmeldungen angesagt, die ihn wirklich betreffen. Wird das Ganze direkt mit Messapparaten an den Autobahnbrücken kombiniert, könnte das DAB-Radio schon vor einem Stau warnen, der sich gerade erst bildet.

Ein exklusives Angebot könnte das Digitalradio mit üppigen Zusatzinformationen zum Programm machen. Ein Display am Radio würde dann während der Nachrichten auch die Börsenkurse anzeigen, und parallel zur Musik würde das CD-Cover mit Informationen zum Titel des Stücks, dem Interpreten und der Bandbesetzung eingeblendet. "So etwas ist für junge Leute sehr wichtig", sagt Michael Bus, Leiter der Abteilung Programmstrategie beim Südwestrundfunk (SWR). Der Haken dabei: Gerade diese jungen Hörer haben am wenigsten Geld, um sich einen teuren DAB-Empfänger zuzulegen. Schmerzlich hat der SWR diese Erfahrung mit seiner 1997 rein digital gestarteten Jugendwelle DasDing machen müssen. Mehr als 1000 Hörer konnte das digitale Programm nie erreichen. Erst seit es auch über UKW ausgestrahlt wird, ging die Einschaltquote steil nach oben. Immerhin wird DasDing auch weiterhin über DAB verbreitet. Das unterscheidet die Jugendwelle von anderen Programmen, deren digitale Version mangels Hörerschaft inzwischen wieder abgeschaltet wurde.

Der Hörer als Programmdirektor

Die Probleme mit DAB sind aber nicht nur technischer und finanzieller Natur. "Das Schlimme bei der Digitalisierung ist, dass die Technik die Vorgaben macht und nicht die Inhalte", klagt SWR-Programmstratege Bus. Eigentlich sollten zunächst die Redaktionen darüber nachdenken, welche Zusatzangebote journalistisch sinnvoll und machbar wären, meint er. Doch bisher haben die wenigsten Radiomacher eine Vorstellung von den multimedialen Möglichkeiten eines digitalen Mediums.

Dabei kann interaktives Radio durchaus funktionieren, wie im Internet schon heute zu sehen ist. Die Trennung zwischen Sender und Empfänger verwischt sich. Mit einem PC, einer Soundkarte und technischem Geschick kann hier jeder sein eigenes Hörfunkprogramm anbieten. Über 300 deutschsprachige Internet-Sender tummeln sich im Netz, jede Woche werden es mehr. Neben allerhand Newcomern sind inzwischen auch viele traditionelle Radioprogramme verfügbar, aus Deutschland zum Beispiel der Auslandssender Deutsche Welle, die beiden nationalen Hörfunkprogramme Deutschlandfunk und DeutschlandRadio, aber auch regionale Sender wie SWR3 oder das öffentlich-rechtliche Info-Radio in Berlin und Brandenburg.

Wer im Internet Radio hört, ist kein Hörer mehr, sondern User. Er ist nicht mehr gezwungen, dem Programmablauf so zu folgen, sondern kann sich sein persönliches Programm zusammenstellen. Pop, Jazz, Weltmusik oder Klassik - für jeden Musikwunsch gibt es ein eigenes Spartenangebot. Und neben dem Ton werden hier schon längst Hintergrundinformationen übermittelt: vom Titel des Musikstücks bis zum Foto des CD-Covers. Per Mausklick lässt sich die gerade gehörte Musik nachträglich noch auf die Festplatte speichern und anschließend auf CD brennen.

Dieses Radio ist kein Medium mehr, das sich eindeutig von Fernsehen und Online-Zeitungen unterscheidet. Bisher war Radio das schnellste, aber auch das flüchtigste Medium. "Das versendet sich", heißt es unter Radiojournalisten, wenn eine ungenaue Formulierung oder eine falsche Zahl in einen Beitrag gerutscht ist. Künftig werden sie sich von der Vorstellung trennen müssen, dass sie nur fürs Ohr arbeiten. Wer fürs digitale Radio produziert, wird auch Texte und Bilder in seine Beiträge integrieren müssen. Mobiler Internet-Zugang ermöglicht das Senden wie das Empfangen schon heute von fast jedem Ort der Welt aus.

Auch aus Dolldorf. Auch in dem Flecken im niedersächsischen Flachland hat die Zukunft des Radios begonnen. Mit weitem Blick über ein Weizenfeld auf die äsenden Rehe am Waldrand arbeitet hier der Journalist Klaus Jürgen Schmidt. Er ist Gründer von Radio Bridge Overseas, einem unabhängigen Zusammenschluss von Hörfunkjournalisten im südlichen Afrika. Die Zentrale ist eigentlich in Harare, der Hauptstadt von Zimbabwe. Doch seit dort der Bürgerkrieg droht, hat Schmidt seinen Arbeitsplatz verlegt. Harare oder Dolldorf - mit einer Standleitung ins Internet macht das keinen Unterschied.

Die Journalisten von Radio Bridge Overseas übermitteln ihm die Manuskripte und O-Töne aus Afrika jetzt per Datentransfer. Am PC mischt Schmidt sie zusammen. Falls Musikeinblendungen gewünscht sind, holt er sich auch diese aus dem Internet. Die fertigen Sendungen stehen Sendeanstalten in Afrika, Europa und den USA auf der Website der Radiobrücke zur Verfügung. Für Länder, in denen der Internet-Zugang für die Übertragung von Audiodateien noch nicht gut genug ist, lässt Radio Bridge Overseas die Programme auch über den Worldspace-Satelliten ausstrahlen. Die Radioanstalten können sie dann mitschneiden und in ihre eigenen Programme auf UKW, Kurz- oder Mittelwelle übernehmen. "Hier an meinem kleinen PC kann ich inzwischen besser und schneller arbeiten als in einem Studio, für das man vor ein paar Jahren noch 200 000 Mark ausgeben musste", sagt Schmidt.



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