Vor rund dreissig Jahren hatte ich Bremen
verlassen, um in Afrika als
Rundfunk-Berater u.a. dabei zu
helfen, dass Stimmen des Südens von Ohren im
Norden gehört werden können, ich baute an einer
Übersee-Brücke. Nach meiner
Rückkehr merkte ich: In Bremen wird offenbar
für ungehörte Bürgerstimmen eine Brücke zum
Bürgerradio gebraucht!
Als ich vor zehn Monaten einem alten Kollegen
meine Idee vorstellte, Sendungen für den Bremer
Bürgerrundfunk zu produzieren, u.a. mit
deutschsprachigen Programm-Versionen meiner
afrikanischen Kollegen, sagte der mir: Da
kannst du dich gleich auf ein Podest an den
Marktplatz stellen! Und er meinte nicht die
beabsichtigten Programm-Inhalte, sondern eher das
Verhallen im Nichts von Sendungen bei
Radio Weser.TV.
Wie kann das sein, fragte ich mich ein
Bürgerradio, einst eingerichtet, um neben
kommerziellen Radio- und Fernsehbetreibern
Graswurzel-Stimmen eine Chance zu
geben, finanziert aus Bruchteilen der
Rundfunk-Gebühren, verwaltet von den jeweiligen
Landesmedien-Anstalten, in Bremen nun aber kaum
noch wahrnehmbar als öffentliches Medium?
Im Oktober 2013 schrieb ich mich als
Nutzer bei Radio Weser.TV
ein für eine wöchentliche
Einstunden-Radiosendung, auszustrahlen jeden
Sonntagmorgen um 9 Uhr und am selben Tag zu
wiederholen um 21 Uhr. Bei der Einweisung wurde
mir mitgeteilt: Für Radio gibt es drei
Kabelfrequenzen. Über Antenne kann das Programm
in Bremen auf 92,5 Mhz empfangen werden. Und dann
gibt es noch den Audio-Live-Stream im Internet,
abrufbar über die Radio
Weser.TV-eigene Website: www.radioweser.tv/index.php?id=33&L=1
Damit deutschsprachige Hörer in aller Welt auch
nach diesem Live-Stream meine Programme jederzeit
hören könnten, richtete ich auf meiner Website
Links zu identischen Audio-Files mit
zusätzlichen Programm-Informationen ein, die
nach wie vor abrufbar sind: www.radiobridge.net
So liefen also elf Monate lang insgesamt fünf
Sendereihen, von mir zu Hause am PC produziert
und auf USB-Stick beim 3-Köpfe-Team des
Bürgerradios im Hause der Bremer
Landesmedienanstalt am Bremer Richtweg
abgeliefert,
... oder sollten eigentlich laufen im
wie es in einem Flyer von Radio
Weser.TV heisst: Bürgerrundfunk
vier Sender ein Programm Bremen, Bremer
Umland, Bremerhaven und Nordenham. Erst bei
Sendereihe Nr. 3, im Juni 2014, sollte ich
erfahren, dass es sehr wohl vier Sender gibt,
aber die strahlen nicht EIN Programm aus, sondern
irgendwie eigene. Ich hätte mich nicht auf den
Flyer verlassen sollen, und auch nicht auf die
Homepage von Radio Weser.TV (wo es
ebenfalls heisst: Bürgerrundfunk vier
Sender ein Programm), sondern ein
paar Klicks weiter nachgucken, was denn
außerhalb Bremen-Stadt im Bremer Umland,
in Bremerhaven und in Nordenham so läuft,
jedenfalls bis dato keines meiner
Programme!
Nun wäre das unerheblich, hätten potentielle
Hörer des Bremer Bürgerrundfunks Gelegenheit,
anderenorts davon zu erfahren, wo, wie und was
ihnen engagierte Radiomacher zu Gehör bringen
möchten. Und von denen sind einige bald 20 Jahre
dabei. Sie haben erlebt
wie Jahr um Jahr das Budget reduziert und
nicht abgerufene Gelder aus Rundfunkgebühren
statutengemäß bei Radio Bremen landeten,
wie ihnen verboten wurde, selber Sponsoren
für ihre Programmarbeit zu finden, während der
grosse öffentlich-rechtliche Bruder sich immer
öfter Programme ungeniert sponsern lässt,
wie aus einer einst lebendigen
Radiomacher-Community mit einer Begegnungsstätte
in Findorff internetkompatible
Individual-Produzenten wurden, die sich nicht
mehr persönlich kennenlernen, sondern von daheim
oder aus dezentralen Stationen ihre Programme
digital einspeisen,
wie ihr Bürgerradio samt automatisierter
Sendeanlage in drei kleinen Büros im
Verwaltungshaus der Landesmedienanstalt versteckt
wurde,
wie Bremer Politiker eine Debatte darüber
begannen, den Bürgerfunk eventuell ganz
verzichtbar zu machen,
in der Zusammenfassung: wie das Bremer
Bürgerradio zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft
wurde.
Und meine eigene Erfahrung? Ich erlebte am Bremer
Richtweg ein professionelles 3-Köpfe-Team auf
seinem ungerichteten Weg, mit immer weniger Geld
und immer desolaterem Gerät ein Programm
aufrecht zu erhalten, bei dem in einem
28-Tage-Rhythmus Nutzerinnen &
Nutzer mit ihren Produktionen von
insgesamt 672 Stunden lediglich 281 Stunden
belegen (das schwankt: zugrunde gelegt wurde der
Zeitraum 01. - 28.07.2014). In den verbleibenden
391 Stunden läuft automatisierte Musik. Der
grösste Anteil der Programmlosigkeit fällt zwar
in die Zeit zwischen 00:00 und 08:00 Uhr, doch
sind erfahrungsgemäß Nachtstunden für eine
überraschend hohe Zahl von Hörern attraktiv.
(Deutschlandradio hat sich mit der Abschaffung
einer beliebten Nachtfunkstrecke kürzlich
erheblichen öffentlichen Ärger eingehandelt.)
Die an Wochenenden unbeaufsichtigte
Digitaltechnik schaltet gelegentlich
vorproduzierte Programme komplett aus und dafür
zwei Tage lang die im Hintergrund laufende
Musik-Automatik ein. An solchen Wochenenden einen
technischen Notdienst zu alarmieren, bleibt
aussichtslos, es gibt keinen! Betroffene
Programm-Macher erfahren von dem Malheur sowieso
nur, wenn sie es selber hören; informiert werden
sie nur auf Nachfrage. Sie müssen auch selber
nachfragen, wenn z.B. tagelang der Live-Stream
für das Internet ausfällt. Die
Personalknappheit beim Bremer Bürgerradio am
Bremer Richtweg ist eingerichtet!
In den Sendebereichen der vier Standorte
Bremen, Bremer Umland,
"Bremerhaven und Nordenham
produzieren lokale Nutzerinnen &
Nutzer ihre Beiträge für vier
voneinander komplett getrennte Sendeplätze;
somit gibt es vier parallele Programm-Inhalte,
die nicht miteinander koordiniert sind. Für
Bremer Umland (Standort Delmenhorst)
und Nordenham gibt es eigenständige
Organisationsformen, die sich am
niedersächsischen Landesmediengesetz
orientieren. Nur die Standorte Bremen
und Bremerhaven fallen unter die
Bestimmungen des Bremer Landesmediengesetzes und
werden von einem Bürgerrundfunk-Beauftragten der
Landesmedienanstalt von Bremerhaven aus
koordiniert. Dabei hat in der Vergangenheit vor
allem Bremerhaven bei der Investition für
technische Innovationen erhebliche Vorteile
erfahren. Laut Statuten sind die Aufgaben des
Bürgerrundfunk-Beauftragten auf Verwaltung und
Kontrolle begrenzt, kreative Förderung des
Bürgerrundfunks etwa durch
Öffentlichkeits- oder Lobby-Arbeit
scheint nicht zu seinem Job zu gehören.
Ende April 2014 hatte ich allen mir erreichbaren
"Nutzern & Nutzerinnen" sowie
weiteren Bremer Medien-Interessierten in einer
Rundmail vorgeschlagen, in ein Gespräch darüber
einzutreten, wie wir gemeinsam mehr Verantwortung
übernehmen und noch besser Kreativität
entwickeln können. In Rückmeldungen las ich
Frust über sich verschlechternde strukturelle
Rahmen-Bedingungen, über Erfahrungen mit
fehlgeschlagenen Anstrengungen, etwas gemeinsam
anzupacken, über Sorgen, eventuell bei der schon
investierten eigenen Medienarbeit gegängelt zu
werden. Bei allen, die geantwortet haben, war
Skepsis spürbar gegenüber einem Korsett neuer
Strukturen, etwa durch die Gründung eines
Vereins, wie ich ihn vorgeschlagen hatte, aber
bei allen war auch die Bereitschaft spürbar,
sich eventuell und vorsichtig auf Versuche
einzulassen, die aus unserer Vereinzelung
herausführen könnten.
In Bremen haben Institutionen, Stiftungen und
Vereine, die sich kulturellen und sozialen
Aufgaben widmen, bisher kaum das ihnen
zugestandene Recht genutzt, beim hier
existierenden Bürgerrundfunk mitzuwirken, um
ihre Arbeit vorzustellen, sei es in eigenen,
vorproduzierten Sendereihen oder in redaktionell
bearbeiteten Live-Mitschnitten ihrer
öffentlichen Auftritte. In den vergangenen
Monaten habe ich mich als Besucher zahlreicher
Veranstaltungen in Bremen immer öfter gefragt,
warum wird hier nichts aufgenommen, weshalb ist
davon nichts im Bremer Bürgerrundfunk zu hören?
(Dass ich dort in der Regel auch keine Teams von
Radio Bremen entdeckte, ist hier nicht
Debatten-Gegenstand!)
Eine Bürger-Brücke z.B. als
Produktionsgenossenschaft für das Bürgerradio
angesiedelt bei der Bremer Bürgerstiftung mit
ihren Institutionen, Stiftungen und Vereinen
könnte auch den bisherigen Machern des
Bremer Bürgerfunks neue Impulse geben, ihnen
zugleich eine neue Begegnungsstätte bieten und
dabei ihre Kreativität mit der Vermittlung von
Medien-Kompetenz weiter fördern.
Kontakt:
radiobridge@aol.com
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